HOWARD CARPENDALE
“Heute legt man viel mehr Wert auf Tanzschritte und einstudierte Bewegungen …”:

…, “die wenig mit Personality zu tun haben”- Das große smago! Exklusiv-Interview mit Howard Carpendale zu seiner neuen CD “Symphonie meines Lebens 2”!

 

 

Herr Carpendale, als Sie Ihr erstes symphonisches Album aufgenommen haben, hatten sie da bereits schon „Folge 2“ im Hinterkopf?

Es ist einfach eine nostalgische Angelegenheit. Und ich glaube, dass das Publikum im Moment sehr gerne hört. Man redet immer von ‘zur Normalität zurückkehren’, dabei war ‘das Normale’ gar nicht SO gut. Aber zumindest merke ich, dass es den Menschen gut tut, diese alten Titel wieder einmal zu hören.

Sie hatten bislang 51 Singles in den deutschen Charts, weitaus mehr als Udo Jürgens und Roland Kaiser. SO gesehen wäre also durchaus noch ‘Stoff’ für ein drittes oder gar viertes symphonisches Album. Wäre dies ein denkbarer Weg für Sie?

Ich wage es im Moment überhaupt nicht, über Pläne zu reden, weil wir überhaupt keine Ahnung haben, wie es weitergeht in dieser Welt, und ich glaube, das ist genau das, was die Menschen alle sehr verunsichert – mich inklusive. Dieses Gefühl, wie wird es nächstes Jahr sein. Ich meine, es gibt manche, die prognostizieren, dass uns Corona noch die nächsten Jahre bewegt. Ich hoffe nur jeden Tag, dass jetzt die Nachricht kommt, dass wir einen Impfstoff gefunden haben, damit es nicht so viele Tote gibt – ganz besonders in Amerika, wo ich zwanzig Jahre gelebt habe und dass diese Welt wieder ein bisschen zu sich findet. Deswegen glaube ich nicht, dass ich ins Tonstudio gehen und ein ganzes Album mit neuen Songs aufnehmen würde. Das passt nicht. Ich finde, dieser Rückblick tut – auch mir gut -, diese Titel wie “Dann geh doch” oder “Du fängst den Wind niemals ein” wieder einmal zu singen. Für mich kommt da ein sehr vertrautes Gefühl auf.

Konnten Sie diesmal überhaupt selbst nach London reisen? Speziell auch für den Videoclip zu “Dann geh doch”?

Es musste alles anderweitig geregelt werden. London war eigentlich dicht zu der Zeit. Wir hatten Glück, dass das Orchester überhaupt aufnehmen konnte. Die haben, wie man im Video sieht, sehr weit auseinander gesessen, die haben es auch in zwei Schichten an unterschiedlichen Tagen aufgenommen – also die eine Hälfte des Orchesters zuerst und am nächsten Tag dann die andere Hälfte. Ich glaube sogar, dass das mit dazu geführt hat, dass der Klang dieses Orchesters noch schöner ist und die Arrangements noch mehr zur Gelten kommen.

Dennoch sind Sie der erste deutschsprachige Künstler überhaupt, der zwei Alben in Folge in den legendären Abbey Road Studios produzieren durfte. Was bedeutet das für Sie?

Ich glaube nicht, dass es für einen Künstler eine größere Ehre gibt als da zu singen, wo alle namhaften Künstler der Welt schon einmal waren. Ich war – vor vielen, vielen Jahren, in den 60ern – mit den Bee Gees in den Abbey Road Studios. Das klingt jetzt wie ‘Name dropping’, aber: Wir haben an einem Tag die Beatles im Apple Büro besucht und waren dann sogar im Kontrollraum der Abbey Road Studios, als dort gerade die Bee Gees einen Titel aufgenommen haben. Ich habe nie gedacht, dass ich selber irgendwann mit diesem Orchester da stehen würde. Es ist unglaublich für mich.

Ihr Album “Symphonie meines Lebens 2” geht auch deswegen in die Geschichte der Abbey Road Studios ein, weil es das erste Album nach dem Lockdown war, das dort produziert wurde. Haben Sie eine besondere Euphorie gespürt, dass es ‘wieder los geht’?

Wie gesagt, ich war nicht dabei. Der Londoner Arrangeur James hat mir jedoch am Telefon gesagt, dass es schon eine tolle Stimmung war für die Musiker, die seit Monaten nicht mehr zusammenspielen konnten. Gleichzeitig hat er aber gesagt: ‘Es kann auch das Ende von diesem Orchester sein.’ Das wäre eine Katastrophe!

Sie sollen – überraschenderweise – im Vorfeld dieser Album-Veröffentlichung gesagt haben, dass (die Neuaufnahme von) “Das schöne Mädchen von Seite 1” – Zitat – “einer der wichtigsten Titel auf dem Album” sei. Dabei hatten Sie diesen Titel über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, aus Ihren Live-Programmen verbannt. Woher rührt dieser Sinneswandel?

Ich kann mich nicht erinnern, gesagt zu haben, dass es eine der wichtigsten Nummern ist. Ich sage, das ist eine der Nummern, die am meisten auffällt. Ich singe den Titel in dieser Form mit den Rap-Einlagen schon seit ein paar Jahren bei meinen Live-Shows und jetzt haben wir ‘Das schöne Mädchen von Seite 1’ auf Platte erscheinen lassen. Es deckt ein bisschen die humorvolle Ecke auf dem Album ab, ein bisschen über sich selbst lustig machen. Das kann man wahrscheinlich nur mit einem Titel auf dem Album. Wenn ich die Nummer jetzt, nachdem ich sie neu im Studio aufgenommen habe, höre … – natürlich, es ist ein Text aus den 70er Jahren -, aber es geht richtig ab. Da geht die Sonne auf (lacht).

Der wahrscheinlich wichtigste Titel ihrer Karriere überhaupt dürfte “Da nahm er seine Gitarre” sein. Zum einen, weil er 1974 ihr ‘erstes Comeback’ nach etwas mageren Jahren einläutete, aber auch, weil damit der Songschreiber Howard Carpendale geboren wurde. Was würden Sie heute machen, wenn es diesen Song nicht gegeben hätte, mit dem es eigentlich ja erst so richtig los ging?

Es war kein Comeback. Es war zu einer Zeit, wo meine Musik – nach ‘Das schöne Mädchen von Seite 1’ – nicht sehr erfolgreich war und ich vorgeschlagen habe, meine eigene Musik zu schreiben. Ich hatte sogar eine Wette mit meinem Schallplattenchef gemacht: Entweder lässt er mich zwei Titel schreiben, selber produzieren und auf den Markt bringen oder ich hätte eigentlich keine Lust mehr, in Deutschland zu singen. Daraufhin sagte er: ‘Okay, dann bekommst du zwei Chancen’. ‘Da nahm er seine Gitarre” war meine allererste Komposition und auch eine ganz andere Richtung nach dem ‘schönen Mädchen’. Und wenn es Titel wie “Da nahm er seine Gitarre” und “Du fängst den Wind niemals ein” mit genau der gleichen Geschichte danach nicht gegeben hätte, dann würden wir heute nicht miteinander sprechen.

Sie sind der erste Entertainer in Deutschland überhaupt, der in seinen Konzerten auch Titel von anderen Künstlern gesungen hat. Wieso, meinen Sie, war das in Deutschland lange Zeit ‘verpönt’ oder zumindest nicht üblich?

Das ist der Vorteil, wenn man Angelsächsisch ist, dann weiß man eigentlich immer ein bisschen mehr als hier in Deutschland.

Wir haben immer wieder die Frage gehört: DARFST du überhaupt von jemand anderem einen Titel singen? Das war immer Nonsens. Natürlich kann man! Ich finde, ein Lied ist zwar für eine Stimme geschrieben, aber es ist sehr interessant zu hören, wie jemand anderes ein Lied interpretiert. Und das war für mich immer selbstverständlich. Ich glaube, die ersten Titel, die wir auf die Bühne präsentiert haben, war ‘Daylight In Your Eyes’ von den No Angels. Da waren die Leute ganz verblüfft.

Wie sehr hat es Sie ‘getroffen’, dass Kerstin Ott ganz offen eingestanden hatte, ihren Superhit “Nachts, wenn alles schläft” vorher gar nicht gekannt zu haben? Sie gab vor, diesen zum ersten Mal in einer TV-Show von Florian Silbereisen gehört zu haben. Eigentlich ist es ja kaum vorstellbar, dass man diesen Song NICHT kennt …

Es ist absolut vorstellbar, weil die Zeiten sich ändern. Früher hat man mir einen Bekanntheitsgrad von 95 Prozent nachgesagt. Das wird wohl stimmen. Inzwischen gibt es eine Generation, die kaum Fernsehen schaut, die eigentlich nur im Social Media Bereich zugange ist. Ich kann das durchaus verstehen. Von den jungen Musikern, die heute die Charts besetzen, kenne ich die Hälfte auch nicht.

Wie sehr lastet die Bürde auf Ihnen, einer der letzten großen Entertainer unserer Zeit zu sein? Es gibt zwar viele erfolgreiche SÄNGER, aber der Beruf des Entertainers scheint ja mehr oder weniger auszusterben (, von ganz wenigen Ausnahmen einmal abgesehen) …

Was ich daran traurig finde ist die Tatsache, dass man heute viel mehr Wert auf Tanzschritte und einstudierte Bewegungen legt, die wenig mit Personality zu tun haben. Wenn ich an Elvis Presley oder – noch weiter zurückgehend – Sammy Davis jr. und Dean Martin denke: Deren Erfolg war nicht vordergründig die Stimme und ihre Bewegungen, sondern die Persönlichkeit, die dahinter steckte. Ich finde diese Entwicklung sehr schade. Man sieht es im Fußball, man sieht es eigentlich in allen Sportarten, auch im Tennis. Wo sind die John McEnroes, die Jimmy Connors, die Boris Beckers – die gibt es nicht mehr. Es ist komisch, dass wir von Personalität abgedriftet sind. Ich hoffe, dass das nicht mehr lange so bleibt. Auch in der Politik.

Im kommenden Jahr würde die ZDF-Sendung “disco” ihr 50-jähriges Jubiläum feiern. Waren Sie lieber in der “ZDF-Hitparade” oder in der “disco” zu Gast?

Die hatten beide eine unglaubliche Zuschauerzahl. Wobei die ‘ZDF-Hitparade’ wahrscheinlich ein bisschen spannender wegen des Formats war. Aber: Beide Sendungen waren sehr wichtig. Und ja, es ist sehr schade, dass es heutzutage in Deutschland nicht mehr solche KURZEN Shows gibt. Ich finde, eine Dreiviertelstunde kann auch interessant sein. Aber solche Sendungen gibt es kaum noch.

Für die zweite Symphonie Ihres Lebens haben Sie – neben zehn großen Hits – auch wieder zwei verborgene Schätze geborgen, u. a. auch den Titel “Ein paar sind immer über den Wolken”. Wieso war Ihnen gerade DIESER Song so wichtig in dieser Zeit?

Ich singe dieses Lied schon seit dreißig Jahren, mit ein paar Textänderungen. Ich möchte keinen mit dieser Nummer ‘belasten’, aber für mich ist das das geilste Arrangement, das ich je gesungen habe. Ich finde, diese Version ist ein absoluter Hammer!

Haben Sie – in der Corona-Zeit – dennoch schon neue Song-Ideen entstehen lassen? Oder sind auch Sie künstlerisch “gelähmt”?

Ich habe einen Titel komponiert, den ich in der Tasche habe. Ich habe jahrelang nicht mehr komponiert, aber diesen Song werde ich aufnehmen, sobald wir merken, dass diese Horror-Zeit langsam zu Ende geht. Sehen Sie, wir haben eine Tournee geplant für September / November nächstes Jahr. Und da möchte ich gerne auch neues Material singen. Ich habe immer gemerkt, dass das Publikum gerne auch mal einen Titel hört, den es noch gar nicht kennt. Und diesen einen Titel habe ich im Kopf schon als nächste Single abgespeichert.

 

 

Textquelle: Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de

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