DALIAH LAVI
"Die Löwin ist gegangen …" – Zum 75. Geburtstag von Daliah Lavi (†)!

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Daliah Lavi wurde am 12.10.1942 als Daliah Lewinbuk in Shavi Zion, einem kleinen Dorf bei Haifa in Israel geboren. Ihre Eltern, jüdische Einwanderer, waren die aus Breslau/Schlesien stammende Mutter Ruth und der aus Russland stammender Vater Reuben (Beruf: Gärtner). Sie hat zwei Geschwister (Michel und Joseph).

Kirk Douglas, der im Sommer 1952 gerade den Film „Die Gaukler“ ausgerechnet in Shavi Zion drehte, lud sie kurzerhand zu ihrem 10. Geburtstag  ein. Der Film-Star schenkte ihr zum Ehrentag ein Ballett-Kleid und die zugehörigen Schuhe. Zwei Jahre später – Daliah war gerade 12 Jahre alt –  vermittelte er ihr über seinen Freund Alt Kjellin ein Ballett-Stipendium am königlichen Opernhaus in Stockholm, das sie nach vier Jahren aus gesundheitlichen Gründen (zu niedriger Blutdruck) und wegen des Todes ihres Vaters (1956) abbrechen musste. Auch ihre Größe machte ihr einen Strich durch die Rechnung einer Ballett-Karriere.

Zurück in Israel, arbeitete sie dann als Fotomodell und Mannequin. Durch diese Tätigkeiten wurde die Film-Industrie auf sie aufmerksam. Im Frühjahr 1960 traf sie auf US-Regisseur Raphael Nußbaum, der sie im Café Shalom ansprach und ihr direkt einen ersten Filmvertrag für den deutsch-israelischen Streifen „Brennender Sand“ anbot. Kritiker attestierten der Lavi, sie sei die Antwort Israels auf Sophia Loren. Ihr raubtierhaftes Spiel führte auch zur Wahl ihres Künstlernamens: „Lavi“ ist das hebräische Wort für „Löwin“, das fand Daliah passend, „weil er zu meinem Temperament passte. Ich war damals wild und unbändig“.

Im zarten Alter von 16 Jahren lernte Daliah Jacques Gerard, einen Konfektionär aus Paris kennen, der mit ihr nach Paris zog und sie dort kurze Zeit später heiratete. Die Scheidung folgte nur 1 ½ Jahre später, brachte für Daliah aber den Vorteil, dass sie die französische Staatsbürgerschaft besaß und somit nicht mehr um israelischen Militärdienst eingezogen werden konnte.

Fortan spielte sie in mehr als 20 Filmen als Schauspielerin mit, u. a. verkörperte sie eine Squaw namens  "Paloma" im populären Winnetou-Film „Old Shatterhand“ und spielte in „Das Stahlnetz des Dr. Mabuse“ mit.

Mit Geburt ihres Sohnes Rouven 1968 hat sie ihre Film-Karriere weitestgehend beendet, um sich – so war der Plan – nur noch ihrer Familie zu widmen, wobei sie damals eine schwierige Zeit hatte – sie trennte sich von ihrem zweiten Ehemann, dem irischen Schauspieler und Regisseur (und Kindesvater)  John Sullivan, da der seine Spielsucht nicht in den Griff bekam. Mangels Geldes musste sie zunächst ihren Sohn nach Israel zu ihrer Mutter schicken und nahm vor diesem Hintergrund Rollen an, in denen sie sich meistens mehr aus- als anziehen musste.

Im Herbst 1969 bat Daliahs Landsmann Chaim Topol, der in der Londoner Aufführung des Musicals Anatevka eine Hauptrolle spielte,  sie, in einer BBC-Show hebräische Lieder zu singen. Wenngleich Daliah selbst ihre rauchige Stimme zum Gesang ungeeignet fand, wurde Mike Sloman, der Boss der Schallplatten-Firma „Festival-Records“ auf sie aufmerksam und beauftragte den Produzenten Norrie Paramour, eine Schallplatte mit der „Löwin“ zu produzieren. Noch im gleichen Jahr wurde der folkloristisch angehauchte „Love’s Song“ veröffentlicht – der Test wurde ein veritabler Erfolg.

Auch nach Deutschland kam Daliah mit ihrem Manager Mike Sloman zu Probeaufnahmen nach Hamburg. Nach den Erinnerungen des langjährigen Polydor-Plattenproduzenten Jimmy Bowien stimmte die Chemie im Studio nicht, gemeinsam mit Toningenieur Werner Grimme beschloss man, die Aufnahmen abzubrechen. Kurze Zeit später hörte Bowien Daliahs "Love Song" und war begeistert und bekam vom damaligen Programmdirektor der Polydor, Ossi Drechsler, grünes Licht, eine deutsche Version des Love's Songs zu machen.

Der ehemalige Polydor-Mitarbeiter Rudi Petry stellte den Kontakt mit einer Texterin her. Die junge Textdichterin Waltraud Franzes legte sich damals den Künstlernamen Miriam Frances zu und textete für Daliah „Liebeslied jener Sommernacht“, was sowohl Daliah Lavi als attraktive Interpretin mit rauchiger Stimme als auch Miriam Frances als Texterin chansonhafter Lieder zum Durchbruch verhalf: Gleich der erste deutschsprachige Titel Daliahs wurde ein Top-20-Verkaufserfolg. Auch international kam ihr Song an, so vertrat sie Belgien beim Schlagerfestival in Tokio mit diesem Lied in französischer Version („Prends l’amour“).

Auch die zweite Veröffentlichung erschien in zwei Sprachen – aus ihrem vom südafrikanischen Songwriter John Kongos komponierten englischen Song „Won’t You Join Me?“ machte die kongeniale Texterin Miriam Frances, die u. a. auch für Udo Jürgens tätig war, „Oh – wann kommst Du?“ – Mit diesem Kult-Song, der später erfolgreich von Dieter Thomas Kuhn gecovert wurde, erreichte sie sogar den 4. Platz der Verkaufshitparade. Die Zweideutigkeit der Titelzeile (das Coverbild der Single spricht nicht gerade gegen erotische Hintergedanken) und die Aufzählung der Wochentage („Montag, Dienstag, Mittwoch…“) ließen den Song zu einem Meilenstein des deutschen Schlagers werden. Im aktuellen Bühnenprogramm Wolfgang Treppers konstatiert dieser augenzwinkernd, dass er dank Daliah Lavi die Wochentage "Montag, Dienstag, Mittwoch…" früher aussprechen konnte als "Mama" und "Papa".  – Findige Kritiker sehen in dem Lied eine Anspielung auf die damalige Sexwelle und eine Zeiterscheinung namens "Orgasmusprobleme" – ob das zutreffend ist, kann heute wohl nicht mehr genau festgestellt werden…

Auch die dritte 1970 veröffentlichte deutschsprachige Single Daliah Lavis schlug großartig ein – aus dem Hit der Folk-Ikone Melanie  „What Have They Done To My Song, Ma?“ machte Miriam FrancesWer hat mein Lied so zerstört, Ma?“.

Die erste LP Daliah Lavis, „Liebeslied jener Sommernacht“, war kommerziell erfolgreich (Top-20) und ist wie viele ihrer damaligen Veröffentlichungen inzwischen wieder auf CD erhältlich.

Mit „Jerusalem“ wurde Daliah 1971 etwas nachdenklicher („…über der Stadt lacht das Sonnenlicht, doch bei den Menschen finde ich oft das Lachen nicht, denn es gibt andere Dinge, von denen man spricht – in Jerusalem“). Das Original war eine Instrumental-Nummer des Trompeters Herb Alpert. Der Text zu dieser Hommage an die geschichtsträchtige Nahost-Metropole, die wohl kaum jemand glaubwürdiger interpretieren hätte können als eben Daliah Lavi, stammt von Kurt Hertha, der sonst eher „leichte Schlager-Kost“ verfasste (z. B. „Du kannst nicht immer 17 sein“). Wenngleich das Lied durchaus erfolgreich war (Top-30 der Single-Charts), waren die bisherigen Veröffentlichungen erfolgreicher.

Vielleicht auch deshalb entschied man sich mit der Folgenummer wieder für „unbeschwertere Kost“. Erneut knüpfte sich Texterin Miriam Frances einen Song von John Kongos vor – diesmal machte sie aus der Olivia Newton-John-Nummer „Would You Follow Me?“ den Hit „Willst Du mit mir geh’n?“. Die Nummer schlug erneut bombastisch ein und entpuppte sich zu Daliah Lavis zweitem Top-10-Hit. Auch die gleichnamige LP war überaus erfolgreich und erreichte ebenfalls die Top-10 der Bestsellerlisten. Wie schon „Oh wann kommst Du“ wurde auch „Willst Du mit mir gehen“ von Kult-Schlagerstars wie Dieter Thomas Kuhn gerne gecovert.

Daliah Lavi wurde vom Branchenblatt „Der Musikmarkt“ als erfolgreichste Sängerin des Jahres 1971 ausgezeichnet. Durch diesen Erfolg wurde auch das Fernsehen auf Daliah Lavi aufmerksam: Der damalige Südwestfunk strahlte am 5. Januar 1972 Daliah Lavis TV-Show „Willst Du mit mir gehen?“ aus. In diesem Portrait stellte sie ihre damals größten Hits vor und machte Werbung für die Tournee, die 1972 anstand, bei der sie von ihrem Freund Labi Siffre unterstützt wurde.

Die französischen Produktionen jener Zeit,  „Schwabba Daba Ding Ding“, ein für die Lavi außergewöhnliches Stück, und „Lorelei“ wurden in Deutschland nicht veröffentlicht.

Die Hit-Serie setzte sich auch 1972 fort: Aus dem Mac-Davis-Hit „I Believe In Music“ kam im Anschluss das von Frank Dostal getextete Stück  „Ich glaub‘ an die Liebe“ – auch der Song erreichte immerhin die Top-30 der Verkaufscharts. Gleiches gilt für den Rod McKuens Song „Soldiers  Who Want To Be Heroes“ – aus dem machte Lavis Haus- und Hofautorin Miriam Frances erneut einen Evergreen-Text: „Meine Art, Liebe zu zeigen“ – Auch hier gibt es Leute, die in den Schlager etwas hineininterpretieren, nämlich das Verhältnis der Deutschen vor dem Hintergrund ihrer Vergangenheit zu Juden: „Worte zerstören, wo sie nicht hingehören“.

Eine weitere Single erschien 1972, die zwar nicht in den Verkaufslisten auftauchte – dafür aber bis heute als einer von vielen großen Erfolgen Daliah Lavis gilt. Aus Twiggys „Zoo de Zoo Zong“ machte Miriam FrancesLieben Sie Partys?“. In dem Lied geht es um gepflegte Langeweile, die oftmals bei steifen Partys der gehobenen Gesellschaft zu beobachten ist. Schade, dass die Bemühung, auch mal mit einem humorvoll-witzigen Song zu punkten, vom Publikum damals nicht honoriert wurde.

Dennoch kann auch 1972 als überaus erfolgreiches Jahr für Daliah Lavi angesehen werden – so wurde ihr in der Dortmunder Westfalenhalle von RTL der „Silberne Löwe“ verliehen, und die Leser der Jugendzeitschrift Bravo kürten sie mit dem „Goldenen Otto“ als ihre Lieblings-Sängerin.

1973 nahm sich Daliah Lavi des Gordon-Lightfoot-Hits „If You Could Read My Mind“ an, der insbesondere instrumental von den Spotnicks zum Erfolg gemacht wurde. Erneut gelang es Miriam Frances, mit ihrem Text „Wär ich ein Buch“ einen der vielen Lavi-Klassiker zu kreieren. Ein Schlagerfan bringt es wie folgt auf den Punkt: „Wie im englischen Original wird in Conditionalform über die Vision der Perönlichkeitsintegration in ein literarisches Werk sinniert. Lyrisch somit auf hohem Stand.“ – Toll, was man so alles in Schlager hineininterpretieren kann, allerdings hat Miriam Frances in der Tat hochprozentig Texte auf hohem Niveau verfasst.

Mit dem zweiten 1973er-Hit, diesmal vom seinerzeit sehr angesagten Texter Fred Jay getexteten Song im Gepäck, „Es geht auch so“, ging es im Frühjahr des Jahres auf große erfolgreiche Deutschland Tournee. Unterstützt wurde sie bei der Tour von Peter Horton.

Mit „Lass die Liebe auferstehen!“, einer weiteren deutschen Version eines Liedes John Kongos – diesmal aber von Anja Hauptmann, einer Enkelin des Dichters Gerhart Hauptmann, getextet, klang das Jahr 1973 unspektakulär aus.

Als werdende Mutter veröffentlichte die Lavi 1974 keine deutschsprachigen Titel, allerdings wurde das Album „I’m Israeli – I’m Sabra“ eher erfolglos veröffentlicht. Besonderheit dieser Produktion war, dass sie komplett in hebräischer Sprache aufgenommen worden ist.

Vor ziemlich genau 40 Jahren startete Daliah Lavi – kurz nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Alexander – auch in Deutschland wieder durch mit ihrer Interpretation des Cole-Porter Songs „I Get A Kick Out Of You“, der zum Standardrepertoire von Größen wie Frank Sinatra und Ella Fitzgerald gehörte und der auch von Hildegard Knef gerne in deutscher Sprache gesungen wurde. Die deutsche Version wurde von Mischa Mleink getextet, der sich u. a. mit dem Lied „Hätten Sie heut Zeit für mich“ von Michael Schanze kurz zuvor einen Namen gemacht hatte. „Nichts haut mich um – aber Du“ wurde in großen TV-Shows wie der ZDF-Starparade und im „Studo B“ präsentiert und war Bestandteil einer achtzehn Konzerte umfassenden großen Tournee, die in Hamburg startete und  auch endete. Lavi dazu: „Ich habe in dieser Stadt nur gute Erfahrungen gemacht. Dort habe ich meine erste Schallplatte aufgenommen, und dort gibt es ein fantastisches Publikum“.

Im gleichen Jahr veröffentlichte sie zwei sehr interessante LPs, denen beide der kommerzielle Erfolg vorenthalten blieb: Auf der Scheibe „Café Decadence“ sang sie nostalgisch Klassiker wie „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ und „Jonny, wenn Du Geburtstag hast“. Am liebsten wollte die Künstlerin das Album in die USA schicken, damit dort im Jahr der Frau „die Frauenbewegung hört, was es vor dreißig, vierzig Jahren für Texte gab“, tat Lavi in einem 1975er-Interview kund.

Zeitgleich war es Daliah Lavi als „frisch gebackene Mutter“ wichtig, ein Album mit Kinderliedern aufzunehmen, das unter dem Titel „Für Große und kleine Kinder“ veröffentlicht wurde.

Trotz großer TV-Präsenz in der Max-Greger-Show, in der Peter-Kraus-Show und der Wiener TV-Show „Karussell“ konnten sich beide LPs nicht wirklich durchsetzen.

Mit „Neuer Wind“ beschritt man dann 1976 lieber alte Wege – die Plattenfirma beschrieb das seinerzeit so: „Nach Klärung ihrer privaten Angelegenheiten und dem endgültigen Entschluss, wieder nach London zu ziehen, fand Daliah Lavi in den letzten Wochen Zeit und Ruhe, an ihrer neuen LP, der ersten seit knapp zwei Jahren, zu arbeiten. ‚Neuer Wind‘ präsentiert – mit witzigen Texten, adäquaten Melodien und sparsamen Arrangements – wieder jene Lavi, die ihr großes Stammpublikum zu Beginn ihrer Karriere in ihr sah“.

Übersetzt heißt das wohl, dass nun wieder internationale Hits in echter Lavi-Art eingedeutscht wurden. Die Single-Auskopplungen der LP wurden jedoch keine großen Erfolge. „Das bleibt immer ein Geheimnis“ ist die Eindeutschung des Gerard-Lenorman-Chansons  „La ballade des gens heureux“ und war inhaltlich vielleicht etwas seiner Zeit voraus – Texte wie „Warum tun wir, wenn wir von Liebe reden, als gäb’s nur Liebe zwischen Mann und Frau“ waren damals sicher sehr mutig.

Parallel zur LP erschien auch die Auskopplung „Worte sind wie Pfeile“. Obwohl nach längerer Zeit wieder von Miriam Frances getextet, kam diese deutsche Version von  „Words Said In Anger“ nicht in die Hitparaden. Vielleicht hätte man lieber einen der vielen spannenden anderen Songs des Albums auskoppeln sollen. Neben „Imagine“ („Wenn ich kein Lied mehr sänge“) oder „Fifty Ways To Leave Your Lover“ („Gute Gründe, um zu gehen“) enthielt das Album auch eine Antwort auf Curd Jürgens „Sechzig Jahre und kein bisschen weise“ („Nicht mehr siebzehn – allererste Falten“) und einen sehr „liberalen“ frivolen Schlager, der vielleicht Hit-Potenzial gehabt hätte: „Aus fremden Betten nimmt man den Applaus mit nach Haus“. Die vier mal verheiratete Daliah Lavi wusste da vielleicht genau, wovon sie sang…? Dieter Bohlen hat da ja mal so etwas angedeutet, doch dazu später mehr.

Am 05.05.1976 wurde eine weitere Personality-Show mit Daliah Lavi ausgestrahlt: Im ZDF war sie Gastgeberin der Show „Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will“.

Mit einem TV-Auftritt in der berühmten Sendung „Stars in der Manage“ beschloss Daliah Lavi das Jahr 1976 und kam im Frühsommer 1977 mit einer erneuten Cover-Version zurück: Aus Billie Joe Spears‘ „Sing Me An Oldfashioned Song“ machte Gerd Müller-SchwankeWeißt Du, was Du für mich bist?“. Die schwungvolle Country-Ballade wurde nach zwei Jahren Charts-Abstinenz Daliah Lavis letzter Hit der 70er Jahre, was die Verkaufs-Charts angeht – er schlug allerdings großartig ein, kam bis auf Platz 12 und war über 20 Wochen platziert.

Die im gleichen Jahr erschienene Nachfolge-Single „Wie die Schwalben“, eine deutsche Version des Anne-Murray-Hits „Snowbird“, konnte nicht annähernd diesen Erfolg verbuchen – vielleicht auch deshalb nicht, weil der Song bereits 1971 auf ihrem Album „Daliah Lavi“ veröffentlicht wurde.

1978 veröffentlichte Daliah Lavi lt. Schlagzeile des Branchenblattes Musikmarkt eine „Überraschung-LP, mit der niemand rechnete“ namens „Bei Dir bin ich immer noch Zuhaus“. Hintergrund der Schlagzeile war, dass Lavi ja inzwischen in Miami mit ihrem vierten Ehemann, dem amerikanischen Fabrikanten Chuck Gans, verheiratet war und sich nicht mehr „zerteilen“ wollte. Der Kompromiss sah dann so aus: „Schallplattenaufnahmen ja, lange Trennung von der Familie nein“. Entsprechend gab es in dieser Zeit auch keine TV-Auftritte von ihr.

Neben dem Titelsong der LP, einer deutschen Version des Sylvia Tyson Songs „River Road“, der wieder von Gerd Müller-Schwanke getextet wurde, koppelte die Plattenfirma zunächst das Lied „Du bist mein Problem“ aus, eine deutschen Version der Country-Nummer Billie Joe Spears‘: „Lonely Hearts Club“, die zwar sehr gut im Radio lief, aber nicht in den Verkaufs-Charts präsent war.

Ob es an der vergleichsweise „neuen“ Kurzhaarfrisur lag oder doch eher mangelnde TV-Präsenz der Grund war – jedenfalls ging dieser countrybeeinflusste Schaffensteil Daliah Lavis kommerziell unspektakulär zu Ende, und sie beschloss, eine mehrjährige Pause einzulegen.

Schon Anfang der 80er Jahre wurden große „Comebacks“ in Europas (über viele Jahre hinweg) größter TV-Show zelebriert – so auch bei Daliah Lavi: Am 19.09.1981 trat sie nach längerer Abstinenz wieder im Fernsehen bei  Frank Elstners „Wetten, dass…!?“ auf und präsentierte dort ihren damals aktuellen Song „Flüster…“, eine deutsche Adaption des Lacy J. Dolton Hits „Whisper“ (deutscher Text: Wolfgang Mürmann) , die damals nur auf Single veröffentlicht wurde.

Trotz großer Promotion schlich sich kein Erfolg für diesen Titel ein, also versuchte man es mit DEM damals aktuellen Hit. Aus F. R. Davids Millionen-Seller „Words“ machte Michael Kunze Daliahs Version „Mut“ (auf Englisch war „Words“ auf der B-Seite der Single zu hören). Leider kam Daliahs Interpretation genau so wenig an wie die seinerzeit auch erschienene deutsche Version von Mary Roos namens „Zeit“.

Nachdem auch die deutsche Version von Eric Claptons „Promises“ eher durchfiel („Von Dir krieg‘ ich nie genug“),  wurde der langjährige Vertrag der Polydor mit Daliah Lavi nicht verlängert – sie wechselte 1983 zur EMI Electrola. Das neue Produzententeam bestand aus Roland Heck und Gerd Köthe, die seinerzeit u. a. mit Paola sehr erfolgreich produzierten.

Die Vorgehensweise bei der ersten gemeinsamen LP war eher unkonventionell: Daliah Lavi bat den Texter Michael Kunze, ihre Gedanken und Themen zu Liedtexten zu machen (, wobei  ein Song, „Ich will den ganzen Regenbogen“, von ihrer langjährigen Textdichterin Miriam Frances beigesteuert wurde). Diskussionen, die von Daliahs Gründen, nach Jahren wieder eine LP zu produzieren bis hin zu ihrem Engagement für Israel reichten, führten zur endgültigen Fassung der neuen Songs.

Im Gegensatz zur früheren Vorgehensweise, wurden auch auf Single diesmal Original-Songs (keine Cover), jeweils von Michael Kunze getextet, ausgekoppelt: „Ich muss nur sterben (und sonst gibt es kein Muss)“ und „Jahresringe“ – ein Song, der sich nachdenklich mit dem Älterwerden auseinandersetzt. Interessanterweise wurde das bekannteste Lied des Albums mit ähnlichem (diesmal fröhlich aufbereiteten) Thema nicht ausgekoppelt, obwohl es sicher Hit-Potenzial gehabt hätte und zu einem Evergreen geworden ist: „Endlich über 60“.

1984 ging es dann wieder mit Cover-Versionen weiter: Der Welthit „To All the Girls I Loved Before“ wurde von Michael Kunze in „Die erste Nacht der Ewigkeit“ eingedeutscht.

Die nächste Single-Veröffentlichung wurde Daliah Lavis letzter großer Single-Erfolg in Deutschland: „Ich wollt nur mal mit Dir reden“ war nach Ansicht ihrer Plattenfirma eine „eigenständige Single, losgelöst von der Vorlage“. Daliah Lavi erzählte in dem Song von Gefühlen, die jemanden überfallen, wenn er allein zu Hause ist. Dann greift man zum Telefon, nur, um seine oder ihre Stimme zu hören. Stevie Wonders Nummer-Eins-Hit "I Just Called To Say I Love You" wurde somit erfolgreich von Michael Kunze ins Deutsche übertragen. – Mit dem Lied ist Daliah Lavi erstmals überhaupt in der ZDF-Hitparade aufgetreten.

Beflügelt von diesem Erfolg, wurde im Frühjahr 1985 eine weitere LP namens „Herzblut“ veröffentlicht, die sich inhaltlich um Liebe in den unterschiedlichsten Erlebensformen drehen sollte. Diese Überlegung setzten erneut die Produzenten Köthe/Heck um, Michael Kunze war erneut der Textdichter. Wieder gab es eine gute TV-Präsenz, so stellte Daliah die LP in der Michael-Schanze-Show vor. Die Single aus dem Album, „Nur wenn ich lache, tut’s noch weh“ wurde von Michael Cretu komponiert und wurde kein großer Erfolg – vielleicht weil er von Radio-Redakteuren missverstanden wurde, die annahmen, es handle sich um die Zustandsbeschreibung einer Patientin nach dem Aufwachen nach einer Blinddarm-Operation.

Nach dieser Produktion wechselte Daliah Lavi für eine Single erneut Produzent und Plattenfirma: Das nachdenkliche „Wir sind gebrannte Kinder“ wurde von den damals überaus erfolgreichen Ralph Siegel und Bernd Meinunger geschrieben. Trotz eines starken Textes („Wir lernten, den Phrasen von Frieden und Freiheit zu misstrau’n auf heilige Kriege und tödliche Siege wollten wir nicht bau’n“) und trotz einer Vorstellung in der ZDF-Hitparade wurde der auf Siegels Label Jupiter veröffentlichte Song nicht zum Erfolg, so dass Daliah Lavi erneut die Plattenfirma wechselte.

Mitte der 80er Jahre, zu "Hoch-Zeiten" Modern Talkings und Dieter Bohlens, beschloss Daliah Lavi, die deutsche Version des von Dieter Bohlen für Chris Norman komponierten Songs "Some Hearts Are Diamonds" zu interpretieren und schloss einen Vertrag mit Bohlens Plattenfirma Hansa. "In Deinen Armen" war 1986 allerdings wenig erfolgreich, ebenso wenig das 1987 bei der gleichen Firma erschienene "Love", eine Komposition Leo Leandros' mit einem Text des Howard-Carpendale-Kumpels Joachim Horn-Bernges. In Dieter Bohlens Buch "Nichts als die Wahrheit" ist zu lesen, dass der "kleine Dieter" angeblich noch etwas von Daliah Lavi und ihren Verführungskünsten gelernt habe – Daliah Lavi hatte es wohl nicht nötig, das zu kommentieren…

Bei der eher kleinen Company "MCS" veröffentlichte Daliah Lavi einige Jahre später, 1990, eine CD mit Neuaufnahmen ihrer Hits, aber auch einigen neuen Titeln, die im Radio recht gut liefen, ansonsten aber erneut nicht wirklich an alte Erfolge anknüpfen konnten: "Immer, wenn es dunkel wird" und "Gospodin", von Michael Kunze getextet, waren dann vorerst Daliahs letzte musikalische Lebenszeichen in Deutschland.

Das änderte sich Ende 1994, als sie ein Duett mit Karel Gott sang, mit dem sie zum ersten (und einzigen) mal in der ZDF-Hitparade einen Nummer-Eins-Hit lancieren konnte: Der Diana-Ross-Klassiker "When You Tell Me, That You Love Me" wurde von Michael Kunze gekonnt eingedeutscht ("Ich bin da, um Dich zu lieben"), was vom Publikum dankbar angenommen wurde – Daliah Lavi war wieder bei der Polydor gelandet, was zum Erfolg führte. Karel Gott sagte damals dankbar: "Eine solche Zusammenarbeit wäre vor einigen Jahren noch unmöglich gewesen. Uns Tschechen war nämlich früher jeglicher Kontakt zu Israelis offiziell verboten".

Danach wurde es über viele Jahre still um Daliah Lavi, bis sie sich im Jahr 2008 entschlossen hatte, sich mit einer letzten Tournee und einem letzten Album von ihren deutschen Fans zu verabschieden. Ihre im Oktober 2008 veröffentlichte, vom renommierten Pop-Produzenten Dieter Falk produzierte Abschieds-CD "C'est la vie – so ist das Leben" stellte sie am 25.10.2008 in der Show "Willkommen bei Carmen Nebel" mit großem Erfolg vor, die CD wurde sehr erfolgreich, kam bis auf Platz 22 der deutschen Longplay-Charts, so dass sie für 100.000 verkaufte Tonträger sogar noch mal eine Goldene Schallplatte überreicht bekam. Auch die gleichnamige Single lief überaus erfolgreich im Radio.

Das Programm der Abschieds-CD stellte Daliah Lavi im Rahmen einer sehr erfolgreichen Abschieds-Tournee vor. Dem Vernehmen nach besuchte Lavis langjährige Texterin Miriam Frances, die sich ansonsten vollkommen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, das Hamburger Konzert. Für eine DVD wurde das Konzert der Alten Oper Frankfurt mitgeschnitten. Daliah Lavis Abschied von der Bühne wurde mit hochprozentig sehr positiven Kritiken versehen – ihre Stimme und ihre Lieder kamen beim Publikum dem Vernehmen nach sehr gut an.

Von einem TV-Auftritt 2011 abgesehen, hat sich Daliah Lavi zurückgezogen und lebt mit ihrer Familie bis heute in Florida.

In einem Schlagerbuch äußerte sich Harald Martenstein, Feuilleton-Chef der Münchener Abendzeitung,  zu Daliah Lavi wie folgt: "Deutsche Schlager einer israelischen Sängerin, die als deutsche Indianerin Filmkarrieremacht, und das im Coutryton: wenn sowas an sich völlig Unvereinbares zusammenkommt, sprechen die Kunstexperten gerne von Surrealismus" – ich denke, damit ist die außergewöhnliche Karriere einer außergewöhnlichen Künstlerin gut auf den Punkt gebracht.

Foto-Credit: Kristian Rahtjen

Hans-Peter Schmidt-Treptow (Film und Foto-Montage); Stephan Imming (Text)

https://www.universal-music.de/daliah-lavi

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