RALF BENDIX
Die Doppel-CD "Große Erfolge & Evergreens" im Test von Holger Stürenburg!

Holger Stürenburg definiert den Begriff “Fleißarbeit” mal wieder völlig neu, wie Sie HIER nachlesen können…: 

Es durfte etwa ein Jahr vor meiner Geburt gewesen sein, als mein Vater, der in Tübingen an der Uni lehrte, den Auftrag erhielt, in Zukunft am Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg tätig zu sein. Da er zuvor ausschließlich in Bayern bzw. Baden Württemberg gearbeitet hatte, bedeutete für ihn und meine Mutter der Umzug in den hohen Norden den sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser. Wie sie mir – der ich nur kurz später noch nahe Tübingen zur Welt kam – im Laufe meiner Kindheit immer wieder erzählten, existierte seinerzeit, also 1970/71, ein ganz spezielles Lied, das für sie sozusagen die tönende Motivation, die musikalische Untermalung, für den beruflichen Neustart in der Freien und Hansestadt bedeutete. Dieses Lied hieß „In Hamburg sind die Nächte lang“,  war ein von Karl Bette komponiertes und von Hans Bradtke und Claus Ritter gereimtes, locker swingendes, nächtlich-urbanes Schlagerchanson, welches schon 1959 aufgenommen worden war, von einem großartigen Künstler, Schlagersänger, Produzenten, Humoristen und TV-Dauergast namens Ralf Bendix.

Der 1924 als Karl-Heinz Schwab geborene Showallrounder galt als einer der erfolgreichsten einheimischen Schlagerinterpreten der 50er und 60er Jahre. Ralf Bendix hatte bereits nach dem II. Weltkrieg in amerikanischer Gefangenschaft in verschiedenen Bands gespielt und auf diese Weise erste Bekanntschaft mit Swing, Jazz und Country geschlossen. Danach gab er sich zunächst dem universitären Studium von Jura und Wirtschaft hin und schloss dasselbe 1952 als Dr. rer. pol. ab. Nachdem er vom Kölner Kollegen Paulchen Kuhn einen Schallplattenvertrag vermittelt bekommen hatte, ging ab sofort alles strikt bergauf für ihn: Ein neuer heller Stern am Deutschen Schlagerhimmel ward geboren, der bis in die 70er Jahre hinein für den einen oder anderen unvergesslichen Erfolg im Rahmen der Leichten Muse gut sein sollte. Viele von seinen damals aufgenommenen Liedern haben längst einen unverbrüchlichen Klassikerstatus inne.

Nun ist Ralf Bendix vor wenigen Wochen, nur 14 Tage nach seinem 90. Geburtstag, in seiner Wahlheimat in Stansaad-Füringen in der Schweiz verstorben. Statt eines Nachrufes, möchte ich nun an dieser Stelle die mit viel Feingefühl und Kenntnis der Materie zusammengestellte Doppel-CD „GROSSE ERFOLGE & EVERGREENS“ des oft verschmitzt lächelnden Paradeentertainers mit der so kraftvollen, tiefen, ja geradezu sonoren Stimme vorstellen, die seine langjährige Schallplattenfirma EMI-Electrola, heute UNIVERSAL, zu seinem 90. Ehrentag kürzlich veröffentlicht hat.

Darauf befinden sich tatsächlich alle wichtigen Liedbeiträge, die man von Ralf Bendix kennen sollte, die ihn in den Goldenen Jahren der Wirtschaftswunderzeit und danach oft in die höchsten Sphären der deutschen Hitparaden befördert hatten und von denen nicht wenige schlicht viel zu schade, weil zu eingängig, zu liebenswert, zu zeitlos, sind, um sie einfach so dem Vergessen anheimfallen zu lassen.

Der allererste Erfolgstitel von Ralf Bendix, der schon 1956 bis auf Rang 2 der deutschen Hitparaden ziehen konnte, war die vornehm zurückhaltend intonierte, deutsche Version des düsteren Country-Folk-Songs „Sixteen Tons“ von Merle Travis bzw. Tennessee Ernie Ford. Dieser hatte von dem Wilhelmshavener Texter und späteren kreativen Compagnon von Synthispezialist Giorgio Moroder, Peter Moesser, deutsche Reime verabreicht bekommen, die zwar mit der sozialkritischen Intention des US-Originals nichts gemein hatten, aber trotzdem zweifellos teutonische Schlagergeschichte schrieben: „Sie hieß Mary Ann“, die abgeklärte Story eines Schiffsjungen und späteren Kapitäns, der niemals so recht eine Frau, dafür aber umso intensiver sein Schiff „Mary Ann“ zutiefst liebte, bis dieses einst, an einem 19. Mai, nach einem Orkan in der Hudson Bay, zu seinem Grab werden sollte, gab es im Laufe der Zeit von z.B. Freddy Quinn oder gar als bluesigen Rockhammer von Ex „Rattle“ Achim Reichel zu hören. Doch am prägnantesten, erfolgreichsten und beliebtesten ist bis heute die sehnsüchtig-morbide Interpretation der zickigen, gedämpft swingenden Countrymelodie von Ralf Bendix. Mit diesem fulminanten Singledebüt, startet nun auch vorliegende Best-of-Koppelung „Große Erfolge & Evergreens“, die mit insgesamt 42 Titeln aus den Jahren 1956 bis 1975 auffährt, von denen, laut der Plattenfirma, neun noch niemals zuvor im glasklaren CD-Sound erhältlich waren.

Noch im selben Jahr folgte die ebenso grandios und energetisch ausgefallene deutsche Sichtweise des dunklen Elvis-Presley-Pop-Blues-Melodrams „Heartbreak Hotel“, betextet von Hans Bradtke als „Hotel zur Einsamkeit“. Auch dieses findet sich auf „Große Erfolge & Evergreens“. Einwenig schwülstigen, hemmungslosen Blues, verbunden mit sachten Doo-Wop-Elementen, präsentiert die hinreißende Edelschnulze „Come Prima“ (1958), eine von Günther Schwenn deutsch betextete Neuauslegung des gleichnamigen Italo-Hits von TV-Star Tony Dallara; konsequent fetzig und tanzbar wurde es dagegen in dem von einem geheimnisvoll-mitternächtlichen Intro im Sinne damaliger Kriminalfilm-Soundtracks a la Edgar Wallace eingeleiteten, schon bald jedoch zu einem knackigen, schnellen, drallen Rock’n’Roll auswachsenden, bläserverstärkten, klassischen 50er-Jahre-Jazz-Boogie-Schlager „Trinidad“ (1959).

Der größte Singlekracher von Ralf Bendix, der wohl auf Ewig mit ihm in Verbindung gebracht wird, ist und bleibt der so liebevolle, wie kess augenzwinkernde „Babysitter-Boogie“, der im April 1961 erschienen war und bald darauf ganze fünf Wochen lang auf dem ersten Rang der hiesigen „Media Control“-Listen notiert wurde. Auch hierbei handelte sich um die kecke muttersprachliche Auslegung einer US-amerikanischen Rock’n’Roll-Vorlage. Diese nannte sich „Baby Sittin‘ Boogie“, war 1961 von dem darüber hinaus hierzulande kaum bekannt gewordenen US-Singer/Songwriter Buzz Clifford veröffentlicht worden, und blieb dessen einziger, wenn auch natürlich weltweit gefragter Liederfolg. Joachim Relin ersann dazu die deutsche Lyrik, die zeitnah zum grassierenden Baby-Boom jener Tage somit auch einen gewissen historischen Hintergrund aufwies. Das hinzugemischte, legendäre Babylachen stammte von der „Kleinen Elisabeth“, der Tochter des Produzenten-Ehepaars Hans und Elisabeth Bertram, das seinerzeit unter dem Pseudonym „Lillibert“ unzählige Hits u.a. für Roy Black („Schön ist es auf der Welt zu sein“) oder Chris Roberts („Mein Schatz, Du bist ´ne Wucht“) schrieb. Der „Babysitter-Boogie“ verkaufte sich allein in Europa über eine Million Mal, ihr Interpret Ralf Bendix wurde dafür mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet.

Im selben Jahr folgte die ironisch frivole Liebesode auf die kaum zu bändigende „Striptease-Susi“, die aus der Sicht ihres einerseits von ihrem Gehabe äußerst genervten, andererseits sehr wohl von Stolz auf seine umschwärmte Angetraute beseelten Göttergatten gesungen wurde. Die „Striptease-Susi“ enthielt für damalige kreuzbrave, Adenauer-selige Zeiten zwar ungewohnt offenherzige lyrische Späßchen, schien aber leider von unnötigerweise eingeblendeten, letztlich unpassend wirkenden Schenkelklopfer-Lachorgien fraglos ihres ursprünglich sicherlich vorhandenen Charmes beraubt worden zu sein. Das bald darauf veröffentlichte, lyrisch auf Teufel komm raus auf Stimmung und Jux getrimmte, ansonsten ziemlich fade Country-Pop-Liedchen „Mama, hol‘ den Hammer“, eine musikalisch vom fröhlich geschlagenen Banjo geprägte, deutsche Fassung von „Mama get the Hammer (There’s a Fly on Papa’s Head)“ des US-Rockabilly-Musikers Bobby Peterson, übertrieb allerdings das eher in Karnevalsgefilde, denn in ernsthafte Schlagerparaden passende Sauf- und Stimmungslied-Ambiente, in dem auch das ein Jahr später vorgelegte, qualitativ eigentlich völlig unbedeutende Zirkus-trifft-Fasnachtssitzung-Blödelschlagerchen „Die große Nummer wird gemacht“ stilistisch verweilte. Eine solch große Nummer sollte vermutlich auch der von Heinz Gietz und Joachim Relin verfasste „Babysitter-Twist“ werden, der, wie sein inhaltlicher Vorgänger-Boogie, zwar deftig mit Kinderstimmen und durchaus liebenswertem Humor operierte, die spezifische Neuartigkeit, das witzig-anarchische Flair des unschlagbaren „Babysitter-Boogies“ allerding ebenso wenig ausstrahlte, wie er es dessen überdimensionalen Charterfolg zu erreichen vermochte, so dass der wie ein nur auf Kommerz ausgerichtetes Selbstplagiat wirkende „Babysitter-Twist“ in den Singlehitparaden, nicht ganz zu Unrecht, nur auf Rang 30 hängen blieb.

Als geradezu brillant und zudem betörend ohrwurmträchtig, erwies sich hingegen Ralf Bendix‘ flotte, poppige Bearbeitung des baden-württembergischen/schwäbischen Sinnspruchs „Schaffe, schaffe, Häusle baue“, aus der Feder von Josua Röckelein (1964). Auch seine deutsche Nachempfindung von Johnny Cashs brodelndem Countryklassiker „Ring of Fire“, muttersprachlich zu „Der große Track aus Idahoe“ umgemünzt, zeigte sich als äußerst gelungen, ehrlich und gewitzt in teutonische Gefilde übertragen.

Der knackige, rhythmische Swing/Rumba-Fetzer „In meinem Schaukelstuhl“ (1964) oder der peppige, rasende Country-Hillbilly-Verschnitt „Die Liebe ist ein Wildwestfilm“ stellten gleichfalls besten deutschen Früh-60er-Popschlager in Reinkultur dar. „Es zog einst ein Fremder durch das Land / mit ´nem schwarzen Koffer in der Hand“ war keine weise Vorausschau auf die CDU-Spendenaffäre 1999/2000 oder gar eine Hommage an Walter Leisler Kiep, sondern vielmehr ein freches, überaus liebenswertes Couplet über einen geheimnisvollen Trödelhändler, der in Begleitung eines „schwarzen Koffers“, angefüllt mit allerlei nicht wirklich lebensnotwendigen Utensilien, die im Text nur angedeutet, nicht ausgesprochen werden, durch die Lande zog und diese überall in der BR Deutschland misstrauischen Hausfrauen feilbieten mochte.

Der stets hitträchtig agierenden Feder des vor einem Jahr verstorbenen Hamburger Schlagermoguls Klaus „Nick“ Munro entsprang das einerseits staubtrockene, countryinfizierte, konsequent männlich-herbe, andererseits in seinem Refrain so liebevoll romantisch, mit Absicht überzeichnet niedlich-süßlich überzuckerte Beinahe-Gute-Nacht-Lied „Aber Du in Deinem Himmelbett“ (1967), während das streicherverzierte, konstruktiv großspurig angelegte Feudalchanson „Charmaine“, das in seinem Mittelteil zu einem rasanten, lauten Big-Band-Epos erwächst, grellen, monumentalen, jederzeit authentischen Las-Vegas-Show-Charme in bester, überzeugendster Manier verstrahlt.

Zu den nur noch wenigen Aufnahmen von Ralf Bendix aus den 70er Jahren zählen z.B. das volkstümlich angehauchte Country-Schlager-Schmankerl „Ein bisschen Licht, ein bisschen Luft, ein bisschen Sonnenschein“, der als neuer Modetanz gedachte (als solcher aber vollkommen gescheiterte), grell fröhliche (dadurch aber auch enorm nervtötende) Humptata-Stampfer „Tumba Tumbala“, sowie das flinke, aufmunternde, freundlich-sommerlich vor sich hin swingende Popchanson „Vergiss nicht zu lächeln“; allesamt aus dem Jahr 1972.

Ein Jahr später schuf der stets sympathisch, niveauvoll, geradezu elegant agierende Edelmann noch einen weiteren fulminanten Liedbeitrag, der noch heute zu den Topfavoriten des Verfassers dieser Zeilen aus dem reichhaltigen Fundus des Ralph Bendix zählt. Dabei handelt es sich um eine prickelnde deutsche Version des eingängigen Welthits „Tie a yellow Ribbon ´round the old Oak tree“ von der US-Poptruppe „Dawn feat. Tony Orlando“: „100 bunte Bänder“ fungierte als eine von zwei muttersprachlichen Sichtweisen des hoch melodischen Evergreens; andere, mit divergierendem Text, gab es von Martin Mann bzw. Peter Alexander unter dem Titel „Bind ein blaues Band um den Birkenbaum“. Ralf Bendix‘ Fassung von „Tie a Yellow Ribbon…“ war gesungen aus der Sicht eines Reisenden, der im Überlandbus einen Mann traf, der sich nach längerer Abwesenheit aus undefinierten Gründen, auf dem Weg zurück zu seiner damaligen Freundin befand, die er so ewig lange nicht mehr gesehen hatte. Er hatte sie zuvor per Brief gebeten, sie möge doch ein buntes Band am alten Lindenbaum aufhängen, als wehendes Zeichen, dass sie ihn noch genauso liebhabe, wie vor seinem Verschwinden. Er war unendlich nervös, als seine Station näher rückte, ob ihm seine Angebetete tatsächlich ihre weiterhin währende Verbundenheit mittels des erhofften bunten Bändchens bewiese – und, als er dann am Heimatort angekommen war, stellte er erfreut fest, dass sein Mädchen nicht nur etwa ein einziges läppisches Bändchen am Lindenbaum angebracht hatte, sondern dass gleich „100 Bunte Bänder“ zur Begrüßung am Baum hingen, die ihm nun sein großes Glück bringen sollten.

Auch der neuerliche, nicht gerade umwerfende, vielmehr penetrant auf Lustigkeit und Feierlaune getrimmte Stimmungshymnus „Sekt für das ganze Lokal“, sowie der wiederum durchwegs Frohsinn und Freude verbreitende, auf dem volkstümlichen Klavierlehrstück „Flohwalzer“ aufbauende Show-Stomper „Ich bin rundherum zufrieden“, sind im Jahr 1973 entstanden. Ralf Bendix‘ letzte, dennoch mehr als nur beachtenswerte Liedaufnahme für EMI-Electrola stellte 1975 die drall bläserbetont arrangierte, stets liebenswerte, außerordentlich sympathische Oldtime-Jazz/Ragtime/Cabaret-Mixtur „Nostalgie“ dar, mit der CD-01 von „Große Erfolge &  Evergreens“ auf phantastische Art und Weise endet.

Eingangs erwähnter Evergreen „In Hamburg sind die die Nächte lang“ sollte dem Verfasser dieser Zeilen seine Kleinkindzeit weiterhin versüßen. Wie mir meine Mutter und mein Vater oft erzählten, sei ich mit drei, vier Jahren jeden Morgen in aller Früh aus dem Kinderzimmer ins Wohnzimmer geschlichen, um mir dort, von den schlafenden Eltern ungestört, deren Schallplatten auflegen zu können, da der Plattenspieler im Erdgeschoss im Wohnraum stand. Immer dann, wenn ich „In Hamburg sind die Nächte lang“ hörte und die Textzeile „wenn Mondschein auf die Alster fällt“ an der Reihe war, soll ich – ich selbst weiß es nicht mehr, war noch viel zu jung – laut „Plumps“ geschrien haben; eine Anekdote, die ich bis heute immer wieder vernahm, und die letztlich auch meine inzwischen über 40jähhrige Verbundenheit zu Ralf Bendix und seinen Liedern eindeutig belegt.

Der besagte Hamburg-spezifische Klassiker befand sich ursprünglich auf der bereits 1959 erschienen LP „Auf Wiedersehen“, für die Ralf Bendix eine Vielzahl von bekannten Schlagern, Evergreens und Filmmelodien mit viel Liebe und Leidenschaft eingesungen hatte, oft in zackiger Swing/Jazz-Verkleidung, mit vielen Bläsern inszeniert, von latentem Bluesfeeling durchzogen – stets vor allem natürlich lebend von seiner tiefen, immer wieder Sympathie erweckenden, stets kraftvollen, mitreißenden Stimme. Das 12-teilige Repertoire dieser legendären schwarzen Scheibe, die meine Eltern in ebenjener Zeit besaßen und an der ich schon als Kind oft so großen Gefallen fand, eröffnet nun in derselben Reihenfolge, wie im Vinyl-Format, die zweite CD von „Große Erfolge & Evergreens“.

So geht es gleich los mit dem so mondän, wie leger, luftig leicht swingenden, mit fetten Bläsersätzen ausstaffierten Hymnus auf die offenbar ellenlangen Nachtstunden und den auf die Alster fallenden Mondschein in der Freien und Hansestadt, gefolgt von der volkstümlich beschwingten Bänkelgesang/Schnaderhüpfel-Melange „Kuckucks-Walzer“, 1918 geschrieben von dem schwedischen Komponisten und Militärmusiker Johan Emanuel Jonasson unter dem Titel „Gökwalsen“, und dem kessen, lasziv-verliebten Swing-Couplet „Bei Dir war es immer so schön“, aus der Feder der 1953 verstorbenen Berliner Komponistenlegende Theo Mackeben.

Tieftraurig, depressiv, geradezu morbid, wird es in „Einsamer Sonntag“, Ralf Bendix‘ deutschsprachiger Fassung der oft als ‚Lied für Selbstmörder‘ bezeichneten, sich mühsam und betont abgeschlafft vor sich hin schleppenden Düsterballade „Gloomy Sunday“, die 1932/33 vom Budapester Pianisten Rezső Seress (der Jahre später übrigens selbst Suizid beging) im Anfall einer schweren Depression ersonnen worden war. Ebenfalls aus den 30er Jahren stammt das von Ralf Bendix kongenial und gewitzt übernommene Ragtime-Chanson „Kannst Du pfeifen, Johanna?“ (1934, „Comedian Harmonists“); das wehende, gefühlvoll-sentimentale Liebeslied „Du, Du, Du (lass mein kleines Herz in Ruh‘)“ dagegen entrann der Feder des großen Hamburger Schlagerschreibers Lothar Olias, wurde im Original 1953 von Angele Durand erstmals intoniert, und ertönte sechs Jahre später in der Darbietung von Ralf Bendix zurückhaltend, gedämpft arrangiert und trotzdem kraftvoll und überzeugend, verbunden mit trefflichen Doo-Wop-Chören nach US-amerikanischem Vorbild.

Der „Schöne Gigolo“, 1928 von dem Italiener Leonello Casucci zu Papier gebracht, kam bei dem hier gewürdigten Künstler  – in diesem Falle diente das furiose Jazzarrangement des US-Entertainers Louis Prima als Vorbild hinsichtlich musikalischer Ausrichtung – in Form eines treibenden, nahezu rockigen Swing-Feuerwerks, um zig Bläser und Streicher angereichert, zum so erfolgreichen wie hochqualitativen Einsatz. Franz Lehars allseits geläufiger Operette „Die lustige Witwe“ wurde demgegenüber das von Ralf Bendix ebenfalls neu interpretierte „Vilja-Lied“ entliehen. Zum feudalen Swing, mit Barpiano und sanften Streichern eingekleidet, avancierte Richard Taubers laszive 1928er-Operrettenmelodie „Ich küsse Ihre Hand, Madame“. Die getragene Edelschnulze „Warum müssen die Jahre vergehen?“ basiert auf der ruhigen Swing-Ballade „My Prayer“, die 1939 von US-Jazzposaunist und Bandleader Glenn Miller und seiner legendenbehaftenen Big Band international bekannt gemacht worden war. Leicht französisch angehaucht, behände swingend, mit Chanson-kompatiblem Akkordeon als führendem Instrument, Akustikschlagzeug und Slap Bass, erklingt der 1932 entstandene und sechs Jahre später von der dreiköpfigen US-Vocal-Group „The Andrew Sisters“ global etablierte Jazz-Standard „Bei mir bist Du schön“, bevor das damalige LP-Titellied „Auf Wiedersehen“, eine 1949 von den „Schöneberger Sängerknaben“ erstmals aufgenommene, klingende Verabschiedung, das durchwegs überzeugende, abwechslungsreiche und stilsicher ausgewählte Programm jener Hitsammlung des Ralf Bendix aus dem Jahre 1959 zu Ende gehen lässt, das für „Große Erfolge & Evergreens“ detailgetreu aufgearbeitet wurde und nun frisch remastered, kräftig und gänzlich rauschfrei zu genießen ist!

Zu den weiteren unschlagbaren Höhepunkten auf der zweiten Silberscheibe vorliegender Doppel-CD zählen, neben bereits erwähntem grandiosen Elvis-Cover „Hotel zur Einsamkeit“, z.B. Ralf Bendix‘ 1958 entstandene Aufnahme des mediterranen Welthits „Bambina“ („Volare“), mit deutschen Text von Kurt Feltz – hier war Peter Alexander 1958 derjenige deutschsprachige Künstler, der mit der Erstaufnahme die größten Meriten hatte einfahren können – oder „Wo meine Sonne scheint“, im Original als „Islands in the Sun“ von Harry Belafonte zu weltweiter Popularität geführt, und 1957 muttersprachlich zunächst von Caterina Valente zum Hit gemacht, in Bendix‘ Version trotzdem im November 1957 immer noch für einen guten achten Platz in der Verkaufshitparade gut. Ganz großes Kino bietet die freche, aufmüpfige, geradezu lautstarke, womöglich bombastische Adaption von Louis Primas radikalem Jazz-Rock’n’Roll „Buona Sera“, mit deutschem Text von Axel Weingarten; im Januar 1958 ein absolut verdienter fünfter Rang in den einheimischen Singlehitparaden und ein weiterer Bendix-Favorit des Verfassers dieser Zeilen.

Der so gemächliche, wie elitär anmutende, von bedächtigen Streichern geführte „Venus-Walzer“ (1960), geschrieben von US-Filmkomponist Ron Goodwin, der wehmütige, wie gleichsam hoffnungsvolle Abschiedsschlager „Tschau, Tschau, Bambina“, basierend auf der Komposition „Piove“, 1959 von Domenico Modugno gesungener Siegertitel des italienischen „San Remo Festivals“, der ungewohnt religiös angehauchte Gospelschleicher „Es war im Anfang“, sowie der unschlagbare Gassenhauer „Kriminal-Tango“, beschließen eine monumentale Songkollektion eines großartigen, vielseitigen, stets charmant, gutbürgerlich und stilvoll auftretenden Künstlers, der nicht nur als Entdecker von Volksmusik-Star Heino im Jahr 1965 einen dauerhaften Platz auf dem bundesdeutschen Popolymp einnehmen sollte, sondern auch und gerade als Erschaffer mitreißender, peppiger und – nicht immer, aber sehr häufig – enorm niveauvoller Lieder, von denen nicht wenige längst zum Allgemeingut des Deutschen Schlagers der Nachkriegszeit gezählt werden müssen. 42 dieser unvergesslichen Songperlen sind nun komprimiert, in bester Klangqualität, auf der (zudem recht kostengünstigen) Doppel-CD „Große Erfolge & Evergreens“ von Ralf Bendix in Gänze nachzuhören – und ich denke, sie werden nicht nur bei der Wirtschaftswunder-Generation der heute über 65jährigen schöne Erinnerungen an ihre Jugendtage auslösen, sondern auch vielen schlager-affinen Nachgeborenen, Dank ihrer jederzeit vorhandenen Originalität, ihrer betörenden Echtheit und ihrer zumeist immens ungekünstelten Machart, sehr aus dem Herzen sprechen!

Holger Stürenburg, 13. bis 15. September 2014

http://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Bendix

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