CHRIS HOWLAND
"Bye bye, Mr. Pumpernickel" – Zum Tod von Chris Howland!

“Als Soldat war ich furchtbar” * Mehr deutsche als britische Zuhörer * Mut zum Nonsens * Karl-May-Filme und Hämmerchen-Polka * Doppelbelastung als Moderator * “Vorsicht Kamera” war politisch nicht korrekt * Ein Star von damals * Akzent als Markenzeichen
 

CHRIS HOWLAND hatte viele Spitznamen – sein bekanntester aber sollte "Heinrich Pumpernickel" werden. Unter diesem Pseudonym schrieb der Brite deutsche Radio- und TV-Geschichte. Am Montag (02.12.2013) wurde bekannt, dass Howland in der Nacht zu Samstag im Alter von 85 Jahren in Rösrath bei Köln gestorben ist.

Sein Spitzname? Ein Gag, aus der Laune geboren. Woche für Woche sitzt Chris Howland in den frühen 1950ern mit einem Tonmeister im Studio des NWDR, der keine Miene verzieht: "Er mochte mich nicht, ich mochte ihn nicht", erinnert sich Howland in einem Gespräch. "Ich wollte ihn aber zum Lachen bringen, deshalb habe ich gesagt: 'Bis zum nächsten Mal, Ihr Heinrich Pumpernickel'." Nicht einmal der Ansatz eines Lächelns will dem Mann übers Gesicht huschen. Aber Howland hat seinen Zweitnamen weg. Auf Lebenszeit.

"Als Soldat war ich furchtbar"

Beim Radio landet der am 30. Juli 1928 geborene Londoner eher zufällig. Nach dem Krieg wird er zum Armeedienst eingezogen. Schnell ist ihm klar: Ich muss hier weg. "Als Soldat war ich furchtbar", schildert Howland seine Erfahrungen als Reservist in Dover. "Eines Tages habe ich gelesen, dass der Militärrundfunk Sprecher sucht." Familiär vorbelastet ist er: Sein Vater arbeitet als Moderator bei der BBC. Gegen 200 Mitbewerber setzt er sich durch. Den Job erhält er, so Howland, weil er Komponisten wie Prokofjew oder Tschaikowski fehlerfrei aussprechen kann.

Mehr deutsche als britische Zuhörer

Howland landet bei BFN (British Forces Network) in Hamburg. Schnell steigt er zum beliebten Moderator auf, spielt zeitgenössische Musik amerikanischer und britischer Gesangsstars. Der Mix kommt an, besonders bei denen, an die er eigentlich gar nicht gerichtet ist: Zu bestimmten Sendezeiten sind es mehr als eine Million Deutsche, die den Armeesender einschalten. Mit diesem Erfolg im Rücken schlägt Howland 1952 beim NWDR auf und verspricht dem Programmchef: "Ich bringe Ihnen diese Millionen Leute zurück, wo sie hingehören, zum NWDR." Was als Gag gedacht ist – Howland hatte sich vorher ein Glas Gin Tonic gegönnt – endet mit einem Handschlagvertrag. Verdienst: 20 Mark pro Sendung. "Trinkgeld", nennt Howland das rückblickend. Doch der Niedriglohnjob macht ihn zum Star, als Phänomen einer jungen Generation schafft er es am 17. Dezember 1952 sogar auf den Titel des Spiegel.

Mut zum Nonsens

Neu und deswegen spannend ist vor allem sein Mut zum Nonsens. Als er am 1. September 1952 seine erste Radiosendung für den NWDR moderiert, lässt er das Galoppieren und das Wiehern eines Pferdes einblenden. Es ist eine Reaktion auf das halsstarrige Beharren des Senders, ein Moderator dürfe nicht Discjockey heißen, sondern müsse sich Schallplattenjockey nennen. Aus heutiger Sicht war es ein eher mauer Sound-Gag. Damals aber, als es gilt, die Radioprogramme von ihrem behäbigen Tran aus Operettennachmittagen und Lale-Andersen-Nostalgie zu befreien, wirkt es fast revolutionär.

Karl-May-Filme und Hämmerchen-Polka

Vieles in Chris Howlands Leben passiert spontan – und das, obwohl er ein festes Ziel vor Augen hat: Hollywood. Der internationale Film bleibt aber letztlich ein Traum und Howland beim Komischen. Ob als Moderator, Schlagersänger oder Schauspieler – immer sitzt ihm der Schalk im Nacken und beschert ihm in Deutschland einen Erfolg nach dem anderen. Innerhalb des NWDR wechselt er 1954 nach Köln und etabliert die Sendung "Spielereien mit Schallplatten". Wegen seiner vornehmlich jungen Zuhörer wird er "Kinderlord" genannt. Parallel ergattert er tragende Nebenrollen in deutschen Filmen – darunter allein fünf Karl-May-Verfilmungen – und  feiert als Schlagersänger mit Titeln wie "Fraulein", "Das hab’ ich in Paris gelernt" oder "Hämmerchen-Polka" ab 1958 mehrere Top-Ten-Erfolge.

Doppelbelastung als Moderator

Ab 1959 versucht er, auch in seiner Heimat Großbritannien Fuß zu fassen. Als Moderator einer täglichen Talkshow gelingt ihm das auch, allerdings wird die Doppelbelastung zu groß, da er in Deutschland weiterhin am Wochenende Radio macht und Filme dreht. 1961 entscheidet er sich endgültig für Deutschland, als er die Chance bekommt, sein Radioformat fürs Fernsehen zu adaptieren. "Musik aus Studio B" wird ein Publikumshit, nationale Größen stellen darin ihre neuesten Songs vor, aber auch internationale Stars wie die Bee Gees, Petula Clark oder Nancy Sinatra treten auf. Trotz anhaltenden Erfolgs lässt Howland seinen Vertrag 1969 auslaufen. Ein Streit mit NDR-Unterhaltungschef Harald Vock ist der Grund.

"Vorsicht Kamera" war politisch nicht korrekt

Auch sein zweiter großer TV-Erfolg, "Vorsicht Kamera", endet jäh. Die erste Show im deutschen Fernsehen, in der Streiche mit der versteckten Kamera gezeigt werden, ruft die Politik auf den Plan. Vize-Kanzler Erich Mende (FDP) macht 1962 seinen Einfluss im WDR geltend, um die Sendung abzusetzen. Grund: Die Privatrechte der Opfer würden verletzt. Trotz hoher Einschaltquoten wird das Format daraufhin nach nur anderthalb Jahren beendet. Später entschuldigt sich Mende: Howland sei schlicht seiner Zeit voraus gewesen.
Ein Star von damals

1970 zog Howland sich zurück, private Probleme sind der Grund, genauer will er auch in späteren Interview nie werden. Auf Mallorca baut er ein Hotel, tobt sich aus und erlebt dabei, wie er immer wieder sagt, seinen persönlichen Tiefpunkt. Vor allem Alkohol war im Spiel. Nach fünf Jahren Auszeit kehrt er nach Deutschland zurück, findet mit seiner zweiten Frau zwar privat wieder sein Glück, kann aber zunächst nicht an seine Popularität aus den 1950er- und 1960er-Jahren anschließen. Trotzdem bleibt er präsent, meist in Nostalgiesendungen, die sich mit der goldenen Schlagerzeit im Nachkriegsdeutschland beschäftigten. 2004 kehrt er schließlich ins Radio zurück. Auf WDR 4 lässt er seine "Spielereien mit Schallplatten" am Sonntagnachmittag wieder aufleben. Das musikalische Programm darin bleibt unverändert, die eigenen Hits kommen allerdings nicht auf die Playlist: "Ich spiele nur Platten von Leuten, die singen können", ist seine lakonische Begründung.  

Akzent als Markenzeichen

Prägnant bleibt bis zum Schluss sein starker britischer Akzent. Die ersten Moderationen ab 1952 muss er noch von sogenannten Idiotenkarten ablesen, auf denen sein Text in Lautschrift steht. Später braucht er sie zwar nicht mehr, aber sein Deutsch klingt weiter radebrechend. Es war keine Absicht, betont Howland immer wieder: "Viele haben geglaubt, dass es vorgetäuscht ist. Aber mein Mund ist einfach so gebaut."

 

 

Erinnerungen an Howland von Hans-Holger Knocke, Ex-Musikchef von WDR 4…:

WDR

http://www.chrishowland.de

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