KARUSSELL
Mit „Unter den Sternen“ hat sich die legendäre ostdeutsche Band neu erfunden!

Drei Generationen perfekt aufeinander abgestimmter Musiker haben ein großartiges zehntes Album der Band eingespielt!

 

 

 

Als Überschrift für ihr zehntes Album „Unter den Sternen“ hat die Band KARUSSELL treffend gesetzt: „Sechs Musiker – drei Generationen – eine Rockband“ – damit ist wohl (fast) alles gesagt. Das Miteinander von großartigen Musikern verschiedener Generationen sorgt in der Tat dafür, dass die Quadratur des Kreises mit „Unter den Sternen“ perfekt gelungen ist: Einerseits bleibt der musikalische Charakter der traditionsreichen Band erhalten und die textliche Tiefe ist weiterhin ein elementar wichtiger Bestandteil von KARUSSELL – andrerseits ist das Album top-modern produziert und – teils sogar mit provokant formulierten Inhalten – auch inhaltlich voll auf er Höhe der Zeit.

In bester KARUSSELL-Tradition startet das Album. Wenn rockige Gitarrenriffs und spannende Orgelteppiche einen Rock-Song untermalen und Musik noch von Hand gemacht scheint, dann lacht sicher das Herz der Fans. In schwierigen Zeiten wird ein Bild von einer besseren Welt gemacht – es geht um „Edens Traum“ – und um die Sehnsucht nach einem „friedlichen Gefühl“ und einer besseren Welt. Fürwahr wären es paradiesische Zustände, wenn es „kein Geld, kein Leid, keinen Wettbewerb und keinen Streit“ gäbe und „jeder glücklich strahlt“. Okay, das ist keine Realität, das ist vielleicht Spinnerei – aber auch für Kritiker hat Sänger JOE RASCHKE die richtige Antwort bereit: „Für mich das größte Kompliment: Wenn man mich einen Träumer nennt“ – zur Verstärkung wird diese Aussage mit einem knackigen Gitarrensolo unterstützt.

Ebenfalls mir Orgelteppich startet der Titelsong des Albums. Auch bei „Unter den Sternen“ geht es um große philosophische Betrachtungen – wenn man jeden Sommer sich die Sterne ansieht, kommen schnell Gedanken zum „Nachthimmelgeschehen“ auf. Was im Volkslied „Weißt du wieviel Sternlein stehen“ gefragt wird, führen die Jungs von KARUSSELL weiter: „Es sind viel zu viele – man kann sie gar nicht zählen – woher soll man wissen, ob nicht welche fehlen“, überlegen sie. Der Blick in den Sternenhimmel hat jedenfalls Magie und beflügelt auch die Fantasie – sogar dahin gehend, dass man romantisch „im Glanze deiner Augen das Sternenbild“ zu erkennen glaubt. Originell: Der Song endet mit einem kurzen Piano-Solo, in dem verträumt die Melodie des Refrains gespielt wird.

Richtig rockig wird es mit dem Song „Spätsommer“, bei dem im Refrain Gitarrenriffs und hämmernde Bässe musikalisch den Takt vorgeben. Als Kontrast wird es in den Strophen eher leise – passend zum nachdenklichen Text, der von den letzten Tagen des Sommers handelt, wenn „die warmen Tage vorbei“ sind und es „langsam grau“ wird und die Vorfreude auf das nächste Jahr überhandnimmt, wenn dann wieder „die ersten Sonnenstrahlen sich finden“ – da kann man sich schon mal „einen letzten Blick“ auf den See gönnen, der inzwischen mit kaltem Wasser gefüllt ist. Gut möglich, dass die Spätsommertage metaphorisch auch für die bevorstehenden Tage im Herbst des Lebens stehen.

Etwas balladesker und ebenfalls etwas wehmütig kommt der Song „Kinderzeittraum“ daher, bei dem es um Erinnerungen an eine offensichtlich schöne Kindheit geht. Bei einem Glas Wein schaut man schon mal aus dem Fenster und denkt an die unbeschwerte Zeit, die man sicher vermisst. Dabei sind die Erinnerungen der größte Schatz: „Hab‘s nicht verloren, ich hol’s mir zurück“. Wenn die Gedanken an die jungen Jahre aufkommen und man intensiv zurückdenkt, kommen „erst verschwommen, dann deutlich und klar“ die Erinnerungen zurück und „lassen mich sehen, wie es einst war“. Untermalt werden diese tiefsinnigen Gedanken von sphärischen Synthesizer-Klängen. Erstaunlich: Tanz-Freunde könnten bei diesem Song im ¾-Takt einen Wiener Walzer aufs Parkett legen, was auch für Rockstars kein Tabu ist (, wenn man z. B. an den „Bachelor Boy“ von CLIFF RICHARD denkt).

Nicht untypisch für KARUSSELL ist, dass die Band auch das politische Tagesgeschäft aufs Korn nimmt. Insbesondere Gründungsmitglied REINHARD HUTH ist hier gerne mal meinungsstark und tritt bei „Wenn’s darum geht“ auch als Sänger eines Songs in Erscheinung, in dem es durchaus auch um die Ampelkoalition gehen dürfte. Und so erklärt er im Song, dass er zwar „schon oft solche Fragen gestellt“ hat, aber noch immer die Kernfrage bleibt: „Wem kann man noch glauben, wem noch vertrauen?“ – diese Frage ist gerade in heutigen Zeiten sicherlich berechtigt. Wer vorgibt, „hoch anständig und unbestechlich“ zu sein, ist oft nicht verbindlich. Trauriges Fazit: „Was sie mit uns spielen, das heißt Katz und Maus“. Immerhin: Die Band hört nicht auf, auch politische Themen anzupacken – und das ist auch gut so.

In eine ähnliche Richtung geht auch das 5-Minuten-Epos vom Bassisten JAN KIRSTEN gesungenes „Schwarzes Theater“, in dem es darum geht, dass das Volk immer mehr zu Marionetten mutiert. Das Statement „Wir tragen ne Maske“ kann damit wohl doppeldeutig gesehen werden- einerseits als blinde Befolgung staatlicher Anordnungen in Pandemie-Zeiten, andrerseits als Maskierung, die das Zeigen des Wahren Ichs schwierig bis unmöglich macht – dafür spricht auch das Statement, dass wir „in unseren Rollen“ bleiben. Tagespolitisch aktuell ist der richtige Hinweis, dass wir „uns spalten lassen“ und den Ernst der Lage nicht erkennen – stattdessen: „Glotzen TV, schauen DSDS oder Bauer sucht Frau“. Bleibt die Frage, wer „hier die Regie“ führt – unabhängig davon wird es nach Meinung der Band Zeit, dass der Vorhang fällt – „in diesem Spiel um Intrigen und Geld“.

Ein weiteres Thema ist der Umgang damit, wenn man – womöglich mit zunehmendem Alter – immer weniger Kraft hat und ein Burn-Out droht und es an „Lebenskraft“ fehlt. Der Sänger JOE beschreibt dieses Gefühl mit eindringlichen Worten: „Der Körper, der die Grenze zeigt – und auf einmal streikt“. Dem will er sich nicht einfach ergeben – im Gegenteil sucht er konstruktiv nach einer Lösung, indem er nach „Reserven, die man noch nicht kennt“ sucht – Reserven, die z. B. aufgebaut werden, wenn man um sein Leben rennt. Vieles spielt sich diesbezüglich im Kopf hat oder wie KARUSSELL es nennt: „Das meiste ist des Kopfes Kraft“. Wenn es gelingt, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, kommt man gestärkt aus der Krise hervor. Dann wird der „Körper zur Maschine“ – „gefühlt wie 100.000 Volt“. Auch wenn das im echten Leben so leider nicht immer funktioniert, ist der Song ein schöner Mutmacher-Titel.

Vom „Zwiespalt“ des Lebens handelt der nachdenkliche Song „Manchmal“, den Bandmitglied JAN einfühlsam vorträgt. Hier besticht insbesondere die gefällige Komposition, bei der (zumindest gefühlt) die Basstöne nicht unbedingt wie sonst gewohnt den Harmonien entsprechen, was dem Song eine besondere Melancholie gibt und natürlich den Songinhalt unterstreicht. Das Phänomen, dass etwas gut tut und doch weh tut, hat wohl jeder schon mal durchlebt. Und „manchmal“ tut es vielleicht weh, vergeht aber auch wieder schnell – „wie die Lust im Schrei“ – andrerseits bleiben manche Gefühle „ein Leben lang“ bestehen. Den Abschluss findet der Song in einem schönen Akustikgitarrensolo und einem Piano-Ausklang.

Voll auf den Zeitgeist hebt das von REINHARD HUTH gesungene „Jeder gegen jeden“ ab. Weltpolitisch gesehen, ist immer mehr ein „Gegeneinander“ als ein „Miteinander“ zu beobachten – für kleine Gruppen wie für große Staaten gilt: „Jeder gegen jeden- und nicht mehr für- und miteinander“. Wenn man „Immer wieder nur die Fehler“ der Anderen sieht, kann da nichts Gutes bei herauskommen. Im ersten Refrain wird noch die rhetorische Frage gestellt, was passiert, „wenn wir uns nicht mehr vertrauen“. Das wird im Laufe des Songs dann klug positiv dargestellt: „Wenn wir uns doch mehr vertrauen“. Der Weg dorthin ist steil: Wenn jeder nur noch seinem Weg folgt – wer erreicht dann das Ziel? Das sind philosophische Fragestellungen, die heute leider aktueller denn je sind – auch fast 50 Jahre nach Bandgründung steht die Gruppe KARUSSELL noch immer dafür, auch solch heiße Eisen anzupacken und musikalisch hochwertig umzusetzen.

Extrem rockig mit wummernden Bässen und heißem Gitarrensound geht es mit „Brauchen wir nicht“ weiter. Hier geht es um einen extrem unsympathischen und narzisstisch veranlagten Menschen, der sich für etwas Besseres hält und „ignorant auf uns herunter“ schaut. Obwohl jeder „Um ihn einen riesen Bogen“ macht, hält er sich für den Größten und verkauft sich leider gut – das ist ja oft das Phänomen bei Narzissten. Fazit von Sänger JAN: „Solche wie ihn brauchen wir wirklich nicht – davon gibt es mehr als genug.“ Originell – zum Lied-Ende hin wird der Unsympath selber angesprochen: „Solche wie DICH…“. An Spannung gewinnt der Song durch ein zwischenzeitliches leises Gitarrensolo, von Beckenschlägen im „Four Beat“ untermalt, um das Song-Ende richtig krachend zu gestalten.

Anders als der Titel es vielleicht vermuten lässt, handelt der Song „Mondlicht“ vom ganz normalen Wahnsinn des täglichen Alltags. Da ist der Steuermann blind, ein Mann schreit seine Wut ins Handy – und je klüger alle werden, desto dümmer werden sie. Auch wenn die Segel hart in den Wind gesetzt werden, grüßt der Mond aus der Ferne. Auch dieser Song wird mit einem bemerkenswerten Gitarrensolo veredelt.

Eine herzzerreißende Ballade ist „Stark“. Spätestens seit „Du fehlst“ von HERBERT GRÖNEMEYER wissen wir, wie sehr posthume Liebeslieder an geliebte verstorbene Personen die Menschen bewegen. Ohne es zu wissen, klingt es so, als würden autobiografische Elemente im Song enthalten sein, wenn die „wunderschöne Marinella“ besungen wird, die offenbar eine Krankheit nicht überlebt hat und somit ein „Wunder ausblieb“ – Gott hat das Gebet nicht gehört. Für den Ich-Erzähler ist klar: Er beweist Stärke und hält die geliebte Frau bis zu seinen letzten Tagen im Herzen – untermalt werden diese Gedanken mit Herzschlag-Tönen, die im Hintergrund zu hören sind. Sänger JOE denkt wehmütig an die sechs schönsten Jahre seines Lebens zurück, die er mit Marinella verbracht hat. Nicht eine Sekunde der mit ihr verbrachten Zeit hat er bereut – was für eine schöne posthume Liebeserklärung. Auch dieser Song hört originell auf – mit den Leise gehauchten Worten: „Ich schenk dir dieses Lied – zum Abschied“.

So etwas wie ein Bonustrack ist wohl der KARUSSELL-Klassiker „Wer die Rose ehrt“ aus dem Jahr 1980 – schon damals ein Cover des 1972 erschienenen KLAUS-RENFT-COMBO-Songs. Insbesondere der neue Gitarrist der Band, MORITZ MACHALE, gibt diesem bemerkenswerten Stück einen positiven Anstrich.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass KARUSSELL auch 2024 voll auf der Höhe der Zeit ist. Nicht obwohl, sondern weil viele der Songs – anders als es der Zeitgeist heute vorgibt – lange Intros und viele Instrumentalsoli enthalten, bekommen die Songs mit inhaltlicher Tiefe einen anspruchsvollen Charakter. Die Lieder sind gut in Szene gesetzt und wurden hochwertig von WOLF-RÜDIGER RASCHKE und ALEX WENDE produziert. Vollkommen zurecht gilt KARUSSELL als eine der bedeutendsten ostdeutschen Bands überhaupt – man kann zum gelungenen neuen Album „Unter den Sternen“ nur gratulieren!

Textquelle: smago!

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