THOMAS ANDERS
Die CD "Pures Leben" im Test von Holger Stürenburg!

Das erste Solow-Werk des Ex-“Modern Talking”-Helden MIT DEUTSCHEN TEXTEN überhaupt!

 

Die meisten von uns kennen den aus Mörz nahe Trier stammenden Spitzenvokalisten THOMAS ANDERS in erster Linie als Gesangspartner des Soundtüftlers und musikalischen Tausendsassas Dieter Bohlen. Unter dem Projektnamen „Modern Talking“ waren die beiden so unterschiedlichen Charaktere zwischen 1984 und 1987, dann nochmals, nach einer Réunion von 1998 bis 2008, global höchst reputierlich unterwegs mit einer kongenialen Mixtur aus New Romantic, Euro-Disco, klassischem Pop und gewissen, versteckten Schlagerelementen. Über Gassenhauer der Sorte „You’re my Heart – You’re my Soul“ (1984), „Cheri, Cheri Lady“ (1985), „Brother Louie“, „Atlantis is calling – S.O.S. for Love“ (beide 1986) oder „Jet Airliner“ (1987) ausführlichere Stories zu verbreiten, hieße, die sprichwörtlichen ‚Eulen nach Athen‘ zu tragen.

Was gleichwohl nicht alle Popkinder der 80er Jahre wissen, ist das Faktum, dass Thomas vor seiner hypererfolgreichen Ära mit „Modern Talking“ allenthalben in deutscher Sprache zig Singles zwischen Neuen Deutschem Romantikschlager und muttersprachlich betextetem Disco-Pop aufgenommen hatte – die, obwohl sie (u.a. MDR-Musikexperte Frank Eberlein sei Dank) bereits seit knapp acht Jahren sämtlich bei SONY auf CD erhältlich sind, als Original-Ausgabe auf Vinyl noch immer zu horrenden Preisen von 30 Euro plus im Netz gehandelt werden.

Sein TV-Debüt genoss der damalige Abiturient Thomas A. im Herbst 1980, als er in Michael Schanzes Talentshow „Hätten Sie heut‘ Zeit für mich?“ seine damals vom nicht umstrittenen, einstigen Musikproduzenten und späteren Software-Entwickler Daniel David für CBS produzierte, allererste Single, die Tränendrüsenballade „Du weinst um ihn“ vorstellte. Doch diese floppte ebenso, wie Single Numero Zwo, „Judy“ (1980) – ein gemütlicher Country-infizierter Gitarrenschlager aus der Feder von David und Jean Frankfurter – und Numero Drei, „Es war die Nacht der ersten Liebe“ (1981), ein feiner Discoschlager mit Tanz-Appeal. Anders wechselte nun von CBS zur Berliner Plattenfirma HANSA uns begab sich nun zunächst unter die Fittiche des Teams um G.G. Anderson, welches ihm den hochmelodischen, romantischen Edelschlager „Ich will nicht Dein Leben“ auf seinen schlanken Leib schrieb – wiederum, zum damaligen Zeitpunkt, ohne jeglichen Nachhall.

Bald wurde Dieter Bohlen, der seinerzeit für die HANSA neue Showtalente suchte, daneben z.B. für Roland Kaiser, Bernhard Brink oder das Vokal-Trio „Sunday“ produzententechnisch verantwortlich zeichnete, auf den brünetten, jungen Mann aufmerksam. Er suchte einen sympathischen Sänger für flotte, teils durchaus schwülstige Romantic-Disco-Popper, die den Zeitgeist des synthesizerlastigen Neuen Deutschen Romantikschlagers unverblümt trafen. Als erstes kreierten die beiden Jungspunde eine knackige deutsche Fassung des Synthi-Rock-Wave-Gemischs „Pick up the Phone“, der Nachfolge-Single zu „Words“, dem europaweiten Hit des Franzosen F.R. David – noch deutlicher, als das englischgesungene Original, das zwar den Erfolg des Vorgängers nicht mehr zu erzielen vermochte, aber immerhin Rang 26 erreichte, verblieb die deutsche Sichtweise, ersonnen von Bohlen und Hansa-Haus-und-Hof-Texterin Rene‘ Marcard, knallhart unter ferner liefen.

Zum Jahresausklang 1983 folgte der wiegende Romantikschlager „Wovon träumst Du denn (in seinen Armeen)?“, dem genauso wenig kommerzieller Erfolg beschieden war, von dem es aber seit kurzem eine aufgepeppte Tanzfassung aus dem Hause TOI TOI TOI Records, gesungen von dem jungen Hamburger Sänger Matthias Eicke, als Download-Single zu kaufen gibt. Zudem wurde dem fraglos eingängigen Lied Platz auf den in jenen Tagen sehr angesehenen Sampler-Reihen „Super 20“ (Ariola) und „20 Giganten“ (HANSA – hier „Hit-Herbst ´83“) eingeräumt und ferner konnte in den offiziellen Rundfunkhitparaden Rang 16 eingenommen werden.

Kurz nach Jahresbeginn 1984 legten Dieter und Thomas das so exzellente, wie opulente Schlagerdrama „Endstation Sehnsucht“ als 45er vor – bei Hardcore-Fans äußerst beliebt, auf dem Schallplattenmarkt, trotz überbordender Qualität, eine erneute Null-Nummer.

Im Frühjahr 1984 präsentierte die australische New-Wave-Combo „Real Life“ einen DER Sommerhits des „Orwell-Jahres“: Send me an Angel“, eine leicht zu merkende Melodie, garniert mit einem gefühlvollen Text. Auf diesen Zug wollten Dieter und sein Schützling Thomas nun aufspringen und veröffentlichten im Hochsommer 1984 die deutsche Version davon unter dem Titel „Heißkalter Engel“, die indes, jenseits mancher Radiosender, kaum auf Resonanzen stieß.

Einen letzten Versuch mit deutscher Lyrik sollte es noch geben: Ende 1984 sandten unsere beiden Protagonisten den coolen New-Romantic-Pop „Es geht mir gut heut‘ Nacht“, Anfang 1985 wiederum auf der damaligen „Super 20“-Ausgabe verkoppelt, in Single-Form ins Rennen. Das abermals nicht von Erfolg gekrönte Werk bot allerdings eine Art nahtlosen Übergang von Thomas solo hin zu „Modern Talking“. Denn jenes Lied etablierte sich im April 1985 auf dem LP-Erstling des soeben entstandenen Duos, „The 1st Album“, auf Englisch betextet, unter dem Titel „Lucky Guy“ als famoser Albumtrack, den Dieter im Sommer desselben Jahres unter dem Pseudonym „Ryan Paris“ gleichsam als ‚kleine Schwarze‘ auf den Markt brachte und damit einen fundamentalen Club-Hit landete.

Nach dem großen Durchbruch mit „Modern Talking“ und auch im Rahmen späterer Soloaufnahmen von Thomas, blieb die deutsche Sprache erst mal unter Verschluss; man sang ausschließlich auf Englisch, feierte entsprechend im Duo-Kontext unschlagbare Riesenhits auf der ganzen Welt, und als Thomas später solo sang, blieb er dem Englischen treu und konnte er mit seinen neueren Liedern besonders in den ehemaligen Ostblock-Staaten, in Russland, sowie in den USA, bahnbrechende Erfolge einfahren.

Nun aber liegt die erste deutschgesungene Produktion des Thomas Anders seit sage und schreibe 33 (!) Jahren vor. „PURES LEBEN“ nennt sich die via WARNER vorgelegte aktuelle CD des früheren „Modern Talking“-Heroen. Unter der Tonregie von Christian Geller (u.a. Heino, „Caught in the Act“, Be Four“, „A-Ha“) und überwiegend geschrieben von unverbrüchlichen Könnern ihres Metiers, wie z.B. Dietmar Kawohl, Tobias Reitz, Mitch Keller, Andre‘ Franke, Joachim Horn-Bernges, Oliver Lukas oder Bea Reszat, stellt sich Thomas Andreas, der ab und zu ebenfalls selbst Reime zu seinen neuen Liedern beigetragen hat, anno 2017 als jugendlich-frischer, weiterhin von göttlich sanfter Stimme beseelter Sänger mit Leib und Seele vor.

„Der beste Tag“ fungiert als Aufhänger und erste Singleeauskoppelung, die jedoch schon vor zwei Jahren seitens eines darüber hinaus nicht bekannt gewordenen Jünglings namens Dominik Dlask als „Der Beste Tag meines Lebens“ in Andrea Kiewels ZDF-„Fernsehgarten“ dargeboten worden war. Dabei handelt es sich um eine knackige, melodiebetonte Hymne auf das eigene Dasein, von oben bis unten angefüllt mit Optimismus und Lebensfreude in höchster Ausformung, die Ende März den ersten Rang der einheimischen „Formatradiocharts Konservativ“ für sich in Anspruch nehmen konnte. „Sternenregen“ ist hingegen feinster, nächtlich-schwitziger, rhythmisch perfekt austarierter Tanzpop von internationalem Format. Als balladesk, hochemotional und regenperlend, zeigt sich das stille, in sich vertiefte „Lied, das Leben heißt“, das dralle, tanzbare, heißverliebte „Feuerwerk“ kann – auf der Grundlage sachter, bald darauf strikt vorantreibender Fox-Anleihen – als ein ebenso klingendes solches apostrophiert werden.

Nochmals außerordentlich sanft, diskret und bedacht, fließt die gesungene Dreiecks-Liebe „Sie und ich und Du“, in süßlichem 90er—Jahre-Boygroup-Sound umgesetzt, aus den Lautsprechern; „Unendlich“ bedeutet mal wieder urbanen Tanzpop bester Güteklasse, der – bei näherem Hinhören – tatsächlich an das Klangbild mancher „Modern Talking“-Schmankerl der mittleren 80er Jahre gemahnt, während der philosophisch-liebevolle Rückblick auf den Beginn einer offenbar traumhaften Beziehung, „Schwerelos“, als atmosphärisch schwebender Pianoschleicher, nur ganz leicht und elitär rhythmisiert, daherkommt.

Der surreal-schwärmerische „Traumtänzer“ erwächst zu einem kompakten, wehenden Popschlager per Excellance, Joachim Horn-Bernges und Andre‘ Franke, beide eine lange Zeit enge Mitarbeiter im Team von Howard Carpendale, verfassten für Thomas den milden, zutiefst harmonischen, streicherbetonten Feudalpop „Zurück zu Dir“, an den mal wieder ein voranstrebender Tanzflächenfüller – i.d. Falle „Träume“, eine einfühlsame Analyse, Beschreibung einer Frau, die nach soundso vielen Jahren Ehe am liebsten nochmals neustartete – anschließt.

Euro-Disco-„Modern Talking“-gemäß, garniert mit den in jener Phase obligatorischen Piano-Akkorden und Falsett-angehauchten Chören, vernehmen wir „Ein(en) Augenblick, der alles dreht“, gefolgt von dem gitarrenbetonten, gleichsam am ‚Modernen Gelaber‘ (Zitat: NDR-Kultmoderator Willem F. Dincklage, 1986) angelehnten Nightlife-Melodram „Odyssee“ und dem draufgängerischen, mutmachenden, musikalisch siedend heißen Albumabschluss „Fliegen“.

„Pures Leben“, das erste deutschsprachige Soloalbum des Thomas Anders überhaupt, beinhaltet eine prägnante Mischung aus kessem, aufwühlenden, temporeichen Tanzbarem und höflich-zurückhaltenden Balladen und Schleichern. Der Sound der mittleren 80er trifft sich bzw. vermengt sich immens trefflich mit Klangspielereien des Heute und Hier. Das Gesangsorgan des Interpreten hat nichts von seiner Intensität und Stimmstärke eingebüßt. Thomas Anders schließt Dank „PURES LEBEN“ den Bogen von Einst nach Jetzt – vorliegende Silberscheibe ist ein modernes, zeitnahes Deutschpop-Opus, das einerseits uns 80er-Kindern einen tönenden Hochgenuss aufbietet und obendrein garantiert dazu in der Lage sein dürfte, junge Menschen, spätgeborene Freunde gutgemachter, teutonischer Popmusik mit Anspruch und Nachhaltigkeit für sich zu gewinnen!

Holger Stürenburg, 06. April 2017
http://www.warnermusic.de
http://www.thomas-anders.com/

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