SYLVIA MARTENS
Popschlager-Sängerin Sylvia Martens (32) schrieb ein Lied über die taube Lalena (15)!
Jetzt trafen sich beide zum ersten Mal…:
Lalena Damisch (15) ist ein zierliches, aufgewecktes Mädchen. Sie hört Musik von Rihanna, liebt die Fotografie, sammelt Comics und liest Bücher über Magie. Auf den ersten Blick merkt ihr keiner an, dass das hübsche Mädchen ein Handicap besitzt. „Ich bin auf beiden Ohren taub“, erklärt sie. „Ich könnte keinen Ton mehr hören, wenn mir nicht die Cochleaimplantate eingesetzt worden wären. Normale Hörgeräte, wie man sie kennt, halfen mir nicht mehr.“ Sie streift mit ihren Fingern ihre langen Haare über die Ohren. Zum Vorschein kommen zwei kleine Geräte, die über den Ohrmuscheln sitzen. Von Lalenas Geschichte hörte Popschlagersängerin Sylvia Martens (32) aus Thüringen. Sie sagt: „Ich war so ergriffen von Lalenas Schicksal, dass ich mich hinsetzte und einen Songtext über ein taubes Mädchen schrieb. Darüber, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt. Mit ganz anderen Sinnen, als wir gesunden Menschen.“ Das Lied wurde sogar zum Titelsong ihres aktuellen Albums und trägt den Namen „Stadtgeflüster“. Popschlagersängerin Sylvia Martens und Lalena Damisch, die sich vorher nicht persönlich kannten, trafen sich nun zum ersten Mal bei Lalena und ihren Eltern im sächsischen Gersdorf. „Wir waren uns auf Anhieb sympathisch“, lachen beide. Und Sylvia Martens, deren Song „Stadtgeflüster“ in diesen Tagen als Single ausgekoppelt wurde, fügt hinzu: „Wir beide hatten keine Berührungsängste. Natürlich hörten wir zuerst das Lied, denn ich war gespannt, wie Lalena als taubes Mädchen auf meinen Text reagieren würde.“ Lalena war nach dem Hören des Liedes überglücklich: „Ja, das trifft es“, bestätigt sie. „Es ist eine wunderschöne Ballade geworden. Mit einer ergreifenden Melodie – und diesem wahren Text.“ Lalenas Eltern Esther (47) und Gerald Damisch (48) waren ebenso ergriffen. Noch Sekunden nach Ausklingen des Liedes herrschte Stille. „Das hätte ich von einem Popschlager nicht vermutet“, sagt Lalenas Vater. „Darin geht es doch sonst bloß um Liebe und Herzschmerz.“
Lalenas Eltern erinnern sich, wie das Schicksal bei ihrer Tochter zuschlug: Während einer Schuluntersuchung 2009 stellten die Ärzte eine beidseitige Schwerhörigkeit bei Lalena fest. „Für uns Eltern war das ein Schock und vollkommen neu. Bis dahin verlief Lalenas Entwicklung absolut normal. Dann diagnostizierten Fachärzte eine angeborene Innenohrschwerhörigkeit. Trotzdem kam unsere Tochter in der Schule und im Alltag damit klar. Sie hörte gut und konnte sich normal verständigen. Es gab keine Einschränkungen.“ Doch schließlich änderte sich Lalenas Leben schlagartig: Zuerst erlitt das junge Mädchen im Januar 2011 auf dem linken Ohr einen schweren Hörsturz, im Juni 2011 schlug das Schicksal auf dem rechten Ohr zu. Erneut ein Hörsturz. „Es gab zuvor keinerlei Anzeichen für die Hörstürze“, schüttelt Esther Damisch den Kopf. „Kein Arzt konnte uns eine genaue Ursache nennen. Bis heute nicht.“ Während Hörstürze eigentlich gut behandelbar sind und meist ohne bleibende Schäden bleiben, wirkten sich die beiden Hörstürze bei Lalena katastrophal aus. „Die Ärzte beschrieben die Situation anschließend so: Die Hörstürze führten zu einer hochgradigen, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit“, sagt Lalenas Vater. „Das hieß: Unsere Tochter Lalena konnte mit ihren 14 Jahren plötzlich nichts mehr hören! Das hörende Band zur Umwelt war komplett gekappt.“ Kein Zirpen der Grillen, kein Handyklingeln, keine Popmusik – das Leben war auf einmal so leer“, denkt Lalena an diese Zeit der absoluten Stille zurück. Im August 2011 entschlossen sich die Ärzte des Uniklinikums Dresden zu einer besonderen Operation: „In einem fünfstündigen Eingriff setzten sie Lalena Implantate in ihre Hörschnecke ein, auf beiden Seiten“, erklärt Esther Damisch. „Es war ihre einzige Chance, jemals wieder etwas hören zu können.“ Nach der Operation am 18. August 2011 konnte Lalena die Klinik schon am 23. August verlassen. „Auch für die Ärzte war Lalenas Operation sehr selten – denn beide Ohren gleichzeitig waren betroffen. Ein echter Sonderfall. Alle atmeten auf, als sich herausstellte, daß der Eingriff gelungen war.“ Für Lalena begann eine Zeit der Umstellung auf ein völlig neues Hören. „Das Gehirn unserer Tochter mußte vollkommen neu lernen, wie es nun die Töne verarbeitet“, versucht Gerald Damisch zu erläutern. „Geräusche und Sprache kommen bei Lalena an wie verzerrte Roboterstimmen oder hallend wie durch eine Gießkanne gesprochen. Meist ist es um wenige Sekunden zeitverzögert.“ Nur langsam gewöhnte sich Lalena an die Implantate, die sie per Fernbedienung von außen auf die jeweilige Geräuschsituation einstellen und anpassen kann. „Mir wurde oft schwindlig, ich litt unter starken Kopfschmerzen, mir war übel“, beschreibt Lalena Damisch die ersten Monate. „Immerhin ist das Ohr nicht nur fürs Hören, sondern auch für das Regeln des Gleichgewichts zuständig.“ Für kurze Zeit lernte Lalena an einer Förderschule für Hörgeschädigte in Chemnitz. „Doch da wirkte unsere Tochter auf Dauer unterfordert“, mein Vater Gerald Damisch. „Seither kämpfen wir darum, daß Lalena wieder auf ihrer alten Schule in Lugau lernen darf. Wir sind von Pontius zu Pilatus gelaufen, von Behörde zu Behörde, von Politiker zu Politiker. Das haben wir geschafft.“ Lalena kann trotz der beidseitigen Hörprothesen nicht alles verstehen. Nach wie vor muß sie von den Lippen ablesen und hat große Schwierigkeiten, andere Geräusche herauszufiltern. Nach ihrer Operation ist Lalena ängstlicher geworden – ins Freibad geht sie nicht mehr. „Wenn jemand von hinten kommt, höre ich doch nichts“, erklärt sie. „Auch Fahrradfahren ist für mich tabu, das ist bei dem Verkehr einfach zu gefährlich.“ Sie weiß inzwischen: „Und auch meine eigene Stimme klingt eigenartig! Beim Handy schalte ich meist den Lautsprecher ein oder schreibe einfach SMS. Da komme ich prima zurecht.“ Alle zwei Monate muß Lalena nach Dresden an die Uniklinik – dort werden ihre Hörprothesen vom Computer durchgecheckt und neu eingestellt. „Außerdem erhalte ich Sprachunterricht“, ergänzt das junge Mädchen. „Mit meiner Taubheit muß ich einfach klarkommen“, sagt Lalena, die anderen Mut machen möchte. Sylvia Martens wollte von Lalena direkt wissen, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt. „Ich beobachte die Menschen genau“, sagt sie. „Und denke: Haben sie Kinder, sind sie geschieden, frisch verliebt, erzählen sie gerade von ihrer Arbeit oder ihrem Zuhause?“ Sylvia Martens freut sich und fühlt sich bestätigt: „Genauso habe ich es in meinem Song empfunden. Ich bin froh, den richtigen Nerv getroffen zu haben!“ Lalena zeigt der Popschlagersängerin ihre Hörprothesen und die dazugehörigen bunten Aufsätze. „Egal, was ich trage, ich habe dazu immer einen passenden Aufsatz für meine Prothesen“, lächelt sie. Musikalisch ist Lalena auch. Sie spielt Keyboard. Sylvia Martens hört aufmerksam zu, gibt Tips und Ratschläge. „Ich glaube, heute ist eine echte Freundschaft zwischen uns entstanden“, lacht Sylvia Martens – und umarmt Lalena Damisch.
KEHR & KEHR medienagentur, Karsten Kehr (Textvorlage)
http://www.sylvia-martens.de/