RAINER MORITZ
'Die etwas andere Buch-Besprechung': Buch-Besprechung: "Schnauze voll! Schluss mit dem Optimierungsquatsch" von Rainer Moritz!

Warum das Buch aus der Amazon Kategorie „Ratgeber “Lebenshilfe” für Schlagerfreunde interessant ist, erklärt smago! Kolumnist tephan Imming …: 

Da geht man „nichtsahnend“ in die Buchhandlung Thalia in Lüdenscheid in die Kinderbuch-Abteilung und möchte sich mit einem Buch in die Sitzecke setzen, während die Tochter sich nach Büchern über Schildkröten umsieht – und findet neben Kinderbüchern die Bücher über aktuelle Wirtschaftsthemen. Da springt das Buch „Schnauze voll! Schluss mit dem Optimierungswahn“ natürlich ins Auge, wenn man genau diese These angesichts wilden Optimierungswahns (ohne Sinn und Verstand) nur unterstreichen kann.

Der Name des Autoren sprang mir erst später ins Auge: Rainer Moritz. Der Germanist hat bereits einige viel beachtete Bücher über den deutschen Schlager geschrieben, sich aber diesmal (anscheinend) eines anderen Themas bedient. Okay, da fängt man an, in dem Buch zu blättern und kann vielen Thesen nur zustimmen. Der allgegenwärtig vorherrschende „Optimierungswahn“ ist in der Tat bisweilen unerträglich, so gesehen hat das Buch schon seinen Reiz gehabt.

Irgendwann war mir danach, mal das Inhaltsverzeichnis anzusehen – und siehe da: „Makellos durch den Tag – das Beispiel Helene Fischer“ deutete an, dass tatsächlich dem Schlager ein ganzes Kapitel gewidmet wurde. In dem Kapitel blickt Moritz zurück auf den Fußball-WM-Titel 2014, bei dem Helene Fischer ihren Megahit „Atemlos“ zur Freude der deutschen Fußballkicker trällerte und konstatiert in dem Zusammenhang: „Endgültig vorbei die Zeiten, da mit Schlagern kein Blumentopf zu gewinnen war“. (Komisch, WDR 4 hat da ja wieder mal das Gegenteil behauptet, aber deren Schlager-Kompetenz hat sich ja inzwischen rumgesprochen…).

Dabei gibt der Autor nicht generell den Schlagerfreund. Wolfgang Petry charakterisiert er etwa wie folgt: „Es gab den sein Proll-Image geschickt pflegenden Wolfgang ‚Wolle’ Petry, der Bier trinkenden Männern das Gefühl vermittelte, einer der ihren zu sein“. Aber auch Schlagerikone Andrea Berg bekommt ihr Fett weg, sogar noch etwas heftiger. Berg-Fans müssen jetzt stark sein – ich zitiere erneut: „Das Berg-Gesamtpaket setzt sich bis heute aus mehreren Elementen zusammen, die belegen, dass es keiner herausragenden Qualifikationen bedarf, um zur Identifikationsfigur der populären Kultur zu werden. Ihre leicht blecherne Stimme hat nichts Herausragendes, allenfalls Unverwechselbares an sich. Ihr Repertoire an körperlichen Ausdrucksformen ist limitiert und besteht aus stereotypen Handbewegungen und Bühnensprints. Ihre Lieder sind musikalisch und textlich meist Durchschnitt. So bleibt an Außergewöhnlichem vor allem ihr legendäres, dezent nuttiges Outfit. Hohe Stiefel, kurzer Rock und straffe Corsage sind seit jeher das Berg’sche Markenzeichen und geben allen Damen jenseits der Vierzig Anregung, was man bei den kommenden Harley-Davidson-Tagen tragen könnte“.

Mit Schlager-Superstar Helene Fischer geht Moritz verständlicherweise etwas netter um, aber auch mit ihr geht er ins Gericht: „Zum Erstaunlichen ihres Erfolgs gehört, dass ihre Schlager selbst von hoher Konventionalität sind. Ihr Komponist und Produzent Jean Frankfurter, ein Branchenurgestein, vertraut auf eingängige, zeitgemäß poppig arrangierte Rhythmen von oft stampfender Eintönigkeit. Auch ihre Texte – viele aus der Feder der altbewährten Irma Holder und von Kristina Bach – sind durch die Bank unoriginell und setzen auf ein vertrautes Setting.“

Diese harten Worte klingen so, als stehe der Autor quasi allen Schlager-Schaffenden kritisch gegenüber. Dem ist aber nach meiner Meinung nicht so, ausdrücklich stellt er auch Helenes Weltklasse-Qualitäten in den Vordergrund. Richtig spannend wird es, wenn Rainer Moritz das Feuilleton sehr schön „auseinandernimmt“. Sehr kompetent beschreibt er die „bemühten“ Bemühungen renommierter Medien, den Schlager und konkret Helene schlecht zu machen: „Frei von Kenntnissen der Schlagerhistorie sehen sie sich mit einem Mal gefordert, die Allgegenwart von Helene Fischer zu erklären, und überbieten sich in Schmähungen. Während die Zeit noch moderat von ‚Germany’s Goldkehlchen’ spricht, lässt Cicero den im Bereich der deutschen Unterhaltungsmusik unbeschlagenen Philosophen Alexander Grau aufmarschieren, der Fischer die Verruchtheit eines ‚Käffchens Kaffee Hag’ attestiert. Seine Kollegin Johanna Adorjan (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) steht kaum zurück und beginnt ihre ‚Erkundung’ mit dem staunenswerten Bekenntnis: ‚Wie konnte es nur passieren, dass ich zum allerersten Mal von der Existenz Helene Fischers etwas mitbekam, als sie den WM-Siegesfeierlichkeiten am Brandenburger Tor auftreten sollte?’. Das scheint eher Frau Adorjans als Frau Fischers Problem zu sein“. – Klasse, es ist sehr schön zu lesen, wenn ein Schlagerkenner wie Rainer Moritz derart unqualifizierte Äußerungen von unwissenden Feuilletonisten auseinandernimmt. Wie bitter und von Unkenntnis geprägt manche „Experten“ ihre Veröffentlichungen kundtun, hat zuletzt ja der peinliche Artikel zum Thema WDR 4 in der WAZ gezeigt.

Nur zustimmen kann man auch Moritz’ Bedauern, dass Helene bislang nicht als deutsche Repräsentantin des ESC in den Ring gestiegen ist. Schlimmer als der Kernschrott der letzten Jahre hätte das auch nicht enden können, wobei letztlich da ja eh nur bärtige Frauen oder Polit-Songs gewinnen, von denen schon am Tag nach dem Wettbewerb keiner mehr auch nur ein Wort verliert.

So gesehen kann man Schlagerfreunden dieses eigentlich Genre-Fremde Buch nur wärmstens ans Herz legen und hoffen, dass Rainer Moritz bald wieder ein Schlager-Buch veröffentlicht.

Stephan Imming, 24.07.2016

https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Moritz

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