KATJA EBSTEIN
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming: Teil 32 – Katja Ebstein ("Die Hälfte seines Lebens") – Teil 2!

Der (beide Teile zusammenaddiert) mutmaßlich längste smago! Artikel aller Zeiten!!! 

Auch auf kommerzieller Schiene war man wohl bemüht, wieder weg vom "Humtata-Schlager" hin zu hymnenhaften Liedern zu kommen. So schickte man Katja 1975 zur Vorentscheidung zum Grand Prix 1975 mit dem Lied "Ich liebe Dich" – diesmal reichte es "nur" zu einem respektablen 5. Platz in starkem Teilnehmerfeld – gegen Joy Flemings "Ein Lied kann keine Brücke sein" war aber in jenem Jahr national kein Kraut gewachsen. So wurde  der Song erst ein Jahr später lediglich als B-Seite einer Single veröffentlicht.

Neben diesen anspruchsvollen Ansätzen wurde aber auch wieder ein (kommerziell erfolgreicher) Schlager herausgebracht: Vor genau 40 Jahren kam der Song "Die Hälfte seines Lebens" in die Hitparaden – und dieser Christian-Bruhn-Song schlug wieder ein. Im munteren Charleston gehalten, geht es darum, die schönen Seiten des Lebens zu genießen – und nach Meinung des Textdichters Georg Buschor wird dieser Gedanke von vielen historischen Persönlichkeiten wie Sokrates, Goethe und Kant geteilt.

Neues Terrain betrat Katja auch vor ziemlich genau 40 Jahren – sie betätigte sich kurze Zeit als Produzentin. Beispielsweise produzierte sie mit Wyn und Andrea Horn deren Titel "Der Nachbar".

Im Frühjahr 1976 wurde dann die nächste Single veröffentlicht, die allerdings lediglich ein leidlicher Radiohit wurde, obwohl der Text durchaus passend war: Im Jahr ihrer Scheidung von Christian Bruhn sang Katja "Aus Liebe weint man nicht".

Im Sommer 1976 wurde es dann wieder richtig schlagerhaft – mit "deidideldum" wurde ein Russland-nostalgisches Epos namens "In Petersburg ist Pferdemarkt" veröffentlicht, das musikalisch und inhaltlich etwas in Richtung von Udo Jürgens' "Anuschka" geht. Schlagerkritiker und emanzipierte Frauen kritisieren, es sei ein patriarchalisch angehauchter Text, weil die Frau Treue gelobt, während der Mann auf den Pferdemarkt geht ("Da muss ein Mann doch hin") – vermutlich hatte Alice Schwarzer nicht wirklich ihre Freude an dem Text. Das Publikum honorierte die letzte Christian Bruhn-Komposition für Katja mit einer Top-40-Position in den deutschen Verkaufs-Charts, von denen sie sich dann für einige Jahre verabschiedete.

Nach der privaten und beruflichen Trennung von Christian Bruhn wurden die Singles Katjas wieder anspruchsvoller, kommerziell entsprechend erfolgloser. Das Management übernahm 1977 Jerry Toger, die Produktion ihrer Singles der damals sehr kreative und großartige Berliner Joachim Heider.

Die erste gemeinsam produzierte Single, der Joachim Heider-Song "Du und ich", fiel nicht sonderlich auf.

Die zweite von Heider produzierte Single hatte großen Anspruch. Die deutsche Version von "Don't Cry For Me Argentina", dem akustischen Zentralmotiv aus der Rockoper "Evita", die den legendären Aufstieg der Eva Peron erzählt, wollte Katja unbedingt singen: Es entstand "Wein nicht um mich, Argentinien". Das Original von Julie Covington wurde ca. 800.000 mal verkauft. Katja zur Intention, diesen Titel aufzunehmen: "Das hat mich sehr interessiert, die Form des Liedes wie das Lied selbst. Außerdem ist es für mich vom Image-Wert her sehr gut, denn ich muss da hin, wo ich mal war." – Es kam wie so oft: Die vom renommierten Texter Eckart Hachfeld, der auch große Hits wie "Aber bitte mit Sahne" für Udo Jürgens textete, verfasste Single brachte Katja von der Kritik große Anerkennung – ein Verkaufserfolg wurde sie hingegen nicht.

"Weck mich, bevor Du gehst", die letzte 1977er-Veröffentlichung war wieder ein typischer Heider-Song. In Deutschland kam der Song nicht sonderlich an, in den Niederlanden wurde er allerdings in der Version von Rita Hovink ("Wek me vordat je gaat") zum Hit

Eher anspruchsvoll blieb es mit der ersten 1978er-Single, erneut einer Komposition Joachim Heiders, in der Katja auf eine anscheinend von vorneherein zum Scheitern verurteilte Beziehung zurückblickte: "Es war beinah so wie ein Lied", das sie an Dienstag(!), dem 30.05.1978 bei Frank Elstners "Montagsmalern" vorstellte. Die ZDF-Hitparade war seinerzeit schwer erreichbar für Katja, weil dort die im Verkauf besten platzierten Titel präsentiert wurden und Katja seinerzeit sich nicht platzieren konnte.

Mit dem nächsten Song machten die Songautoren Joachim Heider und Christian Heilburg ihrem Image, gerne mal verklausulierte Schwulen-Songs zu schreiben (, wobei das eher von deren Rosenberg-Produktionen verkörpert wurde). Auch die Werbung für die Single "Dieser Mann ist ein Mann" ging in dieser Richtung – dort war ein halb nackter Mann abgebildet. Interessant: Während es Kritik an der fehlenden Emanzipation im "Pferdemarkt"-Song gab, stört sich wohl niemand an die Sexualisierung des männlichen Körpers in diesem Zusammenhang :-).

Gegen Ende 1978 gab es dann so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit: Für ihre LP mit Berliner Liedern "So wat wie ick et bin" ließ sich die Ebstein in Overknee-Stiefeln und kurzem Rock ablichten, dass selbst Andrea Berg vermutlich rote Ohren bekommen hätte. Ihre Plattenfirma bewarb die LP wie folgt: "Dufte! Jetzt jibt et eene neue Platte mit juten Berliner Liedern von Katja Ebstein! Da klingt det Kassenjeläute fast so schön wie det Jebimmel von der Jedächtniskirche". – Wie zu befürchten, bimmelten die Kassen leider nicht so wie die EMI sich das vielleicht gewünscht hätte – erneut war die anspruchsvollere Katja mit ihrem Konzeptalbum kommerziell nicht erfolgreich, obgleich auch ein Lied wie die "Krumme Lanke" oder ein Couplet von Otto Reutter enthalten war.

Basierend auf dieser LP, deren Songs sie selbst auswählte, wurde eine ARD-TV-Show ("Das ist mein Milieu") produziert, bei der ihr späterer Ehemann Klaus Überall, mit dem sie seit einigen Jahren liiert war, Regie führte und als Drehbuchautor tätig war. Katja sang in der Sendung nicht nur, sondern präsentierte sich auch als Schauspielerin in mehreren  verschiedenen Rollen.

Anfang 1979 erschien eine Single, die ihr neuer Produzent Ralph Siegel für sie schrieb – obwohl Siegel damals äußerst erfolgreich war und der Song wieder ein klassischer Schlager war, blieb der Erfolg für "Es müssen keine Rosen sein" aus.

Vielleicht unter dem Einfluss Ralph Siegels wechselte Ebstein ihre Plattenfirma zum 01.05.1979 – weg von der EMI, hin zur Münchener Ariola. Aber nicht nur Produzent und Plattenfirma wurde gewechselt – mit Freddy Burger fand sie auch einen Manager der "ersten Liga", der ja seit 1977 auch Udo Jürgens unter Vertrag hatte. Interessanterweise war es nicht das erste mal, dass Katja sich Udos Umfeld anvertraute. Zuvor hatte sie bereits mit Udos langjährigem Pressesprecher Hansi Hoffmann Kontakt. Im Sinne von Publicity platzierte der ganz bewusst eine Ente, die durch die damaligen Zeitungen geisterte. So ließ er über eine österreichische Zeitung verlautbaren: "Die Sängerin Katja Ebstein hat erste Kontakte für eine Tournee durch China mit der diplomatischen Vertretung Pekings in Wien aufgenommen. Geplant sind Konzerte in den größten Städten Chinas." Das Dementi der chinesischen Botschaft in Wien folgte auf dem Fuß: "Wir kennen keine Katja Ebstein, und es haben auch nie Kontakte stattgefunden". Schon damals gehörte wohl Klappern zum Handwerk…

Die erste bei Ariola erschienene Single war erneut eine Siegel-Nummer: "Trink mit mir" wurde allen Vorschusslorbeeren zum Trotz kein Hit. Vielleicht lag das daran, wie sehr Katja hinter dem Song stand (hä ähm): "Die Platte ist zu verkraften. Man kann, das muss ich voraussetzen, nicht mit einem Geschmack a la Nina Hagen herangehen. Meine Firma muss sich verständlicherweise nach dem Markt richten, auf dem man das Produkt absetzen kann. Und das ist nun einmal der deutschsprachige".

Sehr erfolgreich waren in jener Zeit ihre insgesamt 30 DDR-Konzerte – mit großem Orchester trat sie vor bis zu 9.000 Zuschauern auf.

Anfang 1980 gelang die Balance zwischen künstlerischem Anspruch und kommerziellen Erfolg wieder hervorragend: Das im typischen Ralph-Siegel-Stil gehaltene Konzeptalbum "Glashaus", das auch in durchsichtiger Vinyl-Optik erschien (leider reichte mein Taschengeld damals nicht für den Kauf – ich weiß noch, wie oft ich die Platte im Hagener Kaufhof in der Hand hatte), war sowohl als LP als auch mit einigen Auskopplungen ausgesprochen erfolgreich.

Noch VOR Gitte Haenning beschäftigte sich Katja mit dem Thema "Die Frau in der Gesellschaft". O-Ton Katja: "Es geht im allgemeinen um die Situation der Frau, die ein bisschen im Glashaus sitzt, aber auch um die Mann-Frau-Beziehung. Es sind nicht nur neue Nummern darauf, sondern auch Standards wie 'Free Again' – in deutscher Version natürlich." Die TV-Werbetrommel wurde damals kräftig gerührt – Katja durfte ihre LP bei Joachim Fuchsbergers "Auf los geht's los" und in Rainer Holbes "Starparade" vorstellen, dort sogar in einem Star-Block mit gleich drei Titeln.

Als erste Single wurde aus dem Album ein – wie ich finde – bärenstarker Titel ausgekoppelt: "Abschied ist ein bisschen wie Sterben". Witzigerweise musste Siegel sich in einer Talkshow ("Ich stelle mich") gegenüber einem kritischen Fragensteller rechtfertigen, warum denn nur "ein bisschen" – wie beim Frieden. Siegel konterte, dass er lediglich ein französisches Sprichwort mit dem Text zitiert habe (bzw. sein Textdichter Bernd Meinunger). Großartig orchestriert, musikalisch anspruchsvoll  – und die wunderbare Radio-Falle – nach dem vermeintlichen Schluss kommt noch eine Gesangszeile – der Song ist einer meiner absoluten Lieblingslieder der Berlinerin und war kommerziell auch überaus erfolgreich – sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz(!) kam Katja damit in die Top 10.

In jenem Jahr, 1980, besann man sich auf eine Idee, die schon 1970 funktionierte – um das Album zu pushen, könnte man ja… richtig! Ralph Siegel reichte seine Komposition "Theater", gesungen von Katja Ebstein, zur Eurovision ein – das Ergebnis ist gemeinhin bekannt. Katja gewann die deutsche Vorentscheidung (auch wenn "Nachwuchs-Moderator" Thomas Gottschalk zunächst irrtümlich Costa Cordalis als Sieger auf die Bühne holte) und erreichte beim internationalen Wettbewerb in Den Haag einen fulminanten zweiten Platz, was (wie schon 1970) zu dem Zeitpunkt die beste Platzierung war, die je ein deutscher Beitrag beim Grand Prix erreicht hatte. Sie scheiterte nur knapp an Johnny Logan, mit dem sie später recht gut befreundet war.

Bei Katjas Vortrag stimmte aber auch alles – "Theater" ist ein internationales Thema, der Text wurde von vier Pantomimen wunderbar umgesetzt, und die hymnenhafte Komposition tat ihr übriges – auch kommerziell war der Song sehr erfolgreich. Die Top-10 der deutschen Verkaufs-Charts wurden nur knapp verfehlt, und erstmals überhaupt kam Katja Ebstein auf Platz 1 der ZDF-Hitparade. Das Lied wurde in mehreren Sprachen veröffentlicht ("It's Showtime" bzw. "Theatre").

Im Spätsommer 1980 wurde aus der Sensations-LP "Glashaus" eine weitere Single ausgekoppelt, die erneut kommerziell recht erfolgreich werden sollte: "Dann heirat' doch Dein Büro". Diese Mischung aus Emanzipations-Pushing und einfachem Schlager hatte etwas, und ähnlich wie Scheidungskinder sich 1978 von Andrea Jürgens' "Und dabei liebe ich euch beide" angesprochen fühlten, gab es sicher viele Ehefrauen und Kinder, die sich freuten, wenn ihr Papa, der bis abends im Büro verweilt, besungen wurde. – Das ist ein wohl bis heute aktuelles Thema, mit dem Katja Ebstein erneut (letztmals) die ZDF-Hitparade gewann. Bemerkenswert ist übrigens, dass Katja 1980 neun mal in Folge in der Berliner TV-Show zu Gast war – nonstop von Februar bis Oktober. Auch in Sachen "Charts" stellte sich mit diesem Song letztmals ein Hit ein.

Nach langem Zögern war es so weit – Katja Ebstein begab sich erstmals auf große Deutschland-Tournée. Offizielle Premiere war am 01. Oktober 1980 in ihrer Heimatstadt Berlin. Ungewöhnlich: Bereits im Vorfeld wurde am 18. September 1980 eine TV-Show namens "Konzert frei Haus" (Regie: Rainer Bertram) ausgestrahlt, parallel erschien eine Live-Doppel-LP "Katja Ebstein live". Das Programm des Konzerts fasste das Branchenblatt Musikmarkt wie folgt zusammen: "…mit einem abendfüllenden, mehr als zwei Stunden dauernden Programm, das von Liedern mit literarisch-kabarettistischen Texten über Pop-Songs und Platten-Hits, Heine-Lieder und ambitionierten Chansons bis hin zu einem Reigen großer Musical-Melodien reicht".

Nach diesen kommerziellen Erfolgen wurde es für Katja wohl mal wieder Zeit, etwas "Anspruchsvolles" zu produzieren – Ende 1980 erschien unter der musikalischen Leitung von Dieter Reith und Produktion ihres späteren Ehemanns Klaus Überall die LP "He Du da!" mit Texten der Liedermacher Stephan Sulke, Inge Brück und Robert Long, die übrigens bis heute von Bedeutung ist, weil sie die Grundlage für Katjas aktuelles Bühnen-Programm ist. Die Plattenfirma Ariola schrieb dazu damals: "Aktuelle Themen sind Umweltschutz, Wirtschaftskriminalität, die Macht der Reichen und der Superreichen, die ewige Suche nach der großen Liebe, Schmerz, Trennung, Abschied. Dabei beweist die Sängerin einmal mehr ihre Vielseitigkeit. Anspruchsvoll und trotzdem populär – diesen Balance-Akt zwischen Kunst und Kommerz schaffen nur wenige – doch sie schafft es – mit Liedern, die sowohl ins Ohr als auch unter die Haut gehen". Wie erfolgreich diese LP wurde, kann sich vermutlich jeder denken…

Für ihre großen 1980er Erfolge verlieh ihr die Europawelle Saar 1981 die "Goldene Europa".

Als Single ausgekoppelt hat man "vorsichtshalber" von diesem Album keinen Titel – man versprach sich mehr von der typischen Ralph-Siegel-Nummer "Ich bin ein Berliner Kind". Trotz ZDF-Hitparaden-Präsenz und schlagerhafter Ausrichtung wurde das 1981 aber kein Hit, was umso erstaunlicher ist, als am 10.03.1981 in der ARD erneut eine Ebstein-Sendung unter dem Motto "Das ist mein Milieu" ausgestrahlt wurde, die von der Kritik sehr gut aufgenommen wurde – ihr wurde attestiert, dass sie "neben Schlagerschnulzen, Heine-Songs und Rock-Tönen auch volkstümliche Heimatlieder auf ihrer umfangreichen Palette hat- und noch ein paar erfreuliche komödiantische Klekse dazu".

Ein Karriere-Highlight jenen Jahres war die Moderation der deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix 1981, die sie übernommen hatte. Siegreich war damals Lena Valaitis, die noch knapper am internationalen Sieg vorbeischrammte als Katja. Deren Geheim-Tipp war die Gruppe "Janz" mit dem Song "Steine" – leider hat man von der Formation nachher nicht mehr viel gehört – auch nicht von den führenden Köpfen, den Gebrüdern Paul und Ken Janz.

Die zweite 1981er Single, "Wann siehst Du mich schon weinen?" aus der Siegel-LP "Kopf hoch" blieb weithin unbeachtet. Die LP "Kopf hoch" beinhaltete erneut Lieder über die "Liebe an und für sich aus der Sicht einer Frau". Die Ariola bewarb die LP wie folgt: "…eine LP mit hohen musikalischen, textlichen, und gesanglichen Ambitionen vor. Bernd Meinunger, Michael Kunze und Thomas Woitkewitsch gehören zu den Text-Autoren. Sechs der Songs komponierte Ralph Siegel, der als bewährter Ebstein-Produzent auch Regie im Studio führte. Hauptthema der LP ist einmal mehr die Liebe, vor allem natürlich die Liebe aus der Sicht einer Frau."

Einen Karriereschnitt vollzog Katja Ebstein, indem sie die weibliche Hauptrolle (Künstlerin Rosa Fröhlich) im Theaterstück "Professor Unrat" im Ernst-Deutsch Theater in Hamburg über 3 1/2 Monate vor ausverkauftem Haus an der Seite des Schauspielers Friedrich Schütter übernahm und damit in die Fußstapfen Marlene Dietrichs trat. In der Folgezeit ging Katja immer mehr in Richtung Schauspiel, was auch dem Beruf ihres Ehemanns Klaus Überall (Regisseur) geschuldet sein könnte. Der Erfolg war so groß, dass sich eine 180-Tage-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz anschloss.

In der Hochzeit der neuen deutschen Welle (Frühjahr 1982) konnte Katja auch mit vermeintlich kommerziellen Produktionen nicht punkten. Die erste Single des Jahres, "Ich bereue keinen Augenblick", war zugleich die letzte Produktion Ralph Siegels für Katja. Im Radio lief der Song recht gut, ein Verkaufserfolg wurde es aber nicht.

Bernie Paul (bürgerlich Bernd Vondficht), der einige Jahre zuvor als Interpret mit "Oh No No" große Erfolge feiern konnte, produzierte die nächste Single Katja Ebsteins. Fred Jay textete die deutsche Version des italienischen Songs "Aria di casa" von Sammy Barbot: "Leben".

Im Winter 1982 war Katja mal wieder ihrer Zeit voraus – im doppelten Sinne: Zwei Jahre vor Herbert Grönemeyer machte sie sich humorvoll lustig über gewisse Attitüden (insbesondere hinsichtlich von Schönheitsidealen) der Männer im Song "Mann, bist Du schön". An dem Song besonders spannend ist aber nicht etwa der Name des Produzenten (Bernie Paul), sondern der des Komponisten – schon 1982 trieb ein gewisser Dieter Bohlen sein Unwesen.

Aber auch in Sachen Schauspiel war Katja in jenem Jahr aktiv, so spielte sie an der Seite von Klaus Wildbolz und Hans Richter die Buhlschaft in "Jedermann" bei den Sommerfestspielen in Heppenheim.

Mit der LP "Traumzeit?", produziert vom renommierten Harold Faltermeyer, endete Katjas Ariola-Zeit (- zumindest, was LP-Produktionen angeht). Ausgekoppelt als Single wurde daraus die die Single "Fluchtwege", die deutsche Version des Dianne Warwick-Welthits "Heartbreaker".

Das Titellied der LP "Traumzeit?" zeigt erneut Katjas Vorausdenken – es war nämlich eine deutsche Version des Titelliedes des später sehr erfolgreichen Musicals "Cats", dessen Titellied sie damit intonierte – Angelika Milster hatte Jahre(!) später mit einer anderen deutschen Fassung dieses Liedes einen großen Erfolg. Die beiden Sängerinnen haben übrigens lt. einem Zeitungsartikel eine gemeinsame Leidenschaft: aus Händen zu lesen.

Das Fragezeichen hinter dem LP-Namen hatte übrigens laut Branchenblatt "MusikInformationen" einen Hintergrund: "Das Fragezeichen hinter dem Titel ihres neuen Albums weist bereits auf die kritischen Inhalte der LP-Songs hin, für die vornehmlich namhafte Autoren wie Michael Kunze und Thomas Woitkewitsch verantwortlich zeichnen. Katja packt in ihren Liedern zeitgemäße Themen wie die Zerstörung der Umwelt, die Emanzipation der Frau und das Bild des Mannes von heute an. Die Neue deutsche Welle wird von Katja liebenswert persifliert." In der Tat: Mir ist außer dem Katja-Song kein Lied bekannt, das den Titel "Neue deutsche Welle" trägt.

Nach der Ariola-Zeit erschien 1983 noch eine Single bei der CBS: "Wunderland". Der von André Heller getextete Song (Komposition: Francis Lai) war Titellied eines TV-Films mit Gustl Bayrhammer, in dem der bayrische Schauspieler ein Wunderland besucht, in dem Figuren aus Comics, Märchen und Legenden leben. Vielleicht auch deshalb wird dem Lied attestiert, dass es eine gewisse Disney-Song-Affinität habe.

In den folgenden Jahren erschienen keine Tonträger von Katja, allerdings war sie weiterhin aktiv. Beispielsweise tummelte sie sich als Moderatorin der TV-Reihe "Unterwegs in der DDR". Auf einem Fahrrad besuchte sie dabei historische Stätten und Sehenswürdigkeiten der DDR und kostümierte sich in der Art der Person, die sie darstellte. Der Erfolg war so groß, dass in den Jahren 1986 und 1987 26 weitere Folgen produziert wurden.

Einige Jahre später, bei einem Konzert im Ostberliner Friedrichstadtpalast verhaspelte sie sich mit der Aussage, die DDR sei europäisches Ausland, was einige Politiker wie Egon Bahr empörte, die darauf hinwiesen, die DDR sei der andere Teil Deutschlands. Katja stellte 2 Jahre vor der Wiedervereinigung (anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins im Friedrichstadtpalast) klar: "Meine Worte bezogen sich auf das Staatswesen, die Einreiseformalitäten und die verschiedenen Währungen".
1986 versuchte Katja mit einem Lied von Hanne Haller und Ramona Leiß, wieder einen Hit zu landen – das Lied zur ARD-Fernsehlotterie

"Mensch, sag doch einfach na und!" wurde zwar in der ZDF-Hitparade vorgestellt – erneut war sie aber ihrer Zeit voraus – Jahre später landete Udo Jürgens mit ähnlichem Thema ("Na und!?") einen veritablen Hit. Mit dieser Single war die Ariola-Zeit dann endgültig beendet.

1987 veröffentlichte Ebstein dann ihre vorerst letzte Single, die sehr selten zu finden ist: "Lach mich nicht aus!".

In jener Zeit hatte das Schauspiel die Singerei wohl in der Hierarchie der Prioritäten endgültig abgesetzt.  So übernahm Katja im Frühjahr 1987 die Hauptrolle der Nachtclubsängerin und Mörderin "Roxie" im Musical "Chicago" gemeinsam mit dem Ensemble des Berliner Theater des Westens sehr erfolgreich über 2 1/2 Monate. Ein Jahr später wurde das Musical unter Mitwirkung Katjas erfolgreich in Berlin gespielt.

In der Folgezeit (1988/89) war sie als Schauspielerin in der 20-teiligen ARD-Serie "Friedrichstadtpalast" im Vorabendprogramm der ARD zu sehen.

In der Zeit des Mauerfalls (ab Herbst 1989) ging Katja mit dem Musical "Sweet Charity" auf Drei-Länder-Theater-Tournée. Wegen des großen Erfolgs wurde die Tour 1991 im Frühjahr wiederholt.

Auch in den 90er Jahren war Katja weiter als Schauspielerin und Rezitatorin aktiv. Gemeinsam mit Lutz Görner rezitierte sie seit 1990 beispielsweise Lyrik von Frauen und ging mit ihm auf eine über 3 Monate laufende Gastspielreise, was von der Kulturkritik begeistert aufgenommen wurde. Ende 1991 ging sie – diesmal solo – erneut auf Tour unter dem Motto "Frauenlyrik".

Im gleichen Jahr gab sie die "Spelunken-Jenny" der Dreigroschenoper von Berthold Brecht im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater, weil sie wie Jenny eine kämpferische Natur sei.

Zwei Jahre später spielte sie die Titelrolle von "Victor und Victoria", womit sie erneut auf Drei-Länder-Tour war.

Nach vielen Jahren war es 1994 wieder soweit – eine große Plattenfirma (Polydor)  veröffentlichte die CD "Ebstein", ein "Album mit ausgewählten Musical- und Filmmelodien in bestechenden neuen Arrangements". Großer kommerzieller Erfolg war damit leider nicht mehr zu erzielen. Auch die deutsche Version des Songs "With One Look" aus dem Musical Sunset Boulevard, "Nur ein Blick", blieb von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt.

Ansonsten war sie in den 90er Jahren mit Programmen wie "Meisterinnen aus zwei Jahrhunderten" mit zeitgenössischer Frauenlyrik und Soloabenden mit Werken von Heinrich Heine und Berthold Brecht unterwegs.

Unter dem Motto "Berlin … trotz und alledem" präsentierte sie seit 1998 Werke von Otto Reutter, Kurt Tucholsky u. a. – entsprechende CDs finden sich auf Katja Ebsteins Homepage unter "Discografie". Diese Discografie verschweigt übrigens, dass Katja auch mal Schlager auf Tonträgern veröffentlicht hat.

Seit 2001 präsentiert Katja "alle Jahre wieder" zur Weihnachtszeit ihr Programm "Es fällt ein Stern herunter". Katja möchte damit ein vorweihnachtliches Programm der etwas anderen Art präsentieren und rezitiert dabei Beiträge u. a. von James Krüss, (unvermeidbar) Heinrich Heine, Loriot, Erich Kästner, Hans Dieter Hüsch und anderen.

Anlässlich ihres 60. Geburtstages – ääääääh, anlässlich ihres 40. Bühnenjubiläums erschien 2005 die bis dato letzte CD mit populärer Musik. Nachdem die vorherige CD "Ebstein" genannt wurde, kam man auf die sehr einfallsreiche Idee, die CD nach ihrem bürgerlichen Namen "Witkiewicz" zu benennen. Etablierte deutsche Protagonisten wie Pe Werner, Rainhard Fendrich und Xavier Naidoo steuerten Lieder zu der von Dieter Falk produzierten CD bei. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ging Katja mit dem Programm unter dem Motto "Meine Lieder" auf Deutschland-Tour.

2007 begab sie sich dann wieder auf die eher kommerzielle Schiene und nahm mit beachtlichem Erfolg an der 2. Staffel der RTL-Show "Let's Dance" teil – an der Seite ihres Tanzpartners Oliver Seefeldt belegte sie einen hervorragenden zweiten Platz.

Im Januar 2008 wurde Katja eine sehr große Ehre zuteil: Für ihr soziales und künstlerisches Engagement wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Im gleichen Jahr trat sie als Mentorin (bzw. "Patin") der deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix von Musical-Star Carolin Fortenbacher in Erscheinung. Nur denkbar knapp (mit 49,5 zu 50,5 Prozent) siegten damals die No Angels – mit dem bekannten Ausgang. Böse Zungen behaupten, dass das entscheidende Prozent der von den No Angels gezeigten nackten Haut geschuldet war, die international aber nicht sonderlich beeindruckt hat.

Um den Musical-Nachwuchs kümmerte sie sich im Frühjahr 2008 in der von Thomas Gottschalk moderierten ZDF-Show "Musical Showstar 2008", deren Jurymitglied sie an der Seite von Uwe Kröger und Alexander Goebel war. Die Sieger der Show durften im Musical "Starlight Express" eine Rolle spielen. Für die ganz große Karriere reichte es für die siegreichen Anna-Maria Schmidt aus Bernshausen und Kevin Köhler aus Oer-Erkenschwick aber nicht.

Direkt danach präsentierte sie in Dülmen die Premiere ihres Bühnenprogramms "Na und? Wir leben noch", das von ihrem Ehemann Klaus Überall geschrieben und konzipiert wurde und erneut anspruchsvolles Programm beinhaltet – u. a. aus der LP "He Du da". Mit diesem Programm ist sie bis heute unterwegs – vielleicht liegt ihr viel daran, weil ihr Mann am 29.10.2008 seiner Lungenkrebserkrankung erlag.

Im Rahmen der sehr erfolgreichen Vox-TV-Serie "Cover My Song" gab es 2011 ein musikalisches Lebenszeichen von Katja: Gemeinsam mit dem deutschen Rapper JokA nahm sie ihren Evergreen "Wunder gibt es immer wieder" in neuem Gewand auf. Für die nationalen Verkaufs-Charts reichte es nicht, aber immerhin wurde der Song in Hip-Hop-Download-Charts angenommen.

Katja Ebstein ist eine der bedeutendsten deutschen Sängerinnen, die neben ihrem politischen Engagement zweifellos Schlagergeschichte geschrieben hat. Schlagerfreunde werfen ihr aber ihre unterkühlte Distanz zu ihrem Schlager-Schaffen vor. So wählt Schlagerexperte Reiner Moritz in einem seiner Bücher Katja auf Nummer 4 der "Anti-Stars" mit folgender Begründung: "Am ungenießbarsten sind Schlagersänger, die mehr sein wollen als Schlagersänger. Katja Ebstein zum Beispiel glaubt wohl bis heute, dass sie, weil sie Brecht-Lieder sang, eine Brille mit ovalen Gläsern trug und Romanistik studierte, mehr als eine Schnulzentante ist. Gerade wer einmal mit Brecht-Texten Umgang hatte, wäre gut beraten gewesen, nicht Schlager zu trällern, deren Abgeschmacktheit eher auf einen Hobby-Dichter-Abend, Sektion Langenbeutingen, schließen ließe…." – das ist harter Tobak, dessen Ansatz ich zwar teile, aber dennoch die Überzeugung vertrete, dass die Schlagerwelt ohne Hymnen wie "Wunder gibt es immer wieder" und "Abschied ist ein bisschen wie Sterben" ein gutes Stück ärmer wäre.

Vorschau: In Folge 34 dieser Reihe geht es um den griechischen Sänger und "Dschungelkönig" der ersten Stunde COSTA CORDALIS.

Stephan Imming, 28.07.2015 (Textvorlage)

http://www.katja-ebstein.de/

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