smago! INFORMIERT
Abmahnungen stark rückläufig: Das Justizministerium darf Neuregelungen nicht übers Knie brechen!
Das “Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken” sieht unter anderem vor, den Streitwert bei Abmahnungen im Fall von Urheberrechtsverletzungen drastisch zu reduzieren…:
Die Zahl der in Deutschland versandten Abmahnungen ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) heute auf Basis einer aktuellen Erhebung unter den größten Musikfirmen in Deutschland mitteilte, wurden im letzten Jahr lediglich 22.000 Abmahnungen, die die Verletzung von Leistungsschutzrechten zum Gegenstand hatten, verschickt – nur noch ein Drittel des Vorjahres (60.000) und ein Bruchteil der undifferenzierten Schätzungen, die das Bundesjustizministerium als Handlungsgrundlage für das geplante „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ herangezogen hatte. Nachdem auch diese Schätzungen bereits drastische Rückgänge aufgezeigt hatten, sei das geplante Gesetzesvorhaben mit Blick auf die Abmahnungen nicht länger haltbar und müsse grundlegend überprüft werden.
Den Rückgang der berechtigten Abmahnungen sieht der BVMI als eine Folge der Wirksamkeit des zivilrechtlichen Instruments: Auch wenn in Deutschland nach wie vor millionenfach Musik, Filme oder Bücher illegal aus dem Internet heruntergeladen werden, haben die Abmahnungen maßgeblich dazu beigetragen, die Zahl der Rechtsverletzungen auf Peer-to-Peer-Plattformen zu reduzieren. Die geplanten Neuregelungen würden die seriöse zivilrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nahezu unmöglich und da¬mit die bisherigen Erfolge bei der Eindämmung der Rechtsverletzungen zu Nichte machen.
Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des BVMI kommentiert: „Vor dem Hintergrund des Rückgangs der berechtigten Abmahnungen, aber auch der Statistiken, die das Justizministerium selbst in der Begründung zum geplanten Gesetzesentwurf herangezogen hat, ist es völlig unverständlich, warum eine Neuregelung der Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen scheinbar übers Knie gebrochen werden soll. Was wir derzeit erleben ist purer Aktionismus.“ Das Ministerium gehe offenbar davon aus, dass die legitime massen¬hafte Rechtsverfolgung, die den massenhaften Rechtsverletzungen folgt, schon per se ein „unseriöses Geschäftsgebaren“ sei. Das zeige nicht zuletzt die fehlende Definition, was denn eine seriöse von einer unseriösen Abmahnung im Bereich der Urheberrechtsverletzungen unterscheide.
„Statt sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man unseriöse Geschäftspraktiken gezielt angehen kann, werden schwarze Schafe mit der Durchsetzung berechtigter Interessen in einen Topf geworfen. Die erfolgreiche Eindämmung der Rechtsverletzungen soll im Eiltempo und offensichtlich ohne hinreichende Analyse der Ausgangssituation torpediert werden, zugleich werden drängende Handlungsfelder, beispielsweise im Bereich der Providerhaftung, nicht angegangen. Das ist unverantwortlich!“
In der Begründung zum geplanten Gesetzesentwurf hatte das Justizministerium auf Basis statistischer Erhebungen des „Vereins gegen Abmahnwahn e. V.“ bereits auf einen drastischen Rückgang der Abmahnungen hingewiesen. Laut dieser Statistik, die wegen fehlender Informationen zu Methodik und Datenbasis zwar nicht als verlässliche Quelle anzusehen ist und insbesondere nicht zwischen seriösen und unseriösen Abmahnungen unterscheidet, ist die Zahl der Abmahnungen über alle Branchen hinweg, also inklusive, Film, Buch, Games usw. von 575.000 im Jahr 2010 auf 218.000 in 2011 zurückgegangen.
Betrachtet man den vom BVMI festgestellten Rückgang der seriösen Abmahnungen, ist davon auszugehen, dass sich der rückläufige Gesamttrend auch im Jahr 2012 fortgesetzt hat.
Das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ sieht unter anderem vor, den Streitwert bei Abmahnungen im Fall von Urheberrechtsverletzungen drastisch zu reduzieren. Zahlreiche Verbände der Kultur- und Kreativwirtschaft hatten in den vergangenen Wochen bereits darauf hingewiesen, dass der Entwurf nicht nur sein erklärtes Ziel verfehle, sondern darüber hinaus die seriöse zivilrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nahezu unmöglich mache.
www.musikindustrie.de