WIR SIND SPITZE!
Die CD "Bärenstark" im Test von Holger Stürenburg!

Der Musikkritker hat sich ausführlich mit dem Album der Band aus der niederländischen Provinz Limburg auseinandergesetzt …: 

Kurz vor dem besinnlichen, möglichst ruhigen und gemächlichen Weihnachtsfeste, gibt’s nun schon etwas brandaktuelles Musikalisches für eine zünftige Silvesterparty oder womöglich sogar bereits für die in rund zwei Monaten vollst aus sich herausbrechende Karnevalssaison 2016 zu hören.

Vor wenigen Tagen landete bei mir der erste physische Tonträger einer mir bisher unbekannten, holländischen Truppe auf dem Schreibtisch. Die insgesamt 16 Titel beinhaltende Silberscheibe nennt sich „Bärenstark“ und wurde eingespielt von fünf sympathischen Profimusikern aus der niederländischen Provinz Limburg, die sich nahe der vor allem durch den 1992 dort beschlossenen „Vertrag zur Europäischen Union“ geläufigen Provinzhauptstadt Maastricht und somit unweit der Landesgrenze zur BR Deutschland befindet.

„Wir sind Spitze!“ nennen sich – fraglos einwenig sperrig und überdies spürbar sehr von sich überzeugt- die fünf Niederländer, die allesamt zwischen 33 und 50 Jahre alt sind, ausnahmslos über langjährige Live-Erfahrungen in verschiedensten stilistischen Richtungen verfügen und dieser Tage, nach acht Jahren mit über 150 Auftritten pro Jahr in dieser Formation, ihr langerwartetes, deutschgesungenes Debütalbum vorgelegt haben.

Das energiegeladene Quintett besteht aus dem Sänger und Saxophonisten Peter Ummels, Bläser und Keyboarder Jos Gijzen, Lead-Gitarrist und Sänger Maurice Horsmans, Schlagzeuger Eric Heijnen und Akkordeonist, Keyboarder und Bassmann Dominique Paats. Seit knapp einem Jahrzehnt touren die fünf Multitalente aus der südlichsten Provinz der Niederlande nun schon durch Europa, mit lokalem Hauptaugenmerk auf Holland, Deutschland, Slowenien und Österreich, was nun in der Präsentation ihres ersten Longplayers „Bärenstark“ mündet.

16 Songs, davon zehn Eigenkompositionen, haben „Wir sind Spitze!“ aus ihrem umfangreichen Konzertrepertoire ausgewählt und unter produzententechnischer Ägide der beiden Bandmitstreiter Peter Ummels und Jos Gijzen, sowie des Bergisch-Gladbacher Musikverlegers Walther Kahl, und endabgemischt von dem renommierten Sound-Engineer Josef Schönleitner, der u.a. für die „Kastelruther Spatzen“, Marc Pircher, Semino Rossi oder Andy Borg tätig ist, für ihr Erstlingswerk in Köln bzw. Lienz/Tirol eingespielt.

Heraus kam dabei ein vor Stilvielfalt nur so berstendes, durchwegs (selbst)ironisches, dabei höchst fachmännisch ausgetüfteltes Klangfeuerwerk, so ernsthaft inszeniert, wie freudig, humorvoll und feuchtfröhlich umgesetzt, weitestgehend auf einer zaundürren Grenzlinie hin zur Parodie balancierend, diese aber niemals absichtlich überschreitend, voller Rock-, manchmal gar, wenn auch nur latent zum Vorschein kommender, pop-punkiger Attitüde, ohne diese lautstarke, kraftvolle, geradezu extravagante Darbietungsform jemals sinnentstellend zu überzeichnen.

Die so krachende, wie gekonnt krachlederne, 16teilige Party-Untermalung per Excellance beginnt mit einer flott-aufstrebenden Vorab-Auskoppelung aus „Bärenstark“, für deren kompositorisches und lyrisches Gelingen die fünf Spitzbuben aus Limburg/NL die angesehenen Liedschreiber Christopher Leis-Bendorff (u.a. Peter Sebastian, Ilka Wolf, Roger Whittaker) und Rolf Müssig (u.a. Karel Gott, Linda Feller, „Schürzenjäger“) gewinnen konnten. „100 x verrückter“ ist ein straight drauflosrockender Pop-Schlager-Gehörgangbesatzer, basierend auf ausgeprägt deftig-wildgewordenem Akkordeon, knackigen Rhythmen und sacht bluesigen Gitarrenriffs, der bereits im Juni diesen Jahres (wie ich leider auch erst später erfuhr) eine Menge Appetit auf vorliegende Debüt-CD machte.

Eine (von Peter U. und Jos G. selbstverfasste) Mixtur aus Bernhard Brink, Onkel Jürgen und Wolle P. im Rahmen einer lecker mundenden Akkordeon-Polka-Melange, stellt der extrem tanzbare (Nur beinahe-niemals ganz)-Pop-Disco-Fox „Verflogen im Wind“ dar, bevor mit dem drastisch bläserverstärkten Boogie-Polka-Rocker „Bärenstark“, der erste tönende Höhepunkt des ebenso betitelten „Wir sind Spitze!“-Einstands, zum Zuge kommt, der an Achim Reichels Folkrock-Genialitäten der Nuller-Jahre ebenso (entfernt) gemahnt, wie an manch frohgemuten Dampfwalzen-Beitrag der guten, alten „Status Quo“.

Es folgt ein aufmunternder Pop/Rock-Schlager im Sinne der mittleren/ausgehenden 80er Jahre, „Ibo“ auf Speed, die „Flippers“ im Rock’n’Roll-Fever, in Form des treibenden Megaohrwurms „Endlich Sommer“, aus der Feder von G.G.-Anderson-Intimus Ekkehart „Ekki“ Stein, der schon in der Urlaubszeit 2014 als Download erstveröffentlicht worden war.

„Mein ganzes Leben“ kommt – stimmlich rau a la Peter Petrel – in einer wahrlich kongenialen, jedoch niemals veräppelnden Art und Weise daher, als konvertiere unser aller Andy Borg plötzlich zum wilden Partypunker; dieser weitere Meilenstein aus vorliegender CD bedeutet nichts anderes, als akkordeondurchzogenen Schnaderhüpfel-Rock in einem rasenden Eiltempo liebevoll und prallgefüllt mit positiver Ironie durchgepeitscht.

Daraufhin wird’s im 50er-Jahre-seligen Liebesschmankerl „Du bist mein Glück“ erst mal scheinbar sentimental, gefühlsbetont, beinahe schnulzig; eine mit einschmeichelnd-süffisantem Saxophon und ebenso schmalztriefenden Trompeten überschwülstig, fast bizarr dargereichte klangliche Geisteshaltung, die im selben Moment rockig, erdig, voranstrebend und hierbei natürlich niemals volkstümlich-klischeehaft, vielmehr konstruktiv und schier hinreißend konterkariert wird.

Nun reisen die fünf Benelux-Rocker, denen man ihre Herkunft nicht selten per Akzent überdeutlich anhört, voller Wucht ins schöne Tirol und pitchen dort die volkstümelnd-süßliche Schlagermelodei, „Die Sterne am Himmel“, im Original ein „Flottes Stückl“ von Luis Plattner, dem Begründer der österreichischen Volksmusikcombo „Original Tiroler Echo“, überströmt von überkandideltem Umptata und juchzender Dirndl-Quirligkeit, radikal und schonungslos in Beinahe-Punk-Rasanz ins Unermessliche.

Knallig, überdreht, aber leider, leider viel zu schenkelklopferisch und frivol, wird nun – lyrisch einwenig, naja, arg grenzwertig, wenn nicht gar billig – der vollbusigen Schönheit „Anne-Marie“ inspirationslos gehuldigt. Kompakt, enorm melodisch, erneut am gehobenen 80er-Jahre-Schlagerflair orientiert, folgt auf diesen fulminanten Tiefpunkt der erst hintergründig, dann auf einmal strikt und gitarrenlastig vor sich rockende Romantikpop-Schlager „Nur im Traum“, der den aufmerksamen Rezipienten die überzogene Schlüpfrigkeit der pipi-kacka-pubertären  „Anne-Marie“-Beglückung ob seiner hohen Qualität und kompromisslosen Geschlossenheit schnell wieder vergessen lässt. Diese Freude über Niveau und Bodenständigkeit währt jedoch nicht allzu lange, denn nun begibt sich der plietsche Holland-Fünfer mittels eines wiederum ziemlich dümmlichen Bierzelt-Stampfers namens „Hey Kathi“ in so entbehrliche, wie äußerst unglückliche Untiefen einer kommerziell verwursteten Pseudo-Volkstümlichkeit, die nur nach mindestens drei Lokalrunden Bier (statt nur der einen im Liedtext geforderten), ausgeschenkt seitens der mutmaßlich bildhübschen Wirtin „Kathi“, überhaupt zu genießen ist.

Das deutlich traditionell-folkloristisch ausgekleidete Polka-Pop-Rock-Konglomerat „Träume-Tanz“ dagegen legt in Sachen Format, Klasse und musikalischer Tiefe nun wieder erheblich zu, birgt fast „Pogues“-Explosivität in sich, während die Reanimation der einstigen Parodie auf den seinerzeitigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und kurzzeitigen SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck, „Könn‘ Sie mal das Maul halten“, die im Herbst 2012 durchaus einen gewissen Zeitgeist-Status innehatte, schlicht im Nichts verpufft. Heutzutage, über drei Jahre später, ist das per se pfiffige Liedchen allerdings nur noch als ein unnötiger Anachronismus anzusehen, mit dem die schlageraffinen Popkids des Heute und Hier sicherlich kaum mehr etwas anfangen können, zumal Problem-Bärchen Beck nach dem Rücktritt von seinem Amt im Januar 2013 kaum noch bundespolitische Präsenz aufweist. „Hey Rosi!“, die kess-swingende Adaption des (wenn man den Harmonien ganz genau lauscht) mutmaßlich ursprünglich aus Österreich stammenden Traditionals „Rosi Polka“, muntert dagegen von einer Sekunde zur nächsten schnellst wieder auf und besticht mit Originalität und Fetentauglichkeit in einem. Gleiches gilt für das, an klassischen alpenländischen Fröhlichkeitsschlager angelehnte „Lederhosenland“, wobei dieses liebenswerte Akkordeon-Opus eine ganz besondere Portion an Skurrilität und augenzwinkernden Sich-Selbst-Auf-Die-Schippe-Nehmens aufbietet, wenn „Wir sind Spitze!“ mit niederländischem Akzent „Holadriahoh“ jodeln und von „Madeln“ und „Dirndln“ schwärmen. Grelle Polka-Volkstümlichkeit in flinkem Punk-Temporausch, verspricht der fesche, von E-Gitarren, Akkordeon und zig Bläsern verstärkte Fetenkracher in Spe. „Wer fährt mich heim?“

Wer jedoch annimmt, so lebhaft, heißblütig und aufgekratzt ginge es nun weiter, der wird zum Schluss von „Bärenstark“ vermutlich nicht nur in ein leichtes Kopfschütteln verfallen. Denn vollkommen stiluntypisch, endet – womit sicherlich keiner gerechnet hat, der Rezensent am allerwenigsten – die hier vorgestellte CD mit einer so düsteren, wie eleganten, opulenten, sehr amerikanisch arrangierten Synthi-Rock-Powerballade, die da heißt „Gib’s her“ und weitaus mehr an US-Heroen a la „Bon Jovi“ („Always“) oder „Heart“ „(What about Love“) erinnert, denn an irgendwelche „Schürzenjägers“, „Zipflbuben“ oder „Kastelruthers“ dieser Welt.

„Bärenstark“ ist eine so mitreißende, wie oft brachiale, schneidend temporeiche und konsequent, fast grenzenlos genreübergreifend ausgefallene Produktion geworden, die – so geht es zumindest dem Rezensenten – den toleranten Deutschrock-Freak ebenso für sich einnehmen kann, wie den querdenkenden Anhänger neuzeitlicheren Volks-Rock’n’Rolls, von Hubert von Goisern bis Andreas Gabalier, zugleich nicht rückwärtsgewandte Freunde des betulichen Schlages, sei es den der 50er oder den der 80er Jahre, niemals vor den Kopf stößt und gleichermaßen dazu in der Lage sein kann, jugendliche Tanzfetenstürmer und Schlagerpartygänger unterschiedslos zum umgehenden Mitrocken-Grölen-Schunkeln-Pogo-Tanzen einzuladen. Allerdings wäre, in Anbetracht von insgesamt 16 Liedbeiträgen auf „Bärenstark“, desöfteren weniger womöglich mehr gewesen. Lyrisch ins Vulgäre abdriftende Bumsvallera-Mentalität und allzu tumb-volksdümmlich aufgebauschter Volkstums-Mainstream lässt die bei zwei Dritteln der Titel vollends vorhandene, humorig-ironische Distanz zum Dargebotenen außerordentlich vermissen. Genau dies zelebrieren „Wir sind SPITZE!“ insbesondere in der ersten Hälfte von „Bärenstark“, fein, sacht und dennoch für jeden über den Tellerrand blickenden Zuhörer erkennbar und dabei in hochprofessioneller Form genialisch bis anarchisch. Gerade auf diesem ungewohnten Wege, vermag es die Band, den einzigartigen Hörgenuss ihres CD-Debüts in ganz spezifischer Manier dem aufgeschlossenen Hörer zu offerieren, schmackhaft zu machen und denselben mit einigem Glück für ihren hinreißenden Subverso-Folk-Polka-Rock-Schlager-Punk langfristig zu gewinnen!

Holger Stürenburg, 16./17. Dezember 2015

http://www.wirsindspitze.com/de/

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