"FETENHITS"
Das 3-CD Box-Set "Fetenhits – Neue Deutsche Welle – Best Of" im Test von Holger Stürenburg!

Ebenfalls parallel erschienen sind: “Fetenhits – Schlager – Best Of” (bereits besprochen) “Fetenhits – Die Deutsche – Best Of” (noch in der Pipeline)! 

Zeitgleich mit der von mir HIER bereits vorgestellten „Best of FETENHITS – Schlager“-Kollektion und einer hauptsächlich auf deutschsprachige Rockmusik der letzten 30 Jahre ausgerichteten Kompilation namens „Best of FETENHITS – Deutsch“, ist dieser Tage zusätzlich die fett gemästete, mit insgesamt 60 (!) Titeln bestückte Drei-CD-Box „Best of FETENHITS – Neue Deutsche Welle“ bei Polystar/UNIVERSAL erschienen. Auf diesen drei Silberscheiben kommt wahrhaft alles das zur ausgiebigen Geltung, was zu Beginn der 80er Jahre das einheimische Popleben gehörig durcheinanderbrachte, grundlegend erneuerte, modernisierte, erst so recht zukunftstauglich gestaltete.

Nachdem in der zweiten Hälfte der 70er Jahre gitarrenlastiger Punk und überwiegend vom Synthesizer geprägte New Wave-Sounds, nach 1980 bald zu New Romantic weiterentwickelt, das angloamerikanische Popgeschehen beherrschten und damit einen tönenden Protest gegen überkommenen Bombastrock a la „Pink Floyd“, „Genesis“ oder „Queen“ ebenso bedeuteten, wie gleichsam ein aufmüpfiges Ad-Absurdum-Führen der hedonistischen Discoglitzerwelten, tat sich nun auch in unseren Breitengraden so einiges im bis dato eher behäbigen popkulturellen Dasein. Junge, kreative Bundesbürger um die 20 nutzten Vorbilder aus der internationalen Punk- und Waveszene für Eigenes, daran Angelehntes. Sie verfassten mal kritische, mal dadaistisch-spielerische oder einfach nur spaßige, offensive, meist unverblümte Texte in unserer Muttersprache – manche Künstler dieser neuen Stilistik griffen sogar auf den glückstrunkenen Nachkriegsschlager der Wirtschaftswunderzeit zurück, parodierten diesen augenzwinkernd und motzten ihn entsprechend auf – und kreierten auf diese Weise den Begriff „Neue Deutsche Welle“ (NDW): Von Mitte 1981 bis Ende 1983 ging ohne die NDW in diesem unserem Lande gar nichts. Schrille, grelle, provokative Typinnen und Typen sandten fast täglich neuartige, deutschgesungene Schmankerln im schrillen Wave-, Pop-, manchmal auch Punk- und Rock’n’Roll-Gewand an die Öffentlichkeit – und die erwartungsvollen Pop-Kids jener Tage griffen begeistert bis überwältigt zu.

Die wichtigsten, prägnantesten und zugleich kommerziell erfolgreichsten und einträglichsten musikalischen Untermalungen und Begleiterscheinungen, jener Phase des neuen deutschen Aufbruchs, jener Tage von NATO-Doppelbeschluss, Friedensbewegung, „Geistig-moralischer Wende“ und wirtschaftlichem Aufschwung, haben die Verantwortlichen der Katalogabteilung von UNIVERSAL nun penibel und gewitzt, durchwegs an Vielfalt, Sorgfalt und bestmöglicher Vollständigkeit orientiert, für die wahrlich sehr faszinierende und klangvolle Dreier-CD „Best of FETENHITS – NEUE DEUTSCHE WELLE“ zusammengetragen.

Aus der Gründerphase der NDW, die 1979/80 überwiegend in Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln, und ganz besonders im legendenumwobenen Waveschuppen „Ratinger Hof“ zu Düsseldorf ihre Urstände feierte, bekamen z.B. „Ideal“ mit ihren zackigen Wave-Gossenhauern „Blaue Augen“ (1982) und „Ich steh‘ auf Berlin“ (1980) oder die genialischen Düsseldorfer Punk-Quälgeister „Fehlfarben“ absolut berechtigten Platz auf vorliegender Hit-Zusammenstellung zugewiesen. Gerade letztere pflegten einen provokant anarchischen Konservatismus und machten mit dem „Talking Heads“-ähnlichen Funkrocker „Die wilde Dreizehn“ (Herbst 1981) und besonders dem (von der Band bzw. ihrem Frontmann Peter Hein eigentlich verabscheuten), von Linken als gesungene Hausbesetzerparole missdeuteten Antihymnus „Ein Jahr (Es geht voran)“ (1980 bzw. 1982 als Single) im wahrsten Sinne des Wortes ohne Atempause (Musik-)Geschichte. Das Frankfurter Synthipop-Terzett „Rheingold“ um den charismatischen Frontmann Bodo Staiger, war seinerzeit die erste Band, die eindeutig ins Spektrum NDW gehörte und sich mit dieser klanglichen Spielart in den offiziellen deutschen „Media Control“-Singlehitparaden plazieren konnte. „Rheingolds“ distanziert-romantische zweite Single „Dreiklangsdimensionen“, die Ende August 1981 den Einbruch der Neuen Deutschen Stilrichtung in die Verkaufscharts einläutete, findet sich ebenso auf „Best of FETENHITS – Neue Deutsche Welle“ wieder, wie deren zickig-gehetzter Nachfolger „FanFanFanatisch“, der im Januar 1982 als Titelsong des umstrittenen Kinofilms „Der Fan“ mit Teenieschönheit Desiree Nosbusch diente.

Natürlich dürfen auf hier vorgesellter Kompilation auch und gerade die kommerziellen Überflieger des Genres keinesfalls fehlen: Unser aller Nena, die heutzutage eigentlich nur noch nervt, wartet mit ihren geschichtsträchtigen Dauerbrennern „Nur geträumt“ (September 1982) und „99 Luftballons“ (Januar 1983) auf, der liebeswerte Reutlinger Popchaot Hubert „Hubsi“ Kah sandte die so gefeierten, wie genial-banalen Neonlicht-Schlager „Rosemarie“ (April 1982), „Sternenhimmel“ (September 1982) und „Einmal nur mit Erika (dieser Welt entflieh ‘n)“  (März 1983) ins Rennen. Peter Schillings stilbildende Synthipop-Dramen „Major Tom (Völlig losgelöst)“ (Januar 1983), „Die Wüste lebt“ (Mai 1983) und „Terra Titanic“ (Mai 1984) sind ebenso mit von der Partie, wie Markus‘ eher schlichte Fun-Schlagerchen „Ich will Spaß“ (Juni 1982) und „Kleine Taschenlampe brenn‘“ (Mai 1983). Frl. Menkes niedlich-naive 50er-Jahre-Analogien „Hohe Berge“ (Mai 1982), „Traumboy“ (September 1982), „Tretboot in Seenot“ (März 1983) und „UKW’s“ straighter Teenie-Pop der Sorte „Sommersprossen“ (April 1982) bzw. „Ich will“ (September 1982) kommen selbstverständlich gleichermaßen zum Zuge.

Zu der brillantesten Erscheinungen des bunten NDW-Spektakels zählten zweifelsohne der Hamburger Joachim Witt mit seinem düsteren Gitarrenrocker „Goldener Reiter“ (Dezember 1981), die experimentellen Düsseldorfer Elektro-Popper „Der Plan“, die Anfang 1984 die pfundige Homecomputer-Persiflage „Gummitwist“ im Gepäck hatten, und – wie kann es anders sein? – das legendenbehaftete Großenknetener „Trio“, welches aufs nötigste reduzierte Minimal-Popkleinode a la „Da Da Da, ich lieb Dich nicht, Du liebst mich nicht, aha aha aha“ (April 1982), „Anna – Lassmichreinlassmichraus“ (Oktober 1982) oder „Turaluraluralu – Ich mach Bubu, was machst Du?“ (Dezember 1983) äußerst rentabel präsentierte. Knapp ein Jahr nach dessen Trennung, veröffentlichte Ex-„Trio“-Proklamator Stephan Remmler seine eher schlagerhafte erste Solosingle „Keine Sterne in Athen“, die ebenfalls auf „Best of FETENHITS – Neue Deutsche Welle“ zu hören ist. In die gerade im seinerzeitigen schnelllebigen NDW-Bereich immer wieder gut gefüllte Schublade „Kuriositäten“ fällt die gesungene bzw. gesprochene „Antwort“ auf den 1982er-„Trio“-Geheimtipp „Sabine, Sabine, Sabine“ des darüber hinaus kaum mehr bekannt gewordenen, mutmaßlich reinen Studioprojekts „Dombrowski“, die da hieß „Hör mal (Sabine, Sabine, Sabine)“.

Obwohl die Münchener „Spider Murphy Gang“ vielmehr dem boarischen Mundart-Rock’n‘Roll verpflichtet war, denn irgendwelchen zeitnahen Wave-Spielereien, wurden ihre Früh-80er-Hits „Skandal im Sperrbezirk“ (Dezember 1981), „Schickeria“ (März 1982) oder „Wo bist Du“ (Juli 1982) ebenso zur NDW gerechnet, wie die Hagener Edelzyniker „Extrabreit“, die knalligen, schnellen, harten Punkrock mit beißend ironischen Texten zu Zeit und Geist kongenial verbanden (Hier vertreten mit „Hart wie Marmelade“, „Hurra, Hurra, die Schule brennt“, „Flieger, grüß mir die Sonne“, alle 1980, und „Polizisten“, 1981). Auch die hochtalentierte Ruhrpott-Combo „Geier Sturzflug“ fühlte sich musikalisch eher einer spritzigen Mixtur aus Ska-Klängen und britischer Popmelancholie a la „Kinks“ nahe, denn neu-welligen Synthi-Sperenzchen; trotzdem wurden ihre bissigen Zeitgeist-Verhohnepiepelungen „Bruttosozialprodukt“ (März 1983) oder „Besuchen Sie Europa (solange es noch steht)“ (Juli 1983) mit dem Aufdruck „NDW“ versehen. Die Berliner Avantgardisten von „Spliff“ sahen sich eher als gehobene Deutschrocker mit Anspruch, dennoch schrieben ihre hoch qualitativen Liedbeiträge „Carbonara“ (Mai 1982) und „Das Blech“ (November 1982) unzweifelhaft NDW-Geschichte.

Als Ein-Hit-Wunder der NDW gingen z.B. das Reutlinger Kurzzeit-Projekt „KIZ“ („Die Sennerin vom Königsee“, Januar 1983), das Elmshorner Popmäuschen Gaby Tiedemann alias „IXI“ („Der Knutschfleck“, April 1983), die skurrile Weltraum-Saga „CODO… düse im Sauseschritt“ (Juli 1983) des aus den Wiener Kabarettisten Joesi Prokopetz, Manfred Tauchen und den Humpe-Sisters Inga und Anete zusammengesetzten „Deutsch-Österreichischen Feingefühls“, kurz „D.Ö.F.“, oder die Rottweiler Künstlerfamilie „Steinwolke“ mit ihrem eingängigen NDW-Nachzügler „Katharine, Katharine“ (Oktober 1983) in die Annalen des deutschen Pop ein. Auch der Münchener Peter Le Bonte alias „ZaZa“ konnte seinen Erstlingserfolg „Zauberstab“ (Juli 1982) mit weiteren Singles ebenso wenig wiederholen, wie es der aus dem Umfeld des Hubert-Kah-Produzenten Claus Zundel stammenden Truppe „Snäp“ nicht möglich war, ihrem luftigen Pop/Reggae-Verschnitt „Elisabeth“ (Herbst 1982) einen würdigen Nachfolger hinterher zu senden.

Zwar haben Paniker Udo Lindenberg („Sonderzug nach Pankow“, Februar 1983) oder Anarchopoet Rio Reiser („König von Deutschland“, Juni 1986) in der coolen Dekade wahrhaftig einige phänomenale, deutschgesungene Pop/Rock-Stellungnahmen abgeben, mit der „NDW“ als solches hatten beide unschlagbaren Politrocker allerdings genauso wenig zu tun, wie das etwa Hamburger Quintett „Felix de Luxe“, um den noch heute überaus aktiven Popcharmeur Michy Reincke, das 1985 (als die NDW musikgeschichtlich längst versiegt war) mit lieblich-funkelndem Feudalpop a la „Taxi nach Paris“ glänzte oder die Hessischen Lokalpatrioten „Rodgau Monotones“, die ihrerseits mit dampfendem Boogie-Rock im gebabbelten Frankfurter Sprachkolorit süffigen, hintersinnigen Frohsinn verbreiteten („Erbarmen – Die Hesse komme!“, Juli 1984). Die Kölner Formation „Neue Heimat“, die im Juni 1982 einen Einstiegshit mit dem von Wolf Maahn gesungenen, verrockten Heintje-Cover „Ich bau Dir ein Schloss“ feierte, wurde erst Ende 1984, dann unter dem Namen ihres Gründervaters Purple Schulz, Dank der dunkel-nächtlichen Überballade „Sehnsucht (Ich will raus)“ bundesweit erst so richtig bekannt, die mehr New Romantic auf Deutsch darstellte, als dralle NDW-Keckheit. Beide teutonischen Popklassiker hören wir auf „Best of FETENHITS – Neue Deutsche Welle“.

Mit ebenjener Dreifach-CD „Best of FETENHITS – Neue Deutsche Welle“ ist es den aktiven Machern von Polystar/UNIVERSAL in bester Pracht gelungen, einen grandiosen, gut ausgetüftelten und durch und durch ausgewogenen Überblick über das wilde, poppige Treiben in der ersten Hälfte der 80er Jahre zwischen Flensburg und Garmisch zu kreieren. Man muss lange nachdenken, bis einem ein Titel einfällt, der womöglich ebenfalls hätte auf dieser famosen Dreier-CD berücksichtigt werden können, aber, warum auch immer, fehlt. Die Neue Deutsche Welle in all ihren Ausprägungen, mit all ihren Irrungen und Wirrungen, hatte sich nur zwei Sommer lang im einheimischen Popbusiness festsetzen können. Denn leider hatten die Plattenfirmen flink die Mengen an D-Mark gerochen, die mit diesem hochspannenden, neuen Stil offenkundig zu verdienen waren. So wurde ab ca. Ende 1982 jede noch so mittelmäßige Garagenband unter Vertrag genommen, wenn sie denn nur einwenig deutsch und wellig tönte. Da der Konsument aufgrund der Masse an unter dem Label „NDW“ beworbenen Produkten kaum noch in der Lage war, Spreu vom Weizen zu trennen, verschwanden spätestens im Oktober 1983 moderne, deutsche Popsongs vorerst gänzlich aus den hiesigen Hitparaden. Trotz mancher Mankos, gerade in den letzten Monaten ihres Bestehens, als fast täglich unbrauchbare, gezwungen auf neu-wellig getrimmte Singles und LPs den Markt überschwemmten, war die NDW musikkulturell nicht nur überaus notwendig, um die nationalen Popgefilde zu entschlacken und aufzuhübschen. Sie öffnete darüber hinaus Tür und Tor für den dann musikalisch eher am angloamerikanischen AOR-, Blues- und Classic Rock orientierten, aber eben trefflich muttersprachlich betexteten Deutschrock a la Grönemeyer, Kunze, „BAP“, Wolf Maahn, Klaus Lage und Co.,  der nach 1984 viele Jahre lang für gute, handgemachte deutsche Pop- und Rockmusik sorgen sollte. Schlussendlich brachte sie eben tatsächlich und unwiderruflich ein paar wundervolle, zeitlos klingende Zeitgeistzeugnisse hervor. Die meisten derer können all die Beobachter, die heute Mitte 40 und somit ‚live‘ dabei gewesen sind, wie Nachgeborene, die bislang vielleicht annahmen, deutsche Popmusik hätte erst mit „Revolverheld“ oder „Deichkind“ begonnen, auf „Best of FETENHITS – NEUE DEUTSCHE WELLE“ geballt, konzentriert und voller Power genießen!

Holger Stürenburg, 21./22. April 2015
http://www.universal-music.de/musik/compilationsfetenhits
http://www.universal-music.de/fetenhits/home

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