GILLA
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming: Teil 45 – Gilla ("Tu es!")!

Neuzugang 08.12.1975! 

Am 27. Februar 1950 wurde in Linz (Österreich) Gisela Wuchinger als Tochter des Musikers Nikolaus („Niki“)  Wuchinger und dessen Prager Frau geboren.

Schon als Kind trat sie in der Band ihres Vaters auf, der als Trompetensolist tätig war. Sie spielte ihr „Lieblingsinstrument", den Bass, aber auch Gitarre und Posaune. Nach der Matura studierte sie in Salzburg Musik und trat nebenbei mit einer Band namens „New Traffic“ auf, die sich später in „Seventy Five Music“ umbenannte.

Auf der Suche nach einem deutschsprachigen Pendent zu Suzi Quatro wurde der Frankfurter Produzent Frank Farian auf die Zellerin (die Sängerin wohnte damals in Zell am See) aufmerksam, als diese mit ihrer Band an Ostern 1974 ein Konzert in Frankreich gab. Neben ihrer Reibeisenstimme und ihrer erotischen Ausstrahlung hat dabei sicher eine Rolle gespielt, dass sie (wie Suzi Quatro) Bass spielt.

Farian wählte für die Österreicherin den Namen GILLA und produzierte mit ihr die deutsche Version des Marcella-Hits „Nessuno mai“ – Fred Jay textete darauf „Mir ist kein Weg zu weit“. Zwei Jahre später produzierte Farian den Discopop-Song übrigens auch in englischer Sprache für Boney M. („Take The Heat Off Me“) und benannte das erste Album der weltweit erfolgreichen Gruppe nach diesem Titel. Nicht wenige Stimmen halten Gillas Version insbesondere von ihrer stimmlichen Leistung her für besser als das spätere Boney M.-Cover mit der Sängerin Marcia Barrett.

Gemeinsam mit ihrer Band „Seventy Five Music“ (neben Gilla waren auch Helmut Rulofs und „Henry“ Mitglieder der Band) brachte Gilla Anfang 1975 ein gewagtes Stück auf den deutschen Markt, die deutsche Version des  Labelle-Hits „Lady Marmelade (Voulez vous coucher avec moi ce soir?)“. War es in den 1970er Jahren noch gang und gäbe, sexuelle Themen bestenfalls verklausuliert wiederzugeben, fragte Gilla auf ihrer zweiten Single mehr als deutlich: „Willst Du mit mir schlafen geh’n?“.

Obwohl (oder weil?) das von Fred Jay getextete Lied wegen zu deutlichen Textes von vielen Radiostationen (insbesondere vom Bayrischen Rundfunk) nicht gespielt wurde (- dabei war die Pointe des Liedes doch, dass das Mädchen dem Teddybären den Vorzug gegenüber wollüstigen Kerlen gibt -), kam es in die Top-30 der Single-Verkaufscharts. Für den internationalen Markt wurde auch eine englischsprachige Version produziert („Do You Want to Sleep With Me?“)

Die nächste Single, die vor ziemlich genau 40 Jahren ein Hit war, war auch sehr deutlich – Gilla verlangte: „Tu es!“ (Zitat aus dem Text von Fred Jay, von dem man sonst wahrlich andere Texte gewohnt war: „Oh Baby tu es! Mir ist danach zumut! Oh Baby tu es! Ich weiß, Du machst es gut!“.  1975 war das Jahr der Frau, und Gillas Plattenfirma Hansa schwärmte für deren emanzipierte Texte auf der Rückseite der Single wie folgt: „Mit ‚willst Du mit mir schlafen gehen‘ hat Gilla nicht nur einen großen Hit landen können, sondern sie hat auch dem deutsche Musikgeschäft neue Wege geebnet. Anspruchsvolle und realistische Texte, verbunden mit dem Disco-Sound unserer Zeit, sind Trumpf! Ein neuer Hit, ein neuer Trumpf: ‚Tu es!‘. Der Titel allein erübrigt weitere Kommentare. Meint Gilla: ‚Red nicht so viel – tu es!‘“.

Buchautor André Port le Roi formuliert es noch deutlicher: „Gilla führte die weibliche sexuelle Lust in den deutschen Schlager ein". Der Buchautor zieht dann noch einen interessanten Vergleich mit Heinos „Die schwarze Barbara“: „Kommerziell war Heino mit seiner rustikalen Erotik erfolgreicher als Gilla, konnte er doch Platz fünf der Charts erreichen. Doch lässt sich daraus nicht schließen, dass direkte Benennung von Sexualität den ganz großen Hit verhindert hätte. Nur ein paar Monate später, Ende 1975, hatte Gunter Gabriel mit Komm unter meine Decke einen Erfolg, der wiederum unmittelbar „zur Sache“ ging“.

Frank Farian trat diesmal nicht nur als Produzent und Hintergrundsänger(!), sondern auch als Komponist in Erscheinung. Gillas erste „eigene“ Nummer (vorher war sie ja als Cover-Interpretin aktiv) schlug ein. In Deutschland kam sie damit in die Top-10 der Single-Charts, in Österreich war sie gar Platz 2 der Hitparaden. Die englische Version des Liedes, „Why Don’t You Do It?“, war insbesondere in den Niederlanden sehr erfolgreich, wobei auch die B-Seite dieser Single-Version interessant war: Gilla sang die englische Version ihres Songs „Ein Baby von Dir“ („A Baby of Love“).

Auf Gillas erster LP, „Willst Du mit mir schlafen gehen?“, sind ihre ersten Hits versammelt. Ein weiterer sehr interessanter Track findet sich auf der Scheibe: Mit dem Song „Bleib bei mir!“, der deutschen Version des Drupi-Songs „Vado Via“, trat Produzent Frank Farian am 7. September 1974 (ohne nennenswerten Erfolg) in der ZDF-Hitparade auf. Sein Playback verwendete er 1:1 für die später von Gilla veröffentlichten Version.

Im Sommer 1976 wurde mit „Ich brenne“ ein „Non-Album-Track“ herausgebracht,  dessen Gitarren-Riffs etwas (stark) an den Steam-Song „Na na hey hey kiss him goode bye“ erinnert. Mit „Ich brenne“ schaffte es Gilla im Sommer 1976 erneut in die deutsche Top-50-Verkaufshitparade (in Österreich gelang sogar noch einmal ein Top-20-Hit damit). Die englische Version („Help Help“) war ein Top-20-Hit in den Niederlanden – vielleicht auch wegen des lasziven Fotos auf dem Single-Cover.

Anfang 1977 ging es erotisch weiter: Gillas lasziv-provokanter Gesang wurde von der tiefen Stimme Frank Farians unterstützt in „Johnny“, der laut Liedtext leider einen Korb hinnehmen muss. Im Original wurde der Song von Mita Medici gesungen („Uomo“, 1977).

Richtig lasziv wure es wieder mit der nächsten Single, bei der auch deutlich Frank Farian zu hören ist: „Zieh mich aus!“. Eine gleichnamige LP wurde veröffentlicht, auf der zu erahnen ist, dass Gilla das ernst meinte. Ganz wichtig: Der LP lag ein großes Farbposter bei… Auf der Gillas zweiter LP sind auch einige Boney M.-Cover zu hören, z. B. der Song „Sunny“. Ihr „Zieh mich aus“-Song wurde übrigens auch ins Englische übertragen („Say Yes“).

Vielleicht im Zusammenhang mit dem Riesen-Erfolg der Band Silver Convention, entschloss man sich im Sommer 1977, eine englischsprachige Nummer auf den deutschen Markt zu werfen: „Gentleman Callers Not Allowed“. Der Song war die internationale Version ihres Album-Liedes „Herrnbesuche nicht erlaubt“. In den Niederlanden erschien die Single sogar als Duett mit Boney M.-Mitglied Bobby Farrell. Angeblich soll Farrell auf der holländischen Version der Single erstmals selber gesungen haben, während zuvor (wie üblich) Frank Farian die männliche Stimme eingesungen hat. In den Niederlanden und in Belgien stürmte der Song die Hitparaden (Top-20).

 

 

Bereits 1967 hatten „The Outsiders“ mit „Bend Me Shape Me“ einen Hit, „Amen Corner” und „American Breed” waren damit auch erfolgreich. Auch Gilla konnte mit diesem Song auftrumpfen und war erneut in Belgien und den Niederlanden damit so erfolgreich, dass ihre internationale LP „Help Help“ um die beiden Single-Titel ergänzt und als „Bend Me Shape Me“ neu veröffentlicht wurde.

Nachdem Bruce Low mit der deutschen Version des Boney M.-Hits „Rivers Of Babylon“ einen großen Hit hatte, lag es nahe, auch Gilla mit einer Cover-Version des Hit-Quartetts zu betrauen. Nach längerer Zeit wieder in deutscher Sprache nahm sie sich des Knallers „Rasputin“ an. Der Text war mehr als bemerkenswert: „Ra Ra Rasputin hatte Weiber nur im Sinn. Er brachte jede um den Verstand. … Die Männer wünschten ihn ins dunkelste Verließ, für die Damenwelt war er einfach zuckersüß“. Trotz dieses „originellen“ Textes, den man selbstbewusst sogar auf der Rückseite des Covers abdruckte, gelang damit kein Hit in Deutschland. Besonders „gut“ angekommen ist Frank Farians Ausspruch auf der Single „oh diese Russen!“… – Bereits 1977 nahm Gilla übrigens die deutsche Version von „Belfast“ auf für ihre LP „Zieh mich aus“ – die wurde allerdings nicht auf Single ausgekoppelt.

Nachdem das Rezept des deutschsprachigen Coversongs nicht aufging, schwankte Gilla im März 1979 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und Coproduzenten Chris Denning (bürgerlich Helmut Rulofs) um auf ein internationales Cover – die Plattenfirma formulierte es so: „Gilla hat neue Saiten auf ihren Bass gezogen“. Man nahm sich des Animals-Hits „We Gotta Out Of This Place“ an, nachdem „Chris Denning” mit „Jamaica Farewell” im Vorjahr einen kleinen Hit-Erfolg hatte. Zum fünften (und letzten) mal gelang damit erneut ein guter Hit-Erfolg in Belgien und den Niederlanden. Erneut wurde das Single-Cover ausgesprochen sexy gestaltet.

Anfang der 80er Jahre veröffentlichte Gilla eine weitere LP: „Cool Rock’n’Roll“. Die gleichnamige Single kündigte ihre Plattenfirma Hansa wie folgt an: „Wenn Ladies Rock machten, galten sie bisher immer als etwas Besonderes. GILLA, die bekannteste Sängerin aus der Frankfurter Musik-Szene, beweist mit ihrer neuen Single, dass sie sich im Rock sehr zu Hause fühlt. ‚Cool Rock’n’Roll‘ heißt die neue Richtung für GILLA.

Auch zur zweiten Single-Auskopplung fand die Hansa passende Worte: „Auch mit ihrer neuen Scheibe ‚Go Down Mainstreet‘ passt Gilla wieder nicht ins Bild des deutschen Schlager-Sternchens. Ganz in Leder, den Bass zupfend, hat sie sich voll auf Rock spezialisiert. Nach ‚Cool Rock’n’Roll‘ wird auch ‚Go Down Mainstreet‘ bestimmt wieder ein Hit“. – Die Plattenfirma sollte sich leider getäuscht haben – vielleicht auch, weil Gilla auf dem Single-Cover nicht etwa Leder, sondern eine Art Gottlieb-Wendehals-Gedächtnis-Outfit trägt.

Mit der letzten Auskopplung aus dem Album, „Tom Cat“, das aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf dem Ariola-Label erschien, klang das Jahr 1980 recht unspektakulär aus.

Im Herbst 1981 veröffentlichte Gilla noch eine Discopop-Nummer namens „Cigarillo“, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Helmut Rulofs schrieb, der sie inzwischen auch produzierte – ein Erfolg wurde das aber nicht.

Gemeinsam mit Rulofs brachte Gilla 1982 noch unter dem Pseudonym „Sweet Mix“ eine Single heraus („Susan Don’t Cry For Me“), dann beendete sie ihre Gesangskarriere und konzentrierte sich auf ihre Rolle als Mutter (ihre Tochter heißt Nadja).

Neben ihrer Tätigkeit als Sängerin betätigte sich Gilla auch als Songautorin. Ihr größter diesbezüglicher Erfolg ist der Boney M. Song „Boat On the River“, dessen Coautorin sie ist – sie schrieb den Song unter dem Pseudonym „Gilla Winger“.

Mitte der 1980er Jahre gründete sie ohne sonderlichen Erfolg die Band „Vanilla“, deren letzte Single 1986 erschien. Danach wurde es ruhig um Gilla.

Heute lebt Gilla in Braunfels (Hessen).

Gilla gehört zu den wenigen deutschsprachigen Interpreten, die niemals in der ZDF-Hitparade aufgetreten sind. Ungewöhnlich ist auch, dass sie von Beginn an immer bei der gleichen Plattenfirma unter Vertrag stand – und das immerhin über sieben Jahre hinweg (1974 bis 1981). Wenn man Gillas Aufnahmen mit denen der international überaus erfolgreichen Super-Gruppen Silver Convention und Boney M. vergleicht, muss sie sich (mit ihrem Produzenten Frank Farian) dahinter meines Erachtens nicht verstecken. Es ist schon erstaunlich, dass ihre Songs nicht noch erfolgreicher wurden – und aktuell nicht mal ein „Best-Of-Sampler“ auf dem Markt ist.

Auch der recht konsequente Rückzug ins bürgerliche Leben ist nicht typisch für Menschen, die derart im Rampenlicht standen.

Stephan Imming, 20.11.2015

https://de.wikipedia.org/wiki/Gilla_%28S%C3%A4ngerin%29

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