BILL RAMSEY
Die Doppel-CD "Pigalle, Pigalle – 40 große Erfolge" im Test von Holger Stürenburg!

Der 83-jährige “Jazzsänger, Entertainer und Schlager-Veteran” steht nach wie vor auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten! 

Das seit kurzem im oberbayerischen Murnau ansässige Label Music Tales hat sich seit einigen Jahren darauf spezialisiert, allseits bekannte Hits und Gassenhauer, wie gleichsam weniger geläufiges Liedgut inkl. vieler Raritäten, von Künstlern der 30er bis 60er Jahre mit viel Liebe und kundiger Hand zusammenzusuchen und dann im wohlklingenden CD-Format durchgehend zu einem mehr als nur attraktiven Verkaufspreis im Handel feilzubieten. So erscheinen bei Music Tales in unregelmäßigen Abständen mehrheitlich überaus faszinierende Kompilationen, die musikgeschichtlich gerade deshalb so bedeutsam und für den Chronisten unverzichtbar sind, weil sie in ihren Titellisten zum einen auf bestmögliche Vollständigkeit wertlegen und darüber hinaus auf gute Ausgewogenheit zwischen viel gesuchtem, nicht selten lange unauffindbarem Material und eben denjenigen unumgänglichen Krachern und Ewigkeitsfavoriten bedacht sind, die ob ihrer klanglichen Zeitlosigkeit und kulturellen Relevanz häufig schon zwei, drei Generationen unbeschadet überdauert haben und mittels ihrer unauslöschlichen Melodien längst zum Allgemeingut des einheimischen Poplebens avanciert sind.

Nachdem 2014 sehr effiziente Best-of-Kollektionen von z. B. Harry Belafonte oder Nana Mouskouri die Freunde betagterer, aber dennoch (oder gerade deshalb) immer wieder erfrischender Pop- und Schlagerevergreens begeisterten, liegt nun bei Music Tales/Spectre Media ein wiederum höchst penibel und, hinsichtlich des auserlesenen Programms, geradezu detailverliebt formierter Querschnitt bezüglich des musikalischen Wirkens des gebürtig aus Cincinnati/Ohio stammenden Jazz- und Schlagersängers BILL RAMSEY vor. Diese zwei proppevolle CDs umfassende Liedsammlung wurde benannt nach dessen wohl nachhaltigstem Hittriumph „PIGALLE, PIGALLE“ und beinhaltet insgesamt 40 klangvolle Titel, d.h. nahezu sämtliche Single-A- und B-Seiten, die der sympathische Ex-G.I. mit der rauchigen, annähernd „schwarzen“ Stimme, in den Jahren 1957 bis 1962 erst bei Polydor, später bei Columbia, aufgenommen hat, garniert mit unzähligen kostbaren, lange vergriffenen Kuriosa, sowohl aus dem urwüchsigen Jazz- und Blues-Bereich, als auch im Modus verschiedener fremdsprachiger Variationen seiner größten teutonischen Schlagerrenner jener Tage.

BILL RAMSEY feiert im April diesen Jahres seinen 84. Geburtstag und wollte eigentlich von jeher viel lieber naturbelassenen, althergebrachten Blues, Jazz und Folk singen, als sich den eher leichtfüßigeren, kommerziell aber erfolgversprechenderen Versuchungen, die seitens Schlager und Pop ausgingen, hinzugeben. Er war, nachdem in seiner amerikanischen Heimat aufgrund des Koreakrieges, erneut die Wehrpflicht eingeführt worden war, als Rekrut der US Air Force nach Deutschland abberufen worden, wo er fern seiner soldatischen Tätigkeiten, mehrfach im noch heute existierenden Frankfurter „Jazzkeller“ als Interpret fetziger Jazz- und Blues-Standards zu bewundern war. Bald trat er gemeinsam mit bundesweit gefragten Orchesterchefs, wie Kurt Edelhagen, James Last, Ernst Mosch oder Paul Kuhn, auf. Bei einer dieser umjubelten konzertärten Darbietungen wurde der bisherige Student der Soziologie und Wirtschaftswissenschaften vom Jazzpianisten und späteren Starproduzenten Heinz Gietz entdeckt und von diesem daraufhin auf einigen Veranstaltungen des Hessischen Rundfunks, sowie als singender Darsteller in zahlreichen Musikfilmen eingesetzt. Nach Ende seines Militärdienstes, kehrte Bill Ramsey zunächst kurzzeitig in die USA zurück, um erst mal weiter zu studieren. Da es ihm aber in der jungen, aufstrebenden Bundesrepublik so gut gefallen hatte, fand er 1957 wiederum den Weg zurück in unsere Breitengrade. Er setzte vorerst sein Studium in Frankfurt am Main fort – nicht ohne nebenbei immer wieder eine Menge Livedarbietungen mit Jazz und Schlagern zu absolvieren. Und 1958 begann dann für Bill eine einzigartige Gesangskarriere, die ihn für die nächsten rund zehn Jahre zum viel gefragten Dauergast in Hitparaden, TV-Shows und Musikrevuen dieses unseren Landes werden ließ.

Obwohl der bläserdurchzogene Stomper „Yes, Fanny, ich tu das…“, das Blues/Doo Wop-geprägte Singledebüt von Bill Ramsey, das dieser als satirisch-gutmütiges Duett mit der Gießener Sängerin und Kabarettistin Margret Fürer aufgenommen hatte, mitsamt des witzigen Jodel-Boogie-Poppers „So ein Stroll in Tirol“ als letztlich gleichwertigem B-Titel, noch keine Hitparadenplatzierung zu erzielen vermochte, hatte Produzent Gietz, der diese beiden, wie auch viele andere immergrüne Ohrwürmer für den liebenswerten Brummbären aus Ohio, in Kooperation mit Texterlegende Kurt Feltz ersonnen hatte, den richtigen Riecher bewiesen: Bill Ramsey konnte sich, selbst, wenn ihm persönlich die eingeschlagene künstlerische Richtung nicht unbedingt tief aus seinem jazzigen Herzen sprach, spätestens ab Single Numero II im aufblühenden Wirtschaftswunderland BR Deutschland längerfristig als personifizierte Spaßschlager-Jukebox mit unbändigem Charme, Originalität und äußerst starkem Stimmorgan, das jederzeit einen hohen Wiederkennungswert aufwies, in den nationalen Hitlisten etablieren.

Als erst einmal der – lyrisch zweifellos etwas arg lächerliche und bei näherem Hinsehen womöglich völlig humorlose – „Wumba-Tumba-Schokoladeneisverkäufer“, eine ziemlich unglücklich eingedeutschte Version des „Billboard“-Nummer-Eins-Hits „The Purple People Eater“ des US-Countrysängers Sheb Wooley, der zu allem Überfluss auch noch gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit Hans Blums krachledernem Jux-Rock’n‘Roll „Charly Brown“ aufwies, hatte im April 1959 bis auf Rang 4 der damaligen hiesigen „Automatenmarkt“-Charts emporklettern können, ging es ab sofort für den wohlbeleibten Deutsch-Amerikaner in seiner Wahlheimat strikt bergauf. Zwar verpasste das inhaltlich und musikalisch ähnlich schlicht gestrickte Blödelschlagerchen „Er war vom konstantinopolitanischen Gesangsverein“ (ob seiner textlichen Simplizität nicht ganz zu Unrecht) die inzwischen vom „Musikmarkt“ der „Media Control“ ausgewerteten Hitlisten; daran anschließend aber gelang es Producer Gietz, für seinen Schützling ein ganz besonders sympathisches und augenscheinlich nicht alltägliches, klingendes Kleinod zu eruieren, das dieser mit seiner ironischen Intonationsweise und seiner exaltierten Charmeoffensive zu seinem allerersten Spitzenreiter auszugestalten in der Lage war.

„Souvenirs“ hieß das von einem bis zu jenem Zeitpunkt unidentifizierbaren Lyriker namens „Johnny Bartels“ (hinter dem sich niemand geringeres verbarg, als Gietz‘ langjähriger Textdichter Kurz Feltz!) mit muttersprachlichen Versen versehene Foxtrott-Ragtime-Couplet aus der Feder des US-Songschreibers Cy Coben, das auf Englisch von einer ebenso unbekannten Sängerin, die sich Barbara Evans nannte, eingesungen worden war – und sollte zunächst eigentlich nur als B-Seite von Bills im Juni 1959 vorgewiesener, nächster ‚Kleiner Schwarzer‘ Verwendung finden. Denn für die Nutzung als hitträchtigen A-Titel hatten Gietz und sein Texter Feltz/„Bartels“ die – den ‚tönenden Andenken‘ von der ursprünglichen B-Seite qualitativ absolut ebenbürtige – zickig-freche, gesungene Beziehungskiste „Mach‘ keinen Heck-Meck“ auserkoren – aber, das Publikum reagierte nun ganz anders, als es sich die Verantwortlichen so ausgedacht hatten. Im September 1959 fand sich plötzlich „Souvenirs“, ergo die anfängliche B-Seite, in den Top 30 von „Media Control“ wieder, erreichte am 10. Oktober desselben Jahren die Spitzenposition und verharrte dort ganze sechs Wochen lang. In kaum mehr als 1.50 Minuten Spielzeit, hetzte sich Bill durch alle nur möglichen, mutmaßlich erinnerungswürdigen Devotionalien aus den Goldenen 50er Jahren. Ob der Hut von Maurice Chevalier, das Trompetenputztuch von Louis Armstrong, ein Badeschwamm von Marilyn Monroe oder gar der Blusenverschluss von Gina Lollobrigida –  viele stille Zeitzeugen von Bedeutung, die den Zeitgeist jener Tage prägten und kennzeichneten, spießte der heißblütige Stimmungsmacher in seinem spritzigen musikalischen Museumsbesuch kongenial und zutreffend auf, der zwecks Erfolgsmaximierung überdies im österreichischen Schlagerfilm „Kein Mann zum Heiraten“, mit Hans-Joachim Kulenkampff und Marianne Hold in den Hauptrollen, eingebaut wurde.

Von nun an ging es Schlag auf Schlag: Noch 1959 folgte als nächste 45er der slow-bluesige, nächtlich-verträumte Schleicher „Hier könn‘ Matrosen vor Anker gehen“, eine deutschsprachige Aufnahme von „Now I don’t worry no more“ des US-R’n’B-Shouters Ivory Joe Hunter, für deren gleicherweise ansprechende Rückseite der neuerlich vom scheinbar perfekt harmonierenden Songschreiber-Team Gietz/Feltz verfasste Gospel-Pop’n’Roll „Go Man Go“ ausgesucht worden war, den wir auf „Pigalle, Pigalle“, sowohl in der originalen deutschen, als auch in einer später eingesungenen, englischen Fassung unter der gleichen Betitelung hören können. Letztere wurde 1960 übrigens zusätzlich als Single auf den Markt gebracht; als B-Seite hierfür sang Bill – gleichsam in seiner Muttersprache – die fetzige, mal wieder unüberhörbar Rock’n’Roll-beeinflusste Tanznummer „Rockin‘ Mountains“ ein.

Als nächster Hitparadenstürmer, selbst wenn diesmal auch nur knapp die Top 40 geknackt wurden, erwies sich der überschwänglich swingende Jux-Stomper „Telefon aus Paris“, klanglich zubereitet in packendem, fetten Big Band Sound, der, aufs textliche Thema zugeschnitten, mit latenten, französischen Chanson-Fragmenten vermengt wurde. Gleichermaßen crazy, aufwühlend, reizend chaotisch, präsentierte sich die erneut von Gietz/Feltz erdachte Ode auf die feurige, italienische Urlaubsliebe (und B-Seiten-Lady) „Gina, Gina“. 1960 vernahm der Fan – diesmal jedoch bar jeder Chartsnotierung – den drallen, so rasanten, wie herrlich aufgedonnerten Fetenaufmischer „Jeden Tag ´ne and’re Party“; als B-Seite fungierte Fats Dominos 1959er-Blues “I’ve been around“, von „Johnny Bartels“ zu „Die Welt ist rund“ in hiesige Sprachgefilde transferiert.

Mit der längst Legendenstatus innehabenden Komödien-Filmreihe um den schrägen Österreicher „Graf Bobby Pinelski“ (hinreißend komisch gespielt vom Urwiener Showallrounder Peter Alexander) und seinen trottelig-schrulligen Vasallen „Baron Mucki von Kalk“ (nicht weniger überzeugend: Peters Österreichischer Landsmann Gunther Philip) gelang dem unvergessenen ungarischen Starregisseur Geza von Cziffra einer der umfangreichsten Publikumsmagneten der frühen und mittleren 60er Jahre. Für die erste Folge dieser bis heute sehr gefragten und immer wieder gern gesehenen Kinoserie, die da schlicht hieß „Die Abenteuer des Grafen Bobby“, trug Bill Ramsey zwei Titel zum – wie man heutzutage sagt – Soundtrack des freudespendenden Kinosaalfüllers bei. Neben dem peppig-boogie-bluesigen Hank-Ballard-Cover „Immer zieht es mich zu ihr hin“ (Original: „Let’s go, Let’s go, Let’s go“, 1960, Top 10 der US-Popcharts), das der immer fröhliche Schlagerentertainer als Zwiegesang mit Hauptdarsteller Peter Alexander darbot (und sich damit hierzulande gleichfalls unter den ersten Zehn einfinden konnte), war dies zuvorderst der Titelgeber hier vorgestellter Doppel-CD: „Pigalle, Pigalle (Die große Mausefalle)“, 1961 Bills zweiter Nummer-Eins-Hit in den deutschen Singlehitparaden. Diese ‚Kleine Schwarze‘ wurde nach Jahresbeginn 1961 in Köln (A-Seite) und Hamburg (B-Seite) unter der Leitung von Mastermind Heinz Gietz aufgenommen. Der Aufhänger „Pigalle“ konnte am 01. April jenen Jahres die Topposition der „Musikmarkt“-Listen für sich entscheiden und sich dort daraufhin für volle drei Wochen lang festsetzen, was sicherlich auch darin begründet lag, dass am selben Tag erwähnter erster „Graf Bobby“-Streifen seine Uraufführung feierte. „Pigalle (Die große Mausefalle)“, entstanden in kreativer Gruppenarbeit von Heinz Gietz und dem Berliner Liedtexter und Zeichner Hans Bradtke, war ausgestattet mit einer temporeichen, schnurstracks eingängigen Ohrwurmmelodie, die gerade wegen gewisser kompositorischer Widerhaken, so leicht zu merken und schnell mitzusingen war. Das außerordentlich einprägsame Lied nahm sacht ironisch die erwachte Reiselust der Wirtschaftswunder-BRD’ler amüsant aufs Korn, denn (Textzitat), „…wer auf der Welt / was auf sich hält / ist da gewesen“. Die hymnisierte „große Mausefalle / mitten in Paris“ befindet sich in einem seit über 100 Jahren bestehenden Künstler- und Vergnügungsviertel, rund um den „Place Pigalle“ im neunten Pariser Distrikt, in dem auch das sagenumwobene Erotikkabarett „Moulin Rouge“ angesiedelt ist, weshalb „Pigalle“ schon oft als schummrig-extraordinärer Ideengeber für Liederschreiber, Buchautoren und Filmemacher herhalten musste.

Die B-Seite dieses unvergleichlichen, erschallenden Zeitzeugnisses des ökonomischen Aufschwungs jener Ära nannte sich „Café‘ Oriental“, stieg zwar bereits kurz nach Veröffentlichung im Februar 1961 in die Top 50 des „Musikmarktes“ ein, verblieb aber, ganz im Gegensatz zum fundamentalen A-Titel „Pigalle“, der es immerhin bravourös bis an die Chartsspitze geschafft hatte, zumeist unter ‚ferner liefen‘. Die geistreich-überkandidelte, leicht surreale Reise in den dämmrig-verrauchten Tanzclub im arabischen Tausend-und-Eine-Nacht-Kontext wurde, ebenfalls im Frühjahr 1961, vielmehr ein durchschlagender Erfolg für den Schweizerischen Schlageredelmann und Showmaster Vico Torriani, der seine (nicht weniger mitreißende, förmlich sogar noch schrillere, beißendere) Auffassung des chansonähnlichen Standards „C’est écrit dans le ciel“ des ägyptisch-libanesischen Sängers und Orchesterleiters Bob Azzam, eben das mystische „Café‘ Oriental“, auf den achten Rang der deutschen Singlehitparade zu geleiten vermochte.

Eilends stand im Anschluss daran der nächste Top-5-Beitrag des Bill Ramsey auf der Tagesordnung: Die so skurril-aberwitzige, wie rhythmisch und melodisch schier bezaubernde Saga von der „Zuckerpuppe (aus der Bauchtanztruppe)“, gezeugt von Gietz und Bradtke, entwickelte sich unverzüglich zu einem famosen Dauerbrenner in Sachen launiger Stimmung und partygemäßen Wohlbehagens, die längst zu den nicht tot zu kriegenden Höhepunkten der Genese des deutschen Nachkriegsschlagers gerechnet werden muss. Dieses herausfordernde, geradewegs lustvolle Heranschleichen an die abgöttisch verehrte, höchst geschätzte, orientalische Tanzmaus ‚Suleyka‘ „mit dem Babydoll-Gesicht“ (Textzitat), die überall im Orient, im vorderen, wie im hinteren solchen, die Wüstensöhne dieser Welt in hellste Verzückung versetzt, hinter der in Wirklichkeit allerdings die bloß morgenländisch geschminkte, ansonsten brav-bürgerliche Hausfrau „Elfriede aus Wuppertal“ steckt, bedeutete ein weiteres ultimatives Glanzstück im Blickwinkel des prächtig florierenden Schlagerwerdegangs des originären Jazz-Freaks, das noch heute als wichtiges klingendes Erkennungszeichen für die teutonische Popkultur der Musikära vor Beat und Hippietum seinen grandiosen Ruf genießt. 1961 gelang der nicht weiter bedeutsamen, britischen Beat-Combo „The Viscounts“ ein kleiner Hit mit dem fröhlich-beschwingten Popsong „Banned in Boston“. Zu dieser überaus sympathischen Melodie, schrieb der unvermeidliche „Johnny Bartels“ deutsche Reime unter dem Motto „Das Mädchen mit dem aufregenden Gang“, die Bill Ramsey für die B-Seite der sagenumwobenen „Zuckerpuppe“ verwendete. Bills Erfolgsjahr 1961 endete mit der wahnwitzig-kessen, temporeichen Beat-Swing-Schlagermixtur „Das Leben ist doll“, angefertigt von Gietz/Bradtke und entnommen dem zweiten „Graf Bobby“-Filmwerk „Das süße Leben des Leben des Grafen Bobby“, und der im selben Grade ultraschnellen, einwenig Country-angehauchten Jux-Chose „Ich habe beides ausprobiert – kein Vergleich“ als dazugehöriger B-Seite.

Das laute, stramme Duett „Nichts gegen die Weiber“, zusammen mit der schwedischen Schlagerschönheit Bibi Johns einstudiert, basierte auf einer Komposition des Schweizer Bandleaders Hazy Osterwald, fand Einsatz in der Musikkomödie „Heute geh’n wir bummeln“, mit Marika Rökk und Oskar Sima in den Hauptrollen, unter der Regie von Erik Ode, und führte seine Interpreten Bill & Bibi Anfang 1962 umgehend auf den 25. Platz der deutschen Singlehitlisten. Swingend-sommerlich, frohsinnig und luftig wird’s dagegen in der entsprechenden B-Seite „Mach ein Foto davon“, erschaffen von Erich Becht (Teil des späteren Songschreiber-Trios „Adolf von Klebsattel“) und Kurt Feltz.  „Old Johnny war ein Wunderkind“, ein kinderliedartiges Schnaderhüpfel mit Country-Einsprengseln, zudem leider gehalten auf textlichem Null-Niveau, überzeugt nicht, konnte aber dennoch immerhin Rang 47 der Singlecharts erhaschen. Als kaum mehr unterhaltsam, zeigte sich das von Günter Fuhlisch, dem langjährigen Leiter des NDR-Tanzorchesters, beigetragene, in gleicher Weise Country-lastige Schlagerchen „Hilly Billy Country Boy“. Beide letztlich nur sinnlos und ohne Esprit dahinplätschernden Machwerke nahmen zwar an den „Deutschen Schlagerfestspielen“ am 13. Juni 1962 in Baden-Baden teil, konnten aber, vermutlich ob ihrer einwandfreien musikalischen wie lyrischen Einfältigkeit, auch dort keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der südamerikanisch-folkloristisch ausgestaltete Sonnenschlager „Brauner Señor Mexicano“ wurde im Original als „Un Mexicain“ von dem armenisch-französischen Chansonnier Charles Aznavour für das Vokalensemble „Les Compagnons de la Chanson“ niedergelegt. Der abermalige Wechselgesang mit Kollege Peter Alexander schoss im Spätsommer 1962 jedoch, genauso wie die musikalisch weitaus anspruchsvollere – immerhin fungierte hier Hazy Osterwald als Urheber –, schunkelnd-wiegende B-Seite „Keine Zeit und kein Geld“, unzweifelhaft an den Hitparaden vorbei.

Dafür war zum Jahresausklang 1962 aufs Neue ein zugleich in künstlerischer Hinsicht enorm reputierliches Meisterstück von Bill Ramsey bis auf Rang 3 des „Musikmarktes“ emporgeschossen. Nachdem sich seit Ende der 50er Jahre eine ganze Reihe atmosphärisch-humorvoller Verfilmungen von Kriminalromanen des britischen Schriftstellers, Regisseurs und Dramatikers Edgar Wallace – z.B. „Der Frosch mit der Maske“ (1959), „Der Grüne Bogenschütze“( 1961) oder „Das Gasthaus an der Themse“ (1962) – als wahrhaftige Kinokassenfüller legitimiert hatten, baldowerten Heinz Gietz und Hans Bradkte einen dazu trefflich passenden Themenschlager zu diesem kultvollen Phänomen aus. „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ nennt sich der very british arrangierte, herrlich ölig-jazzige Swingschlager, der flink und unweigerlich als formidabler Langzeitohrwurm per Excellance Eingang in die Pop-Annalen fand – und, weil es so schön ist, zu allem Überfluss auch noch als Titellied der eilig hinterhergeschobenen, gleichnamigen Verwechslungskomödie mit Heinz Ehrhardt, Karin Dor und Harald Juhnke dienlich wurde. Da sich das frohgemute Mitsing-Schmankerl bald in ganz Europa größter Beliebtheit erfreute, wurde, noch 1962, für den angloamerikanischen Markt eine englische Bearbeitung als „Mimi needs a Thriller when she goes to Bed“ aufgetischt, die genauso für hier analysierte Doppel-CD berücksichtigt wurde. Die B-Seite der (deutschen) Krimi-Single, „Flotter Dampfer“, fällt gegen den putzigen A-Titel qualitativ kaum ab, bleibt aber nicht mehr, als ein netter, geschmeidiger 50er-Jahre-Fernwehschlager mit Witz, derer es aber auch Hunderte andere gab, ohne aus diesen Massen besonders hervorzustechen.

Anfang 1963 erschien das jüngste Doppelgespann auf „Pigalle, Pigalle – 40 große Erfolge“. Dabei handelt es sich um eine weitere Parodie auf die damals mächtig angesagte englische Kriminalliteratur namens „Maskenball bei Scotland Yard“. Einmal wieder einhellig und absolut überzeugend von Gietz und Bradkte musikalisch ausgetüftelt, entwickelt das knallige, liebevoll aufgetakelte Jux-Swing-Schlager-Paket von einer Sekunde auf die andere prickelnde Karnevalslaune und deftiges Fetenflair. So verwundert es keinesfalls, dass der so ironische, wie eindringliche, bläsergetriebene Powerschlager Anfang 1963 bis auf Rang 8 der „Musikmarkt“-Listen aufsteigen konnte. Die nicht weniger überdrehte, üppige und konstruktiv ausschweifende B-Seite der properen Faschingsfeier beim Londoner Metropolitan Police Service, die da heißt „Hallo, Boss, hallo“, steht dieser in Puncto Intensität, Strahlkraft und Ohrwurmtauglichkeit in rein gar nichts nach: Ein frecher, fast respektloser Zwiegesang zwischen einem gestressten Arbeitnehmer, aus dessen Perspektive Bill singt und seinen Vorgesetzten fernmündlich in prallen Urlaubsfreuden erreicht, und eben diesem seinem Chef, wobei sich im Zuge des kecken Liedes beide oft harsch, aber doch stets augenzwinkernd verbal angehen, bevor die ohnehin meist knackende Telephonverbindung in denjenigen italienischen Ferienort, wo Boss und Gemahlin ihre Erholungspause zu verbringen pflegen, urplötzlich unterbrochen wird…

Ergänzend zu diesen, wie ausführlich dargelegt, überwiegend optimal gefälligen, jederzeit einladenden, immer wieder geradezu köstlichen und humorigen, zugleich geschichtsträchtigen und daher allgegenwärtigen Allzeit-Ohrwürmern aus der hochtalentierten Musikschmiede Gietz/Ramsey, finden wir auf „Pigalle, Pigalle – 40 große Erfolge“ ein paar englischsprachige Auslegungen von zuerst auf Deutsch aufgenommenem Ramsey-Repertoire und  sogar dänische (!) Interpretationen von „Pigalle“ und „Telefon aus Paris“ (hier: „Telefon fra Paris“). Offenkundig noch niemals zuvor im digitalen Klangformat erhältlich, waren obendrein – jeweils um die sieben Minuten lang – die A- und B-Seite der 1962 natürlich ausschließlich auf Vinyl gefertigten E.P. „Unvergessene Erfolge mit Bill Ramsey“, welche Bills damalige Plattenfirma Polydor als Sonderauflage exklusiv für die Mitglieder des „Bertelsmann-Schallplattenrings“ aufbereitet hatte und die, in hastiger Potpourri-Form zusammengeschnitten, zwölf Klassiker aus den Jahren 1951 bis 1962 auf Single-Größe gepresst beinhaltet.

Schlussendlich  finden wir auf hier analysierter Doppel-CD zwei pfundige, höllisch heiße Blues-Improvisationen, die 1957 – also VOR dem Start von Bills auf Spaß und Schlager getrimmter Laufbahn – in den Niederlanden bzw. in Polen mitgeschnitten worden waren und mit denjenigen Songstrukturen, mit denen der liebenswerte Jazz-Fanatiker ein Jahr darauf von Hit zu Hit eilen sollte, so gut wie nichts gemein hatten. Dies wäre zum einen der 1941 entstandene Blues-Standard „Big Fat Mama“, den in den 40er und 50er Jahren verschiedene Jazz-Asse, wie Oscar Peterson, Roy Milton oder Jimmy Smith, weltweit bekannt gemacht hatten. Bill hatte dieses knarzig-voranstrebende, durchaus hymnentaugliche Jazz-Blues-Gebräu auf einem kleinen Jazz-Festival im holländischen Scheveningen, begleitet von der der lokalen Rhythmustruppe „Eric Kran’s Dixieland Pipers“, ‚live‘ aufgeführt, woraufhin seine spätere Plattenfirma Columbia diesen feschen Konzertmitschnitt ein Jahr vor dessen Durchbruch als heutzutage längst verschollene Vinyl-Single auf den Markt warf, ohne mit diesem Tun irgendeine Art von Aufmerksamkeit innerhalb der Musikwelt zu erregen. Kurz zuvor, vom 14. bis 21. Juli 1957, hatte „Big Bill“ – wie sich der baldige singende Muntermacher damals nannte -, zusammen mit den „Frankfurt All Stars“, organsiert von Jazzjournalist und Hörfunkmoderator Heinz Werner Wunderlich von der „Deutschen Jazz-Föderation“, auf dem „2nd Sopot Jazz Jamboree“ im Danziger Ostseebad Sopot gastiert, wo er im Rahmen der Abschlussveranstaltung im dortigen Kulturpalast den einerseits drögen, knochentrockenen, andererseits geheimnisvoll knisternden, wie aufpeitschenden Mississippi-Delta-Blues „Going to Chicago“ mit bärenstarkem, voluminösem Stimmorgan ergreifend und intensiv vortrug. Dieser Traditionsblues stammte aus dem Fundus des US-Jazzorganisten und Arrangeurs Count Basie, wurde in „Big Bills“ Vortrag vom polnischen Auditorium frenetisch bejubelt und fand somit mit vollster Berechtigung einen guten Platz auf hier vorgestellter Doppel-CD.

Wir erkennen also: Die beachtlichsten, beliebtesten und bemerkenswertesten Liedschöpfungen des Bill Ramsey aus den Jahren 1957 bis 1963 wurden für „PIGALLE, PIGALLE – 40 GROßE ERFOLGE“ von den Kollegen bei Music Tales wuchtig und (fast) komplett zusammengeführt. Dafür sei Ihnen auf jeden Fall ein herzliches Dankeschön ausgesprochen. Ungeschickt, wenn nicht gar verwirrend, wirkt dagegen allerdings die Verkoppelungsstrategie hinsichtlich der einzelnen Songperlen. Es scheint nämlich gar keine zu geben. Es ist weder eine stilistische, noch eine thematische, geschweige denn eine chronologisch sinngebende Reihung der 40 – zumeist fraglos ja sehr imposanten – Musikstücke zu erkennen. So wäre es für den zeitgenössischen Oldiefan, der in den 50er und 60er Jahren aufgewachsen ist, wie gleichermaßen für den die Liedfavoriten seiner Eltern und Großeltern erst neu entdeckenden Nachgeborenen – zu dieser Gruppe muss sich letztlich auch der Rezensent rechnen, der ja erst 1971 auf die Welt gekommen war, aber doch schon nur wenige Jahre später in seinem Elternhaus mit Ramsey-Schlagern in positiver Manier konfrontiert wurde – weitaus interessanter, spannender und vor allem lehrreicher, hätten die fachlich ja einwandfrei ungemein beflissenen und gewandten Kollegen bei Music Tales  bei der Gestaltung dieser Doppel-CD z.B. eine an der zeitlichen Abfolge der Singleveröffentlichungen orientierte Listung der Lieder vorgenommen, ggf. nach dem Leitgedanken: Auf CD-01 alle A-Seiten des bearbeiteten Zeitabschnitts plus ein paar Seltenheiten und auf CD-02 alle entsprechenden B-Seiten, denen wiederum rare Aufnahmen anzuhängen sind.

So gefallen zwar beinahe alle von Bill Ramsey vor rund 55 Jahren – vielleicht in Anbetracht seiner erheblich und maßgeblich vorhandenen Jazz-Vorliebe anfangs vielleicht gar widerwillig – aufgenommenen, stets lieblichen, markanten und damit verbunden, vor Gesangsintensität und kreativer Energie nur so strotzenden Schlagerhämmer immens. Zeitgeschichtliche, musikkulturelle Zusammenhänge, Unterschiede und Entwicklungen bleiben dem aufgeschlossenen Hörer aber mangels systemischer Anordnung der jeweiligen Lieder bedauerlicherweise verschlossen bzw. sind diese ihm nicht ersichtlich. Dennoch lohnt sich die Anschaffung von „Pigalle, Pigalle – 40 große Erfolge“ selbstverständlich jederzeit, da man den geballten Bill Ramsey der Jahre 1957 bis 1963 in dieser umfangreichen Aufmachung von 40 Liedern auf zwei berstend vollen Silberscheiben in hervorragender Klangqualität, noch dazu zu einem äußerst praktikablen Preis von um die 12 Euro, so schnell nicht wieder im Plattenladen vorfinden dürfte!

Holger Stürenburg, 14. bis 17. Januar 2015
http://www.spectre-media.com/
http://www.ramsey.de/

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