RALPH SIEGEL
Das große smago! Exklusiv-Interview mit Ralph Siegel!
Am 30. September 2015 wird er 70 Jahre jung! Natürlich sprachen wir mit ihm auch über sein Buch “Die Autobiografie”, erschienen im Verlag “LangenMüller” …:
Lieber Herr Siegel, zunächst einmal die nageliegende Frage: Wie feiern Sie Ihren 70. Geburtstag am 30.09.2015?
Erst wollte ich meinen 70. gar nicht feiern. Das ist ja eine schreckliche Zahl. Aber die Zahl 7 ist komischerwesie immer eine Glückszahl in meinem Leben gewesen. Und nach langem Überlegen habe ich dann gesagt: Okay, ich feiere mit der Familie. Meine Familie ist aber so groß, dass wir schon 50 – 60 Personen sind. Und da habe ich mir gesagt: Dann kann ich es auch erweitern. Und dann fängt man natürlich an mit den Künstlern, die noch da sind. Also: Nicole kommt, Katja ((Ebstein)) kommt, Lena ((Valaitis)) kommt, ein Teil von Dschinghis Khan kommt. Peter Alexander, Roy Black und Rex Gildo können ja leider nicht mehr kommen. Aber Otto Waalkes… Es kommen viele, viele Freunde von mir. Und wo könnte man meinen 70. schöner feiern als bei Alfons Schuhbeck in seinem ‚teatro‘. Das passt auch perfekt zu meinem Lied „Theater“, das singen die dann alle auch. Wir machen jetzt also doch eine „kleine“ Feier.
Sie feiern am gleichen Tag Geburtstag wie beispielsweise Udo Jürgens, der am 30.09.2015 81 Jahre alt geworden wäre…
Ich habe am 80. Geburtstag von Udo noch mit ihm telefoniert. Das war eines unserer letzten Telefonate. Und ich weiß, dass ich ihm gesagt habe: „Udo, mach nicht zu viel. Du bist jetzt 80. Das ist doch ein schönes Alter, wo man überlegen muss…“. Woraufhin er sagte: „Ja, aber ich liebe das Leben so, ich feiere, und die Leute lieben mich.“ Und ein paar Wochen später ging es ins himmlische Orchester. Das tat mir sehr weh.
…aber auch ihr langjähriger Haus- und Hoftextdichter Dr. Bernd Meinunger oder Bata Illic oder Friedel Geratsch von Geier Sturzflug feiern ebenfalls am 30. September ihren Geburtstag. Sind Waagen besonders musikalisch?
Ach, ich glaube, es gibt so viele musikalische Menschen, dass kann man nicht auf die Waagen beschränken. Aber wie Sie richtig sagen: Bernd Meinunger, mein Textdichter, hat auch am selben Tag Geburtstag. Bata Illic ist auch am selben Tag geboren. Das hat aber nichts mit Musik zu tun. Mein Vater war Zwilling, meine Mutter war Wassermann – und das waren auch fantastische Musiker.
Bedauern Sie, dass Ihre Töchter nicht in Ihre beruflichen Fußstapfen getreten sind?
Ja. Da ist wohl das Allerschwerste im Leben, in die beruflichen Fußstapfen des Vaters oder der Mutter zu treten. Man kann unter 10.000 Künstlern danach suchen, was die Söhne gemacht haben. Da gibt es – nur im Schauspielbereich – vielleicht Michael Douglas. Es gibt keinen Gershwin junior. Nicht einmal die Söhne von Lennon haben es geschafft. Und beide hatten nun wahrlich ein größeres Feld gehabt, sich bekannt zu machen. Es ist schwer, aus dem Schatten des Vaters zu steigen. Und vielleicht das eine oder andere auch noch anders zu machen. Ich hab’s versucht. In meiner Jugend war es sehr schwer. Mein Papa war ein großes Vorbild. Aber ein positives Vorbild. Und ich habe es – nach vielen Jahren – dann ja auch geschafft.
Hätten Sie gerne auch einen Sohn gehabt?
Ach ich glaube, jeder Vater hätte gerne einen Sohn und eine Tochter. Ich habe drei wunderbare Töchter. Wenn ein Sohn dabei gewesen, wäre es wunderbar gewesen. Vielleicht hätte ich mit ihm zusammen Golf gespielt. Ob er Musiker geworden wäre, weiß ich nicht. In der heutigen Zeit ist das sehr, sehr schwer. Da wir eben eine ganz schwierige Zeit durchleben, wo die deutschen Komponisten und Textdichter sehr darunter leiden, dass die Radio- und Medienlandschaft total anglofiziert ist oder in Oldies sich ergibt. Ich hätte ihm vielleicht geraten: Probier’s mal, aber es wird ein schwerer Job werden.
Sie stellen in Ihrem Buch zwei interessante Thesen auf. Zum einen schreiben Sie über den Tod von Rex Gildo: „Ich glaube nie und nimmer, dass er sich das Leben nehmen wollte“. Was macht Sie da so sicher?
Ich kannte Rex Gildo sehr, sehr gut. Ich kann aber nicht sagen, dass ich mir sicher bin. Nur: Wie ich ihn kannte – wenn er sich bewusst in einen Freitod begeben hätte, hätte er mit Sicherheit noch ein paar Worte hinterlassen. Ein paar Briefe geschrieben an Freunde und Kollegen, vielleicht auch an Fans. Ich glaube, man stürzt sich nicht aus dem ersten Stock, um sich das Leben zu nehmen. Ein Mann wie Rex Gildo hätte mit Sicherheit Angst davor gehabt, dass er es überlebt und ein Leben lang gelähmt im Rollstuhl sitzen musst. Wenn jemand Selbstmord begehtt, macht er das entweder vom Eiffelturm oder mit ´ner richtigen Dosis. Ich glaube, es ist ein Unfall gewesen. Das ist meine persönliche Meinung.
Die zweite These ist, dass Stefan Raab über kurz oder lang wieder auf die Fernsehbühne zurückkehren wird…
Ich habe vom ersten Tag gesagt, dass Stefan Raab, der sich – verständlicherweise – jetzt eine Auszeit nimmt, entweder beim ZDF oder woanders wiederkommt mit neuen, guten Verträgen. Er ist ein fantastischer „Show Man“, ein super Entertainer. Ich habe ja auch in meinem Buch einiges über ihn geschrieben. Aber ganz ehrlich gesagt: „Mr. Grand Prix“ bin immer noch ich. Ich bin mit immerhin 8 Titeln unter den ersten Vieren gewesen. Das hat er bis jetzt nicht geschafft. Er war nur Fünfter…
Woher kennen Sie die Platzierungen vom 1. Eurovision Song Contest („Gran Premio Eurovisione della Canone Europea“) am 24. Mai 1956 in Lugano? Bislang war und ist nämlich nur der erste Platz – Lys Assia mit dem Titel „Refrain“ – bekannt. SIE aber schreiben, dass die deutschen Beiträge „So geht das jede Nacht“ von Freddy ((Quinn)) und „Im Wartesaal zum großen Glück“ von Walter Andreas Schwarz auf den Plätzen 4 + 11 (bzw. 11 + 4) gelandet seien…
Das kann man natürlich schon nachlesen. Mein Vater hat ja damals schon, zusammen mit Friedich Meyer, „Telefon, Telefon“ für Margot Hielscher geschrieben ((Anmerkung: Das war 1957…). Gewisse Dinge sind natürlich Geschichte. Und gerade wenn man sich mit Lys Assia beschäftigt, wie ich das getan habe, die ich mit 88 und 89 Jahren noch auf die Bühne gestellt habe ((beim Schweizer Vorentscheid zum „Eurovision Song Conntest“), dann schaut man sich auch mal ein paar Daten an. Man kann nicht alle Namen auswendig kennen. Und man bringt dann selbst das eine oder andere Jahr mal durcheinander. Aber wenn man das nicht sicher weiß, dann kann man ja mal nachgoogeln. Das ist ja heute viel leichter als früher.
Aber die „restlichen“ Ergebnisse 1956 wurden nicht veröffentlicht, die Bewertungsunterlagen sollen angeblich sogar vernichtet worden sein… Deswegen gestatten Sie bitte die nochmalige Nachfrage…
(beharrt auf seinem Standpunkt) Diese Informationen hat man entweder durch sein eigenes Wissen oder auch über Google. Man kann solche Dinge einfach nachgoogeln heutzutage.
Was heute kaum noch jemand weiß und was in Ihrem Buch auch NICHT erwähnt wird, ist, dass auf Ihrem Label „Jupiter Records“ 1987 auch ein (englischsprachiger!) Titel der großen Hildegard Knef (mit Glenn Yarbrough) veröffentlicht wurde. Nur ist dieser Song wohl irgendwie „untergegangen“…
Ein sehr, sehr gutes Beispiel. Es gibt hunderte von Leuten, die ich produziert und finanziert habe, deren Platten ich veröffentlicht habe, die es leider in den Medien nicht geschafft haben. Von den Toten Hosen angefangen, die ich mitfinanziert habe am Anfang bis zu Acts eben wie United Balls „(Pogo in Togo“) oder Zoff („Sauerland“), die wir produziert und veröffentlicht haben. Es sind hunderte von Künstlern, denen wir die Chance gegeben haben. Aber in unserem Land ist es eben sehr, sehr schwierig. Man vergisst immer, dass der eine große Erfolg – sei es nun Nicole oder Dschinghis Khan – auch diese ganzen anderen Themen finanzieren musste sowie die ganzen Angestellten und Mitarbeiter. Ich hatte bis zu 120 Mitarbeiter weltweit, die auch bezahlt werden mussten. Es war herrlich, die Firma aufzubauen. Aber die schwerste Zeit in meinem Leben war, die Firma wieder abzubauen.
Bislang sind von Ralph Siegel zwei Single-Veröffentlichungen geplant (ca. um 1966). Allerdings sollen Sie – neben Werner Schüler und Stefan Zobel – Ende 1972 unter dem Pseudonym „Känguruh“ eine weitere Single namens „Im Himmel, da gibt’ss kein Bier“ aufgenommen haben…
Es gab einige lustige Sachen, die wir unter Pseudonymen gemacht haben. Es ist lustig, dass Sie das kennen. Übrigens ein Lied, das mein Vater geschrieben hat, das vor vielen Jahren sogar Nr. 2 in den amerikanischen Charts von Amerika war. (singt) „In Heaven there is no bear, that’s why we drink it here“. Das war eine fröhlichere, lustigere Zeit. Damals konnte man solche Lieder auch noch in Amerika veröffentlichen. Heute machen das alles große Konzerne, die weltweit alles bestimmen. Es gibt einige lustige Sachen, die ich gemacht habe. Dimo Dinoris Trash Crash and Smash Band zum Beispiel, wo wir lustige Parodien machen. Ich habe auch einige – sagen wir mal – „Schnulzen“ gesungen unter verschiedenen Namen. Darüberhinaus habe ich aber immer auch sehr viele Chöre gesungen im Background, zum Beispiel den gesamten Chor bei „Fly Away Pretty Flamingo“ (Peggy March). Ich bin ein ziemlich guter Sänger mit 2 – 3 Oktaven. Aber: Der Beruf eines Künstlers ist ein anderer. Der sich draußen als Artist darstellt, der jeden Tag geschniegelt gepflegt aussehen muss, der ständig auf Reisen ist, in Hotels übernachtet, der in Tonstudios wartet und das ganze Jahr unterwegs ist. Ich habe mich lieber ins Studio zurückgezogen an mein Klavier und an meinen Schreibtisch.
Von wem stammt denn nun die Wortschöpfung „Hossa!“ („Fiesta mexicana“ – Rex Gildo) – von Ihnen oder von Michael Holm?
Die Textidee „Fiesta mexicana“ ist von Michael Holm. Es stand damals im Raum, weil Rex Gildo seinerzeit ein spanisches Flair hatte mit dem Song „Speedy Gonzalez“: Und ich sagte, der Song muss anfangen wie bei den Griechen. Die freuen sich, Die Griechen sagen „hoppa!“. Und mir ist aus dem Bauch eingefallen! „Hossa“. Das klingt doch genauso wie hoppa“. Und das kam dann von mir. Die Leute in Mexico dachten, dass das aus Spanien kommt, und die Spanier dachten, es kommt aus Mexico. Das ist eine lustige Geschichte. Aber das ist mir spontan aus dem Bauch eingefallen. Genauso das „Huh-hah, huh-hah“ von Dschinghis Khan. Aber das kam eben auch, weil ich mich ans Klavier setzte und anfing „Huh-hah huh-hah, Dschin-, Dschin-, Dschinghis Khan…“ – so entstehen eben Wort- oder Lautmalereien.
Könnte Ihr Musical „Johnny Blue“, das gerade sehr erfolgreich in Tschechien lief, ein ähnlicher Erfolg werden wie „Ich war noch niemals in New York“ oder „Mamma mia“? Ist geplant, dass „Johnny Blue“ auch bald auf Deutschlands Musical-Bühnen kommt?
Ja, die Pläne sind da. Das ist natürlich immer sehr schwierig, so etwas zu realisieren. Im Grunde genommen ist es ein Riesenerfolg. Wir haben 10 bis 15 Minuten und länger standing ovations nach der Show. Und das, obwohl die Leute die Songs gar nicht kennen. Und das macht einem natürlich Mut, weil diese Lieder den Menschen offensichtlich ans Herz gehen, ohne dass sie sie kennen. Die Story ist sehr, sehr hübsch, es ist ein sehr gutes Buch. Ich wünsche mir natürlich sehr, dass es in Deutschland – erst mal gemacht wird -. Es kostet sehr viel Geld, so eine Produktion zu finanzieren. Produzenten in der Größenordnung von „Stage Entertainment“ haben so viele Projekte, die jahrelang dauern, die haben auch vier Jahre an „Ich war noch niemals in New York“ gearbeitet. Es ist sehr schwer, da jemanden zu finden. Aber wir sind guten Mutes. Und meine Verlegerin Bettina Migge-Volkmer vom „gallissas theaterverlag“ in Berlin hat mir sehr viel Mut gemacht.
Was wurde eigentlich aus Helmar Kunte – einem Ihrer Mitarbeiter der ersten Stunde? Über ihn erfährt man in Ihrem Buch überhaupt nichts…
Helmar Kunte ist sogar mit einem Foto in dem Buch! Er war ein langjähriger Mitarbeiter. Wir haben uns auf gute Weise damals verstanden. Er hat sehr gut gearbeitet. Aber irgendwann kam der Tag – worum ich jetzt bitte, dass ich das nicht erzählen muss – , an dem wir uns getrennt haben.
Wie war der Unterschied in der Zusammenarbeit mit Peter Alexander im Vergleich zu der Zusammenarbeit mit Udo Jürgens?
Der Unterschied war, dass ich ein „kleiner, junger Mann“ war, der plötzlich eine Chance gesehen hat, den großen Peter Alexander zu produzieren. Diese Geschichte beschreibe ich glaube ich, auch sehr lustig. Es ist einmalig, wie man einen Künstler überzeugen kann, dass man plötzlich sein neuer Produzent ist. Das ist wirklich eine witzige Geschichte. Udo Jürgens wurde mir von seiner damaligen Freundin und Hans R. Beierlein angetragen. Ich habe ihn mit 29.000 Platten übernommen. Der letzte Song, den er hatte, war „Vergiss die Liebe nicht“. Er war immer ein großer Künstler, aber er verkaufte nicht mehr. Und dann hat man mit mir einen Vertrag gemacht über drei Jahre, dass ich Udo wieder hochbringen soll und ich habe einen großen Komponisten und Interpreten unterstützt mit meiner Arbeit nur ein bisschen „unterstützt“. Wir haben auch einige Songs zusammen geschrieben. Aber in erster Linie habe ich ihn als Künstler forciert und produziert. Und bin froh, dass ich das machen konnte. Und ich bin besonders glücklich, dass aus „Sonja, wach auf“ dann „Griechischer Wein“ geworden ist.
Existiert von „Sonja, wach auf“ denn eine fertige Aufnahme?
Nein. Udo und Michael Kunze kamen eines Tages zu mir und spielten mir die neuen Lieder vor. Udo erzählte, dass er gerade aus Griechenland kommt und einen neuen Song geschrieben hätte. „Sonja, wach auf / denn es ist schon heller Morgen / Sonja, wach auf…“ Das gefiel mir gut. Und wir haben den Song – das musikalische Grundgerüst – produziert. Und dann fragte ich irgendwann Michael Kunze, ob es nicht noch eine andere Textidee gegeben hätte. Und er meinte, „ja, wir hatten noch einige Dinge beim Hans, u. a. das und das und das und – ‚Griechischer Wein‘. Ich sagte: „Das klingt doch gut.“ Er meinte: „Ja, aber das hat dem Hans eigentlich nicht so gefallen, weil er keine ‚Griechen-Schnulze‘ haben wollte. Ich sagte: „Geh nach Hause und schreibe irgendeinen anspruchsvollen Text mit einer Geschichte. Und genial wie er ist, kam er zurück mit dem Text zu ‚Griechischer Wein‘ zurück.“
Lieber Siegel, ganz herzlichen Dank für dieses großartige Interview und toi, toi, toi für Ihr Buch.
Ich habe zu danken.
Foto-Credit: Michael Tinnefeld
Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de
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