UDO JÜRGENS
Für Sie vorab gesehen: die Dokumentation "Der Mann, der Udo Jürgens ist"!

Stephan Imming hat sich den 90-Minuten-Film, der am 29.09.2014 im Ersten / in der ARD läuft, am Sonntagabend (21.09.) auf ARTE angeschaut…: 

Wer wissen will, wer das ist – „der Mann, der Udo Jürgens ist“, dem kann man den gleichnamigen Dokumentarfilm nur dringend ans Herz legen.

Über viele Jahre hinweg wurde der gleiche alte Wein in immer wieder neue Schläuche gepackt, wurden die ewig gleichen Geschichten von angelegten Ohren, wilden Frauen-Affären, Alkohol-Problemen etc. ausgepackt. Okay – ganz ohne diese Dinge kommen auch die Macher des Udo-Jürgens-Portraits nicht aus – die immer gern genommene Entstehungs-Geschichte des „griechischen Weins“ möge da ebenso als Beispiel dienen wie Udos Familiengeschichte.

Dennoch unterscheidet diese Hommage an Udo Jürgens sich von fast allen anderen Versuchen, seine gigantische Karriere würdig zusammenzufassen. Werden ansonsten die immer gleichen Film-Schnipsel aneinander gereiht, sind in dem Film gleich reihenweise sehr selten zu sehende Bilder und Clips zu betrachten – teilweise auch sehr interessant zusammengeschnitten (, wenn z. B. im Wechsel erst der „alte“ und dann der „junge“ Udo den Klassiker „Was ich Dir sagen will“ vorträgt).

Immer wieder bewegend – aber hier besonders auffällig ist der augenscheinlich starke Zusammenhalt in Udos Familie. Wenngleich er ja selber bekennt, seine Vaterrolle aus Karriere-Gründen nicht zufriedenstellend ausgefüllt zu haben, ist die innige Verbindung zu seinen Kindern Jenny und John wie auch zu seinem Bruder Manfred nach meinem Empfinden auch für Außenstehende förmlich spürbar. Lieder wie „Der gekaufte Drachen“, „Mein Baum“, „Eine Fünf Minus“, „Damals wollt‘ ich erwachsen sein“, „Mein Bruder ist ein Maler“ und viele viele andere wirkten auf mich immer sehr authentisch und glaubhaft. Die im Film zu hörenden Statements seiner Kinder und seines Bruders verstärken diesen Eindruck.

Zu Wort kommen in der Reportage auch Udos Manager. Ohne es so zu formulieren, hat der Film in meinen Augen klar herausgestellt, dass Udo offensichtlich immer zur richtigen Zeit den richtigen Manager hatte. In den kargen Anfangsjahren gab es wohl keine starke Manager-Persönlichkeit. Wenngleich für Udo Schlager von der ersten Garde der damaligen Schlager-Komponisten geschrieben wurden, floppten alle diese Lieder – vermutlich, weil genau das fehlte, was Udo von vielen seiner Kollegen abhebt, nämlich die Glaubhaftigkeit. Udo stand nicht hinter den Songs. Hans R. Beierlein erkannte das große Talent Udos und durchschaute genau, wie Udo zu „vermarkten“ war, nämlich als Interpret seiner eigenen anspruchsvollen deutschen Chansons, die aber – wie er selber in der Dokumentation wohl mit Recht sagt – „nicht Udo gefallen müssen, sondern seinem Publikum“. Ganz offensichtlich hat Beierlein Udo eher mit harter Hand geführt und ihn auch – so kommt es rüber – zu seinem Glück teilweise zwingen müssen; als Beispiel nennt der Film Udos Grand-Prix-Teilnahme 1966, die bekannterweise ja mit einem Sieg in Luxemburg für den  Song „Merci Cherie“ endete.

Bis 1977 baute Beierlein Udo zu einem Weltstar auf – erneut begeistert die Doku hier mit sehr selten zu sehenden Belegen seines Erfolges in aller Welt. 1977 wurde dann aber die Zusammenarbeit im Streit beendet; Hintergrund war eine Steueraffäre (seinerzeit stritten sich Österreich und Deutschland darum, in welchem Land Udo steuerlich ansässig war – der Streit wurde auf Udos Rücken ausgetragen). In dieser Zeit begann die Zusammenarbeit mit dem  souveränen Schweizer Freddy Burger, der bis heute Udos Geschicke in Sachen Management erfolgreich leitet. Ganz offensichtlich war Udo fortan eine partnerschaftlich-freundschaftliche Beziehung wichtiger als die Beierlein-Linie der totalen Unterordnung im Sinne des gemeinsamen Erfolges. (Nur in einem Punkt war Burger wohl Hardliner _ Udo „musste“ nach Zürich ziehen – diese Entscheidung hat Wahl-Schweizer Udo aber offensichtlich nie bereut.) Wenn man in der Doku hört, dass Freddy Burger einen sehr guten Draht zu Udos Vater hatte, der ihn als „vierten Sohn“ anerkannt hat, ahnt man, wie wichtig Burger für Udo ist.  Dennoch ist es sehr spannend zu sehen, dass zwei wohl extrem unterschiedliche Wege beide überaus erfolgreich waren, weil wie gesagt wohl immer zur richtigen Zeit der richtige Weg gewählt wurde.

Sehr interessant sind auch die Statements von Udos Musiker-Kollegen und Textdichtern.

Wie im familiären Bereich, ist auch beruflich (zumindest subjektiv auf mich so wirkend) die große Wertschätzung des Musikers und Menschen Udo Jürgens spürbar. Pepe Lienhard, seit Jahrzehnten Chef von Udos Begleit-Orchester, berichtet mit strahlenden Augen von Udos einzigartiger Professionalität. Aber auch ein Musiker aus der Tournee-Anfangszeit, Siggi Uebelherr, spricht mit großem Respekt über Udo – z. B. von der Zeit, als Udo die sinfonische Dichtung „Wort“ mit den Berliner Philharmonikern aufnahm.

Joachim "Blacky" Fuchsberger, der in diesem Film laut einem Zeitungsbericht ja sein letztes Interview gab, berichtete hoch interessant davon, wie die textliche Zusammenarbeit mit Udo Jürgens funktioniert. Interessant zu hören war, dass schon damals Udo bei der Themen-Auswahl stark mitwirkte und offensichtlich an jedem Wort, jeder Silbe feilte. Für mich wäre interessant gewesen, wenn auch Udos aktuelle Textdichter zu Wort gekommen wären wie z. B. Wolfgang Hofer, Uli Heuel, Rainer Thielmann oder Katharina Gerwens – andrerseits sind auch ca. 90 Minuten knapp bemessen, um wirklich alle Facetten von Udos Karriere umfangreich zu beleuchten.

Von großer Bedeutung sind sicherlich auch Udos Frauen. Seine zahlreichen Affären, zu denen er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen steht,  spielen für seine Karriere wohl nur am Rande eine Rolle, wobei hier und da auch solche Geschichten Song-Themen waren („Und dabei könnt sie meine Tochter sein“, „Engel einer Nacht“, „Donnerstag“ etc.). Auch wenn viele es nicht gerne hören, ist Udos Statement, dass Treue weniger eine Sache des Charakters als eine Frage der Gelegenheit sei, sicher nachdenkenswert. Er selber steht ja dazu, sich bietende Gelegenheiten nicht ausgelassen zu haben und ist daher auch diesbezüglich glaubwürdig.

Von ungleich größerer Bedeutung sind sicher Udos Ehefrauen bzw. seine Lebensgefährtinnen. Interessanterweise mochte sich (im Gegensatz zu Udos Kernfamilie) wohl aktuell keine der Damen vor der Kamera äußern, allerdings wurde ein älterer TV-Ausschnitt gezeigt, in dem Erika „Panja“ Meier, Udos erste Ehefrau,  zu Wort kam mit der Äußerung, dass (sinngemäß) in einer Beziehung, in der der eine Teil im Rampenlicht sich sonnt, der andere Teil im Hintergrund seine eigene Pflicht zu erfüllen habe, was in ihrem Fall die (aus ihrer Sicht gelungene) Kindererziehung gewesen sei. Dem zu entnehmen ist, dass sich „Panja“ wohl ebenso wenig in Udos Karriere eingemischt hat wie (die im Film namentlich nicht erwähnte) seine zweite Ehefrau Corinna. (Zu Udos Leidwesen konnten Panja sogar nicht mal etwas mit seiner Musik anfangen).

In diesem Punkt unterschieden sich die Damen wohl von Udos (auch namentlich nicht genannter, aber als Person erwähnter) aktueller Lebensgefährtin, deren Einfluss – wenn man Insider-Gerüchten glaubt – auf Udo auch in Karriere-Dingen stark zu sein scheint. Vermutlich hätte man dieses Thema gerne aufgegriffen, aber es scheint recht tabuisiert zu sein, so dass schon die Erwähnung, dass Udo in einer neuen Beziehung lebt, mich verwundert hat – selbst das habe ich in „offiziellen“ (autorisierten) Unterlagen nach meiner Erinnerung noch nicht wahrgenommen.

Unter dem Strich hebt sich dieser Udo Jürgens-Film von sehr vielen ähnlich gelagerten Portrait-Versuchen ab. Bis heute gibt es kein gelungenes Buch über Udos Karriere – das aktuell erschienene Taschenbuch zu diesem Thema ist einer von vielen als komplett misslungen anzusehenden Versuchen, sein Werk aufzuarbeiten.

Wenn man das sprichwörtliche „Haar in der Suppe“ finden mag, könnte man kritisch anmerken, dass Meilensteine wie Udos Musicals („Helden Helden“ und „Ich war noch niemals in New York“) ebenso wenig Thema waren wie Udos US-LP „Leave a Little Love“, die Fußball-LPs, die Diskussionen um sein „Gehet hin und vermehret Euch“-Lied, sein Buch „Der Mann mit dem Fagott“ oder  seine Solokonzerte. Angesichts der einzigartig langen Karriere (ca. 60 Jahre) und der begrenzten Dauer des Films finde ich das verzeihlich – unter dem Strich hat man nach meinem Dafürhalten die Prioritäten richtig gesetzt, zumal unfassbare handwerkliche Fehler wie beim „Fagott-Film“ hier zum Glück ausblieben.

Was ich an der Dokumentation besonders mag ist, dass sie Udos ganze Bandbreite aufzeigt und dem Anspruch gerecht wird, darzulegen, wer er denn ist, dieser „Mann, der Udo Jürgens ist“. Udos Auftritte bei Carmen Nebel und Co. sind ja mit ihren Vollplayback-Einlagen fast zum Fremdschämen, so dass Außenstehende oft nicht nachvollziehen können, warum man diesen Mann derart verehrt. Der Film liefert Erklärungsansätze, warum die Verehrung für diesen Musiker das normale Maß manchmal etwas überschreitet. Kompositorische Geniestreiche, tiefsinnigste Texte, die einfach glaubhaft rüberkommen – verpackt in bombastische Arrangements, die von einem 20-Mann-Weltklasse-Orcheter interpretiert werden – das ganze  gepaart mit launigen Äußerungen eines Mannes, der bis heute „mitten im Leben“ steht – all diese Aspekte sind zumindest im Ansatz in dieser Hommage zu erkennen.

Fraglich ist natürlich, ob in heutiger Zeit eine Gala mit Publikum ziehenden Namen (ohne Bezug zu Udo) nicht dennoch ein viel größeres (TV-)Publikum anspricht. Ob das Publikum bereit ist, sich knapp 90 Minuten voll auf Udo und seine Karriere einzulassen, bleibt abzuwarten. Ich würde es ihm (und mir) sehr wünschen. Für die viele (Recherche-)Arbeit, die in dem Film steckt, hätten die  Macher sicher einen TV-Preis verdient.

 

Stephan Imming, 22.09.2014

Foto-Credit: Karim Khawatmi

Stephan Imming für www.smago.de (Textvorlage)
http.//www.ariola.de
http://www.udojuergens.de

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