GITTE HAENNING
smago! Konzert-Kritik “Für IMMER und NEU 2023” – Sa., 11.03.2023, “Tipi am Kanzleramt”, Berlin!

“… dann hören wir ihre alten Lieder eben auf SPOTIFY”: Gitte Haenning singt Stefan Gwildis, Herbert Grönemeyer, Ulla Meinecke, Paul Simon … – aber seltenst (!) Gitte Haenning …!

 

 

Zuallererst – ganz gleich, wie diese Kritik auch immer ausfallen wird … – unsere absolute Hochachtung vor der immerhin bald 77 Jahre alte GITTE HAENNING, dass sie – trotz schwerer bis sehr schwerer Erkältung – ihre insgesamt 4-tägige “Deutschland-Premiere” ihres neuen Programms “Für IMMER und NEU 2023” nicht abgesagt, sondern trotzdem durchgezogen hat. (Und das, obwohl die (ersten) Vorstellungen diesmal bei weitem nicht ausverkauft waren.) Selbst die “Berliner Morgenpost” befindet: “Selbst erkältet hat die 76-jährige Gitte Haenning immer noch mehr Stimme als die meisten in ihrer Branche.”

Zwischen Gitte Haenning und dem “Tipi am Kanzleramt” besteht seit jeher eine tiefe Verbundenheit. Mit der Show “Gitte, Wencke, Siw” feierte sie mit Wencke Myhre und Siw Malmkvist herausragende Erfolge. Und in den Folge-Jahren gastierte Gitte mit all ihren weiteren (Solo-Bühnenprogrammen (“Ich will alles”, “Was Ist wollt”, “All By Myself”, “Meine Freunde, meine Helden – Ihre Gitte” und “Still Crazy”) in dem der vielleicht schönsten (Varieté-)Theater dieser Größenordnung in Deutschland.

Und so ist es denn auch kein Wunder, dass die Deutschland-Premiere von “Für IMMER und NEU 2023” vom 09.03. – 12.03.2023 im “Tipi am Kanzleramt” über die Bühne ging.

“Gitte Haenning präsentiert in einer feinen, kleinen Besetzung , begleitet von Sebastian Weiß am Flügel und Olaf Casimir am Bass) ihre Lieblingssongs musikalisch frisch und lebendig.”, wird das Wesentliche in einem Satz auf den Punkt gebracht.

Gitte Hannening singt Stefan Gwildis, Herbert Grönemeyer, Ulla Meinecke, Paul Simon … – aber seltenst (!) Gitte Haenning …! Und dabei steht in der Programm-Vorschau geschrieben:  hre alten Hits wie ‘Ich will ‘nen Cowboy als Mann’ hat sie nach wie vor im Programm, präsentiert sie aber in einer zauberhaften Blues-Version.” Unter dem Hinweis “Änderungen vorbehalten!” waren für diesmal auch Titel wie “Wenn du musikalisch bist”, “Ich hab’ die Liebe verspielt in Monte Carlo” , “So schön kann doch kein Mann sein” und – eben – “Ich will ‘nen Cowboy als Mann” angekündigt. – Diese Titel singt alle nicht!

In dem insgesamt vielleicht 110-minütigen Programm bekommt man gerade einmal drei der klassischen Gitte-Hits geboten: “Junger Tag” (natürlich mit dem Hinweis, dass sie dieses Lied eigentlich gar nicht singen wollte) und – ganz zum Schluss – “Freu dich bloß nicht zu früh” (, was sich tatsächlich auch sogleich bewahrheitet, denn – erkältungsbedingt! – schafft Gitte die Höhen und die ganz langen Töne nicht; sie versucht es auch gar nicht erst, ABER: Das ist einzig und allein ihrer Erkältung geschuldet und somit  entschuldigt) und “Ich will alles”.

Wenn man ein Konzert von Gitte Haenning besucht, muss man schon leicht masochistisch veranlagt sein. Und Gitte quält die immer noch vielen Fans ihrer großen Pop-Songs speziell aus den 80ern, die sie auch als “die alten Schlager” abtut, mit einer regelrechten Wonne, um sich dann – nach Ablauf eines guten Dreiviertels ihres Programms – sinngemäß bei ihrem Publikum zu bedanken, “dass Sie das alles mitgemacht haben”.

Wobei man ihre beiden Musiker – Sebastian Weiß am Flügel und Olaf Casimir am Bass – nicht oft genug über den grünen Klee loben kann. Musikalisch ist das alles allerste Sahne. Und Gitte Haenning selbst ist – selbst mit schwerer bis sehr schwerer Erkältung – stimmlich immer noch absolut überragend. Dass sie in Sachen Repertoireauswahl nicht zwingend den Massengeschmack trifft, ist absolut so gewollt (Gitte muss wirklich eine leicht sadistische Ader haben). Andererseits weiß man das mittlerweile auch, wenn man ein Programm von Gitte Haenning besucht. Und braucht sich deswegen auch nicht zu “beschweren”.

Nachdem sich ihre Begleitmusiker kurz eingespielt haben, kommt Gitte – in bester Mary Poppins Manier – mit einem Regenschirm auf die Bühne … Passend zu ihrem ersten Song, in dem sie sich freut “Der Regen ist herrlich”. Mit “Dieser Augenblick (mit dir)” präsentiert sie sogleich das nächste unbekannte Stück.

“Wir freuen uns, dass wir hier im Tipi antreten können dürfen”, sagt Gitte gleich zu Beginn. Sie möchte die Zuschauerinnen und Zuschauer “auf eine kleine retrospektive Reise mitnehmen”. Deswegen hat sie mit ihrer “Band” “ein retrospektives Medley für Sie zusammengestellt, das wir ganz lustig finden, und hoffen, dass es ein bisschen Spaß macht. Wir nennen es ‘Peinlich-Medley’. Sie werden erfahren, warum …”

Nun, Gitte weiß zu berichten, dass man Ende der 60er Jahre einen Starproduzenten für sie engagiert haben, um “um Hand und Fuß für Erfolg zu erlangen”, wie sie es ausdrückt. “Ich war ein bisschen unzufrieden mit ein paar Zeilen und bat, ob er das doch nicht ändern könnte. Das wollte er nicht.” Auch ihr damaliger Freund vermochte nichts auszurichten. “Am nächsten Tag habe ich diesen Vertrag gecancelt. Das kann man machen. Aber ich habe das dann durchgezogen – in erster Instanz.” Dabei herausgekommen sind Song-Perlen wie “Bums-da-bums-da-di”, der “Unterwasser Cha-Cha” und “Aber heimlich”. Im Zusammenhang mit dem “Unterwasser Cha-Cha” kam Gitte auch auf Bill Ramsey zu sprechen: “Das hat er ganz, ganz toll gesungen. Ich mag Bill Ramsey wahnsinnig gerne. Er spielte den Clown, aber im Ursprung war er und ist er immer noch ist ein großartiger Jazz-Interpret.” Nun, vielleicht sollte irgendwer Gitte einmal darüber aufklären, dass Bill Ramsey bereits Anfang Juli 2021 verstorben ist …

“Jetzt sind sie informiert – nicht wahr?”, meinte Gitte lakonisch nach besagtem “Peinlich-Medley”. “Sie wissen, dass ich erkältet bin – Verzeihung. Entschuldigung.”

Fünfzig Jahre ist es her, dass Gitte die Fahnen Deutschlands beim “Eurovision Song Contest 1973” vertrat. Doch selbst zu diesem “Schlager” – “Junger Tag” – hat Gitte eher ein ambivalentes Verhältnis. Sie wollte den Titel eigentlich nicht singen. Und erst recht nicht beim ESC! “Diese drei Minuten. Warum und wozu? Ich bin doch schon bekannt. Lasst doch den Jungen ein bisschen Platz.” ((Gitte war damals 26 …)) Andererseits: “Das Dach musste repariert werden” in ihrem Sommerhaus in Dänemark. “Also sagte ich JA, aber ich meinte NEIN …”. Dass sie den Titel trotzdem singt, quittiert sie sinngemäß “gönnerhaft” mit den Worten, dass sie das Gefühl habe, (dem Publikum) etwas Gutes zu tun … (Ach, hätte es doch nur mehr solcher Momente gegeben … Aber: Der CD-Titel “Was Ihr wollt” hatte sich schon damals als eher eine hohle Floskel entpuppt, denn Gitte macht seit jeher das, was SIE will …

Leider passen einige ihrer Ansage nicht so recht zusammen. So berichtet Gitte, dass sie langen auf einen “Progress” in den 70ern in der deutschen Musikbranche, in der deutschen Popbranche, gewartet habe. “Dass die jungen Leute nun endlich durchbrechen konnten.” Und:
“Endlich kam eine durch: Ulla Meinecke. Die hat es geschafft. Mit einem wunderbaren Lied.” Es sei ihr “eine riesengroße Freude” gewesen (“, weil: Da passierte was im Land”). Sie selbst habe 1983 eine Goldene Schallplatte bekommen. “Aber sie ((Ulla Meinecke))” auch. NUR: Der Titel, den Gitte meint (und auch singt) – “Lieb ich dich zu leise” – erschien erst 1988 … (Und die Neue Deutsche Welle begann im Grunde genommen ja auch erst so richtig Anfang der 80er Jahre …)).

Des Weiteren berichtete Gitte, dass es einst eine Zusammenarbeit mit Rio Reiser gab. “Wir haben miteinander zu tun gehabt. Ich war nicht für, dass man das rausbringen sollte. Ich fand das nicht ausreichend.” In Erinnerung an Rio Reiser präsentiert sie in ihrem aktuellen Bühnenprogramm die Titel “Halt dich an deiner Liebe fest” und “Alles Lüge”.

“Es gibt ein paar andere ‘Kerle’ in Deutschland, die auch was drauf haben … Ein toller, richtig bodenständiger, norddeutscher Typ” sei Stefan Gwildis. “Er ist Reifenverkäufer”, berichtete sie fast ein wenig verächtlich. Immerhin war ihr der Titel “Für immer und ewig” von Stefan Gwildis gut genug, um Einzug in ihr aktuelles Programm zu erhalten.

Herbert Grönemeyer heißt bei Gitte Haenning nur Herbert Grölemeyer. Aber: “Seine Texte sind hervorragend.” Und so hat sie sich auch von ihm einen Song herausgepickt (“Immerfort”).

Im zweiten Programmteil zeigt sich Gitte Haenning auch nicht wesentlich kompromissbereiter. Neben einem “Mary Poppins” Medley (ganz ohne Regenschirm übrigens …) singt sie Lieder von Paul Simon (“Fifty Ways To Leave Your Lover”) oder Charlie Chaplin (“Smile”).

“Wir sind fast am Ende – und ich sowieso …”. Doch wie eingangs bereits angedeutet, hält Gitte zumindest noch zwei Schmankerl für ihr Publikum parat. “Jetzt können Sie mich wieder unterstützen. Das können Sie auch, weil: Sie kennen ja die alten Schlager!”. Nach “Freu dich bloß nicht zu früh” fordert Gitte zu “Ich will alles” sogar: “Mitsingen !!!”. (Was bei den eigenwilligen Neu-Interpretationen ihrer Pop-Songs, Pardon – ihrer alten Schlager – gar nicht immer so einfach ist.

Als (weitere) Zugabe gibt es dann nur noch die Kurz-Version eines dänischen Kinderlieds.

Gitte bleibt eben Gitte …

Ein Erlebnis sind ihre Konzerte allemal. Nur sollte man diese vielleicht besser unter “Abenteuerurlaub” verbuchen …

PS: Dass ihr nächstes Programm “Nein, meine großen Erfolge sing’ ich nicht!” heißen soll, ist nur ein böses Gerücht … Und wie gesagt: Zwischenzeitlich weiß man ja auch, worauf man sich einlässt, wenn man ein Konzert von Gitte Haenning & Band besucht … Ohnehin werden wir Gitte nicht mehr “umerziehen” können.

Wie brachte es ein Zuschauer in der Pause doch so treffend auf den Punkt …: “… dann hören wir ihre alten Lieder eben auf SPOTIFY” …

 

Foto-Credit: Barbara Braun
Textquelle: Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de

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