GRAHAM BONNEY
Konzert-Bericht: Graham Bonney – "Yesterdance" (Vorprogramm: "Take Off“ und "Yesterdance") …
… 25. Mai 2016, Gelsenkirchen-Rotthausen, “Volkshaus Rotthausen”, 20:00 Uhr!
Als vor knapp zwei Jahren, im Herbst 2014, der Startschuss fiel für das von Peter Sebastian herausgegebene Benefizbüchlein „Weihnachts-Leben – Prominente und ihre Weihnachtsgeschichten“ und ich in diesem Zusammenhange dankenswerter Weise von meinem väterlichen Freund und Mentor Peter mit der journalistischen und redaktionellen Bearbeitung und Betreuung desselben beauftragt wurde, erhielten wir von über 30 bekannten Mitmenschen aus den Bereichen Musik, Show, Kultur, Wirtschaft und Politik jeweils eine schöne, von diesen persönlich entworfene Weihnachtsgeschichte. All diese fanden dann in diesem, zum Weihnachtsgeschäft 2015 veröffentlichten, 156seitigen Buch zugunsten des „Förderkreises Unfallgeschädigter Kinder e.V.“ (von dem es übrigens im Herbst diesen Jahres eine Zweitauflage geben wird!) einen würdigen Platz.
Eine enorm lustige, mit typisch britischem Humor ausgestattete Geschichte lieferte uns unter dem Titel „Wenn Santa Claus in Deutschland links fährt“ ein nun schon seit 50 Jahren äußerst angesehener und erfolgreicher Sänger und Entertainer ab, der 1943 in London geboren wurde und kaum 20 jahre später – damals noch in seiner Muttersprache singend – hierzulande u.a. im legendären „Star Club“ in der Hamburger „Großen Freiheit“ auf St. Pauli auftrat. Bei diesem überaus sympathischen Vollblutmusiker handelt es sich um niemand geringeren, als um GRAHAM BONNEY.
Viele seiner längst Kultstatus genießenden Lieder, die er nach 1966 auch und gerade auf Deutsch, von Deutschland aus, in die Hitparaden entsandte, fallen – smago! Leserinnen und Leser dürften es vielleicht erahnen – in die Kategorie derjenigen unschlagbaren Songfavoriten, die mir mein 1984 verstorbener Herr Papa zu Kindergarten- und Grundschulzeiten, von alten, nicht selten arg kratzigen Vinyl-Schallplatten vorgespielt hatte. Ebenso, wie ich – wie immer wieder mal beschrieben – mit vier, fünf, sechs Jahren die guten, alten Schmankerl von Freddy Quinn oder Peter Alexander, Bill Ramsey oder Vico Torriani Dank meines Vaters zu hören bekam, so lernten meine kindlichen Ohren in jenen Tagen gleichermaßen traumhafte Beat-Schlager der Sorte „Supergirl“ (1966), „Siebenmeilenstiefel“ (1967) oder „Wähle 3-3-3“ (1969) kennen und lieben.
Ich wusste in jener Ära zwar kaum, was ein „Supergirl“ sein könnte (ggf. Ines Grannemann aus unserer Kindergartengruppe, ich weiß es nicht ;-), geschweige denn, wie man sich in „Siebenmeilenstiefeln“ so fortbewegen könne – aber die entsprechend betitelten Lieder von Graham Bonney kannte ich schon als Kind in- und auswendig.
Verdamp lang her ess dat alles, aber am 25. Mai 2016 sollte es mir endlich möglich sein, diesem, einem der wichtigsten Sänger meiner frühen Kindheit, gegenüberzustehen bzw. zu sitzen und zuvor einen über einstündigen Live-Auftritt von diesem mitzuerleben.
Der Veranstalter „JB Events“ hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, die konzertäre Aufwartung von GRAHAM BONNEY zu einem Gelsenkirchener Großereignis werden zu lassen. Überall in der ganzen Stadt hingen seit Wochen Plakate, lagen Flugblätter bzw. Werbekarten aus. Durch letztere war auch ich vor ca. zwei Monaten auf diese Veranstaltung aufmerksam geworden, woraufhin ich sogleich Peter Sebastian ersuchte, mir doch Kontakt zu diesem liebenswerten – ja, man muss es so sagen – Weltstar herzustellen.
So war am vergangenen Mittwoch, dem 25. Mai 2016, abends, im „Volkshaus“ zu Rotthausen – einem südlich gelegenen Stadtteil an der Grenze zu Essen, in dem ich in meinem nun rund einen Jahr Ruhrpott noch nicht gewesen bin –, eine große Sause angekündigt, mit zwei Sets der örtlichen Rock’n’Roll-Cover-Combo Nummer Eins, „Take Off“, und als Höhepunkt einem Auftritt der seit über 30 Jahren in der rheinländischen Kolpingstadt Kerpen lebenden Beat-Legende Graham Bonney.
„Take off“ bestehen aus fünf Musikern rund um den Bandleader, Hauptvokalisten und Bühnenberserker Dieter Wartmann und treten fast monatlich unter der Überschrift „Yesterdance“ in Gelsenkirchen und Umgebung mit einem fein abgestimmten Repertoire aus Oldies der 60er und 70er Jahre, deutschen Schlagern jener Periode, sowie Rock’n’Roll- und Beat-Klassikern auf.
Das Quintett betrat um Punkt 20.00 Uhr die Bühne des mit ca. 300 Zuschauern gut besetzen, aber keinesfalls ausverkauften „Volkshauses Rotthausen“ und übernahm die vielleicht an diesem speziellen Abend als etwas undankbar aufscheinende Aufgabe, im Sinne einer Vorgruppe das überwiegend betagtere Publikum auf den fulminanten Einmarsch von Graham Bonney musikalisch einzustimmen. Trotz durchaus konstruktiver und gewitzter Interpretationen unwiderruflicher Evergreens der Sorte „Cottonfields“ (Johnny Cash, 1962), „The Letter“ („Box Tops“, 1967), „I saw her standing there“ („The Beatles“, 1963), „Lay down Sally“ (Eric Clapton, 1977) oder „Sweet little Sixteen“ (Chuck Berry, 1958), wollte der Funke zwar durchaus überspringen, aber es gelang dem Funken, aus welchen Gründen auch immer, leider nun mal nicht, sich seinen doch so heißersehnten Wunsch zu erfüllen. Man spürte hingegen vielmehr förmlich, dass „Take off“ an diesem Abend künstlerisch alles andere, als gut drauf waren, wobei man womöglich den Eindruck gewinnen konnte, die Truppe wollte vielleicht mit einiger Absicht gar nicht gut drauf sein, um so die Veranstaltung als solche von vornherein nicht gut werden zu lassen. Alleine manche Ansagen, insbesondere bezüglich des Stargastes und seiner Musik, ständige kindisch-pubertäre Anmerkungen bei den Moderationen, ein deutlich vernehmbares Schlechtreden des Deutschen Schlagers an sich, legten eine gewisse Art und Weise von Eifersucht an den Tag und konnten somit nur als absolut unprofessionell bezeichnet werden.
Die Anwesenden blieben zudem überwiegend stocksteif an ihren Tischen sitzen, da half es auch nichts, dass „Take off“-Frontmann Dieter Wartmann die Gäste ein ums andere Mal zum Mitmachen, Mitsingen, Mitgrölen aufforderte, was normalerwiese bei dementsprechender Partymucke a la „Sweet Home Alabama“ („Lynyrd Skynyrd“, 1974) oder „Na, Na, Hey, Hey, Kiss him goodbye“ („Steam“ 1969) eigentlich immer gelingt. Bei Westernhagens 1989er-Radiohit „Weil ich Dich liebe“ turnte Dieter sogar durch die Bänke und über die Tische im Zuschauerraum, „Oh, Pretty Woman“ (Roy Orbison, 1964) und „The Wanderer“ (Dion DiMucci, 1961) konnten, trotz fraglos zumeist gelungener, erfrischender Reanimation durch „Take off“, keinerlei Explosion im Saal hervorzaubern.
Um 21.00 Uhr beendeten „Take Off“ ihren ersten Part an jenem denkwürdigen 25. Mai, es folgte eine kurze Umbaupause – und um 21.15 Uhr stand ER auf der Bühne: Der große, unangreifbare und immer junge Graham Bonney ad Personam.
Endlich kam nun Stimmung in die Bude. Zum eingespielten Halb-Playback, präsentierte Graham als Eröffnungstitel den unübertrefflichen Früh-70er-Klassiker „(Is this the Way to) Amarillo“ des geschätzten Kollegen und Gentleman-Crooners Tony Christie, um gleich danach seinen eigenen 1972er-Top-40-Hit „Du bist viel zu schön, um alleine nach Hause zu geh’n“ (am 28. Oktober 1972 Nummer 3 in Dieter Thomas Hecks „ZDF-Hitparade“, einen Monat später, Numero 4) kraftvoll und ohne jegliche Abnutzungserscheinungen zu intonieren. Im August 1968 hatte der fesche, zu 99.9 Prozent (plus 0.1 %) sogleich in die Gehörgänge eindringende Beat-Stomper „99.9 Prozent“ den 27. Platz der einheimischen Singlehitlisten erstürmen können, weshalb Graham diese flotte Christian Bruhn/Günter Loose-Komposition natürlich auch im „Volkshaus“ zu Gelsenkirchen-Rotthausen frisch und ansprechend mit im Programm hatte.
Der Verfasser dieser Zeilen erfuhr an jenem Abend, dass auch Graham Bonney – wie er selber – ein überzeugter Fan des US-amerikanischen Singer/Songwriters Neil Diamond ist. Die so romantische, wie leidenschaftliche Mid-Tempo-Ballade „Song Sung Blue“ bedeutete 1972 einen realen Welthit für den grandiosen New Yorker Entertainer. Graham Bonney grub diesen unverbrüchlichen Radikalohrwurm in Gelsenkirchen fröhlich und stimmstark aus, bevor er, nun mit E-Gitarre behangen, einen gewagten, aber äußerst spannenden Abstecher in gefällige Country- und Western-Gefilde unternahm.
„Some broken Hearts never mend“, hierzulande am ehesten bekannt geworden Ende 1980 durch US-Schauspieler und „Kojak“-Darsteller Telly Savalas, geleitete über zu dem selbstverfassten, rasanten Country-Blues „Drinking Whisky“, der 2008 erstmals auf den Markt gekommen war, und dem locker-flockigen 1980er-Hit „On the Road again“ von Country-Urgestein Willie Nelson.
Daran anschließend begab sich Graham Bonney, solo und nur mit Gitarre begleitet, auf eine spritzige Tour de Force durch eine größten Hits, also durch diejenigen Titel, die mein Herr Vater 1974/75/76 bei unseren sonntagnachmittäglichen Platten-Hör-Stunden ein ums andere Mal auf seinem alten DUAL-Gerät für seinen Sohn auflegte. Wir hörten nun stets ein paar Takte lang „Hallo Taxi“ (1971), „Traumgirl“ (1968), „Hey, little Lady“ (1969), „Rosemary und Companie“ (1973) und – wie kann es anders sein? – das legendäre „Supergirl“, das nun schon ganze 50 Jahre auf dem Buckel hat, in den Tagen der Hochzeit meiner Eltern in unseren Breitengraden auf Rang 8 der Hitlisten verweilte, zugleich in den legendären „BRAVO Chart“ die „Beatles“ und ihr „Yellow Submarine“ vom ersten Rang verdrängte, sechs Wochen lang fest auf der Spitzenposition und ganze neun Monate unter den Top 10 zu finden war, und, wie ich nach dem Konzert seitens Graham und seiner Gattin erfreut vernahm, in wenigen Wochen in einer 50th Anniversary-Neuaufnahme die Runde machen wird.
Die 1967 bis auf Rang 6 der „Media Control“-Listen marschierten „Siebenmeilenstiefel“ boten den Auftakt für ein schier geniales Rock’n’Roll-Medley, für das Graham zum Halbplayback die E-Gitarre drosch und – zur Freude der viel zu wenigen vor der Bühne zum Tanz aufgelaufenen Gäste – zunächst die unvergessliche „3-3-3-3“ auf dem Telephon wählte – immerhin war er mit diesem Dauerbrenner sogleich höchst erfolgreicher Teilnehmer der allerersten „ZDF-Hitparade“ überhaupt, am 18. Januar 1969 – um dann, mittels Chuck-Berry-gemäßem Duck-Walk, schweißtreibend und aufwühlend in den „Status Quo“/John Fogerty-Mitsinghymnus „Rockin‘ all over the World“ einzusteigen.
Um 21.55 Uhr sollte der offizielle Teil von Graham Bonneys diesjährigem Auftritt in Gelsenkirchen zu Ende sein, aber… ohne Zugaben wollten die zwischenzeitlich so nach und nach aus ihrer mutmaßlichen Fronleichnams-Lethargie erwachenden Fans den Star des Abend nun doch nicht von der Bühne ziehen lassen. Graham erzählte nun von seinen Tagen in Hamburg, im „Star Club“, auf der Reeperbahn, wie er damals kaum 20 Jahre alt, mit den frühen „Beatles“ und Tony Sheridan zusammen aufgetreten war, und ließ seine kleine Geschichtsstunde über die wilden 60er Jahre in meiner alten Heimatstadt mit fetzigen Livedarbietungen des traditionellen schottischen Folksongs „My Bonnie“, 1961 der allererste Top-5-Hit der „Beatles“, die einstmals noch „The Beat Brothers“ hießen und eben erwähntem Tony Sheridan als Begleitband dienten, sowie der allerersten echten „Beatles“-Single, „Love me do“, rockig ausklingen. Als zweite Zugabe fungierte der 1995 erstveröffentlichte, ehrliche und liebevolle Schunkelschlager „Gute Freunde“, den Graham damals bei Dieter Thomas Hecks großem ZDF-Wunschkonzert „Musik liegt in der Luft“ vorstellte, woraufhin das Gelsenkirchener Gastspiel der lebenden Legende aus London um zehn nach zehn endgültig vorüber war.
Kurz darauf enterten wiederum „TAKE OFF“ die Bühne des „Volkshauses Rotthausen“ und versuchten, die anwesenden Fans mit Rock’n’Roll-Standards und Oldies a la „Baby Come Back“ („The Equals“, 1967), „Summertime Blues“ (Eddie Cochran, 1958), „I’m a Believer“ („The Monkees“, 1966) oder „Surfin‘ U.S.A.“ („The Beach Boys“, 1963) zum Mitmachen und Abfeiern zu bewegen. Während dessen schrieb Graham Bonney im hinteren Teil der Halle emsig Autogramme. Obwohl die auf der Bühne musizierenden Mitglieder von „Take Off“ seitens des Veranstalters inständig gebeten worden waren, einen entsprechenden Hinweis darauf zu geben, haben sie dies zuerst gar nicht getan und später wiederum in einer eher bösartigen Tonlage abgehandelt. Dieses Verhalten einer lokalen Cover-Band gegenüber einem seit 50 Jahren aktiven, auf der ganzen Welt aufgetretenen Sänger und Entertainer, der sowohl im Hamburger „Star Club“, als auch später als eigentlicher Urvater der Kölschen „Bläck Fööß“, Musikgeschichte geschrieben hat, ist schlicht unwürdig.
Wir saßen später noch mit Graham und seiner Gattin Iris im Backstage-Bereich und analysierten Ablauf und Konzeption der Veranstaltung. Diese hatte sich letztlich als zweischneidiges Schwert erwiesen. Der Star des Abends lieferte fraglos eine Top-Show voller Emotionen, Stimmstärke und mitreißender Melodien aus Schlager, Pop, Country und Rock’n’Roll. Doch die Regie schien einfach nicht funktioniert zu haben; man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, manche Anwesende hätten gar nicht genau gewusst, wen sie vor sich hatten, wer für sie aus Kerpen angereist war, um sie auf eine famose Zeitreise in die Swingen Sixties und Golden Seventies mitzunehmen.
Für mich persönlich jedenfalls war es eine außerordentliche große Freude und Ehre, einem Lieblingssänger aus ganz frühen Kindertagen livehaftig zu begegnen, seine Klasse Darbietungen zu genießen und mich daran anschließend sogar noch äußerst nett und anregend mit ihm und seiner Gattin auszutauschen. Bald darauf hieß es für mich allerdings – um mit Grahams so benanntem 1971er-Superschlager zu reden – „Hallo Taxi“ und ich fuhr, mit schönen, klingenden Erinnerungen aus meiner Kinderzeit auf den Lippen nach Hause, von Rotthausen in die Altstadt, und setzte mich dort umgehend an diesen Konzertbericht!
Freuen wir uns nun also auf die bald zunächst im Download-Format erscheinende, neue Zwei-Track-CD mit „SUPERGIRL 1966-2016“ und einem neuen Schlagerpop-Titel namens "PARTY FOR TWO", der von Christian Bruhn komponiert und von Michael Holm betextet wurde, zum 50jährigen Jubiläum des dauerhaft stilbildenden und regelmäßig radikal aufmunternden Ohrwurms „Supergirl“, auf viele weitere Konzerte und Auftritte von Graham Bonney hier und anderswo, und wünschen wir uns, dass er immer wieder einen ihm auch würdigen Rahmen finden möge, wo er uns mit seinen tollen Lieder, seiner ehrlichem, urwüchsigen und gänzlich bodenständigen Art, seinem klassisch britischen Humor begeistern kann!
Auf der weiterhin aktuellen Longplay-CD "HAPPY IN GERMANY – DANKE DEUTSCHLAND" befinden sich 23 Titel, Oldies, Newies und Songs aus dem derzeitigen Bühnenprogramm. Sie erschien beim hauseigenen Label DOLLYWOLF und ist unter www.grahambonney.de bestellbar!
Holger Stürenburg, 25. bis 27. Mai 2016
http://www.grahambonney.de