KAI TILGEN
In seinem Buch Kai Tilgen “Wie ich mir meinen Platz in der Fernsehhölle verdient habe” packt er gnadenlos aus!
Ein Regisseur von “DSDS”, “The Biggest Loser”, “Versteckte Kamera”, Scripted Reality sowie vielen Doku- und Deko-Soaps gewährt einen tiefen Blick hinter die Kulissen der (Alb-)Traumfabrik …:
“Es gibt mittlerweile 14 Staffeln DSDS in 15 Jahren seit 2002/2003. Mit 16 Jahren darf man endlich mitmachen. Das heißt, die, die sich bei der kommenden Staffel entblößen, sind mit der Sendung aufgewachsen. Sie wissen also, was sie erwartet.
Das Schwein im Schlachthof weiß das nicht. Es leckt sogar das Blut des Vorgängers auf, dass unter der Tür zum Paradies hervorfliesst. Und doch hat es keine Ahnung. In beiden Schlachthöfen habe ich gedreht und das mit angesehen.
Die Kandidaten wissen aber Bescheid. Seit einer Generation werden ihnen Ruhm und Ehre vorgegaukelt. Besser noch, wir tun so, als hätten sie eine Chance und ein Recht darauf.
Haben Sie aber nicht. Und, wenn sie da waren und merken, dass sie keine Chance haben, dass ihnen das Geld und die Groupies niemals in den Schoss fallen werden, dann werden sie wütend. Weil sie dann merken, dass es Zufall ist, wer berühmt wird und etwas mehr vom Kuchen abbekommt.”
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‘Irgendwas mit Medien!’ Das sagen sich ganze Abiturklassen zum Zeugnisempfang. Das zeigt Hoffnung, aber auch Orientierungslosigkeit. Am Set folgt dann schnell die Ernüchterung: Mit frischem Regiediplom in der Tasche wird man erst mal zum Kaffeekochen verdonnert. Man muss sich seine Sporen verdienen, muss leiden, denn Fernsehen ist Krieg. Und am wichtigsten ist: Man muss mutig sein und wollen.
Kai Tilgen arbeitet seit 32 Jahren beim Fernsehen, seit 26 Jahren ist er Regisseur. Bei seinem ersten Job ohne Bezahlung, als Produktionsassistent in München, hat er drei Monate im Auto übernachtet.
Fernsehen machen ist eine Leidenschaft mit Glücksversprechen und Enttäuschungsgarantie. Es geht um Teamgeist, Manipulation, Kreativität und Vertrauen.
In seinem Buch schildert Kai Tilgen die lustigsten, schlimmsten und absurdesten Momente. Und er lüftet das Geheimnis über ‘Bwn’.
DAS THEMA
Was hinter den Kulissen der Fernsehproduktion vorgeht, ist absurd, lustig, spannend, entlarvend, peinlich und manchmal auch ergreifend. Zwänge, Überforderung, Profilneurose, Druck und Neid kämpfen dort gegen Authentizität und Begeisterung. Das Fernsehen lügt, hört man immer wieder. Stimmt! Das Fernsehen ist aber auch ein wunderbarer Ort zum Erzählen von Geschichten, die begeistern und berühren.
Vielleicht ist die Zeit des Farbfernsehens, dieses liebenswürdigen Dinosauriers, den wir seit 1967 schön und bunt an jedem Abend in unseren Wohnzimmern grasen lassen, auch wegen der digitalen Jagdgründe, bald vorbei. Und immer mehr ‘Fernsehfuzzis’ wenden sich von dem Geschäft ab und machen endlich etwas Anständiges, so wie es sich ihre Eltern eigentlich direkt gewünscht hätten.
Warum ist das so? Und was passiert hinter den Kameras, wenn Talente gesucht, Kilos verloren, Verschollene gefunden und Polizisten gerufen werden? Davon erzählt dieses Buch.
DAS BUCH
Machen wir uns nichts vor, erfolgreich beim Fernsehen arbeiten, heißt heute, die Zeit zwischen den Werbeblöcken füllen. Und zwar mit einer Emotionschoreografie, die den Umschaltedaumen lähmt.
Gleichzeitig ist man am Set dem Druck der vorbereitenden Produktion und Redaktion ausgesetzt. Auch was nach normalem Menschen- und Fernsehfuzzi-Verstand nicht schaffbar und nicht machbar ist, wird in der TV-Produktion oft verlangt. Der Eindruck, die im Büro mögen diejenigen am Set nicht, greift Raum. ‘Die am Set werden das schon machen’, heißt es immer wieder, was zu falschen Drehorten, ungeeigneten Requisiten, und – noch schlimmer – schlechten Darstellern führt.
Kreativphimose, Mutlosigkeit, Entscheidungsfurcht und Vorgesetzte, die einen im letzten Jahr noch als Fahrer vom Flughafen abgeholt haben, mindern den Spaß, die Qualität und die Kraft eines Mediums, das uns so viel bedeutet und noch mehr bedeuten könnte.
Das Buch erscheint am 1. Oktober 2018.