HEINZ RUDOLF KUNZE
Wissenswertes über sein neues Werk "Deutschland"!
Ab 12.02.2016 erhältlich als Standard-CD, Premium-Buch-Edition, Doppel-Gatefold-Vinyl, MSD-Edition sowie als Download!
„Ich suche mich mehr in Worten als in Werken.“
Er ist ein überzeugter Rockmusiker, ein rebellischer Geist und ein phantasievoller Romancier. Er liebt Pop, Politik und Poesie. Er versteht sich auf Märchen, Musical und Moritat. Da wirkt das obige Zitat fürwahr wie sympathisches Understatement. Wer einen Blick ins Internet wirft, kann sich einen ungefähren Überblick davon verschaffen, wie gewaltig sein Werk inzwischen ist (nicht umsonst unter dem Signum „Werkzeug“ geführt). Hier findet man über 400 Songs und mehr als 1.600 Texte gelistet, wobei HEINZ RUDOLF KUNZE freimütig einräumt, dass er noch jede Menge unveröffentlichte Songs und Texte in seinen Schubladen hat. Wie dem auch sei, für sein neues Studioalbum „Deutschland“ hat sich der Musiker auf seine jüngsten Songtexte besonnen, frei nach dem Motto „die frischesten stehen einem doch am nächsten“. Eins vorweg: Es ist ein wahres Prachtwerk an Ideen, Themen und Ausflügen in unterschiedlichste stilistische Gefilde geworden. Von Kindheitserinnerungen über Generationenkonflikte bis hin zu Gedanken übers Altern, Lieder über die Herkunft und die Heimat, über Freundschaft und Liebe, Kunst und Religion, Verlust und Verrat.
Heinz Rudolf Kunze kann auf eine 35-jährige Musikerkarriere zurückblicken. Eine Zeit, in der er mittlerweile 35 Alben veröffentlicht hat, inklusive all jener mit seiner Band Räuberzivil, bei der er seit einigen Jahren eine zweite musikalische Heimat gefunden hat und mit der er eher balladesk und entspannt auf den Spuren von Bob Dylan und Randy Newman, von Leonard Cohen und Townes Van Zandt wandelt. Bei seinen stilistisch noch variableren Alben unter seinem Namen vertraut Kunze auf seine Mitstreiter von der Verstärkung, so der Name seiner Begleitband, die stets in den kreativen Prozess der Albumproduktion eingebunden ist. Da ist Jens Carstens, der langjährige Schlagzeuger, der sich in den letzten Jahren auch bei anderen Projekten als patente rechte Hand hervorgetan hat. Aber auch die anderen drei Musiker von Verstärkung, der Bassist Leo Schmidthals, Keyboarder Matthias Ulmer und Gitarrist Peter Koobs, machen bei diversen Kompositionen ihren Einfluss geltend und haben bei den insgesamt 14 Aufnahmen (zwei weitere Bonus-Titel gibt es noch auf einer Sonder-Edition) für frischen Wind gesorgt.
Das Album „Deutschland“ überrascht gleich mit einem unerwarteten Covermotiv. Zu sehen ist eine Straße in einer x-beliebigen Vorstadtsiedlung mit kleinbürgerlichen Einfamilienhäusern und ein paar Baustellen am Straßenrand. Ein Cover, das definitiv mehr Fragen aufwirft als gewöhnlich. Ist dies das Deutschland, mit dem wir uns identifizieren? Oder gar eines, vor dem uns graut? Ist diese Straße Zuflucht oder will man aus ihr fliehen? Was haben die Baustellen zu bedeuten? Was kann man von einem Album erwarten, dessen Covermotiv uns schon zum Nachdenken anregt?
Der musikalische Einstieg ins Album ist von prägnanter Wucht. Am Anfang war der Blues: „Es ist in ihm drin“ glänzt als gut geerdeter Cocktail aus Muddy Waters und John Lee Hooker. Der Song trägt autobiographische Züge, ohne es an allgemeinem Identifikationspotential missen zu lassen. Zudem bildet dieser musikalisch wie thematisch den Kern der Persönlichkeitsbildung, die frühen Initiationen im Leben symbolisierende Song gemeinsam mit dem gegen Ende auftauchenden „Ich möchte anders sein“ eine inhaltliche Klammer, ist letztgenannter doch das humorvolle Psychogramm eines jugendlichen Vorstadtrebellen. Zu dem Song eines Adoleszenten, der aus dem Alltagsgrau seiner Umgebung und den kleinbürgerlichen Verhältnissen ausbrechen will, passt ein beherzter Rock’n’Roll-Shuffle natürlich ausgezeichnet.
„Zu früh für den Regen“ erscheint zunächst wie ein recht erratischer Songtext, auch wenn hier warme Westcoast-Gitarren eine harmonische Atmosphäre verbreiten. Wer jedoch die beiden Protagonisten des Songs, einen Arzt und einen Priester, genauer betrachtet und sich ein wenig in Weltliteratur auskennt, wird erkennen, dass Kunze hier Albert Camus’ existenzialistischen Klassiker „Die Pest“ geschickt in einen Songtext verpackt hat. Ein wenig Pate hat hier in gewisser Weise auch Bob Dylan gestanden, dessen oft schwer zugänglichen Texte Kunze schon immer bewundert hat.
Sehr plastisch und nachvollziehbar liest sich dagegen der Songtext zu „Die Alte Piccardie“, benannt nach jener Volksschule in Georgsdorf an der niederländischen Grenze, in der Kunze die ersten zwei Jahre zur Schule ging und wo er vom eigenen Vater unterrichtet wurde. Der Song mit seinen leicht beatlesken Harmonien respektive der wohltemperierten George-Harrison-Gitarre verstärkt den retrospektiven Charme dieser Kindheitserinnerungen, die Kunze selbst leicht ironisch „seinen auf sechs Minuten komprimierten Marcel-Proust-Moment“ nennt. Auslöser für den Song über die Alte Piccardie, die in einem aus einer Straße bestehenden Dorf liegt, wo die Zeit bis heute still zu stehen scheint, war aber ein weiterer bewunderter Künstler. „Ich hatte eine Phase dieses Jahr, in der ich sehr viel Van Morrison gehört habe. Ich hatte das Gefühl, dass ihm Heimat, Herkunft und das mystische Irland sehr viel bedeuten und da bin ich auf die Idee gekommen, ich mache auch mal ein Heimatlied.“ Es ist ihm in beeindruckender Weise gelungen.
„Das Paradies ist hier“, die erste Single, ist zweifellos einer der Songs des Albums mit dem stürmischsten Pop-Appeal, aber zugleich auch einer mit einer klaren Botschaft. Wir dürfen uns die Lebensfreude und die Zuversicht nicht nehmen lassen, auch nicht angesichts der schrecklichen Auswüchse des Terrorismus, die nach den Anschlägen in Paris ein noch größeres Maß an Bedrohung angenommen haben. „Paradies“ bildet gewissermaßen den Auftakt zu den politisch konnotierten Songs des Albums, zu dem auch „Jeder bete für sich allein“ zählt. „Ich halte es für eines der politischsten Lieder, die es momentan gibt in deutscher Sprache“, findet Kunze selbst. Stilistisch dem klassischen Prog-Rock im Fahrwasser von King Crimson und Gentle Giant zuzuordnen, wendet sich Kunze in dem Song gegen die zunehmende Aggressivität, mit der Religionen respektive Religionsführer heutzutage auftreten. Wenn Religion zur Privatsache würde, so seine These, gäbe es auch weniger Konflikte. Auch wenn dieses Plädoyer für die Privatisierung von Religion ein wenig utopisch klingen mag, für reichlich Diskussionsstoff und Reflexion könnte „Jeder bete für sich allein“ auf jeden Fall sorgen.
Das gilt auch für den Titelsong, eines der wohl funkbetontesten Stücke, die Kunze und seine Band Verstärkung jemals aufgenommen haben. „Deutschland“ liefert jedenfalls viele Denkanstöße – es ist ein Land, das sich im Gegensatz zu Italien, England und Frankreich schwer tut mit seiner nationalen Identität. Da ist die Bürde der Geschichte, die noch immer schwer zu wiegen scheint, aber es fehlt auch bei anderen Themen an Selbstverständnis. Die Flüchtlingskrise, die Kunze als „die größte Herausforderung“ für unser Land bezeichnet, hat die Situation nicht einfacher gemacht. Einerseits hat die beispiellose Willkommenskultur nahezu weltweit viel Bewunderung hervorgerufen, andererseits sind die fremdenfeindlichen Übergriffe sprunghaft angestiegen. Das Land scheint gespalten. „Man muss für die Ratlosigkeit und Sorge der Menschen Verständnis haben. Das hört dann aber auf, wenn sie Rattenfängern nachlaufen“, beurteilt Kunze die derzeitigen Montagsdemonstrationen. „An der Flüchtlingskrise entscheidet sich die Zukunft Europas als handlungsfähiges gemeinsames Konstrukt. Wenn das Deutschland alleine ausbaden soll, dann ist Europa am Ende.“ Kunze ist selbst als Flüchtlingskind in einem Lager in Deutschland geboren, für ihn war es selbstverständlich Gebot und innere Pflicht, selbst zu helfen. Mit seiner Charity-Initiative „Musik hilft“, die Instrumentenspenden für Flüchtlinge sammelt und die mittlerweile vom Deutschen Roten Kreuz unterstützt wird, will er auch der Untätigkeit entgegenwirken, zu der die Flüchtlinge, wo immer sie auch untergebracht sind, genötigt sind. „Deutschland, Deutschland, gemütlich lässt du’s krachen, weil deine Waffen und dein Geld Weltbrände mitentfachen“ – es sind Textzeilen wie diese, die „Deutschland“ zu einem gesellschaftlich relevanten Song machen, die zu Kontroversen anregen; und Textzeilen wie „Jeder gute Deutsche hat sich an dir gerieben, denn so einfach ist es nicht dieses Land zu lieben“ beschreiben pointiert das Lebensgefühl in diesem Land. „Mich wundert es, wie relativ wenige Kollegen sich an solche Themen heranwagen“, räumt er ein. „Es gibt ganz viele Sänger, die in politischen Talkshows Stellung beziehen, aber in ihrer eigenen Arbeit solche Themen selten abhandeln. Die meisten haben da doch große Berührungsängste.“
Heinz Rudolf Kunze hat indes weniger Probleme, auch mal provozierend zu wirken, sei es in dem Rocksong „Immer noch besser als arbeiten“, bei dem sich so etwas wie lakonische Kapitalismuskritik herauslesen lässt, oder in „Die Letzten unserer Art“, einem Bluesrock wie weiland Mitch Ryder, in dem sich Kunze über das Scheitern an den eigenen jugendlichen Idealen auslässt. „Es wäre schön, wenn ich in diesem Fall nicht Recht behalte und es immer wieder Generationen mit neuen kämpferischen Idealen gibt.“
Es geht aber musikalisch und inhaltlich bisweilen wesentlich lockerer zu. „Setz dich her“ ist ein typisches Trostlied, ein Liebes- und Freundschaftsbeweis, wenn Not am Mann ist, wie man so schön sagt. „Das ist mein Eagles-Moment“, so Kunze über den Song, dessen herrlicher Gitarren-Twang auch an Springsteen erinnert. „Nur eine Fotografie“ kommt als behutsam instrumentierter Chanson über einen Verlust daher, während „Mund-zu-Mund-Beatmung“ mit dem Überschwang eines Pop-Schlagers aufwartet – eines der schrillsten Lieder über die Kunst des Küssens. Rührend pittoresk dagegen klingt das Hohelied „Auf meine Mutter“ und fast philosophisch der von Prefab Sprouts „The Old Magician“ inspirierte Song „Ein fauler Trick“, der einen alten Künstler porträtiert, der den Illusionen seiner Kunst nicht mehr traut.
Heinz Rudolf Kunze, nimmermüder und wandelbarer Kulturschaffender Deutschlands, hat seinem Heimatland ein Album gewidmet, das es verdient hat, weite Kreise zu ziehen. Dabei ist es auch der Künstler selbst, der immer wieder überraschend neue Kreise zieht und sich auf immer wieder neue künstlerische Herausforderungen einlässt. In diesem Jahr war er erstmals mit einem Soloprogramm unterwegs, das neben Songs auch viele scharf pointierte Wortbeiträge enthält, bei denen sich Kunze als profunder, an Hanns Dieter Hüsch geschulter Kabarettist erweist. Mit seiner Band Räuberzivil hat er im Frühjahr dieses Jahres mit dem Doppelalbum „Tiefenschärfe“ das Opus magnum dieser Formation an den Start gebracht. Darüber hinaus hat er in den letzten Jahren regelmäßig Bücher veröffentlicht, neben etlichen Gedicht- und Prosabänden zuletzt den experimentellen Roman „Manteuffels Murmeln“, mit dem er, begleitet von dem Musiker Jan Drees, auch auf musikalischer Lesereise war. Er hat mit Erfolg Shakespeare-Stücke für moderne Musicals ins Deutsche übertragen und mit „Quentin Qualle“ eine Kinderbuchserie ins Leben gerufen. Es ist mehr als erstaunlich, auf welch unterschiedlichen kulturellen Feldern dieser Künstler seine Blüten treibt. Dass er als Rockmusiker mit „Deutschland“ auch auf große Deutschlandtournee gehen wird, steht außer Frage – allerdings muss man sich noch bis zum Herbst 2016 gedulden, bis es soweit ist. Bis dahin dürften viele Songs des neuen Albums nicht nur eine große Hörerschaft erobert, sondern im besten Fall auch Gesprächsrunden eröffnet haben. Diskussionsstoff bietet Heinz Rudolf Kunze mit „Deutschland“ jedenfalls mehr denn je.
Heinz Rudolf Kunzes neues Album "Deutschland“ inkl. der Single „Das Paradies ist hier“ erscheint am 12.02.2016 als Standard-CD, Premium-Buch-Edition, Doppel-Gatefold-Vinyl, MSD-Edition und als Download.
SMA / RCA Deutschland (Textvorlage)
http://www.rcadeutschland.de/
http://heinzrudolfkunze.de/steinvomherzen_website/