DIE CAPPUCCINOS
Die CD "Zusammen stark" im Test von Holger Stürenburg!

Welches Gesamtresümée der renommierte Musikjournalist zieht…: 

Nach der Veröffentlichung ihres hochgelobten, auch kommerziell erfolg- und ertragreichen – insgesamt vierten – Studioalbums „Wie geil ist das denn?“, dessen Titelsong sogar für eine Auszeichnung mit dem begehrten smago!-Award in der Kategorie „Bestes Musikvideo des Jahres 2013“ gut war, durchlebte die deutsch-holländische Schlagerband DIE CAPPUCCINOS so einige Turbulenzen. Die besonders bei den weiblichen Fans immens beliebten niederländischen Gebrüder Rene und Michel Ursinus, mitsamt ihres aus dem Thüringischen Suhl stammenden Mitstreiters Peter Brückner, trennten sich zunächst im Spätsommer 2014, in aller Freundschaft, wie überall betont wurde, von ihrem bisherigen Schlagzeuger Robert Kaufmann. Kurz darauf –  die erste Best-of-Koppelung des nunmehrigen Trios stand gerade in den Startlöchern – endete abrupt die Zusammenarbeit der „Cappuccinos“ mit ihrer Entdeckerin und Mentorin Kristina Bach, die diese Schlager-Boygroup im Jahr 2008 im Rahmen eines Wettbewerbs der Zeitschrift „SuperILLU“ zusammengecastet hatte.

Nun standen die verbliebenen Drei ohne Plattenvertrag ebenso da, wie ohne Produzenten und Songschreiber – denn die Lieder ihrer ersten drei CDs waren fast ausnahmslos von „Lady Bach“ persönlich ersonnen worden. Da sich Die Cappuccinos im Laufe dieser sechs erquicklichen Jahre eine breite Fan-Basis aufbauen konnten, beschlossen Rene, Michel und Peter zwecks Realisation eines neuen tönenden Lebenszeichens einen außergewöhnlichen Weg zu beschreiten, den zuvor überwiegend schräge Avantgardekünstler, mainstream-ferne Indie-Freaks oder in die Jahre gekommene Art-Rock-Heroen gegangen waren.

Sie bedienten sich der Methode des sog „Crowdfundings“, um die Finanzierung ihres neuen Tonträger „ZUSAMMEN STARK“, der soeben beim kleinen holländischen Plattenlabel Twenty Fifteen Records / VOLENDA Music (Vertrieb über INDIGO) erschienen ist, garantieren zu können. „Crowdfunding“ bedeutet, dass eine Produktion von den Fans eines Vorhabens sozusagen vorfinanziert wird. Die Truppe rief also ihre Freunde und Anhänger über ihre Facebook-Seite auf, sich mit Spenden in gewisser Weise in die Herstellung des neuen Albums „hineinzukaufen“. Als sich die ersten 100 Fans bei der Crowdfunding-Seite Startnext.de angemeldet hatten, begann die Finanzierungsphase des Projekts. So kamen im Laufe der Zeit die benötigten 20.000 Euro zusammen – wofür sich die Band selbst bald mit z.B. einem selbstgekochten Drei-Gänge-Menü, Wohnzimmer- und Livekonzerten bei ihren Fans und Unterstützern bedanken möchte.

Nun liegt also das Ergebnis dieses monetären Wagnisses vor – und wir Schlagerfreunde können uns mittels „ZUSAMMEN STARK“ die ersten 14 „CAPPUCCINO“-Titel, die jenseits des musikalischen Imperiums „der Bach“ entstanden sind, in Ruhe zu Gemüte führen – und nicht wenige derer, können sich tatsächlich zweifellos sehr gut hören lassen.

Bereits bekannt aus Funk und Fernsehen und zugleich fraglos chancenreich in der Schublade „Anwärter auf DEN Sommerschlager 2015“ ausharrend, ist die flockig-fröhliche, schnuckelig-verliebte erste Single-Auskoppelung aus vorliegender CD, die da heißt „Rosanne“, schon im März diesen Jahres in der zweiten Ausgabe von Ross Anthonys neuer, famoser TV-Show „Meine Schlagerwelt – Die Party“ erstmals dem Fernsehzuschauer schmackhaft gemacht wurde und die mit ihrer zackig-bläserdurchzogenen, sommerlich-frischen Reggae-Pop-Mixtur einwenig als eine spezielle Art „WIND“ 2.0 (vgl. „Lass die Sonne in mein Herz“, 1987) durchgehen kann. Dass die Refrainzeile „ROSANNE – Ich weiß, dass Du viele MÄNNER liebst“ formulierungstechnisch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, mag der Sprachfetischist in mir durchaus kritisch anmerken dürfen – aber der durch und durch liebenswerte Trashfaktor der phonetischen Umsetzung „ROSÄÄNÄÄÄ – Ich weiß, dass Du viele MÄÄNÄÄÄ liebst“ sorgt auf jeden Fall für einen hohen Widererkennungswert, für Spaß und Freude am Relaxen und Sonnen in der brütenden Gluthitze!

Der rockig-fetzige, nächtlich-urbane Hochglanz-Eröffner „Lass uns lieben“ – straight, vorpreschend, voranstrebend, elegant, melodisch irgendwie an den 1980er-Geheimtipp „Love and Loneliness“ der seligen Londoner Wave-Band „The Motors“ gemahnend – wäre ob seiner vor allem musikalischen Substanz genauso als Singleauskoppelung geeignet, verstört aber inhaltlich – trotz der Mitwirkung von Profilyriker Tobias Reitz, dem eigentlich keiner so schnell ein X für ein U vormacht – mit einer arg abstrusen, banalen Story über das grundlose Verlassen, Wiedertreffen, wieder Verlassen und so weiter einer angeblich bedeutungsvollen Liebschaft, gipfelnd in der im Refrain geäußerten Forderung „Lass uns lieben!“… ja, wen sollen wir denn nun lieben?… uns, das (einstige) Paar gegenseitig? oder jemanden anderen? oder unseren Goldhamster?? Fragen über Fragen…

Auch die kesse Nachtleben-Ode „Lila Feuerwerk“ kann in klanglicher und kompositorischer Hinsicht nur als äußerst kompakt, antreibend, melodisch und eindringlich klassifiziert werden, konterkariert den positiven Eindruck jedoch schnell Dank eines – diesmal von der Band selbstverfassten – Textes, der vor schon tausendfach zuvor verbratenen Schlagerplattitüden von „siegen“ bis „fliegen“ bis zum ’Start ins neue Glück‘, das ‚Feiern der Liebe‘ und das ‚Leben unseres Traumes‘ etc. nur so überquillt. Knackig-aufwühlend, energetisch und dabei stets apart und schnittig, erklingen gleichermaßen der edle Riff-Rock-Hammer „Tief in mir“, der so abgeklärte, wie zickige, rasante und intensive Poprock-Hymnus „Bilder von Dir“ oder der spürbar US-amerikanisch inszenierte, streicherverzierte Romantikpop-Höhepunkt „Das wird ´ne Wahnsinnsnacht“, während der offensive Gitarrenrocker „Nicht überlebensfähig“ sogar in puncto Dramatik, Breitflächigkeit und Rhythmik sachte, aber deutlich hörbare Reminiszenzen an „U2“ aus deren Tagen von „Joshua Tree“ oder „Achtung Baby!“ mehr als nur gekonnt verarbeitet.  

Die stille, zerbrechliche Gitarrenballade „Wir sehen uns wieder“ hat der Berliner Schlagersänger und Produzent Mitch Keller geschrieben, der kürzlich seine eigene Debütsingle „Sieben Leben“ veröffentlicht hat; begleitet werden die „Cappuccinos“ bei der Instrumentierung dieses prickelnden Kaminfeuerschleichers vom 62köpfigen „The City of Prague Philharmonic Orchestra“, dem bekannten Sinfonieorchester aus der tschechischen Landeshauptstadt.

„Wer das Leben liebt“ ist ein exquisiter, temporeicher Folk-Country-Chanson-Verschnitt mit Akkordeon, Banjo und Akustikgitarren. Der philosophisch anmutende Text stammt erneut von Tobias Reitz; komponiert wurde der flotte Ohrwurm von „Tol & Tol“, den berühmten Landsleuten (zumindest einen Teils) der „Cappuccinos“, die 1989/90 den rührigen Welthit „Eleni“ erschufen, welchen wir auf Deutsch z.B. von Andrea Jürgens („Eleni hieß das Mädchen“, 1993) oder Roland Kaiser („Sommer in Deinen Armen“, 2007) kennen.

Letzterer zeichnet u.a. für die gar nicht so üblen Textreime der latent rockigen Liebeserklärung „Du warst nicht zu verhindern“ verantwortlich und verabreicht durch sein Tun dieser anregend-heiteren, orchestral wiederum von den Prager Philharmonikern verstärkten, sehr Sixties-beeinflussten Beat-Swing-Orgie den spezifischen Pfiff. Als lyrisch dagegen unter aller Kanone (und ebenso musikalisch kaum Spannung und Emotionen erzeugend) erweist sich die unnötig aufgebauschte, von einem unglücklichen Schepperrhythmus geführte Folk/Schunkel-Popballade „Wahrheit“, die bei Freunden anspruchsvoller Schlagertexte mittels dümmlicher Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich-Mentalität a la „Ich werde wieder wach von diesem Morgenlicht / Und seh‘ ein Negativ von Dein’m Gesicht“ mehr als nur leichtes Kopfschütteln auslöst.

„Affären tun weh“ dringt im Sinne eines feinsinnigen, romantischen Popkleinods a la Roy Orbison oder Cliff  Richard gemächlich, schwärmend und zum Schluss hin prachtvoll aufgedonnert vom „The City of Prague Philharmonic Orchestra“ aus den Boxen, verfasst von erwähntem Brüderpaar „Tol & Tol“, in Kooperation mit dem längst erwachsen gewordenen, niederländischen Ex-Teeniestar Jan(tje) Smit; das gekünstelt südamerikanisch geprägte Durchschnitts-Schmankerl „Oh Magdalena“ verbleibt hingegen leider auf dem Niveau eines erzwungen frohsinnigen und auf feurige Ferienliebe getrimmten, dabei überaus penetrant wirkenden Urlaubsschmus‘ ohne Charme und Schmiss.

Mit einem intimen, vom leisen Piano eingeleiteten Abschiedsgruß namens „Goodbye“, zu dem noch einmal der 35jährige Germanist Tobias Reitz tatsächlich treffliche, passende Worte fand und der sich nach und nach zu einem bombastischen Beinahe-Gospel auswächst, endet das gewagte Comeback von Rene‘, Michel und Peter auf musikalisch hochwertigstem Standard.

„Zusammen stark“ ist weitaus rockiger, vielseitiger, effektiver, in sich geschlossener, dichter und dauerhafter ausgefallen, als es bei den überwiegend ja eher bieder-juvenilen Popschlagern aus der Ära der Anfänge unter den Fittichen von „Lady Bach“ der Fall war. Die konsequente Hinwendung in Richtung Rock-Appeal, lauterer Gitarrensounds und gereifteren, klanglichen Umsetzungen bekommt den drei „Cappuccinos“ außerordentlich gut. Doch, wie beschrieben, sind nicht wenige Betextungen der per se mehr als nur gelungenen und ansprechenden Kompositionen oft eher als ‚lyrischer Kinderteller‘, denn als ernstzunehmender, sprachlicher Ausdrucksreichtum auszurufen. Obwohl Könner, wie Roland Kaiser, Tobias Reitz, Mitch Keller und andere namhafte Musikschaffende an den Textkonzepten beteiligt waren, wirken manche Wendungen und Wortkombinationen zweifellos arg zusammengewürfelt und zudem wenig durchdacht.

Trotz allem – und sogar, obwohl sie auf dem Frontcover des CD-Booklets so ausschauen und dreinblicken, als hätten sie gerade den Crossover-Kollegen von „Adoro“ die feinen Anzüge geklaut – begeistern Die Cappuccinos auf „Zusammen stark“ überwiegend mit krossem, knackigen Poprock bester Machart, der bedauerlicherweise (und nahezu ausschließlich) wegen der oft arg unbedarften bis real schlicht-tumben Bereimungen einiges an seiner Qualität einbüßt. Mit besserem, gewählterem Textmaterial dürfte den „Cappuccinos“ in ihrem weitgehend überzeugend und packend ausbaldowerten aktuellen Pop-Rock-Kontext eine gute Zukunft beschert sein!

Holger Stürenburg, 01./02. Juli 2015 (Textvorlage)
http://www.20fifteenmusic.com/
http://www.die-cappuccinos.com

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