"EUROVISION SONG CONTEST 2018"
smago! Gast Kolumne von Frank Ehrlacher: "Deutschland sucht den Super-Flop" – NDR ruft zum 'Eurovision Casting Contest'!

“Same procedure as last … place?”: “Germany – zero points” …?

Der NDR hält am "Erfolgs"-Konzept der vergangenen Jahre fest und hat bekannt gegeben, welche INTERPRETEN sich an der deutschen Vorentscheidung zum ESC 2018 beteiligen  –  und spätestens jetzt fühlen sich alle wirklichen Fans dieses Wettbewerbs grenzenlos veralbert – #metoo (oder so…):
 
Eine Top 10-erfahrene Folk-Boyband (die ich übrigens wie nahezu alle Teilnehmer musikalisch sehr schätze, aber darum geht es hier gar nicht), diverse ehemalige "The Voice Of Germany"-Sieger und -Teilnehmer und – die aktuelle "The Voice Of Germany"-Siegerin, erst vor zwei Wochen gekürt. Moment? TVOG-Siegerin im Vorentscheid? Hatten wir das nicht schon mal?
Richtig, 2016 schickte man Jamie Lee als frischgebackene TVOG-Siegerin in die Vorentscheidung, die ihre komplette Fanbase mitbrachte und gegen die logischerweise niemand eine Chance hatte, obwohl der Song wenig taugte. Das Desaster in Stockholm ist bekannt. Diesen Fehler wollte man nicht wiederholen und dieses Jahr alles anders machen… sagte der NDR. Fakt ist: Man macht es genau so wie in den vergangenen drei Jahren, was uns im Endeffekt zwei letzte und einen vorletzten Platz bescherte! Ich bin selten komplett fassungs- und verständnislos – hier bin ich es!
 
Niemand spricht von Songs, niemand davon, dass die vergangenen Jahre gezeigt haben, dass es nicht reicht, namhafte und charterfahrene Autoren mit dem Schreiben von Songs zu beauftragen (oder sich aus deren Schubladen zu bedienen), sondern dass man eine klare Idee braucht, womit man musikalisch beim ESC überzeugen möchte. Wieder veranstaltet "man" eine Casting-Show für Insider, versucht Namen zu finden, die nicht all zu viel Bühnen-Erfahrung haben (mit 1, 2 Ausnahmen), aber über Namedropping eine Fanbase mitbringen – was bitte hat das mit dem ESC zu tun und was bitte, ist hier anders als in den vergangenen Jahren?
 
Die Songs sollen nun "bis zu 15 national und international erfahrene Autoren" schreiben, deren Namen man nicht einmal nennt und die einzig und allein NDR & Co. nach ihrem Geschmack bestimmt haben. Das viel "gepriesene" "Euopa-Panel" hatte hier keinerlei Mitspracherecht, welche Autoren (und DIE sind nun einmal die eigentlichen Hauptdarsteller des ESC) sich denn nun an der Vorentscheidung überhaupt beteiligen dürfen. DAS nennt der NDR "transparent, offen, publikumsnah, demokratisch"? Genau das Gegenteil ist der Fall!
 
JEDER, der sich ein bisschen im Musik- und TV-Geschäft auskennt, weiß ohnehin, dass bei dieser Art Vorentscheidung am Ende dem deutschen TV-Zuschauer der Song recht egal ist, wenn er Interpreten dabei hat, von denen "er Fan ist" und es letztendlich darum gehen wird, welcher Interpret vereint die meisten Fans und damit Stimmen auf sich. Und damit haben wir dasselbe, was in den vergangenen Jahren zu hinteren Plätzen führte: Eine Casting-Show ohne jeden Bezug zum ESC.
 
Noch ein letztes (wer bis hierhin durchge-lesen-halten hat, verträgt vielleicht auch noch ein paar Sätze mehr) zum vielbesprochenen "Europa Panel", das der NDR als DIE Neuheit der ESC-Saison 2018 präsentierte: Das "Europa Panel" besteht nicht, wie man meinen könnte, aus Musikfans aus ganz Europa, sondern aus deutschen ESC-Fans, die man danach ausgewählt hat, das deren Musikgeschmack möglichst nah an dem ist, wie die europäischen Zuschauer und Jurys in den vergangenen Jahren abgestimmt haben. Also der Versuch, mit mathematischen Formeln zu berechnen "Wenn denen ein Interpret gefällt, dann muss er auch Europa gefallen".
Das ganze hat zwei Pferdefüße:
Erstens haben die vergangenen Jahre gezeigt (gerade die Siegertitel der vergangenen drei Jahre aus Portugal, der Ukraine und Schweden), dass beim ESC gerade DER Song Chancen hat, der an diesem Abend aus der Masse hervorsticht und das besondere bietet (man nennt es "Momentum") – meist jenseits vom Massengeschmack. Dies isoliert in einem Videoclip zu simulieren scheint unmöglich,
Zweitens aber auch da wieder die Hauptcrux: Dieses "Panel" durfte ja nur Casting-Interpreten begutachten, ein reines Typen-Casting also. Die Songs, die dann Europa in Lissabon überzeugen sollten, bekamen sie gar nicht zu hören, denn – s.o. – die gibt es ja noch gar nicht…
 
Andere Länder zeigen, wie es geht:
Alle (!) Komponisten schreiben Songs, eine Jury möglichst unabhängig von der TV-Anstalt, sondern bestehend aus wirklichen Musik- und ESC-Fachleuten, suchen daraus die Songs für die Vorentscheidung aus, die Komponisten (!) finden geeignete Interpreten für IHRE Songs (denn die Autoren haben nun mal die beste Vorstellung, wie das ganze klingen und wirken soll, sie machen das beruflich) und das TV-Publikum stimmt dann über das Gesamtpaket ab (oder wenn es zu sehr nach "Fan-Voting" riecht auch gerne ein repräsentatives demoskopisches Panel, das funktioniert bei Wahlen ja auch recht solide, dass man nicht 80 Mio. Deutsche befragt, sondern nur eine statistisch repräsentative Zielgruppe).
 
Aber all das würde eins voraussetzen: Mit Profis arbeiten, sich ernsthaft Gedanken über den ESC machen und vor allem: Wirklich einmal zuhören!

Facebook-Seite von Frank Ehrlacher (Textvorlage)
http://www.eurovision.tv
http://www.eurovision.de

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