VICO TORRIANI
Die Doppel-CD "Bon soir, Herr Kommissar – 50 große Erfolge" im Test von Holger Stürenburg!

Ein Nostalgie-Trip par excellence …: 

Wenn das im oberbayerischen Murnau ansässige Label MUSIC TALES ein ums andere Mal mit tatsächlich glanzvollen CD-Koppelungen voller Lieder der 20er bis 60er Jahre aufwartet, verwandelt sich die intensive Beschäftigung mit diesen (zumeist) Doppel-CDs nicht selten in eine exzellente, oft sentimentale, wie unisono erfüllende, genüssliche und hochspannende Zeitreise in die Jahre meiner frühen Kindheit. Denn viele dieser Schlageroldies, die Thomas Hauptmann und die Seinen bei MUSIC TALES, ausnahmslos in bester Klangqualität, für die Nachwelt wiederaufbereiten, hatte mir mein 1984 verstorbener Vater in den 70er Jahren Wochenende für Wochenende stundenlang vorgespielt. So gab es Lieder aus der Jugend meiner Eltern, die mir vermutlich schon im Kinderwagen, damals noch von gemütlich vor sich hin knacksender Vinyl-LP, immer wieder zugeführt wurden. Flink fing ich daraufhin an, diese lautstark mitzuträllern, bis ich sie irgendwann mal ganz tief und fest in mein Herz geschlossen hatte. Letztlich hat meine Mutter Recht, wenn sie noch heute die These aufstellt, mein Vater sei einzig und alleine ‚schuld‘ an meinem Musikgeschmack. Dieser hat sich natürlich im Laufe meines Lebens ausgeweitet, verbreitert und sich manch anderen, interessanten Stilrichtungen geöffnet – ist aber letztlich von jeher im Grundsatz gleich geblieben. Wie die Leserinnen und Leser meiner Texte wissen, sind mir z.B. bumsende Dancefloor-Sachen, krachender, schiacher Grunge und Alternative Rock oder schlicht ohrenzerstörender, völlig disharmonischer Hip Hop allenthalben ein Graus – dies liegt sicherlich ohne jegliche Zweifel an geschilderter „musikalischer Früherziehung“ seitens meines Herrn Papa.

In den letzten Monaten hatte ich MUSIC TALES-Zusammenstellungen von BILL RAMSEY oder PETER ALEXANDER mit viel Vergnügen rezensiert, immer verbunden mit verträumten Gedanken an die Kinderzeit, Nun erschien dieser Tage eine – alleine ohnedies ob der Tracklist – vorab nur als brillant einzustufende Kompilation mit 50 Hits und Raritäten des Schweizer Entertainers VICO TORRIANI.

Der gelernte Koch, Konditor und Kellner aus Genf führte nicht nur Zeit seines Lebens selbst mehrere Gasthäuser, Lokale und Hotels, moderierte er verschiedene Showklassiker des deutschen Nachkriegs-Fernsehens, von „Hotel Victoria“ bis zu „Der Goldene Schuss“ (hier als Nachfolger von „Mr. Wunnebar“ Lou van Burg), sondern feierte er hierzulande zwischen 1951 und 1963 diverse Hits, darunter zwei Nummer-Eins-Erfolge, von denen nicht wenige längst zum Allgemeingut des Deutschen Schlagers gerechnet werden müssen und bis heute häufig von nachgewachsenen Schlagersängern und Pop-Interpreten klanglich aufgefrischt wurden.

Ganze 50 dieser Gassenhauer, die seinerzeit bei Telefunken/Decca (später TelDec, dann EastWest, heute WARNER) erstveröffentlicht wurden, haben die wie immer sehr penibel, detailgetreu und mit viel Liebe und Empathie arbeitenden Kollegen bei MUSIC TALES für die prallgefüllte Doppel-CD „BOIN SOIR, HERR KOMMISSAR – 50 groSSe Erfolge“ zusammengetragen – eine wahrliche Höchstleistung und zu einem Preis von um die 12, 13 Euro zudem außerordentlich erschwinglich.

Meine Eltern besaßen eine LP des hier vorgestellten Künstlers namens „Die großen Erfolge“, die Mitte der 60er Jahre bei TelDec als Teil der heißbegehrten, weil kostengünstigen Schlager-Koppelungs-Serie „Musik für alle“ zum Einsatz kam. Auf dieser Scheibe befanden sich 16 Hits aus Vico Torrianis Ära bei dieser ehedem in Hamburg-Eimsbüttel, im legendären Heußweg 25, residierenden Firma. Die meisten derer gingen mir schon mit vier, fünf Jahren direkt in Herz und Blut über; die LP hatte ich mir als Kind derart oft aufgelegt (und war mein Vater mit seiner durchaus stattlichen Schallplattensammlung hinzukommend nicht sehr pfleglich umgegangen), dass wir sie ob der vielen Kratzer nach dem Tod meines Vaters als unspielbar entsorgen mussten (bzw. wegwerfen, denn „ökologisch korrekte Sprache“ gab’s 1984 noch nicht!). Zum Glück fand ich die LP 1995 auf einer Münchener Schallplattenbörse – sage und schreibe 20 D-Mark musste ich dafür hinblättern – aber, naja, eine 50 Jahre alte Schallplatte weist auch nach sachgerechter Behandlung durch den Vorbesitzer und mich langsam Abnutzungserscheinungen auf.

So freute ich mich enorm, dass MUSIC TALES nun für „BON SOIR, HERR KOMMISSAR“ zumindest die Hälfte der Titelliste dieses LP-Favoriten meiner Kindergarten- und Grundschulzeit berücksichtigt hat. Allgemein sollte man wiederum das Ansinnen der MUSIC TALES-Mitarbeiter anerkennend hervorheben, wie bei früheren Kompilationen, auf eine größtmögliche Vollständigkeit, auch und gerade in musikgeschichtlicher Hinsicht zu achten. So sammeln sich hier 22 derjenigen 26 Lieder, die sich zwischen 1951 und 1963 in den deutschen Hitparaden einzufinden vermochten, dazu gibt es 33 Titel zu hören, die Vico in jener Phase für Langspielplatten, Singles und EP’s, zunächst als Ten-Inch, später im dann etablierten Twelve-Inch-Format, einsang.

Zu allererst möchte ich nun diejenigen Titel kurz beschreiben, mit denen sich Vico Torriani nach 1953 in den jeweiligen deutschen Singlehitparaden durchsetzen konnte. „Bon Soir, Bon Soir“ (nicht identisch mit dem Titelsong „Bon Soir, Herr Kommissar“), ein piekfeines, leicht angejazztes Chanson, komponiert von dem Berliner Schlagerschreiber Heino Gaze und als Single veröffentlicht 1954, ist bei Wikipedia.de als dritter Vico-Torriani-Beitrag gelistet, der in einer deutschen Hitparade notiert wurde; die ersten beiden, noch bei dem eidgenössischen Label „Elite Special“ dargereichten solchen, finden sich nicht auf hier analysierter Doppel-CD.

Der Neuköllner Unterhaltungsmusiker Gerhard Winkler zeichnete verantwortlich für den kessen, volkstümlichen Schlager „Zwei Spuren im Schnee“, 1955 in unseren Breitengraden Rang 4; elf Jahre später übrigens seitens des österreichischen Skirennfahrers und Schauspielers Toni Sailer neuerlich aufgenommen und zum Hit gemacht. Als Eröffner von vorliegender Doppel-CD wurde der temporeiche Foxtrott „In der Schweiz“ auserkoren, eine zweite, 1955 vorgelegte Single, über deren genaue Hitparadenplatzierung aber nichts bekannt zu sein scheint. Munter und keck geswingt, wird im frechen Jazzschlager „Grüß mir die Damen aus der Bar“, der dito von Heino Gaze stammt und dem im März 1956 ein ehrenvoller Rang 2 vergönnt war. Ein Jahr darauf, schwärmte Schwerenöter Vico, auf der Basis sacht südamerikanischer Rhythmik, heißverliebt vom „Mannequin aus Paris“ und beglückte die imaginäre, schöne Französin mit einem elften Platz in den teutonischen Singlehitlisten. Einen Monat später, im März 1957, fand die große Liebe diesmal in der portugiesischen Hauptstadt statt, als Vico, abermals im Samba/Rumba-Gewand arrangiert, seine Geschlechtsgenossen tunlichst aufforderte: „Verlieb Dich in Lissabon“ (Rang 13). Erste Elemente des aus den USA nun auch aufs europäische Festland und sogar in die betuliche Adenauer-Republik herüberschwappenden Rock’n’Roll vernehmen wir in Vico Torrianis erstem Nummer-Eins-Hit überhaupt, dem rasanten, aufgeweckten Fetzer „Sieben mal in der Woche“, der im September 1957 die deutschen Singlecharts anführte. Mit lateinamerikanischen Klangbildern spielt mal wieder die feurige Ode auf die offenbar in Venezuela besonders wohlschmeckende „Ananas aus Caracas“ (Nov 1957, Rang 3). Der nächste Hitparadenstürmer des Schweizer Showstars nannte sich „Schön und Kaffeebraun“, war ein im mittleren Tempo gehaltener Lobgesang auf „alle Frauen in Kingston Town“, und erzielte Rang 3 im Herbst 1958. Nur für Platz 49 reichte es indes im November 1959 für das schwelgerische, aber eher im konventionellen Rahmen verbleibende Chanson „Piano“.

Gänzlich auf Kastilisch dargeboten, ertönte die stille Schmachtballade „Ave Maria no morro“, ein Nachzieher des gleichnamigen Welthits des spanischen Folkloreterzetts „Trio San Jose“; im Februar 1960 Rang 21. Im Anschluss an diesen melancholischen Ausflug auf die iberische Halbinsel, begab sich Vico Torriani im Mai 1960 auf die „Straße meiner Lieder“ in Richtung des Ranges 35 der deutschen Singlehitlisten, wobei es sich hier um die von Kurt Feltz betextete, deutsche Deutung des Italo-Schlagers „Quando Viene La Sera“ handelte, im Original gesungen vom 2007 verstorbenen Chansonbarden Joe Sentieri aus Genua. Eine Woche darauf, wurde die A-Seite dieser Kleinen Schwarzen, „Romantica (Du bist Romantica)“, die eingedeutschte Fassung des 1960er-Siegertitels „Romantica“ beim „San Remo Festival“, aus dem Fundus des Turiner Sängers Renato Rascel, in der BR Deutschland auf Rang 34 gesichtet.

Im Juli 1960, gebar Vico Torriani den vielleicht langlebigsten und nachhaltigsten Klassiker seiner gesamten Karriere. Der ‚gesungene Geographieunterricht‘ „Kalkutta liegt am Ganges“ hieß anfangs „Tivoli-Melodie“, war von erwähntem Heino Gaze als Instrumentalstück erdacht worden und gelangte in dieser Form mittels einer Adaption durch die Big Band des US-Orchesterchefs Lawrence Welk in dessen Heimat bis auf Rang Eins. Nun bereimte der Berliner Textdichter Hans Bradkte die adrette, eingängige Melodie mit deutschen Worte – fertig war einer DER spezifischen musikkulturellen Höhepunkte der beginnenden 60er Jahre, zugleich DER Sommerschlager des Jahres 1960. Jener Monumentalohrwurm, den ich sicher schon mit vier oder fünf Jahren durch die elterliche Wohnung krähte, wurde später von z.B. Petula Clarke auf Französisch, von Wencke Myhre auf Deutsch und 1983 im NDW-Kontext von einem Projekt namens „Wilczek“, hinter dem sich der heutige Studio- und Sessionmusiker Peter Wilcek aus Minden verbarg, neu aufgenommen; das Original von Vico findet sich auf nahezu jedem besseren Oldie-Sampler, wenn es darum geht, die schönsten deutschen Schlager der Wirtschaftswunderjahre zusammenzufügen.

Ein real existierender „Moritaten-Walzer“ – stimmungsbezogen und vom Aufbau her an den Vorjahres-Superschlager „Kriminal-Tango“ des „Hazy Osterwald Sextetts“ angelehnt, mit ein paar klanglichen Gimmicks im Sinne der von Peter Thomas geschaffenen Filmmusiken zu den damals sehr gefragten Edgar-Wallace-Krimis angereichert – fand Dank Vico Torriani im Herbst 1960 seinen Weg auf Rang 23 der hiesigen Singlehitparaden. Geschrieben vom Regensburger Komponisten, Arrangeur und Orchesterchef Werner Scharfenberger, vermittelte „Sie war nicht älter, als 18 Jahr“ wohlig-schauriges Mitternachtsflair in einer dunklen Kaschemme inmitten der großstädtischen Halbwelt.

Der witzige Jux-Schlager „Café‘ Oriental“, im Original ein explizit im frankophilen Raum unter dem Titel „C’est écrit dans le ciel“ sehr angesehener Tanzsaal-Renner des ägyptisch-libanesischen Sängers und Orchesterleiters Bob Azzam, avancierte im Januar 1961 zu einem Nummer-8-Erfolg für Vico Torriani; als beinahe ebenso beliebt, erwies sich die in etwa zeitgleich vorgelegte Aufnahme dieser ironischen Beschreibung skurriler Erlebnisse in einer morgenländischen Nachtbar durch Schlager-Jazzer Bill Ramsey, die aber nur als B-Seite von dessen 1961er-Spitzenreiter „Pigalle“ diente, weshalb Bills Schweizer Kollegen die weitaus größere Reputation mit dessen eigener Version zuteilwurde.

Den Titelgeber für die aktuelle MUSIC TALES-Zusammenmischung von Vico Torriani, „Bon Soir, Herr Kommissar“, betrachtete ich nicht nur in Kindertagen als unübertrefflichen Favoriten innerhalb der Plattensammlung meines Vaters, sondern erwuchs diese zackige Parodie auf Jacques Offenbachs Komische Oper „Orpheus in der Unterwelt“ im Mai 1961 davon gänzlich abgesehen zu einem veritablen Top 40-Hit mit Ewigkeitsgarantie. Der von Fritz Schulz-Reichel (alias „Der Schräge Otto“) musikalisch bearbeitete ‚Unterwelt-Tango‘ zählt alleine schon deshalb zu den herausgehobenen 60er-Jahre Schlagern, weil er nicht nur, wie sehr viele zeitgenössische Expertisen der Unterhaltungsmusik jener Tage, Emotionen, Gefühle, Wünsche etc. in gewählten Worten ausdrückte, sondern er in nur 2.43 Minuten mittels dreier, von Hans Bradkte in vorzüglicher Manier gereimter Strophen zusammengefasst, nahezu zusammengepresst, eine vollständige, sich inhaltlich über eine längere Zeitspanne dahinstreckende Story, hier die Lösung eines vertrackten Kriminalfalls, kurz, aber jederzeit nachvollziehbar, erzählt. So könnte man durchaus geneigt sein, in Anbetracht dessen gewagt zu formulieren, hierbei könne es sich um eine Art deutsche Frühform des US-amerikanischen „Talking Blues“ handeln, der seinerzeit – 1961 – allerdings selbst in seinem Herkunftsland USA zuvorderst, von studentischen Folk-Fanschichten ausgehend, seine Urstände im populärmusikalischen Bereich feierte.

Als dritte 1961er-Single fungierte der Rumba „Juanita (Es kommt ein Dampfer mit Bananen)“, komponiert von dem italienischen Akkordeonisten Edoardo Lucchina, mit deutschen Versen ausstaffiert erneut von Hans Bradkte, der in den 50er und 60er Jahren den keinesfalls zu verachtenden Ruf als einer der ertragreichsten und fleißigsten einheimischen Schlagertexter genoss. Es folgte die im September genannten Jahres veröffentlichte, sehr sentimentale, gar bedrückte und entsprechend zurückhaltend inszenierte Abschiedsballade „Lebe wohl, kleine Frau“.

Fröhlicher, ja draufgängerischer und optimistischer, wurde es zu Jahresbeginn 1962 im grellen, rasenden Hymnus auf den frauenverschlingenden „Hafen-Casanova“, einer vom wilden Oldtime Jazz der 20er Jahre beeinflussten Auslegung eines traditionellen spanischen Marsches, mit der Vico Torriani im Februar 1962 den Rang 24 der deutschen Singlehitliste erreichte. „Ching – Ching – Ching“, im Juni 1962 Rang 26, war eine „Deutsche Originalaufnahme“ des fetzigen Welterfolges „Happy Jose“ von US-Trompeter Jack Ross, der hierzulande im Februar 1962 überdies Rang 7 für sich klargemacht hatte. Bald darauf schätzte sich die hübsche Italienerin „Renata“ frohgemut, freudestrahlend und südamerikanisch-heißblütig äußerst glücklich darüber, dass ein ihr gewidmeter und nach ihrem Vornamen benannter Tanzschlager im November 1962 bis auf Rang 21 stieg, und nun, inkl. der einstigen Single-B-Seite „Chi-Chica-Chi“ – deutsche Version von „Chi-Chico-Teek“ des neuseeländischen Rock’n’Roll-Pioniers Johnny Devlin“ -, auf „Bon Soir, Herr Kommissar“ in wohltönendem „digital remastered“ Sound zu genießen ist. Die beiden letzten Hitparaden-Erfolge von Vico Torriani, „Peppino, freche, kleine Maus“ und „Lass uns mal ein Tänzchen wagen“, beide 1963 bei DECCA erschienen, fanden jedoch keinen Platz auf dieser darüber hinaus schier famosen Songansammlung auf zwei CDs!

Zusätzlich zu all diesen, soeben skizzierten Hitparadenreißern, haben die Mitarbeiter von MUSIC TALES einige sehr rare Frühwerke von Vico Torriani ausgewählt, die – wiederholt zunächst nur auf Schellack erhältlich – erste Aufmerksamkeit der deutschen Schlagerfreunde auf den damals kaum 35jährigen singenden Koch lenkten und eine überaus ordentliche Ausgangsposition für die erwähnten Dauerbrenner der Jahre 1955ff. schufen.

Hier seien z.B. der lieblich beschwingte „Tango der Nacht“ (1953), die romantische Willi-Meisel-Komposition „Tausend rote Rosen blüh’n“ (1954), der unbeschwerte ‚Jodel-Swing‘ „Das Jodel-Echo“ (1952), den der Interpret, gemeinsam Conny-Vater Gerhard Froboess und Lyriker Hans Bradkte, selbst verfasste, das erstmalig 1932 von der ungarischen Sängerin und Tänzerin Gitta Alpar für den Kinofilm „Gitta entdeckt die Liebe“ eingesungene Chanson „Was kann so schön sein, wie Deine Liebe?“ oder der forsche Willy-Berking-Tango „Ein Abend am Lido“ (1951) zu nennen. Der inbrünstige Fernwehschlager „Bella, Bella Donna“ erschien 1953 in Erstauflage auf Schellack, das leidenschaftliche Flamenco-Melodram „Granada“, vom mexikanischen Komponisten Augustin Lara für dessen Liederzyklus über spanische Städte geschrieben und vonseiten Ralph Maria Siegels eingedeutscht, verbreitete gleichsam 1953 schwüles, andalusisches Kolorit; das anmutige Liebesgeständnis „Heut‘ Nacht hab‘ ich geträumt von Dir“ (1954) wurde von Emerich Kalman für die Operette „Das Veilchen vom Montmartre“ ersonnen und fand sich zuvorderst im Repertoire des Berliner Vokalensembles „Comedian Harmonists“, bevor sich Vico Torriani dieses lieblichen Liedes annahm. Im selben Jahr empfand der Schweizer Gentleman-Entertainer die kurz nach Entstehung 1936 von Tenor Rudi Schuricke vorgelegte Eric Plessow/Bruno Balz-Kooperation „Frauen sind so schön, wenn sie lieben“ nach. Die salbungsvoll gesangsfreudigen „Sizilianischen Fischer“ hingegen, komponiert von Vicos Landsmann Artur Beul, fischten bereits 1951 mit akkordeondurchtränkter Tango-Attitüde in trüben Schweizer Gewässern.

Bei der Fabrikation des opulenten Tango-Chansons „Tausend Mandolinen“ (1954) wurde das Begleitorchester vom sagenumwobenen, italienischen Dirigenten Mantovani geleitet; das lateinamerikanisch umgesetzte Klangdrama „Malanguena“ entstammt der „Suite Andalucia“ des kubanischen Komponisten Ernesto Lecuona – ja, und den berühmten „Schwarzen Zigeuner“ (politisch korrekt: „Sinti und Roma mit CDU-Parteibuch“) kennen wir 80er-Jahre-Kinder in erster Linie durch ‚Mr. Gute Laune‘ Peter Sebastian, der diesen liebenswerten, geigenverzierten Feudalschlager 1989 auffrischte und denselben durch dieses Tun auch in seiner Interpretation zu einem bis heute immer wieder gern gehörten Romantikschlager-Standard ausgestaltete.

Aus den einst bei DECCA erschienenen LPs und EPs stammen z.B. der wiegende ‚Königswalzer‘ „Wie ein Wunder kam die Liebe“ (1960), aus der Feder des rheinländischen Kapellmeisters Franz Doelle, 1935 erstmals aufgenommen von dem österreichischen Chansoncharmeur Willi Forst, „Waikiki“ (1957), eine „Deutsche Originalaufnahme“ des 1957er-Pophits „Lips of Wine“ von US-Crooner Andy Williams, der flotte, volkstümliche Schlager „In der Wiege hab‘ ich schon gejodelt“ (1958), mitsamt der dazugehörigen, nochmals sehr jodelseligen A-Seite „Im Dorfkrug spielt der Franz zum Tanz“, oder die gesungene Begeisterung für den Stierkampf bzw. deren umschwärmte (menschliche) Protagonisten, „Torero (Schön muss es sein, ein Torero zu sein)“ (1957).

Das schwülstig-flehende Liebeslied „Domani“ ist eine von Hans Bradkte muttersprachlich betextete, deutsche Sichtweise des gleichnamigen 1955er-Hits des italienischen Komponisten Ulpio Minucci, der Mambo-Calpyso „Loana-Oh“ gehörte zum Soundtrack des 1957er-Kinostreifens „Träume von der Südsee“, unter der Regie von Willy Zeyn jr., die lebendige, lebenslustige Samba „Muchaha“ (1957) ist stilistisch in südamerikanischen Gefilden beheimatet.

Bereits 1925 hatte die unvergessliche Musical-Melodie „Tea for Two“ das Licht der Musikwelt erblickt, die sich nach und nach als dauerhafter Jazz-Standard herauskristallisierte, weshalb auch Vico Torriani im Jahr 1961 eine von Hans Bradkte sprachlich bearbeitete, nächtlich-urban swingende Lesart dieses jazzig-schleichenden Edelohrwurms präsentierte. Gleichfalls 1961 veröffentlichte Vico Torriani den gemächlichen Countryschlager „Über die Prärie“, deutsche Fassung von „Indian Love Call“, einer Musicalkomposition aus dem Jahr 1924, die, so sagen es Gerüchte, seinerzeit das Lieblingslied des 34. Präsidenten der Vereinigen Staaten, Dwight D. Eisenhower, war.

„Bel Ami“ (vulgo: „Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami“) ist ein unverbrüchlicher Jahrhundertschlager aus dem Fundus von Theo Mackeben, der ursprünglich als von Lizzi Waldmüller intoniertes Titellied gleichnamigen 1939er-Kinostreifens mit Willi Forst bekannt geworden war und 1961 von Vico Torriani für dessen LP „Liebe, Tanz und tausend Träume“ ungeniert swingend reanimiert wurde. Derselben vielgesuchten Schallplatte wurde obendrein der ebenfalls leicht Jazz-/Swinglastige Sehnsuchtsschlager „Abends in der Taverne“ entnommen.

Im Laufe des Jahres 1956 war die spritzige Neuaufnahme des 1929er-Filmschlagers „In einer kleinen Konditorei“ von Fred Raymond entstanden, sowie das rückblickende Schmankerl „Das alte Spinnrad“, welches Vico Torriani zur sanft-wehenden, fast kinderliedartigen Melodie von „The Old Spinning Wheel“ sang, einer Komposition des Western-Musikers, Violinisten und Pianisten Billy Hill aus der Nähe der US-Metropole Boston.

Vico Torriani war – neben Peter Alexander, Freddy Quinn, Bill Ramsey oder Peter Kraus – einer der aktivsten, attraktivsten, vielseitigsten und talentiertesten musikalischen Wegbegleiter der Wirtschaftswunder-Ära. In seinen durchwegs ansprechenden, herzlichen, gewinnenden, daher von vorne bis hinten immens erinnerungswürdigen Schlagern bereiste er wahrhaftig die ganze Welt. Ob China oder Südamerika, Mexico, Venezuela, unzählige Südseeinseln, Paris, Kalkutta oder die rustikalen Schweizer Berge – kein Land dieser Erde, kein Landstrich, keine Gegend, war davor gefeit, in einem seiner zig Lieder sympathieerregend und sympathisch gleichermaßen beackert zu werden. Selbstverständlich werden immer wieder mal die landestypischen Klischees reizvoll, aber niemals gemein, überzeichnet, hochgenommen und karikiert. Da es in den 50er, 60er Jahren zum Glück (!!!) noch keine „Politische Korrektheit“ gab, wurden all diese gepflegten und gutherzigen Parodien auf Sitten und Gebräuche in fernen Ländern einfach nur als spaßig, unterhaltsam und angenehm empfunden. Viele der Liedbeiträge von „BON SOIR, HERR KOMMISSAR – 50 GROSSE EROLGE“ verleiten umgehend zum lautstarken Mitsingen, der Rezensent weiß davon – nun wirklich im wahrsten Sinne des Wortes – seit Kindertagen (sic) ein Lied zu singen.

Thomas Hauptmann und sein rühriges Label MUSIC TALES haben also mal wieder ihr Bestes gegeben. „BON SOIR, HERR KOMMISSAR – 50 GROSSE ERFOLGE“ von VICO TORRANI bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als einen bunten, facettenreichen und niemals langweilenden Melodienstrauß. Dieser ist für Schlagerfreunde aller Generationen, die sich einfach nur schönen, wohltuenden, erlabenden Klängen aus vergangenen Zeiten hingeben wollen, ebenso perfekt geeignet, wie für den eifrigen Sammler, Zeit- und Musikgeschichtler. In Sachen wissenschaftlicher Maßarbeit in Bezug auf den Schlager der 20er bis 60er Jahre kann in diesem unserem Lande niemand der Firma MUSIC TALES ein X für ein U vormachen bzw. schlicht und einfach das Wasser reichen. Darüber legt dieses erneute Glanzstück Made in Murnau hinsichtlich VICO TORRANI ohne Zweifel bestes Zeugnis ab!

Holger Stürenburg, 02. bis 05. Mai 2016
http://www.spectre-media.com/
https://de.wikipedia.org/wiki/Vico_Torriani

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