CHRISTIAN FRANKE – PETER SEBASTIAN – PHILIPP ENGEL
Event-Bericht "39. Weihnachtsmarkt Essen-Steele"!

Holger Stürenburg war sowohl am 19.12.(Philipp Engel – Peter Sebastian) sowie am 22.12.2015 (Christian Franke) vor Ort! 

Ein so spaßiger, wie betulicher Weihnachtsmarkt bei hellem Sonnenschein, Temperaturen um die 14/16 Grad, heißumkämpfte Glühweinstände bei spätsommerlicher Witterung, bei der so mancher Besucher, jahreszeitengemäß im dickeren Mantel verpackt, immer wieder mal ins Schwitzen geriet – und dies nur fünf Tage vor Heiligabend… wer derartig bizarre Wetterverhältnisse vor fünf oder zehn Jahren für den bundesdeutschen Advent 2015 prophezeit hätte, dessen gewagte Vorhersagen wären schnell ins Reich der Phantasie verwiesen worden.

Doch am vierten Adventssamstag in diesem Jahr, genau gesagt, am 19. Dezember 2015, herrschte genau dieses gemeinhin im September oder Goldenen Oktober gewohnte Flair eben genau auf einem (sic!) Weihnachtsmarkt. Genau gesagt, auf dem „Weihnachtsmarkt Essen-Steele“, der a.D. 2015 zum 39. Male in diesem, knapp 17.00 Einwohner beherbergenden, östlichen Stadtteil der Ruhrstadt erfolgte, der erst 1929 eingemeindet wurde und bis dahin als selbstständige Stadt fungierte. Zwischen Mitte November 2015, bis nach Neujahr 2016, gab (und gibt) es in jener Fußgängerzone am Kaiser-Otto-Platz tagtäglich ein buntgemischtes Programm für Groß und Klein zu bestaunen, Karussells und Attraktionen für die Kinder, wechseln sich ab mit Glühweinbuden oder Gulaschkanonen mit „schönem Rotkohl“ (Gruß an „Moni‘s Feldküche“!) – garniert von unzähligen Auftritten allseits beliebter Schlagerstars, von Ireen Sheer und Nicki, über die „Wildecker Herzbuben“, bis hin zu unumgänglichen Lokalmatadoren, wie Olaf Hennig oder Jörg Bausch.

In der Nacht vom Freitag, 18.12.2015, auf den darauffolgenden Samstag, hatte ich extrem schlecht geschlafen. Nach „Heute-Show“ und „Satirischem Jahresrückblick“, wollten mir partout meine Augen nicht zufallen. Folglich verschlief ich bis knapp ein Uhr am Samstagmittag. Kurz darauf, gegen 13.42 Uhr, rief mich Peter Sebastian an, der mich kürzlich mal wieder in einer sehr üblen gesundheitlichen Phase menschlich sehr unterstützt und aufgebaut hat. Er hatte ebenfalls verschlafen – kann wirklich jedem mal passieren – und er befand sich, als er sich telephonisch meldete, gerade auf der Autobahn von Hamburg in Richtung Essen. Denn für den 19.12.2015 war er, seit über 15 Jahren zum Inventar dieser Veranstaltung gehörend, für den „Weihnachtsmarkt Essen-Steele“ gebucht worden. So durfte ich, in meiner berüchtigten Behäbigkeit, Umstandskrämerei und Bewegungsunlust, auf meine alten Tage sogar noch einmal in aller Form beweisen, dass ich im Laufe der Zeit die Bedeutung des mir doch so fremden Begriffs „Spontanität“ doch noch nicht so ganz vergessen hatte, wie ich bislang eigentlich annahm.

Duschen, Haare Waschen, Umziehen – eigentlich wollte ich an diesem Samstag ja durchgehend zu Hause bleiben und mich einer gewitzten und lobenden Rezension von Frank Zanders neuem Album „Immer noch der Alte“ schreiberisch hingeben (die selbstverständlich auch in diesen ‚spontanen‘ Tagen keinesfalls vergessen und noch vor Weihnachten meinerseits fertiggestellt wird!) – nun hieß es eben, ganz flink all die ungeplanten Alltäglichkeiten mit viel Mühe und in einer Schnelligkeit durchzuführen, die mir schon lange kaum mehr möglich erschien – und dann: ab nach Essen. Na gut, den Zug hab ich nimmer geschafft, aber der nette Taxifahrer ließ sich zu einem Festpreis überreden, so dass ich bereits um 15.30 Uhr wohlbehalten in Essen-Steele arrivierte.

Dort angekommen, bei Temperaturen, wie an einem leutseligen Septembernachmittag, kurz vor Sonnenuntergang, den Ray Davies jr. von den „Kinks“ einst so trefflich und romantisch in seinem Meisterwerk „Waterloo Sunset“ beschrieben hatte, betrat bald der Dortmunder Phillip Engel die Bretter, die die Welt bedeuten. Der junge Mann, der mehr nach tiefsinnigem Singer/Songwriter a la Jan Plewka ausschaut, denn nach schniekem (austauschbaren) Disco-Fox-Jüngling, heizte nun knapp 45 Minuten lang seinen vor der Bühne versammelten Fans ein. Unerwartet stimmstark, weitaus eindringlicher, als bei seinen Studioaufnahmen, einwenig rau, vulgo: lebenserfahren, und mit ausgeprägtem Widererkennungswert ausgestattet, turnte sich der sympathische Sänger durch seinen (vielleicht sogar viel zu…) vielseitigen Liedvorrat, das zum einen aus nicht immer besonderes originellem Disco-Fox besteht, aber eben gleichermaßen enorm eingängige, herzhafte, ehrliche Edelschlager und grazile, überaus anspruchsvolle Balladen beinhaltet. Mit dem sehnsuchtsdurchtränkten, eben genannter Gattung zuzuordnenden Titel „Richtung Süden“ feierte Phillip 2014 einen maßgeblichen Sommerhit in den Airplay-Hitparaden. Der temporeiche Popschlager „Wir könn‘s doch wenigstens probier’n“ hat fraglos Hand und Fuß (und sprachlichen, wie inhaltlichen Tiefgang); während tanzbetonte Foxschlager der Sorte „Du schlägst mein Herz k.o.“ oder „Lebenslänglich“, trotz aller Stimmkraft des vortragenden Künstlers, oft so rüberkommen, wie schon tausendmal zuvor gehört, und nichts Neues, Eigenständiges in sich tragen zu scheinen – und zu allem Überfluss vermittelt die per se durchaus ansprechende, hoch melodische himmlische Tanz-Liebesode „Angel“, gerade im Refrain, unüberhörbar den Eindruck, harmonisch sehr, sehr, sehr an den wenig erfolgreichen, aber bei Kennern und Eingeweihten Musikgourmets noch heute sehr gefragten 1990er-„Bon Jovi“-like-Heavypop-Hymnus „Angel don’t cry“ der unvergessenen Ingolstädter Rockgruppe „Dominoe“ angelehnt zu sein.

Keine Frage, den anwesenden Fans hat’s gefallen und Philipps Aufwartung kann ohne Frage nur als gekonnt, anregend und peppig klassifiziert werden; insbesondere von seiner kessen Neufassung von IBO’s 1985er-Dauerbrenner „Ibiza“ konnte das Auditorium in Essen-Steele nicht genug bekommen. Dennoch sollte sich der junge, wahrlich talentierte Sänger und Songschreiber bald entscheiden, in welche Richtung er in Futuro gehen möchte. Norman Langens und Michael Wandlers finden wir in der einheimischen Schlagerszene bereits zur Genüge; auf der Balance zwischen poppigem, radiotauglichen Liedermachertum und gehobenem, rockorientierten Feudalschlager, fehlt es jedoch aktuell an ernstzunehmendem Nachwuchs. Ich denke, dass eine Orientierung Phillip Engels hinein in dieses Spektrum, seiner kraftvollen Stimme, seiner unzweifelhaften Fähigkeit als Liedautor und seinem ganzen Habitus und Erscheinungsbild wahrscheinlich am nächsten käme.

Inzwischen zeigte sich „Hauptact“ Peter Sebastian, mit langer, rotweißer Weihnachtsmannmütze geschmückt, im Backstagebereich. Er begrüßte seine treuesten Freunde und FACEBOOK-„Verfolger“ und natürlich auch seinen ebenso treuen „Schreiberling“ (vulgo: den Verfasser dieser Zeilen… ;-), während sich vor der Bühne am Rande des Kaiser-Otto-Platzes tatsächlich an die 300-400 (!) Musikgenießer einfanden, die offenkundig nur wegen Peters diesjährigen Auftritts auf dem „Weihnachtsmarkt Essen-Steele“ genau dorthin angereist waren und sich, ob ihrer Massen, fast bis jenseits des Veranstaltungsgeländes nur so drängten.

Um genau 17.00 Uhr ging es, nach einem niedlichen und zugleich lieb ironischen „Vorstellungsgedicht“ über Peters langjährige Karriere, vorgelesen von einem nicht weiter zu nennenden Moderator, los mit der eher gemütlichen, ruhigen Feudalballade „Weihnacht steht vor der Tür“, die auch die brandneue, übrigens allererste Weihnachts-Best-of-CD „HO-HO-HO@all“ (TOI TOI TOI Records) des Entertainers aus Hamburg-Harburg melodiös und nachdenklich in einem einleitet.

Umgehend danach, legte Peter seine Weihnachtspudelmütze bis auf weiteres wieder ab und startete sein legendäres Feuerwerk der Guten Laune mit – wie kann es anders sein?? – ein paar Takten aus seinem 1989er-Überhit, seiner persönlichen Erkennungsmelodie „Du Schwarzer Zigeuner“, die schnurstracks in die herzensgute Sympathiebekundung eines 57jährigen Sängers für seine 88jährige Frau Mama, „Mein Engel ist menschlich“, mündete. Nach und nach wuchsen die begeisterten Zuschauer immer eindeutiger aus sich heraus, als Peter ein radikal dancefloor-tauglich aufgedonnertes Medley aus zwei Superoldies seines großen Vorbildes Peter Alexander keck und fröhlich präsentierte, die da hießen „Ich weiß, was Dir fehlt“ (1957) und „Pedro (Mandolinen um Mitternacht)“ (1973), Wort für Wort mitgesungen von seinen unzähligen musikalischen Anhängern vor der Bühne.

Es folgten nun bekanntere, wie weniger geläufige Titel, Geheimtipps und Raritäten aus über 30 Jahren Peter Sebastian: So z.B. der hymnische Popschlager-Ohrwurm „Ich wollte leben ohne Dich“, der konsequent grenzüberschreitende, so wehmütige, wie hoffnungsvolle Romantikschlager „Kein Meer zu tief“ oder der flotte, schnieke Rock’n’Roll-Verschnitt im Sinne Peter Kraus‘, „Du da Du“, im Zuge dessen der absolute Bühnenprofi aus dem hohen Norden gehörig mit seinen Fans schäkerte und flirtete, was darin gipfelte, dass sich eine ältere (verheiratete) Dame mittels des Ausrufs „Peter, ich will ein Kind von Dir“ einen Kurzurlaub in Form einer dreitägigen Kreuzfahrt von Amsterdam nach Newcastle und zurück regelrecht „erschrie“.

Es gab nun echt kein Halten mehr, als Peter daraufhin seine – wiederum sehr glitzernde, deftig rhythmisch arrangierte – Neuversion des ursprünglich auf einer traditionellen türkischen Volksweise basierenden Leo-Leandros-Oldies „Salem Aleyküm – O Mustafa“ überkandidelt bauchtänzelnd darbot, bevor als absoluter Höhepunkt des einstündigen Programms noch ein paar tolle Beiträge aus „HO-HO-HO@all“ an der Reihe waren. Hierbei handelte es sich um die kompakten, dabei stets familiengerecht und durchwegs einfühlsam verfassten Eigenkompositionen „Mein schöner, bunter Weihnachtsteller“ und „Weihnachtsmärchenland“ und die muntere „Weihnachtsparty“, bestehend aus sacht modernisierten, schnurstracks zum Mitsingen auffordernden Fragmenten klassischen deutschen Weihnachtsliedguts a la „Ihr Kinderlein kommet“, „Alle Jahre wieder“, oder „O Du Fröhliche“. Ganz zum Schluss – um Punkt 18.00 Uhr musste Ruhe herrschen, da dann die Vorabendmesse in der nahegelegenen  Katholischen Pfarrei St. Laurentius beginnen würde – interpretierte Peter Sebastian eine herzzerreißende und ebenso sanfte Neuauslegung des erstmals 1959 von Lys Assia zum Evergreen ausgestalteten Kinderliedes „Mamatschi – schenk mir ein Pferdchen“.

Der Jubel wollte nicht enden, zig Fans warteten bereits am Bühnenausgang auf den Star des Abends, zum Klönen, Autogrammesammeln, um CDs und Bücher zu erwerben… Während Peter noch am selben Abend einen Auftritt mit Romantikschlager-Nachzügler Michael Larsen in Oberhausen zu absolvieren hatte, fuhr ich bald darauf, gemeinsam mit einem langjährigen Freund des Künstlers, der ebenfalls, wie ich, in Gelsenkirchen wohnt, zurück gen Heimat.

Nach einigen nicht so erfreulichen Wochen, war dieser „Sprung ins Kalte Wasser“ mitsamt der mir seit Jahren ja eigentlich nicht mehr möglichen Spontaneität, zurück vor die Livebühne wohlwollender und interessanter Künstler für mich gewiss ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, der für 2016 nur Besseres erhoffen lassen kann. So hatte ich bei Peters Aufwartung in Essen-Steele gelesen, dass drei Tage später, am 22.12.2015, ein Schlagerschaffender ebendort aufträte, der mich seit Kindertagen, genau gesagt, seit dem 29.10.1981 (da war ich zehn Jahre alt und zwei Tage zuvor in fünfte Klasse des ach so Katholischen Sankt-Ansgar-Gymnasiums gekommen, von deren damaligen frömmelnden Möchtegern-Pädagogen-Fratzen ich noch heute nicht wenigen „die Hölle auf Erden“ wünsche…), bis in die Jetztzeit hinein nicht mehr loslassen sollte.

An jenem Donnerstagabend, stellte unser aller „Sonnyboy“ Michael Schanze einen bis dato völlig unbekannten, gerade mal 26jährigen Sänger namens CHRISTIAN FRANKE aus Nürnberg vor, der sich mit einer eigenwilligen Mixtur, zwischen britisch angehauchtem Synthipop, filigranen Anklängen an die damals soeben angebrochene Neue Deutsche Welle (NDW) und düster-pathetischem Chanson-Ambiente, anschickte, den in die Jahre gekommenen Deutschen Schlager gehörig zu modernisieren. Was dieser junge Mann darbot, war zweifellos keine glückselige, nicht selten übertriebene Mitklatsch-Fröhlichkeit mehr, wie diese die teutonische leichte Muse im Verlauf der 70er Jahre überwiegend gekennzeichnet bzw. ausgemacht hatte. Denn zu diesen völlig neuartigen Pop-plus-Rock-plus-Wave-plus-Schlager-Kaskaden sang der Newcomer aus Franken (sic!), beseelt von einer göttlichen Viereinhalb-Oktavenstimme, zu allem Überfluss auch noch so bitterst schlageruntypische Textzeilen, wie z.B. „ich habe Euch Zwei nicht nur einmal verflucht…“, die allesamt den auch musikalisch schier grandiosen Synthiblues „Ich wünsch Dir die Hölle auf Erden (wenn Du heut‘ gehst)“ in seiner Expression bestätigten. Dieser Schmerzensschrei eines verletzten Mannes traf den klanglichen Zeitgeist des dunklen, verängstigten Herbstes 1981 tief ins Mark, zog zum Jahresende in die Top 75 der „Media Control“ ein, verblieb ganze 26 Wochen darin und erzielte als höchste Notierung Rang 7. Im Mai des „Summer of Pop“ 1982 folgte das melodramatische, spürbar 50er-Jahre-beeinflusste Synthichanson „Was wäre wenn…?“ (mit der von der Münchener Sängerin/Texterin Andrea Andergast ersonnenen, sprachlich einfach nur faszinierenden und grammatikalisch eindrucksvoll korrektest formulierten Textzeile „…wärest Du dann die Frau / DIESES graumelierten Herren…“, die den gerade elf Jahre alt gewordenen Sprachfetischisten in Spe., Holger S., bis aufs äußerste in positive Wallungen versetzte!!) und auf Rang 26 der Singlecharts schoss. Es erschienen dann das hingegen eher 70er-lastige Synthi-Pop-Glanzstück „Wenn Du gehst, stürzt nicht der Himmel ein“ und zig weitere genialische Hitsingles, mit denen Christian Franke einen nicht wegzudiskutierenden Beitrag zu dem sich damals, jenseits der oder sogar ggf. als traditionellerer Gegenpart zur NDW, entwickelnden „Neuen Deutschen Romantikschlager“ leistete, der 1982/83 seitens vieler Nachwuchstalente jener Tage, von Andy Borg oder G.G. Anderson, bis hin zu Tommy Steiner, Florian Haidt, Peter Sebastian, Andreas Martin oder Günter Stern etc., immens erfolgreich ins Leben gerufen wurde. Die bis heute leider noch niemals in Gänze auf CD neu aufgelegte (und daher in Vinyl-Form ultrarare und nur selten aufzutreibende) Ariola-LP „Du und ich“, die zusätzliche, betörend eingängige, wie anspruchsvolle Synthischlager beinhaltete, fand der Interessierte im Spätsommer 1982 in den Plattenläden. Mehrere, immer strikt melodiebetonte, zutiefst romantische Melodien, wie „Lebenslänglich“ (1984), „Ewigkeit“ (1985, deutsche Version des phantastisch-bombastischen Synthidramas „Angel Eyes“ eines darüber hinaus niemals bekannt gewordenen Herrn namens Robert Vanguard), oder „Ich hab nur ein Herz (1986) erschienen künftig bei CBS bzw. Intercord. Gegen Ende der 80er Jahre, wurde der großgewachsene Frauenschwarm von einer schweren Krankheit im HNO-Bereich heimgesucht, die eine Fortführung seiner doch so rasant und ertragreich begonnenen Karriere erst mal unmöglich erschienen ließ.

So richtig wieder aufwärts ging es mit der künstlerischen Laufbahn des inzwischen im Saarland lebenden Familienvaters erst viele, viele Jahre später, im Sommer 2009, als es zu einer schicksalhaften Begegnung von Christian Franke mit dem Bad Bellinger Topproduzenten David Brandes kam, in Folge dessen der tüchtige und versierte Komponist und Arrangeur für seinen neuen Schützling das so schwelgende, elegische, wie theatralisch-surreale und zudem (bzw. gerade deshalb) geradewegs in die Gehörgänge eindringende Epos „Geh nicht fort (Guardian Angel)“ erdachte – ein realer Meilenstein deutscher Popmusik der Nuller-Jahre, voller Esprit, Atmosphäre und Stil, und zugleich die fundamentale Rückkehr eines Kindheitsidols des Verfassers dieser Zeilen in die weiten, großen Welten des einheimischen Musikgeschehens.

Und nun sollte Christian Franke, der in den letzten Jahren sowohl solistisch, als auch in Kooperation mit dem oberschlesischen Panflötisten und Multiinstrumentalisten Edward Simoni (den man mögen können kann, aber nicht mögen müssen muss), unter der Ägide von Produzent/Liedschreiber David Brandes und Textgroßmeister Dr. Bernd Meinunger, erneut ein halbes Dutzend Singles, sowie das gefeierte Album „Leben“ (2012) auf den Markt brachte und sich damit immer wieder auf den höchsten Rängen der Airplay-Charts wiederfinden konnte, am – wiederholt ungewöhnlich milden, wenigstens hinsichtlich Bewölkung und schummriger Dunkelheit einwenig winterlich anmutenden – Dienstag, dem 22.12.2015, auf dem Weihnachtsmarkt in Essen-Steele eine Stunde lang ‚live‘ singen!!!

Als stolzer Besitzer wohl fast aller offizieller Tonträger (und einiger Promos) von Christian Franke, war es mir bis zu jenem (wenn auch nicht unbedingt witterungsbedingt) vorweihnachtlichen Dienstagabend noch niemals, also von 1981 bis 2015, möglich gewesen, eine Livedarbietung des heute 59jährigen (schlimmstenfalls wie 39 aussehenden) Stimmwunders zu erleben. Um diesen unschönen Umstand schnellstens – besser spät als nie -, zu beenden, bedeutete dies: Nur drei Tage nach Peter Sebastians und Philip Engels tönendem Besuch dort, wiederum, diesmal per Bus, zurück nach Essen-Steele, einen „schönen Rotkohl“ (s.o.) genießen, einen Glühwein bestellen – und dann einem Künstler lauschen, der einen seit mehr als drei Jahrzehnten musikalisch begleitet hatte, ohne dass bislang jemals hatte nur ein persönliches Zusammentreffen mit diesem und/oder das Erleben eines Konzertes dessen realisiert werden können.

Christian begrüßte bald seine Beinhart-Fans, die teilweise von sehr weit her angereist waren, ich stellte mich ihm kurz vor – und nach und nach versammelten sich um die 250 Freunde des gehobenen Popschlagers vor der Bühne auf dem Kaiser-Otto-Platz, obwohl der Weihnachtsmarkt zuvor, wohl, weil viele Menschen noch die letzten Weihnachtseinkäufe vor dem Fest zu erledigen hatten, eher geringfügiger frequentiert worden war, als am vergangenen vierten Adventswochenende.

Kurz nach 18.00 Uhr, erklomm der Star der Abends die kleine, aber feine Showbühne in der Fußgängerzone und stimmte sogleich mittels eines wahnsinnig attraktiven, lebensfrohen, beinahe-„Urschreis“, der sekundenschnell bezeugte, dass Christian seine viereinhalb Oktaven auch jetzt und in Zukunft in Bestform beherrscht, seinen Non-Album-Singlehit „Wenn Du gehst, stürzt nicht der Himmel ein“ an. Diesen hatte der Megavokalist am 31.01.1983 in der legendären „ZDF-Hitparade“ vorgestellt. Er ist in den Chor-Passagen unüberhörbar an die entsprechenden (und ebenfalls sehr hoch zu singenden) Parts des 1974er-Juxebox-Jives „Sugar Baby Love“ der damaligen Teeniehelden „The Rubettes“ angelehnt, weshalb die Interpretation derer ohne Frage eine außergewöhnliche Gesangsbegabung voraussetzt, welche Christian 1982/83 ebenso sein Eigen nannte, wie es 2015 der Fall ist!

Es folgte die großorchestrale Powerrock-Ballade „Der Apfelbaum“, die inhaltlich auf einem Zitat Martin Luthers beruht, und in typischer David-Brandes-Manier opulent, mit massenhaft akustischen Gitarren übereinander gemischt, lauten, fetten Streichern und der unumgänglichen Panflöte des Kollegen Simonis, arrangiert wurde. Dieses hochphilosophische Opus lebte auch in Essen-Steele wiederkehrend von Christians Wahnsinnsorgan und hatte im November 2011 einen sehr ordentlichen Rang 45 in den deutschen Verkaufscharts für das Projekt Franke/Simoni bedeutet. Der allererste, gemeinsam mit dem polnischen Panflötisten aufgenommene Nummer „Lass sie nie wieder los“ setzte Christians Repertoire am 22.12.2015 auf bestem Niveau fort, wobei es sich hierbei um einen üblich sachgerechten Brandes-Meinunger-Edelpopschlager handelte, der einerseits stimmungsbezogen an die mittleren 80er Jahre erinnerte, sich aber ganz genauso in Sachen Tanzbarkeit und Rhythmik „up to Date“ vorstellte.

Mit höllisch heißem A-Capella-Intro versehen, stürzte sich Christian nun in die „Hölle auf Erden“, die er seit Ende 1981 welcher bösen Frau auch immer wünscht, falls dieselbe auf die Idee käme, ihn womöglich gehend zu verlassen. Ja, spätestens jetzt gerieten die inzwischen um die 300 Fans – alles zwischen 20 und 75 war vorhanden – endgültig aus dem Häuschen. Obschon der gelernte Großhandelskaufmann aus Franken eine deutlich aufgepeppte und im Tempo drastisch angezogene Dance-Einspielung seines ultimativen Allzeit-Hits bei seiner Liveaufführung nutzte, die vermutlich ums Millennium herum entstanden sein muss, sangen Weiblein, wie Männlein, vor der Bühne unverzüglich lauthals mit; eine ältere Dame, die neben mir tanzte, sagte, sie könne gar nicht mehr aufzählen, wie vielen bösen Menschen sie diesen entlastenden Frusthymnus in ihrem Leben so alles zuerkannt habe… Der ob so vielen Jubelns und ausgewiesener Zustimmung regelrecht strahlende Sänger gestand im Anschluss an seine Proklamation dieses brutalstmöglich ehrlichen und abgeklärten Rockschlagerklassikers, er verdanke insbesondere diesem Titel sehr viel und sänge ihn daher immer wieder gerne, solange er dürfe, solange er könne, solange er wolle und solange er darum gebeten werde.

Nun ertönte Christians letzte Single, die aus dem Jahr 2014 stammt, nochmals von Brandes/Meinunger konzipiert worden war, und sich da nennt „Du machst mich verwundbar“. Zurück in bessere Zeiten, als Dieter Thomas Heck noch alle vier Wochen aus den Berliner „Union Film Studios“, um punkt 19.30 Uhr, die besten, erfolgreichsten und -versprechendsten deutschen Schlager der jeweiligen zeitlichen Periode auf der Liste hatte, ging es nun via des – zu Jack Whites 1972er-Originalarrangement dargebotenen – Jürgen-Marcus-Gassenhauers „Eine neue Liebe ist, wie ein Neues Leben“, wobei nun wirklich alle Zuschauer vor der Bühne mit jubilierten und sich die Seele aus dem Leib sangen.

Ein weiterer Titel aus der CD „Leben“, „Doch schweigen werd‘ ich nicht“, verbindet Trauer, Trotz und Wut über das Ende einer Beziehung mit dem Flehen und Hoffen auf eine irgendwie doch noch mögliche Einigung der beiden in höchstem Grade zerstrittenen Protagonisten, auf der Basis eines elitären 80er-Jahre-lastigen Popschlagers mit Anspruch, und setzte Christians Liveshow in Essen-Steele fort, bevor der elegante, melancholische, dazu klanglich schwebende, gar wehende Singlehit aus „Leben“, „Wenn Du jetzt gehst (fallen nie Tränen)“, vom Interpreten unisono dramatisch und stimmstark intoniert, zum Höhe- und Schlusspunkt des insgesamt rund einstündigen Gastspiels auf dem zwischenzeitlich völlig abenddunklen Weihnachtsmarkt führte.

Kompositionen des US-Singer/Songwriters Neil Diamond gesanglich nachzuempfinden, ist keine leichte Aufgabe. Daran sind schon nicht wenige sangesfreudige Menschen gescheitert; ich nenne an dieser Stelle mal  keine weiteren Namen, gestehe aber auch selbst verschämt ein, ab und an mal Neils Lieder zu versuchen im Karaoke-Stil nachzusingen… naja, das Ergebnis ist, trotz aller Mühe, nicht selten recht dürftig ausgefallen 😉

Einem Viereinhalb-Oktaven-Stimmwunder, wie Christian Franke eines ist, gelang dies aber, wie erwartet, gänzlich problemlos, charmant und echt – „Sweet Caroline“, ein Welthit und Evergreen aus dem Jahr 1969, leider vorgetragen zu dem unnötig aufgedonnerten (und somit banalisierten, letztlich entstellenden) Partyklanggewand eines derjenigen sangesfreudigen Kollegen, die ich oben namentlich nicht zu erwähnen wagte, legte noch einmal das unsagbar vitale, ausdrucksstarke und nahezu gewaltige Stimmtalent des 59jährigen Wahl-Saarländers überzeugend und nachdenklich an den Tag – auch, wenn genau dieses sicherlich im Rahmen eines sanfteren, ernsthafteren Playbacks garantiert noch üppiger und beträchtlicher zum Vorschein gekommen wäre.

Als Zugaben erklangen – wiederum im Bierzelt-Modus – der offenbar nicht zu verhindernde, längst zum reinen Trinklied verkommene Country-Standard „Take me Home, Country Roads“, dessen 179. Coverversion auch hier nur und ausschließlich durch Christians vokalistische Festigkeit gerettet werden konnte, und „Auf uns“, die bei den meisten der jüngeren Generation offenbar dauerhaft gefragte und begehrte, für ein unverbesserliches 80er-Kind, wie mich – ganz persönlich –, jedoch eher unbedeutende und nichtssagende Untermalung der Fußball-WM 2014, welche Christian Franke dem Songkatalog des Popsängers Andreas Schwabe, äh, ich meine Andreas Bourani, entliehen hat.

Um 19.00 Uhr wurden dann die Lichter auf der Bühne des Weihnachtsmarkts Essen-Steele gedimmt – und ich hatte nun endlich einen echten Live-Gig von Christian Franke erlebt, nach immerhin rund 34jähriger Wartezeit 😉 Seine Stimme ist weiterhin nur als bahnbrechend und rekordverdächtig einzustufen, er tanzt, springt und hüpft, wie ein junger Gott, scheint äußerlich kaum gealtert zu sein (verzichtet aber „Gottseidank“ auf das scheußliche, knallrote Früh80er-Spießerhemd, welches er auf dem Cover seines LP-Erstlings „Du und ich“ tragen wollte/durfte/musste) – und seine Zusammenarbeit mit David Brandes nach 2008 sorgte darüber hinaus für ein höchst intelligentes, vielseitiges und nobles Ambiente seiner neueren Titel. Etwas schade fand ich – wiederum aus ganz persönlicher Sicht betrachtet –, dass Christian seinen phänomenalen Comeback-Hit „Geh nicht fort (Guardian Angel)“ (2009) nicht in seiner Setlist berücksichtigt hatte, stattdessen zum Schluss aber inzwischen fast totgenudelte Fetenreißer aufführte, die vielleicht die Massen verzückten, aber das hohe Niveau von Christians eigens für ihn erschaffenen Liedkreationen kaum erreichten, sondern einzig und alleine Dank seiner unvergleichlichen und alles in den Schatten stellenden Stimme und Interpretationsweise ‚irgendwie‘ einen Platz in seiner musikalischen Schatzkiste, irgendwo weiter hinten, einzunehmen vermögen.

Von diesem minimalen Manko abgesehen, war die Liveshow von CHRISTIAN FRANKE wahrhaftig und unbestritten ein wahrer Genuss. Müde, aber musikalisch sehr gut unterhalten, kehrte ich bald darauf nach Gelsenkirchen zurück.

Dem Künstler wünsche ich nun, dass er vielleicht 2016 mal wieder mit ganz neuem Liedmaterial an die Öffentlichkeit tritt, natürlich wünsche ich ihm und all seinen Fans (& natürlich allen Lesern dieses Textes!) frohe, besinnliche & gesegnete Weihnachten 2016 – und mir selbst gestatte ich, mir nun zu wünschen, nach zwei schönen, warmen, sommerlichen (‚lächel‘) Winter(!)nachmittagen auf dem Frühlingsfest, nein: – tatsächlich (!!!)  – Weihnachtsmarkt in Essen-Steele, dass ich nach Abschluss dieses Artikels und der Aussendung desselben an smago! erst mal die Beine hochlegen, den „Merlot“ köpfen und mich bis auf weiteres im Sinne „Queen’s“ entspannt zurücklehnen kann: „Thank God it‘ Christmas“!!!

Holger Stürenburg, 19. bis 23. Dezember 2015
http://www.maniamusic.de
http://www.christian-franke.de/

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