ANGELIKA EXPRESS
CD-Rezension: ANGELIKA EXPRESS – Alkohol

Stephan Imming meint: “Es kommt nicht immer auf die Länge an” …! 

Vermutlich nicht per Zufall fiel die Veröffentlichung des Konzeptalbums(!) zum Thema „Alkohol“ der Kölner(!) Band Angelika-Express auf den 11.11. – ob das Album vor 11.11 Uhr erhältlich war, ist jedoch nicht bekannt. Für die Handhabung der Vinyl-LP (, der auch eine CD beiliegt,) gibt die Band eine praktische Bedienungsanleitung: „Erst kaufen – dann saufen“. Netterweise helfen sie auch den Freunden der „Druckbetankung“, indem sie das ganze Album in einer Minute zusammengefasst haben: https://soundcloud.com/angelika-express/1_minute_a-l-k-o-h-o-l . Fertig geworden ist die im eigenen Studio in Köln-Mülheim aufgenommene Scheibe übrigens am 5. August, dem „internationalen Tag des Bieres“.

Manchmal fühlt man sich beim Durchhören in die „gute alte Zeit“ versetzt, als Fun-Punk insbesondere in Gestalt der Ärzte, aber auch in Form der Abstürzenden Brieftauben sehr erfolgreich war. Dass die Gruppe aber dennoch immer auf der Höhe der Zeit war, bewies sie, indem sie bereits 2008 etwas unternahm, was heute als „Crowdfunding“ recht bekannt ist – damit schafften sie sogar den Sprung in die ZDF-Nachrichtensendung „heute“: http://angelika-express.de/category/angelika-aktie/ .

Das Album beginnt direkt mit der Zugpferd-Nummer „Menschen brauchen Alkohol“. Der weitere Songtext deutet darauf hin, wo die Reise des Albums hingeht: „…das macht lustig und frivol..“.

Schon viele Schlager-Helden haben über die Vergänglichkeit und die Kurzlebigkeit der Zeit philosophiert, doch der Angelika Express bringt es in „Wann lässt Du endlich los?“ auf den Punkt: „Jahre – kurz wie ein paar Klare“ – wenn das keine Poesie ist.. – A propos „Klare“ – ob diese oder eher andere Getränke zu bevorzugen sind, stellt sich die Frage: „Kurze oder Longdrinks?“ – wobei man allem Anschein nach keine Wahl hat und in beiden Fällen zugreifen muss. Der Titel wurde vorab als Single ausgekoppelt.

Lied Nummer 4 wird vielen Schlagerfreunden ein Lächeln ins Gesicht zaubern: Während sonst immer die Freunde dieser Musikrichtung durch den Kakao gezogen werden, nimmt Angelika Express nun Phil Collins ins Visier: Ne Orgie der Toleranz -Killt deine Kontroll-Instanz(Großhirn, Kleinhirn, alles zu)- Bis jeder auf Phil Collins tanzt – (Deine Freunde, deine Oma, dein Chef und du). Das ist ja beim Schlager ähnlich – ab einem gewissen Pegel lässt sich da der „kleinste gemeinsame Nenner“ finden.

Die nächste Nummer des Albums gibt mir Rätsel auf – was ist mit „Phazer auf Betäubung“ gemeint? Sollte damit das Strahlenschwert aus der Star Trek-Serie gemeint sein? Dann ist vermutlich ein Aspekt des Alkohols im Spiel, den schon Udo Jürgens einst blumig umschrieben hat: „Wer zu viel säuft, ist leider oft – nur noch ein halber Mann“.

Musikalisch an ein (eigentlich auch auf das Konzeptalbum passende) Tote-Hosen-Lied („Zehn kleine Jägermeister“), wird ein brisantes Thema angepackt: „Flachmann im Büro“. Da würde sich vielleicht eine Köln-Düsseldorfer Zusammenarbeit anbieten? Wenn man dann am Wochenende in die Disco fährt, bietet sich Vorab-Alkoholkonsum an. Das Thema scheint so brisant zu sein, dass Angelika Express den Song „Erika Fahrbier“ lieber ohne Text (, also als Instrumental,) aufgenommen haben.

Mit „Du bist kaputt“ wandelt die Kölner Punkband auf Tony Marshalls Spuren. Bei dem hieß es: „Und sind auch Sorgen da – die hat ein jeder ja – wir wollen ganz zufrieden sein – und trinken Bier und Schnaps und Wein“. Jahrzehnte vorher riet Willy Schneider: „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein.“ 2016 wird das prägnant so formuliert: „Morgen wird alles gut“.

Auf den ersten Blick (bzw. beim ersten Hören) meint man vielleicht, „Für Dich“ sei ein liebes-TRUNKENes Lied. Auf ihrer eigenen Webseite bzw. der Promo-Info zum Album wird klar, was genau mit der Nummer gemeint ist: Einzig der Song „Für Dich“ bricht die Gesamt-Mechanik bewusst auf, da er den Rausch nur als Pointe nutzt und sich sonst mit der überfälligen Demontage von Acts wie Revolverheld beschäftigt. Dienstleistungs-Pop, der verkitscht wie berechnend Gefühle simuliert? Den schubsen Angelika Express genüsslich von der Straße – auch nüchtern. Noch deutlicher wurden die Angelikas auf ihrer Facebook-Seite: „Neulich war schlimm. Habe versehentlich den schmierigst möglichen deutschen Spießerpop im Radio gehört. Es folgten Schockstarre, Verzweiflung. Zur Gitarre gegriffen, als Katharsis nach der songlichen Antithese geforscht. Einen 1,5 minütigen Liebesgruß aus der lustigen Angelika Hölle verfasst.“ – Harter Tobak, aber immerhin mal ein Statement ohne political correctness. Und so kommt besagte Band in dem Titel sogar vor. Die „Revolverhelden“, die sogar namentlich (wenn auch verklausuliert) in dem Lied vorkommen, werden es verschmerzen – immerhin wurden sie nun sogar selbst Song-Thema.

Richtig spannend ist der kürzeste Titel des Albums. Wer „Elf Kölsch in elf Sekunden“ kennt, kann die auf Facebook formulierte Frage, welche Länge der kürzeste Song des Albums habe, mit Leichtigkeit beantworten… –  man bei Facebook in die Irre geleitet wurde mit der Aussage, das kürzeste Lied sei „Für Dich“ – offensichtlich geht es noch kürzer…

Grenzenlose Empathien, Basisdemokratie, aber auch „Autos, Geld, Geschlechtsverkehr“ – all das sind erstrebenswerte Dinge. Um aber Freude am Alkohol zu haben, ist „Kohle für Cocktails“ unabdingbar.

Natürlich ist auch der „Morgen danach“ Thema – bei „Hang Over Annerlore“, das bereits 2015 als Single veröffentlicht wurde, gibt es ein exquisites Wortspiel: „Ich hechte durch durchzechte Nächte“. Bleibt nur zu sagen – ich kaufe ein „H“… – Wenn man dann wieder zu sich gekommen ist, wird es Zeit für einen Pogo – dazu bietet sich „Das Biest ist frei“ an mit einem weiteren bemerkenswerten lyrischen Erguss: „Du bist nicht der Besitzer – Du bist nur der Mieter – höchste Zeit für den nächsten Liter“ – Respekt, darauf muss man erst mal kommen…

Jetzt trennen uns nur noch Minuten von Explosionen in der Nacht – weiche Bombe – alles muss raus“ – was mag da nun wieder gemeint sein? Ist der Phazer etwa nicht mehr auf Betäubung? Der Gedanke liegt nahe, war doch einer der ersten Songs von Angelika-Express „Pornographie“ – vielleicht könnte man zu dem Thema ja auch mal ein Konzeptalbum machen?

Der Schlusstrack „Zur Theke am Ende des Regenbogens“ ist ein Instrumental, mit dem man nach einer durchzechten Nacht vielleicht noch „eine rauchen“ kann.

Schade – Lieder wie „Gasthof zum saufenden Hipster“ und „Edith war kein Punkrocker“ haben es leider nicht auf das Album geschafft. Dennoch macht das Album Spaß, weil es durchdacht ist, selbstironisch und gleich in mehrfacher Hinsicht ein Konzeptalbum – nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch. Das Quintett bleibt seinem gitarrenlastigen Punkrock durch die Bank treu. Erstaunlich ist die kurze Spieldauer der LP – sie erstreckt sich auf ca. 33 Minuten, in denen 15 Stücke zu hören sind – auch das ist heutzutage ein eher unkonventioneller Weg. Aber: „Es kommt nicht immer auf die Länge an“ – im Gegenteil: „Alkohol“ von Angelika Express ist eine unterhaltsame Platte über ein Thema, zu dem wohl jeder irgendwann schon einmal einen Bezug hatte.

Stephan Imming, 12.11.2016
http://www.alive-ag.de/index.php?page=search&search=&sort=Interpret&m=&label=Unter%20Schafen%20Records
http://angelika-express.de/

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