FANTASY
Die CD "Freudensprünge" im Test von Holger Stürenburg!

 

Bislang, so gestehe ich ein, ist das nordrhein-westfälische Schlager-Duo „FANTASY“ relativ spurlos an mir vorbeigezogen. Dies lag aber weniger am mal leger-fröhlichen, mal romantisch-schwärmerischen Popschlager der beiden Protagonisten Freddy März und Martin Marcell. Vielmehr habe ich ja ca. zweieinhalb Jahre lang in Sachen Musikjournalismus pausieren müssen – und gerade in jener Zeit, ergo: 2012/13/14, haben sich die beiden heute 45jährigen Vokalisten endgültig an der Spitze des einheimischen Schlagergeschehens etabliert.

Nach meiner beruflichen Rückkehr, vernahm ich im Winter 2014 auf einem meinerseits für SMAGO! vorgestellten Hit-Sampler erstmals den im Sommer desselben Jahres aus Anlass der Fußballweltmeisterschaft in Rio de Janeiro vonseiten des Duos ins Rennen gesandten, südamerikanisch aufgepeppten Muntermacher „R.I.O. – Es geht nach Rio de Janeiro“ – und schloss den liebenswert flippigen, heißblütig ausgelassenen Gassenhauer sogleich in mein Herz und in meine Gehörgänge. Dies bedeutete, dass ich zu einem Zeitpunkt begann, mich näher mit „FANTASY“ zu beschäftigen, als die beiden brünetten Frauenlieblinge schon längst zu den ganz großen Schlagerhelden des deutschsprachigen Raums gezählt wurden. Auch die beiden Folgesingles, im Anschluss an den Hymnus auf die brasilianische 12-Millionen-Einwohner-Metropole, das im mittleren Tempo gehaltene Liebeslied „Darling“ und der sentimentale Schleicher „Wenn die Sehnsucht nach mir in Dir brennt“, gefielen mir sehr und als ich nun vor kurzem, am 20. Februar 2016, bei Florian Silbereisens „Glückwunschfest“, einen längeren Auftritt der beiden sah, sagte ich sofort zu, als mich die SMAGO!-Chefredaktion beauftragte, das aktuelle CD-Opus von Martin und Freddy genauer unter die Lupe zu nehmen – zumal dieses Album – „Freudensprünge“ betitelt – von niemand geringerem geschrieben, arrangiert und produziert wurde, als von Mr. „Pop-Titan“ himself, Dieter Bohlen!

14 neue, durchwegs exzellente Schlager-Kleinode (sowie ein peppiger „DJ Mix“ der vortrefflichen Urlaubsuntermalung „Mein Schiff, es fährt heut Richtung Süden“), von denen sich die meisten, so ist es bereits an ihren Überschriften zu erkennen, um Schiffe, Meere, Seen und Inseln drehen, wurden (mit einer Ausnahme) seitens Dieter B. ausgetüftelt, in der Hoffnung (und marktbezogener Erwartung), diese mögen den offenen Freund des Deutschen Schlagers umgehend nach den ersten Takten zu realen „Freudensprüngen“ veranlassen.

Aufgrund der Tatsache, dass ebenjene, so benamte Silberscheibe kurz nach Erscheinen problemlos den ersten Rang der einheimischen (wie übrigens ebenso der österreichischen) LP-Charts zu entern in der Lage war, also von Null auf Eins auf die Topposition schoss, dürfte dieses Ziel, zumindest in marktstrategischer Hinsicht, mehr als nur erfüllt sein. Nun jedoch, ist es an der Zeit, sich mit den einzelnen Liedbeiträgen auf „Freudensprünge“ näher auseinanderzusetzen – und diese sind nahezu in ihrer Gesamtheit keineswegs von schlechten Eltern!

Schon die erste Singleauskoppelung „Eine Insel in den Wolken“, mit der vorliegende CD proper und anregend startet, zeigt zweifelsfrei, dass Dieter Bohlen in seiner Funktion als gewiefter Produzent ganz phantastisch mit Freddy und Martin alias „FANTASY“ harmoniert: Der konsequente Ohrwurm verbindet den klassischen Romantikschlager-Sound der 80er Jahre mit nur ganz sacht spürbaren, typischen Bohlen-Eurodisco-Spielereien und gleichermaßen nur hintergründig vernehmbaren volkstümlichen Elementen. Allein dieser Albumeröffner belegt, dass Bohlen, manchen Unkenrufen zum Trotz, immer noch einer der größten, facetten- und ideenreichsten MOR-Produzenten ist, den die BR Deutschland aufzuweisen hat: „Eine Insel in den Wolken“ tut niemandem weh. Es handelt sich dabei viel mehr um einen tönenden guten Freund im Songformat, einfach nur zum Gernhaben; ein Lied, ausschließlich zum Träumen, Ablenken, Mitsingen geschaffen, das man schlicht und ergreifend mögen muss, ohne dass es notwendig war, hierfür das teutonische Schlagerliedgut von Grund auf neu zu erfinden. Und dieses musikalisch-emotionale Konglomerat lebt darüber hinaus in bester Ausformung explizit durch die einprägsamen, starken und zugleich geschmeidigen Stimmen der beiden „Fantasy“-Protagonisten.

Die so gefühlvolle, wie urban-coole Mid-Tempo-Nummer „Wenn Du mir in die Augen schaust“ hätte Dieter in ihrer Grundsubstanz auch bereits 1983/84 für seine damalige Neuentdeckung und späteren „Modern Talking“-Partner Thomas Anders als eine von dessen ersten phänomenalen (damals aber leider kaum erfolgreichen) Solosingles geschrieben haben können. Gleiches gilt z.B. für „So wie ein Vulkan“, stilistisch angesiedelt zwischen „Blue System“ minus bumsende House-Rhythmen bzw. dröhnende Wummerbässe und den zig unvergesslichen G.G. Anderson- oder Tommy-Steiner-Tränendrüsendrückern von vor 30 Jahren.

Single Numero Zwei, „Blinder Passagier“, hat Freddy März persönlich kompositorisch zu „Freudensprünge“ beigetragen. Dies ist ein flotter, wenn auch inhaltlich eher traurig-enttäuschter, zudem etwas zu drastisch rhythmisierter Tanzschlager über einen unerwünschten Mitfahrer bzw. Mitschläfer auf dem Kissen des gemeinsamen Bettes des gehörnten Lied-Ichs und seiner (Noch-)Freundin, der sich neben den schnittigen Klangkreationen aus dem Hause Bohlen keineswegs zu verstecken braucht.

Im zutiefst melodischen, romantikbeflissenen, latent surreal-schwebenden und zugleich sattsam tanzbaren Schlagerklangbild auf der Balance zwischen mittleren 80ern und dem Heute und Hier, können wir uns von weiteren, tempobezogen eher rasanteren Liebesgeständnissen a la „Ich hab geträumt“ , „Und wenn Du gehst“, „Ein Hotel am Meer“, „Tausend kleine Seen“ oder „Vielleicht im nächsten Leben“ zum Zurücklehnen, Ausruhen und „Wegbeamen“ aus der kühlen Vorfrühlingsluft hierzulande in ferne, wärmere, phantasievolle Welten verleiten lassen – allesamt herausragend konzipiert, stimmig umgesetzt und gesanglich überzeugend vorgetragen!

Der so edle, wie sanftmütige, und dennoch strikt rhythmische Popschlager „Du bist so schön“ verbreitet pure, ausschweifende  Melancholie, Sehnsucht und Verlangen, während die herrlich schwülstige, heißverliebte 50er-Jahre-beeinflusste, zaghaft akkordeonverzierte Doo Wop-Schnulze „Halt mich fest in Deinen Armen“ in Sachen Flair und Ambiente scheinbar irgendwo im einst von Ted Herold so trefflich besungenen „Moonlight“ beheimatet zu sein scheint. Das luftig-lockere „Mein Schiff, es fährt heut Richtung Süden“ ist ein sommerlich-atmosphärischer, fundiert, aber nicht übertrieben südländisch-feurig angehauchter, gesungener Urlaubstraum, gehalten im hitzigen „Love is in the Air“-Discosound der ausgehenden 70er Jahre; die voranstrebende, vor Fernweh und Reiselust nur so überquellende Ode auf Sommerwind und Herzenszeit im geheimnisvoll-unwirklichen Ferienparadies „Cap d’Amour“ (Liedtitel) experimentiert hingegen mit mediterran flirrenden und zirpenden Flamenco-Gitarren und ebensolchen Rhythmen.

Eine Reminiszenz an die unbelasteten, sorgenfreien Jugendtage im Alter von 17 Jahren – nachgerechnet muss dies in Anbetracht des Geburtsjahrgangs von Freddy und Martin also 1987/88 gewesen sein -, als das Lied-Ich zusammen mit der ersten Liebe, mit dem Rucksack unter dem Arm, „Einmal um die ganze Welt“ (Liedtitel) zu reisen gedachte, hat zwar nichts mit Karel Gotts gleichnamigem 1970er-Dauerbrenner gemein, stellt dafür aber einen fürwahr kompakten, liebenswürdigen, wiegend-träumerischen Romantikpop-Schlager auf höchstem Niveau dar.

Eingangs erwähnter, einwenig kraftvoller rhythmisierter „DJ-Mix“ der dritten Radiosingle in Spe., „Mein Schiff, es fährt heut Richtung Süden“, beschließt ein ansprechendes, auf faszinierende Weise unaufdringliches, charmantes Album, prallgefüllt mit modernen, zeitnah ausgekleideten, aber niemals unnötig auf Fox-Grellheit, stumpf stampfende Überrhythmisierung oder tumbe Effekthascherei setzenden Popschlager-Schmankerln in Reinkultur. Ebensowenig wirken die 14 Songs unsensibel seicht, schlaff oder gar wie am Reißbrett entworfen. Fraglos spielt der kommerzielle Aspekt bei „Freudensprünge“ – wie es ja bei Produktionen von Dieter Bohlen überwiegend der Fall ist – eine herausgehobene Rolle. Aber Großmeister Dieter gelingt es hierbei tatsächlich, im Verbund mit den beiden sympathischen Mitt-40ern von „FANTASY“, jederzeit verkaufsträchtigen Popschlager mit immens viel Gefühl und Herzblut, Ehrlichkeit und Leidenschaft zu verbinden. Dieses Faktum – nennen wir es „Kommerz mit Herz“ – zeichnet „FANTASY“ gegenüber manch anderen, in Duo- oder Trio-Formationen auftretenden Neo-Romantikschlager-Combos aus und hebt Freddy und Martin unter all den namenlosen ‚Romeros und Calimeros‘ dieser Welt positiv hervor!

Der Schritt zur kreativen Kommunikation mit dem „Pop-Titan“ aus Tötensen mag nicht nur der „Lebenstraum“ (Zitat) der beiden „Fantasy“-Mitstreiter gewesen sein, er zeigt sich – und dies belegen alle 14 neuen „Fantasy“-Schlager bei jedem Anhören immer präziser und unzweideutiger – als regelrecht notwendig, um neue künstlerische Welten des gehobenen Romantikschlagers ausforschen und gebären zu können!

„Freudensprünge“ ist ein verführerischer und einladender Liederstrauß zum Abschalten, Träumen, Mitwippen, gerne Mitsingen; eine kleine, aber feine Flucht aus dem öden Alltag, die sich gerade in dieser Konstellation „Topproduzent trifft Topinterpreten“ als besonders geradlinig, zukunftsträchtig und musikalisch-klanglich überaus wertvoll darbietet!

Rein subjektiv betrachtet, besitzt „FREUDENSPRÜNGE“ von „FANTASY“ unstreitig das Zeug dazu, zu meinem persönlichen Frühlingsschlageralbum anno Domini 2016 zu werden, so wie etwa der „WOLKENFREI“-Zweitling „Wachgeküsst“ meine Lieblings-Schlager-CD des vergangenen Sommers gewesen war!

Holger Stürenburg, 07./08. März 2016
http://www.ariola.de
http://www.fantasymusik.de

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