DIETER BOHLEN
“Bei mir gibt’s keine Ermüdungserscheinungen!”
Interview mit Dieter Bohlen über 30 Castingshow-Staffeln und seine 500. Folge als Juror am 01.02.2020 um 20:15 Uhr, RTL!
Am 7. Februar 2020 feiert DIETER BOHLEN seinen 66. Geburtstag, doch bereits am Samstag, den 1. Februar hat er ein ganz besonderes Jubiläum: Die 9. Castingshow von „Deutschland sucht den Superstar“ ist seine 500. Folge als Juror in einer Castingshow (DSDS + Das Supertalent). 30 Staffeln der beiden Erfolgsshowreihen hat er bereits als Chefjuror geprägt. Im Interview spricht Dieter Bohlen über seine Anfänge als Juror, die Veränderungen im Musikgeschäft und was ihn antreibt.
DSDS 2020 ist deine 30. Staffel einer Castingshow und am 1. Februar hast du deinen 500 Einsatz als Juror. Hättest du das jemals gedacht, dass du so lange dabei bist und so eine erfolgreiche Karriere im TV machen würdest?
Dieter Bohlen: Ganz am Anfang wäre das unvorstellbar gewesen, über 30 Staffeln zu reden. Doch ich habe immer an die Formate sowohl DSDS als auch „Das Supertalent“ geglaubt und gesagt, wenn man die gut macht, dann wird es die lange geben.
Wir sehen ja in vielen anderen Ländern, dass dort „Idols“ nicht mehr läuft. Warum? Weil dort nichts verändert wurde und sie immer wieder dasselbe gemacht haben. Wir ändern ständig Sachen und wir gucken uns genau an, was beim Publikum ankommt und was nicht.
Wir überlegen jetzt schon, was wir 2021 machen und darüber hinaus. Dabei geht es natürlich immer darum, den Zuschauern das zu zeigen, was sie mögen. Das sind auf jeden Fall die Castings, die schon seit Anfang an mega gut ankommen. Aber wir gucken uns alles an, um es zu verbessern. Derzeit denken wir über das Konzept der Liveshows nach – da hat sich über die Jahre natürlich das Zuschauerverhalten verändert. Da muss man darauf reagieren und das werden wir tun.
Kannst du dich noch dran erinnern, als man dir das Angebot gemacht hat, als Juror bei DSDS mitzumachen. Was hast du damals gedacht?
Ja, das weiß ich noch super genau. Damals hat mich Gerhard Zeiler, der damalige Europa-Chef der RTL Group, angerufen, ob ich mir vorstellen könnte, in diesem Format mitzumachen – eine Castingshow mit Sängern. Damals gab es noch gar keinen Namen. Erst sollte es Pop Idol heißen. Und dann konnten wir diesen Namen nicht benutzen, weil sich ein schlauer Produzent die Rechte an dem Titel hat sichern lassen – das war Frank Farian.
Auf jeden Fall war ich wirklich hellauf begeistert. Man hat mich eingeladen nach Köln zu kommen und dort war man auch begeistert von mir, weil ich mich ziemlich gut vorbereitet hatte. Dann ging das ratzfatz und die Frage war nur noch, wer neben mir sitzen soll.
Neben dir saßen ja sehr viele Kollegen in den letzten Jahren in der Jury. Mit wem hat es dir am meisten Spaß gemacht?
Ja ich habe unheimlich liebe nette Kollegen kennengelernt. Mir hat es mit vielen Spaß gemacht. Ob das ein Heino, HP Baxxter oder Thomas Stein war. Auch aktuell mit meinen Jurykollegen Pietro und Oana und Xavier ist es wirklich klasse. Es gab natürlich – wie es im Leben ist – auch Leute, die mir auf den Geist gegangen sind. Das ist ja nichts anderes, als wenn man in irgendeiner Firma arbeitet. Da hat man auch Kollegen, die man echt mag, mit denen man befreundet ist und ein Bier trinken geht und dann gibt’s natürlich auch Kollegen, denen man am liebsten in den Arsch treten würde. (lacht!)
17 Jahre DSDS, 13 Jahre Das Supertalent – da muss man natürlich die Frage stellen, macht es dir noch Spaß oder hast du Ermüdungserscheinungen?
Bei mir gibt’s keine Ermüdungserscheinungen – sonst würde ich es nicht machen. Das Schöne ist natürlich, dass ich bei DSDS in sehr vielen Punkten entscheidend mitreden kann. Das war natürlich am Anfang nicht so. Diese Sporen musste ich mir echt verdienen. Als ich angefangen habe, da hatten die Fernsehleute gar keine Lust, dass da jetzt ein Musiker mitredet. Aber da es um eine Musiksendung geht, wollte ich mich natürlich schon einbringen und ich habe in den letzten Jahren an vielen Erneuerungen dieses Formats mitgearbeitet.
Auch die Arbeit im Team ist mir lange Zeit gar nicht leichtgefallen. Ich habe immer alleine im Musikstudio gearbeitet, was ein ganz anderes Arbeiten war. Da musste alles so gemacht werden, wie ich mir das vorstellte. Und das ging jetzt nicht mehr. Ich wurde auf einmal vom einsamen Wolf in eine Team-Rolle gedrückt und damit hatte ich am Anfang meine Schwierigkeiten. Aber nach all den Jahren macht es mir Spaß, mit anderen Leuten Ideen auszuarbeiten, mich auszutauschen und zu diskutieren.
Wie hat sich das Musikgeschäft die letzten 17 Jahre verändert, seitdem es DSDS gibt?
Als wir anfingen gab es noch Langspielplatten, dann kam die CD, dann die Downloads und mittlerweile sind wir jetzt beim Streaming angekommen. Diese Entwicklung prägt natürlich auch so ein Format wie DSDS. Der Musikgeschmack hat sich natürlich auch sehr geändert. Es ist schwer in einem Markt, wo fast 80/90 Prozent der Nummern in den Charts nur noch Autotune sind, wo kaum noch natürliche Stimmen zu hören sind. In einem Markt, wo Mariah Carey in Hamburg nur noch vor knapp 4000 Zuschauern singt und die Tournee von Celine Dion auch nicht mehr gut läuft… Daran sieht man: Für große Stimmen ist im Moment nicht die Zeit. Aber auch da muss man sich eben versuchen, an die Gegebenheiten anzupassen.
Was bedeutet das für die Teilnehmer oder den Gewinner von DSDS, es kommt ja oft der Vorwurf, dass aus den Gewinnern nichts wird, man nichts mehr von ihnen hört.
Das kann ich so nicht unterschreiben. Beatrice Egli geht immer noch auf Tournee und Pietro Lombardi hatte kürzlich drei Nummer 1 Hits. Es ist natürlich nicht mehr so wie in den Anfängen von DSDS, als es noch CD-Verkäufe gab. Damals sind wir mit unseren Produkten durch die Decke gegangen. In der ersten Staffel haben wir viereinhalb Millionen CDs verkauft: Alexander Klaws, der Gruppensong „We have a dream“, sogar Daniel Küblböck hat damals Platin gemacht. Das war der Wahnsinn.
Heute geht fast alles nur noch über Spotify und Streamings. Da haben alle Castingshows die gleichen Probleme. Der Gewinner von The Voice ist noch nicht mal in die Top 100 gegangen, findet also überhaupt nicht in den Charts statt. Da sieht es bei uns noch ein bisschen besser aus.
Viele dieser Künstler, die heute ganz oben in den Streaming Charts sind, kennt kein Mensch, wenn die über die Straße gehen. Aber bei DSDS können wir jemanden groß machen, Wir können jemanden an den Start schicken und ihm eine Aufmerksamkeit geben, die er nirgendwo kriegt. Den weiteren Weg muss er alleine laufen.
Wie du sagst, auch die Währung von Erfolg im Musikbusiness hat sich geändert, das sind heute Streamingzahlen, wo man auch viel von Manipulationen hört?
Klar hört man heute in den Shisha Bars: „Du brauchst dir das nicht anhören, lass das einfach auf Dauerschleife laufen.“ Mir kann keiner erzählen, dass der Titel 1,6 Millionen Mal am Tag von Leuten gestreamt wird. Die Charts sind generell im Moment ziemlich manipuliert, das gilt für die Album Charts, als auch für die Single-Charts. Bei den Alben Charts gibt’s auch den Brauch, dass jemand ein Jahr lang über Verkaufskanäle im Fernsehen 2000 CDs einsammelt. Dann meldet er die an einem Tag an und geht dann von Null auf Eins. Und die Leute fragen sich, wer ist denn das, der da gerade auf eins gegangen ist.
Die Zeiten sind im Moment ein bisschen merkwürdig. Aber wie gesagt, es ist eben so. Da kann man nichts dran ändern. Ich bin immer jemand, der die Dinge so nimmt wie sie sind.
Wir werden unseren Kandidaten die Möglichkeit geben, sich einem Millionenpublikum zu zeigen. Und die Zuschauer können dann beurteilen, ob sie den oder die gerne mögen. Wir werden ihnen die Möglichkeit geben, in den Liveshows auf der großen Bühne zu stehen. Wir überlegen gerade wieder, ganz große Live-Events zu machen wie z.B. das Finale in einer riesigen Halle vor 20.000 Leuten stattfinden zu lassen. Das haben wir ja früher schon mal probiert und es ist super gelaufen. Ich meine, dass DSDS den Kandidaten eine Menge zu bieten hat. Wenn ich 18 wäre, würde ich diesen Weg auch gehen.
Andere gehen in deinem Alter in Rente. du scheinst ein sehr rastloser Mensch zu sein. Was treibt dich an?
Also bestimmt nicht Geld. Die Leute meinen immer, ich mache alles wegen des Geldes – das ist völliger Quatsch. Geld habe ich. Klar, Geld kann man nie genug haben, aber Geld ist nicht meine Antriebsfeder. Es ist eher das interessante Leben, das ich führen darf. Dafür bin ich wirklich total dankbar. Für mich gibt es wirklich nichts Schlimmeres als zu Hause zu sitzen und mich zu langweilen.
Die Leute sagen, flieg doch um die Welt und guck dir das und das an! Da muss ich sagen: ich war überall auf der Welt und hab mir alles angeguckt. Wenn ich mal zwei Wochen auf einer Insel sitze, dann reicht mir das auch. Es sei denn Mallorca, da kann ich es länger aushalten. Aber zwei Wochen Malediven reichen mir, dann möchte ich auch wieder arbeiten. Mir macht das alles super Spaß, was ich mache. Ich bin ja in der super, super glücklichen Lage, dass ich mir einen Beruf ausgesucht habe, der wahnsinnig Spaß macht. Musik zu machen, war ja eigentlich mein Hobby und das habe ich zum Beruf gemacht. Ich bekomme Geld für mein Hobby. Das wünsche ich jedem. Ich weiß aber, dass ich eine privilegierte Position habe und dafür bin ich sehr dankbar. Deshalb sage ich nie: Boah ich habe keine Lust! Gut – wenn ich zehn Stunden Casting mache, werde ich auch irgendwann müde. Aber am nächsten Tag wache ich wieder auf und denke: ey geil!
Würdest du sagen, du bist ein glücklicher Mensch?
Ja, ich bin glücklich! Ich bin nicht glücklich im Sinne von, dass ich jetzt hier auf einem Bein immer hin und her springe. Aber ich bin sehr zufrieden. Manchmal habe ich schon das Gefühl, ich möchte noch ein bisschen mehr. Der Ehrgeiz treibt mich natürlich immer. Aber wenn ich mit meinem Leben nicht zufrieden wäre, müsste ich echt mit der Dachlatte eins über den Schädel kriegen. Im Gegenteil: Ich bin dankbar und sehr demütig, Ich bete ja auch, wie meine Follower wissen und was mir wohl keiner zugetraut hatte. Und ich weiß mit 65 Jahren, dass ich so ziemlich alles erreicht habe, was ich erreichen wollte. Wenn du mich fragen würdest, was möchtest du noch erreichen? Ich will gar nichts mehr erreichen. Ich möchte nur noch einfach gesund sein und mit meiner Familie leben.