GITTE HAENNING
smago! Konzert-Kritik: “Still Crazy …”, aber: “Keine Hits”!

Ihr aktuelles Bühnenprogramm ist herrlich skurril, besitzt aber durchaus einen inneren Unterhaltungswert!

 

 

GITTE HAENNING hat derzeit gleich mehrere Bühnenprogramme laufen. Doch ganz gleich, ob Sie nun “Still Crazy …”, Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte …” oder “Lampenfieber Live 2020” besuchen, EINES haben ALLE Shows von Gitte gemeinsam: Auf “Die Hits” werden Sie vergeblich warten.

Doch da man bei Gitte Haenning jedoch mittlerweile weiß, dass man eben NICHT bekommt, was man eigentlich erwartet, ist es müßig, hierzu noch ein Faß aufmachen zu wollen. Sagen wir’s vielleicht einmal so: einen klassischen Liederabend mit ihren großen Hits hat sie momentan nicht im Programm.

Im Gegenteil: Ihr Programm “Still Crazy …” lässt sogar leicht “sadistische Züge” in ihr erkennen. Das Gemeine ist nämlich, dass ihre Band gleich zu Beginn einige der größten Gitte Haenning Klassiker – vom “Cowboy”, den sie 1963 gerne noch als Mann haben wollte, bis hin zu “Ich will alles” – anspielt und so leise Hoffnungen weckt, dass Gitte Haenning zumindest ein bisschen Kompromissbereitschaft zeigen würde. Doch Pustekuchen!

Und Gitte macht auch fast überhaupt keinen Hehl daraus. Kaum, dass sie die Bühne betreten hat, betont sie schon, dass sie “Die Hits”, deretwegen viele wohl zu dem Konzert gekommen seien, nicht singen wird. Sie möchte sich nicht als “versteinerte Ikone” präsentieren.

Gitte Haenning beschränkt sich zu Beginn ihres Programms auf die B-Seiten ihrer Hits. Genüßlich verrät sie dem Publikum jeweils die zugehörigen A-Seiten, wobei sie sich hier bisweilen ganz gewaltig vertut. So war “Hände weg von Jack” nie die B-Seite ihres Nr. 1 Hits “Ich will ‘nen Cowboy als Mann” (das war nämlich “Das alte Haus in der Huckleburry-Street”; immerhin stammt “Hände weg von Jack” aber auch aus dem Jahre 1963, die zugehörige A-Seite war “Nur ein bisschen Glück”). Aber auch solche “Ungenauigkeiten” seien Gitte gerne nachgesehen. Ebenso wie dass  sie zudem mit entwaffnender Ehrlichkeit erklärt “Ich kann mir keine Texte merken” (“Damit muss ich leben. Und das Publikum auch.”) und deswegen völlig ungeniert nahezu alle Texte abliest.

Mit ihren “Hits” aus ihrer Anfangszeit hat Gitte Haenning ganz offensichtlich deutlich weniger Probleme. Angefangen bei “Giftes med farmand”, der dänischen Version des Conny Hits “Ich heirate Papi” (aus dem Jahre 1954), über “Keine Schule morgen” aus dem Jahre 1959, wobei es schon herrlich kurios ist, wenn eine 73-Jährige singend jubiliert, am Folge-Tag schulfrei zu haben … oder ihre deutsche Version des Brenda Lee-Klassikers “I’m Sorry”.

Gegen Ende des ersten Programms verblüfft Gitte ihre Fans dann mit einem Titel, der zwar auch “kein Hit”, aber immerhin (1982) eine Single war: “Der Anruf (Er rief an)”. Und siehe da: Zum ersten Mal brandet auch richtig Applaus auf.

Das kann Gitte Haenning so natürlich nicht auf sich beruhen lassen und lässt mit “Junger Tag” zwar einen Titel folgen, der 1973 nicht nur ein Hit, sondern zugleich auch derjenige Titel war, mit dem Gitte Deutschland beim “Eurovision Song Contest” vertrat, aber natürlich singt sie diesen Kult-Hit in einem völlig verfremdeten (Refrain-)Gewand.

“In ihrem aktuellen Programm spürt Gitte Haenning den gemeinsamen Wurzeln von Musical und Jazz nach.” Es kann nun wahrlich kein Konzertbesucher sagen, er sei nicht vorgewarnt worden. Gitte singt allerdings auch ihre Musical-Hits wie “Freu’ dich bloß nicht zu früh” nicht … Dafür singt sie Titel aus “Mary Poppins” und – immerhin – “Sunset Boulevard”.

Stattdessen jazzt sie sich, garniert mit (zugegeben!) witzigen Anekdoten, durch den Abend und verwirklicht sich mit Textzeilen wie “Schubidubidi, I’m Feeling Blue” selbst.

Immerhin kann sie auch ihre Stimmgewaltigkeit voll und ganz ausleben.

Dann und wann, wenn sie sich zu sehr in ihrem Jazz-Kosmos verfängt, muss man sich bisweilen schon ziemlich auf die Zunge beißen, dass man nicht einmal laut “Hurz !!!” ruft.

Erst ganz zum Schluss hat Gitte dann doch noch ein (wenn auch bedingtes!) Einsehen mit ihren Fans, die zunächst eine äußerst gewöhnungsbedürftige Version von “Ich will ‘nen Cowboy als Mann” über sich ergehen lassen müssen, bevor sie mit einigen Takten von Hits wie “Ich hab’ die Liebe verspielt in Monte Carlo” und “Hallo, wie geht es Robert” (, wobei das an und für sich schon wieder eine B-Seite ist, nämlich von “Junger Tag”) zumindest teilversöhnt werden.

Wie gesagt: Da man bei einem Konzert von Gitte Haenning von vornherein weiß, worauf man sich einlässt, braucht man sich hernach auch nicht zu beschweren. Und dass Gitte eine absolute Ausnahmesängerin und -Entertainerin ist, steht ohnehin völlig außer Frage. Aber: Man wird sich ja wohl noch der Illusion hingeben dürfen, wie schön es wäre, wenn Gitte Henning zusätzlich auch noch einen “Liederabend” mit ihren (gerne auch späteren) Erfolgs-Titeln in ihr Programm-Portfolio mit aufnehmen würde. Allein, es wird wahrscheinlich bei dieser Illusion bleiben … Und dass sie nun wirklich keinen Bock darauf hat, hat Gitte Haenning bereits vor einigen Jahren bei ihrem seltsam entrückten Auftritt im Rahmen einer der “Großen Schlager-Starparaden” bewiesen …

 

smago! Chefredakteur Andy Tichler besuchte das “Still Crazy …” Konzert am 30.01.2020 im “Tipi Zelt am Kanzleramt” in Berlin.

Textquelle: Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de

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