KATJA EBSTEIN
"Originale" – 2 Alben auf 1CD: "In Petersburg ist Pferdemarkt" / "Liebe"!
Zwei bemerkenswerte Katja Ebstein Alben aus den Jahren 1976 und 1977 hat das “Originale” Team auf einer CD neu veröffentlicht …:
Vielen Dank an den Joachim-Heider-Experten Claus Stimpfig für einige Hinweise zum Album „Liebe“
Zeit Lebens hat sich Katja Ebstein qualitativ deutlich vom Schlagereinerlei abgehoben – selbst ihre sehr kommerziellen Nummern wie „Es war einmal ein Jäger“ waren noch originell. Leider hat die Künstlerin selbst offensichtlich keinen guten Bezug mehr zu ihrem Frühwerk, obwohl sehr viele ihrer Lieder wirklich bis heute von hoher Qualität und originell sind. Da ist es kein Wunder, wenn die Fans sich über Wiederveröffentlichungen freuen. Zwei Alben, die bislang nicht auf CD erhältlich waren hat das „Originale“-Team der Universal nun auf CD veröffentlicht: „In Petersburg ist Pferdemarkt“ und „Liebe“. Während das erste Album aus dem Jahre 1976 das letzte war, das Katjas einstiger Ehemann Christian Bruhn für sie produzierte, war „Liebe“ aus dem Jahre 1977 eine Produktion des Berliners Joachim Heider, der damals in der Form seines Lebens war.
Das Album „In Petersburg ist Pferdemarkt“ startet sehr schlagerhaft mit dem Titelstück. Der geneigte Hörer vernimmt Worte wie „deidideldum“, musikalisch wurden Anleihen an Udo Jürgens’ „Anuschka“ genommen. Das traditionelle Rollenklischee der Geschlechter wurde bedient: „…da muss ein Mann doch hin!“. Das traf den Zeitgeist – es reichte für einen Top-40-Einstieg.
Mit „Flamenco in der Nacht“ gibt sich Katja Spanisch. Christian Bruhn hat Elemente des bekannten andalusischen Tanzes in seinen erstmals auf CD erhältlichen Schlager eingebaut. Danach ging es sogar in Richtung Ballet. Tschajkowskis „Schwanensee“ diente als Vorlage des Liedes „Dort, wo die wilden Schwäne ziehen“ – hier konnte Katja Ebstein ihr ganzes Können präsentieren – sehr anspruchsvoll. Einige Jahre zuvor hat übrigens Vicky Leandros das musikalische Thema mit ähnlichem Text veröffentlicht – bei Vicky hieß es 1969 „Wie die wilden Schwäne“.
Richtig schlageresk war der Titel „Theater, Theater“ – interessanterweise griff Katja dieses Thema schon vier Jahre auf, bevor sie bei der Eurovision damit einen Riesen-Erfolg hatte. Das ist um so bemerkenswerter, als Christian Bruhn seine Interpretation des Themas durchaus im typischen Siegel-Stil produziert und komponiert hatte. Eher gechilled jazzig geht es mit „Ein Haus auf einer Insel“ weiter, das harmonisch und rhythmisch stark an Manfred Krugs „Lied mit einem Ton“ (Original „One Note Samba“) erinnert. Abgerundet wird die A-Seite mit dem Titel „Eine Straße, ein paar Freunde, ein Zuhaus“, das sich in gemäßigter Form des damaligen Disco-Sounds bediente und harmonisch perfekt in die damaligen deutschen Vorentscheidungen zum Grand Prix gepasst hätte.
Im besten Harry-Belafonte-Calypso-Stil präsentierte Katja den Schlager „Insel im Sonnenschein“. Mit „Die Hälfe seines Lebens“ gibt es einen zweiten Hit auf dem Album, der im Charleston-Sound dafür plädiert, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Historische Persönlichkeiten wie Sokrates, Goethe und Kant werden als Referenz für diese These zitiert.
Autobiografische Züge dürfte der auch als Single ausgekoppelte Titel „Aus Liebe weint man nicht“ haben, hatten sich Katja und ihr Produzent Christian Bruhn ja damals gerade scheinen lassen. Das Thema des alternden Clowns ist ein Dauerbrenner in Schlagern und Popsongs. Interessant ist, dass es 1976 gleich zwei Schlager dieser Art gab. Peter, Sue und Marc griffen das Thema zur Eurovision auf („Djambo Djambo“), und bei Katja hieß es „Großer Clown“.
Grand-Prix-Freunde werden sich freuen, dass der Titel „Ich liebe Dich“, mit dem Katja 1975 den fünften Platz der Vorentscheidung zur Eurovision erreichte, erstmals auf CD erhältlich ist. Zum Vergleich: Jürgen Marcus’ „Ein Lied zieht hinaus in die Welt“ und Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ lagen damals hinter Kajta. In bester Beatles-Manier hat Katja sich auch orientalischer Musikelemente bedient und schloss ihr „Petersburg“-Album mit „Das Haus der indischen Weisheit“.
Im Januar und September 1977 wurde die LP „Liebe“ in den ehrwürdigen Hansa-Studios Berlin von Joachim Heider produziert. Heider hatte damals große Ziele – er war gewillt, aus Katja Ebstein eine Art „deutsche Barbara Streisand“ zu machen. – Der dazu dienliche Tonträger erhielt seinen Namen nicht ohne Grund – laut damaliger Werbung waren auf ihr nämlich „wunderschöne Songs um die Liebe“ enthalten. Leicht Country-angehaucht wird die LP mit dem Heider-Stück „Weck mich, bevor Du gehst“ eröffnet und erinnert ein bisschen an das, was später die Schweizer Countrysängerin Suzanne Klee („Wenn Du nicht weißt, wohin“) veröffentlicht hat. Die Nummer war in den Niederlanden in der Version von Rita Hovnik ein großer Hit („Wek me vordat je gaat“) und wird bis heute in den Niederlanden gerne gecovert.
Ein weiteres bislang nie auf CD erschienenes Schmankerl ist die Aufnahme „Nur einen Tag mit Dir“, die deutsche Version des „Amoureuse“-Hits von Veronique Sanson – erneut ein Titel, der zuvor nie auf CD erhältlich war. Klasse!
Mit „Ich wär’ wirklich gut für Dich“ entschied sich Katja damals für die deutsche Version von „I’d Be Surpringly Good For You“ und damit für einen Titel aus dem damals sehr beliebten Musicl „Evita“ von Andrew Lloyd-Webber, zu dem wir gleich noch einmal kommen. Den Titel hat Katja 1997 für ihr Album „Ebstein“ übrigens noch einmal neu aufgenommen. Auch diese Version dürfte (abgesehen von einem seltenen holländischen Sampler) zuvor noch nie auf einem Silberling erschienen sein.
Die Gruppe „Bread“ hatte 1974 in den Niederlanden mit „If“ einen kleinen Hit, der durch Telly Savallas später weltberühmt werden würde. Kurz darauf hat Curd Jürgens dazu eine deutsche Version „Wenn“ im Sprechgesang mit einem Text von Miriam Frances veröffentlicht (B-Seite von „60 Jahre und kein bisschen weise“). 1977 produzierte Joachim Heider mit Katja eine von Dr. Michael Kunze getextete neue deutsche Version des Hits: „Wenn ein Bild mehr sagt als jedes Wort“.
„Frei, doch nicht allein zu sein“ – den Gedanken hat später Udo Jürgens in einem tollen Song aufgegriffen. Schon 1977 komponierte Joachim Heider die Ebstein-typische Ballade zum Text Christian Heilburgs: „Frei sein mit Dir“. Ein schöner romantischer Song – die B-Seite der Single „Du und ich“ ist erneut eine CD-Premiere. Nebenbei bemerkt, hat Heider mit Katja ein bemerkenswertes Stück ähnlichen Inhalts produziert: „Frei bin ich nur neben Dir“. Vielleicht findet auch der Rhyhtmn’n’Blues-Song eines Tages den Weg auf einen Silberling.
Ein riesengroßer Hit war anno 1977 Julie Covingtons Version „Don’t Cry For Me Argentina“ aus dem Musical Evita. Man versprach sich vermutlich viel von Katja Ebsteins deutscher Version „Wein nicht um mich, Argentinien“. Die von Walter Brandin getextete deutsche Version kann als überaus gelungen angesehen werden – leider war die Aufnahme vielleicht zu anspruchsvoll, um kommerziell erfolgreich zu werden. Den Titel nahm Katja übrigens auch in spanischer Sprache auf („No Llores Por Mi Argentina“) – vielleicht ist diese Aufnahme dann irgendwann als Bonustrack denkbar.
Das erneut mit einem Touch von Country-Music versehene „Du und ich“ war wieder eine Heider-Komposition für la Ebstein, der Song erinnert mich musikalisch im Refrain stark an das ein Jahr zuvor erschienene Stück „Happy End“ von Gitte. Danach ging es wieder mit einem Jazz-Standard weiter – „Someone’s Rockin’ My Dreamboat“ war bereits in den 1940er Jahren ein Erfolg, erneut war es Dr. Michael Kunze, der darauf einen deutschen Text ersann: „1920“.
Die deutsche Version des Welthits „Morning Has Broken“ von Cat Stevens textete ein gewisser Toni Weddel „Bald bricht der Tag an“. Für ihr 2015er Album „Sister Class“ hat Katja den Titel noch einmal neu aufgenommen, aber auch diese Version feiert mit der Veröffentlichung des „Liebe“-Albums CD-Premiere.
Mit der deutschen Version von „I Don’t Know How To Love Him“ („Wie soll ich ihn nur lieben“) ,den Katjas damalige befreundete Kollegin Anja Hauptmann textete, wurde erneut ein Titel Andrew Lloyd-Webbers eingedeutscht. Diesmal bediente man sich des populären Musicals „Jesus Christ Superstar“.
Weit flotter als die vorherigen Lieder kommt die Heider-Produktion „..und alles, weil ich ihn liebe“ mit einem schönen Piano-Sound. „Statt Popmusik hör ich jetzt lieber Mozart und Bach“ – auch eine Katja ist im Stadium der Verliebtheit flexibel. Eine starke, rockige aus dem „Liebe“-Rahmen fallende Produktion.
Mit einem echten Highlight endet die 1977er Produktion Katja Ebstein. „Wo sind die Clowns?“ ist die von Eckart Hachfeld (allerdings ursprünglich anno 1975 für Zarah Leander) getextete deutsche Version des Welthits „Send In the Clowns“, den Katja ebenfalls noch einmal 1994 neu für ihr Album „Ebstein“ aufgenommen hatte. Der Titel stammt aus Stephen Sondheims Musical „A Little Night Musical“ („Das Lächeln einer Sommernacht“).
Auch wenn es sich um „nur“ zwei Alben aus zwei Jahren des Ebsteinschen Schaffens handelt, zeigt diese „Originale“-Veröffentlichung die ganze Vielseitigkeit der Ausnahmekünstlerin Katja Ebstein. Vom kommerziellen Schlager bis hin zu anspruchsvollen Jazz-Standards singt sie alles einfach perfekt und vollkommen unpeinlich. Wie bei „Originale“ üblich, wurden die Cover-Arts der beiden Alben im Booklet übernommen, außerdem sind die Single-Covers der ausgekoppelten Singles abgebildet.
Immer wieder kann man dem „Originale“-Team der Universal nur danken, für einen erschwinglichen Preis solche großen Perlen in einer guten Klangqualität wiederzuveröffentlichen.
Stephan Imming, 11.09.2017
http://www.katja-ebstein.de/