SCHILLER
“Ich bin in den 80ern sozialisiert worden”_: Das große Interview mit Christopher von Deylen (“Schiller”)!

Der legendäre Werner Rob, Mitglied der Rock’n’Roll Hall Of Fame, hat uns sein Interview zur Verfügung gestellt …:

 

 

 

Die Vergangenheit von Schiller ist hinlänglich bekannt. Mit zehn bisher veröffentlichten und Edelmetall-gekürten Longplayern hat Schiller alias Christopher von Deylen die deutsche Popmusik geprägt. Elektronische Popmusik gegen den Strom. Die letzten vier Longplayer konnten in Folge Platz 1 der deutschen Charts erreichen: “Sonne” (2012), “Opus” (2013), “Future” (2016) und “Morgenstund” (2019).

PZ-Mitarbeiter (PZ = Pirmasenser Zeitung), Hitparaden-Experte und Musikjournalisten-Legende Werner Rob sprach mit Christopher von Deylen  über das brandneue Album “Summer In Berlin” , das am 12.02.2021 erschienen ist und auf Anhieb Platz 1 der Offiziellen Deutschen Album Charts entstanden ist.

 

 

 

PZ: Am Dienstag 26.01.2021 erklang im Abspann der Sendung “Fakt” (ARD) Musik von Schiller. Wie kam es dazu?

Schiller: Ein Redakteur des MDR fragte mich vor einigen Jahren, ob ich ein paar Vorschläge für die Musik im Abspann machen könne. Das grafische Design und das Layout der Sendung hat mir gefallen und so läuft meine  Musik jetzt regelmäßig.

PZ: Was inspiriert Schiller zu diesen Konzeptalben? Wie gewinnen Sie die Ideen? Sind es Spaziergänge in der Natur? Sind es Begegnungen mit Menschen auf Reisen?

Schiller: Das werde ich oft gefragt, wüßte ich auch gerne. Ich bezeichne die Alben eher als Themenalben. Ein Konzept ist – so denke ich – enger gefaßt als ein Thema. Ein Thema bietet mehr Offenheit. Bei einem Konzeptalbum könnte man bestimmt Dinge vorenthalten. Was die Inspiration angeht, so gibt es keine eindeutige Formel oder Rezeptur. Ich bin im Leben immer neugierig und offen. Das macht die Spannung aus. Man kann sich diese Neugier erhalten. Ich gebe dem Glück und dem Zufall eine große Chance. Bei mir viel Try And Error. Ich sammle und variiere am Klavier, Synthesizer und Sequenzer.

PZ: Sie haben ebenso wie ich eine Zeitlang in Berlin gelebt, bezeichnen sich selbst aber als heimatloser Reisender. Das ist wohl jetzt in Zeiten der Pandemie besonders schwer.

Schiller:  Alle meine Reisen und was ich in der Welt entdecke, sind ein Ausdruck der Neugier, die in mir ruht, gepaart mit einer gewissen Rastlosigeit. So sind mir immer neue Ideen passiert. Inspiration passiert einem. Momentan wohne ich südlich von Hamburg. In dieser Gegend bin ich aufgewachsen. Wer in der Provinz aufgewachsen ist, will schnell in die große weite Welt. Als  die LP “Forever Young” von Alphaville mit dem Song “Summer In Berlin”  erschien, war ich 14 Jahre alt. 1984 gab es noch die BRD , und wenn man von Berlin sprach, meinte man West-Berlin. In dem Alter war Berlin das ultimative Fernweh, ein Fernweh de Luxe. Später habe ich in Lüneburg angewandte Literaturwissenschaft studiert, haber in diversen Tonstudios in Hamburg als Praktikant gearbeitet und dann viele Jahre in Berlin gelebt.  Von 2013 an war ich selbstgewählt heimatlos. Ich liebe das Tourleben mit und ohne Tour, war dann in Amerika. Ende 2019 habe ich dann unabhängig von der Pandemie mein Basislager in der Nähe von Hamburg aufgeschlagen. Reisen mit analogen Synthesizern sind  schwer durchführbar.

PZ: Wie schafft es Schiller, sich ständig weiter zu entwickeln, ohne bei sich selber abzuschreiben. Trotzdem hat die Musik einen hohen Wiedererkennungswert?

Schiller: Mit Offenheit und dem Mut zu Träumen. Ich mache die Musik primär für mich, ich kann nicht bei Bedarf eine Dienstleistung abrufen. Ich freue mich sehr, wenn andere Menschen sich von meiner Musik angesprochen fühlen. Ich kann das nicht voraussetzen. Erstaunlich war für mich, als ich aus dem Iran für ein Konzert angefragt wurde und mir mitgeteilt wurde, dass es dort ein sehr großes Schiller-Publikum gäbe. Es war etwas Besonderes , als westlicher Künstler dort aufzutreten. Neugier wird belohnt. Es ist ein schmaler Grad, sich häuslich einzurichten oder es sich bequem zu machen.

PZ: Sie sind ebenso wie ich Traditionalist und Nostalgiker. Sie haben  mit ganz vielen Künstern , besonders aus den 80ern, zusammengearbeitet. Nena, Unheilig, Mike Oldfield, Jaki Liebezeit, Midge Ure, Xavier Naidoo  oder die Schauspielerin Anna Maria Mühe und Alphaville, um nur einige zu nennen. Schiller hat damit Musikgeschichte geschrieben. Sind weitere Projekte geplant?

Schiller: Ich bin in den 80ern sozialisiert worden und natürlich verbindet man mit der Musik mit der man aufwächst ganz besondere emotionale Vignetten.  Ich würde gerne etwas machen mit Neil Tennant von den Pet Shop Boys.  Das ist ein großer Traum von mir. Neils  Stimme ist unverwechselbar, sehr ausdrucksstark. Die Pet Shop Boys haben viele Standards geschrieben, das ist sozusagen British Songbook.

PZ: Kürzlich verstarb Ennio Morricone, der über 600 Soundtracks für Filme geschrieben hat. Sie haben mit Sharon Stone auf dem Album “Future” für den Song “For You” zusammengearbeitet. Gibt es weitere Pläne für Filmmusik?

Schiller: Das mache ich liebend gerne. Ich kann mir das in der Zukunft vorstellen. Es muss sich nur die entsprechende Konstellation ergeben. Jetzt sind wir wieder bei Glück und Zufall.

PZ : In Deutschland sind Sie mega-erfolgreich, drei Nr.1 Alben in Folge. Warum gibt es keine Chartplatzierungen in UK und den USA?

Schiller: Es kann sein, dass man die Musik dort als sehr deutsches Phänomen wahrnimmt. Wenn es um Konzerte geht, ist das genau entgegengesetzt. Es gab Jahre, da habe ich mehr Konzerte im Ausland gespielt als in Deutschland.Es hat auch mit der internationalen Verflechtung der Plattenfirmen zu tun. Jeder Plattenboss schiet zunächst auf seinen eigenen Markt und auf seine Künstler.

PZ: “Summer In Berlin” ist also eine Art cineastischer Roadtrip durch die deutsche Hauptstadt. Der Opener “Der Klang der Stadt” ist eine 20minütige Großstadtsymphonie, beim  Closing-Epos “Dem Himmel so nah” denke ich an Wim Wenders.

Schiller: Ich erlebe Berlin seit meinem Weggang viel intensiver, sauge jede Sekunde auf und möchte am liebsten alles festhalten. Es erscheint sich zu bewahrheiten, dass man aus der Ferne einfach mehr sieht. Einfach die Gedanken schweifen und die Bilder kommen lassen.

PZ: Sie haben immer auf Träume und positive Sequenzen gesetzt. Jetzt in der Corona-Zeit, wo es den Menschen schlecht geht und sie auch ungeduldig werden, ist die Musik von Schiller Balsam für die Seele. Wie beeinflußt die Pandemie  jetzt das Komponieren und weitere Wirken von Schiller?

Schiller:  Das tut es bestimmt. Aber ich kann jetzt nicht sagen, auf welche Art und Weise und wie man das der Musik anhören wird. Alles im Leben hat ja einen wie auch immer gearteten Einfluss auf das Empfinden, ob das eine Pandemie ist oder ein verregneter Sonntag. Ich verfolge alles  im Makro-Kosmos , Infektionszahlen, Bemühunmgen um den Impfstoff, Auswirkungen auf die Gesellschaft.  Der Mikro-Kosmos ist mein Schiller-Kosmos. Ich versuche, die Welt um mich herum, so gut es geht, auszublenden. Das mach ich aber ohne Pandemie auch. Ich habe da ein wenig Übung darin. Philosophen sagen, das die Welt nach der Pandemie eine andere sein wird. Dem kann ich auch folgen. Aber man muss auch selbst etwas dafür tun wie immer im Leben. Man kann Dinge erlernen, wenn man das möchte, die man ohne Pandemie nicht gelernt  hätte. Alles hat mit dem Wort Verzicht zu tun. Ohne Pandemie würden wir uns jetzt mehr mit dem Thema Klimawandel beschäftigen.

Das “Summer In Berlin”-Boxset  (Sony Music) enthält neben dem brandneuen Studioalbum vier bisher unveröffentlichte Live-Konzerte auf insgesamt zwei CDs und zwei Blu-Rays mit einer Gesamtspielzeit von über acht Stunden. Komplettiert wird das epische Werk von exklusiven Dokumentationen, Videoclips sowie einem aufwändigen Foto-Artbook.

 

 

 

 

 

 

Textquelle: Der legendäre Werner Rob, Mitglied der Rock'n'Roll Hall Of Fame (und Stadionsprecher beim 1. FC Kaiserlautern)

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