MARY ROOS
Buch-Kritik: Mary Roos legt ihre Biografie “Aufrecht geh’n – Mein liederliches Leben” vor!
Es ist nie ganz einfach, wenn sich zwei höchst unterschiedliche Charaktere für ein gemeinsames Projekt entscheiden. Als ich davon erfuhr, der eine Part schreibt und der andere erzählt seine Geschichte, fiel mir sofort das Buch der hoch geschätzten Joy Fleming „Über alle Brücken“ ein, die ihre Lebensgeschichte von Horst Wörner verfassen ließ, in der Ich-Erzählung. Das ging damals ziemlich schief. Der Autor war bemüht sich auf ein anderes Sprachniveau zu begeben, erreichte das aber nicht.
Im Zusammenspiel der fast philosophischen Pe Werner und Mary Roos ist ein Buch entstanden, das seines Gleichen sucht. Zeit ihres Lebens hat die Sängerin immer wieder betont, stets im Hier und Jetzt zu leben und nach vorne zu schauen. Erinnerungen waren ihr nicht wichtig, obwohl es so schöne gibt. Die Sprache des Buches ist burschikos, manchmal frech, oft besinnlich und einfühlsam. Wer Mary Roos kennt, erkennt das schon auf der ersten Seite des Werkes. Es ist nahezu unglaublich mit welcher Akribie Werner gearbeitet haben muss, um sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Zugegeben, manchmal erscheint die eine oder andere Aussage sehr spontan und unbedacht, aber so beschreibt sich Roos selbst in dem Buch. Wenn sie eine Idee hat, will sie diese umsetzen, bringt alles in Bewegung, telefoniert mit ihrem Netzwerk und es platzt aus ihr heraus, ohne, dass sie „Guten Tag“ gesagt hat. In einem Kapitel berichtet sie, dass „sie Worte der anderen in ihren Liedern zu ihren eigenen macht und dabei aus ihrem Farbkasten schöpft, Bilder mit Worten malt“ (Zitat). Genau umgedreht ist das jetzt Pe Werner gelungen. Ein beschriebenes Leben mit viel Zeitgeist, der nicht belehrend, aber informativ dem Leser auf die Sprünge hilft.
Beide Frauen haben es geschafft, mit einem Klischee aufzuräumen, galt Mary Roos in Deutschland doch immer nur als Schlagersängerin. Auslandserfolge in Frankreich, Japan oder Großbritannien fanden hier nicht immer die Beachtung, die sie verdient hätten. Erst am Ende ihrer musikalischen Laufbahn wurde sie zum Wogenkamm emporgetragen. Endlich war sie reif für eine Solo-Tournee, das Kabarettprogramm „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ und nicht zu vergessen „Sing meinen Song“.
Etwas schade ist es, dass man nicht mehr über die Begegnungen mit den Superstars wie Marlon Brando, Leonard Bernstein oder Babra Streisand erfährt, die sie tatsächlich getroffen hat. Feinfühlig wird über die, durch alle Gazetten gegangene, Ehe mit Werner Böhm „Gottlieb Wendehals“ erzählt. Die Benennung der einzelnen Kapitel durch Roos-Liedertexte ist geschickt gemacht. Die dann folgenden Zeilen passen absolut. Und … es gibt keine bösen Abrechnungen mit nicht so geliebten Menschen!
Natürlich gehören zu den Erinnerungen immer Bilder. Besonders die Aufnahmen aus der Kindheit und den Anfängen als Showstar lassen einen beim Betrachten selbst im Gestern schweben. Das tut gut, zeigt neben der gefeierten Sängerin auch den Menschen.
In den letzten Jahren warfen sehr viele Prominente ihre Lebenserinnerungen auf den Markt. Selten war ein Buch davon wirklich erfolgreich. Die Vorbestellungen von Aufrecht geh’n sind rasant gestiegen. Amazon und Buecher.de vermelden den Spitzenplatz in der Kategorie Sachbuch.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Mary! Und wenn du in deiner Spontanität weitermachst, würde es mich nicht wundern, wenn es noch eine Fortsetzung gibt.
Hans-Peter Schmidt-Treptow
Textquelle: Hans-Peter Schmidt-Treptow (Textvorlage)