PETER SCHILLING
DER Geburtstags-Artikel (zum 60. Geburtstag) – von Holger Stürenburg …

… inkl. Vorstellung der neuen Download-CD “Vuela”! Eine Würdigung des – vorläufigen – Lebenswerks von Peter Schilling …: 

Nein, mit einer allzu erwartbaren Einleitung der Sorte „Major Tom wird 60“ o.ä. möchte ich meinen persönlichen Geburtstagsglückwunsch an PETER SCHILLING nun wirklich nicht beginnen lassen. Dieses und anderes Klischeehafte dürfte der brünette Deutschpop-Held aus Stuttgart dieser Tage sicherlich oft genug zu lesen und zu hören bekommen. Aber eine oberflächliche Reduzierung des Geburtstagskindes auf dieses eine – wenn auch zweifelslos absolut geschichtsträchtige, stilbildende und kennzeichnende – Lied würde der Bedeutung des Gesamtwerks von Peter Schilling keinesfalls gerecht.

Selbstredend war und ist der ultimative NDW-Klassiker „Major Tom (Völlig losgelöst)“ von jeher als das persönliche und unabänderliche Erkennungsmerkmal des Geburtstagskindes zu betrachten. Mit diesem zackigen, sphärischen, in die weitesten Fernen des Universums wehenden Synthipop-Ohrwurm über den Raumfahrer „Major Tom“, der in den Weiten des Weltalls alle Verbindungen zur Erde kappt und daraufhin grenzenlos frei durch die Stratosphäre gleitet, hat der Komponist, Texter und Gitarrist aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt ganz gewiss letztlich weltumfassende Pophistorie geschrieben.

Als Ende 1982 die seinerzeit landauf, landab grassierende Neue Deutsche Welle (NDW) ohnedies mit ersten  Abnutzungserscheinungen und Morbus Überkommerzialisierung in der Notaufnahme des Musikgeschehens Einzug erhielt, sandte der gelernte Reisekaufmann und passionierte Fußballspieler aus dem Schwabenlande diese zeitgeistbestimmende, extrem eingängige Synthikaskade ins Rennen und fand sich damit am 31. Januar 1983 bereits auf dem ersten Rang der einheimischen Singleauswertungen wieder, wo er von nun an für ganze acht  Wochen unangefochten zu verbleiben vermochte. Erst am 28. März genannten Jahres, wurde seine phantasievolle Saga über den untreuen Astronauten „Major Tom“ seitens „Nenas“ lieblich-friedensbewegter „99 Luftballons“ von der Hitparadenspitze gestoßen; zuvor hatte Peter mit seinem surrealen Weltraummärchen die legendäre „ZDF-Hitparade“ des Dieter Thomas Heck für sich entscheiden können; insgesamt 24 Wochen hielt sich „Major Tom (Völlig losgelöst)“ in den deutschen „Media Control“-Listen.

Computerisierung, Technikanbetung der einen, wie – angst der anderen „Space Shuttle“, Raketendebatte und natürlich auch und besonders der zuckersüße Steven-Spielberg-Filmklassiker "E.T. – Der Außerirdische“ hatten gerade hierzulande ein ausgeprägtes Interesse am Extraterrestrischen und Futuristischen geweckt. So hatte sich Peter Schilling eines frühen Liedes des kürzlich verstorbenen Rockheroen David Bowie erinnert, der bereits 1969 für seine genialische Popballade „Space Oddity“ eine Figur namens „Major Tom“ kreiert hatte und in diesem Lied eine ähnliche Geschichte erzählte, wie 15 Jahre später Peter Schilling in seiner Auslegung dieses Plots. Zunächst erwies sich die einst bei WEA/WARNER erstveröffentlichte Kleine Schwarze allerdings als Misserfolg; sie konnte am 03. Januar 1983 lediglich auf Rang 73 in die teutonischen Singlecharts einsteigen – doch „E.T.“-Film, NDW-Nachwehen und die aufbrechende, wahlkampfbedingte Diskussion um neue Fernseh-, Rundfunk-  Video- oder Tonträgertechniken in den Wochen vor der Bundestagswahl am 06. März 1983, als der neue Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und sein Vize Hans-Dietrich Genscher (F.D.P.) den Menschen  „geistig-moralisch“, scheinbar rosarote Zukunft, Aufschwung und Modernisierungen aller Orten versprachen, sorgten sicherlich, trotz aller sachbezogener Unterschiedlichkeit, aber dennoch ganz offensichtlich, dafür, dass „Major Tim (Völlig losgelöst)“ schnellstmöglich zu einem der letzten, wahren Dauerbrenner der langsam versickernden Neuen Deutschen Welle erwachsen konnte, weshalb sogar noch heutzutage, immerhin 33 Jahre danach, eigentlich jeder Musikfreund, ob Zeitzeuge oder Nachgeborener, gerade dieses Lied in- und auswendig kennt und lebenslang liebt.

Nachdem sich „Major Tom (Völlig losgelöst)“ als bundesdeutsches Top-Thema etabliert hatte, nahm Peter Schilling seinen tönenden Glücksgriff auf Englisch als „Coming Home (Major Tom)“ auf, zog damit direkt in die Top 20 der US-„Billboard Charts“ ein und konnte den properen  Evergreen im Mai 1984 sogar in Großbritannien zumindest auf Rang 42 führen.

Unterdessen erzielte Peter in unseren Breitengraden im Mai 1983 mit der sehr düster-nervösen, fast stakkatohaft vorgetragenen Zukunftsvision „Die Wüste lebt (Alarmsignale)“ einen weiteren Top-10-Hit, inklusive einer erneuten Nummer Eins in Hecks „ZDF-Hitparade,“ und erwies sich gleichsam die dazugehörige Debüt-LP „Fehler im System“ als extrem zugkräftig, gleichbedeutend mit Rang 2 in den hiesigen Albumcharts.

Nachdem sich die NDW Ende 1983 endgültig (und leider viel zu früh) verabschiedet hatte, versuchte Peter Schilling anfangs sehr erfolgreich, auf den startenden Zug aufzuspringen, der gemeinhin als „Deutschpop“ klassifiziert wurde und der inhaltlich, wie klanglich, weitaus tiefgehender, gediegener, melodischer, professioneller und moderater auftrat, als so manches aus der kommerzorientierten NDW-Schublade zuvor, und dem sich, neben ganz neuen Bands a la „Steinwolke“, „Purple Schulz“ oder „Paso Doble“, auch die intelligenteren und nachhaltigeren NDW-Stars nach und nach anzuschließen gedachten. Sie wie z.B. Hubert Kah mit „Engel 07“ edelsten Romantikpop jenseits welliger Simplizität hervorbrachte, Falco mit seinen „Jungen Roemern“ einen austropoppigen New Romantic-Sound ins Leben rief, oder „Nena“ mittels knalliger Gitarrenriffs ihr rockiges, treibendes „? (Fragezeichen)“ fragend aufwarf, legte Peter Schilling im Sommer 1984 die fürwahr phänomenale Synthi-Rock-Scheibe „120 Grad“ vor, aus der explizit die drei grandiosen Hitsingles „Terra Titanic“ (Sommer 1984), „Hitze der Nacht“ (Spätherbst 1984) und „Region 804“ (Frühjahr 1985) bahnbrechend hervorstachen. Vorzugsweise „Hitze der Nacht“, ein spezieller Peter-Schilling-Favorit des Verfassers dieser Zeilen, der zugleich auf Englisch als „Chill of the Night“ veröffentlicht wurde, repräsentierte hitziges Großstadtflair, geballte Synthesizer-Power, eine drastisch rasende, geradezu so peitschende, wie straight nach vorn gepeitschte Melodie, und ein vollmundiges, ohne Umschweife fettes, perfekt ausgetüfteltes Arrangement, und schuf auf diese Weise unzweifelhaft einen der besten, trefflichsten und echtesten Beiträge der „Deutsch Pop“-Ära der mittleren bis späten 80er Jahre.

In der zweiten Jahreshälfte 1986 widmete sich Peter Schilling im Rahmen zweier – wiederum schier exzellenter – Singles erstmals zwischenmenschlichen Themenkreisen, jenseits von Science-Fiction und unergründlichem Weltraum. „Ich vermisse Dich“ –  noch heute mit aller nötigen Kraft zur Gänsehauterzeugung versehen – basierte harmonisch auf dem bluesig-herbstlichen Abschiedsdrama „Missing you“, mit dem der britische Rockshouter John Waite im Herbst 1984 einen globalen Hit hatte erzielen können; „Alles endet bei Dir“ hingegen war eine zeitnah ausgekleidete Synthi-Pop-Ode feinster Machart, von Umsetzung und Ausgestaltung her nahe der „Münchener Freiheit“ (vgl. „Tausendmal Du“, 1986) oder den kongenialen US-Wavepoppern „Cock Robin“ (vgl. „When your Heart is weak“, 1985). Beide Titel überzeugten zwar qualitativ in bester Manier, konnten sich aber in den Verkaufshitparaden kaum durchsetzen. Ein zu den beiden 45ern geplantes Album wurde vorerst gecancelt, zumal der Interpret selbst an Erschöpfungszuständen zu leiden begann. Mit dem betont britisch inszenierten Synthi-Dance-Epos „The Different Story (World of Lust and Crime)“, das unverkennbar harmonische und instrumentelle Ähnlichkeiten mit wavelastigem Bombastpop a la „New Order“ („True Faith“) oder „Pet Shop Boys“ („It’s a Sin“) aufwies, aber durchaus zusätzlich vom voluminösen Großraumdisco-Sound eines Michael Cretu (der immerhin bei der Produktion mitwirkte) beeinflusst war, endeten die 80er Jahre für Peter Schilling zumindest in den USA sehr reputierlich – Rang 61, zehn Wochen in den Charts notiert.

1993 folgte das musikalisch abermals sehr gelungene, quasielitäre Synthipop-Album „Geheime Macht“, das zwar zig famose Deutsch-Pop-Kleinode beinhaltete (z.B. „Zug um Zug“, „Bild der Dunkelheit“, „Viel zu heiß“), aber in einem popkulturell orientierungslosen Zeitalter, als anspruchsvolle, deutschgesungene Musik so gut wie keine Chance auf dem mainstream- und dancefloor-vermüllten Markt hatte, leider vollkommen unterging  und daher heute als vielgesuchte Rarität gilt.

Per musikalisch nicht selten tatsächlich ungenießbarer Techno- und Dance-Remixes seiner Alt-Hits, versuchte Peter Schilling die uncoolen 90er zu überdauern, kurierte sein Burn-Out-Syndrom aus, und kehrte 2004 mit moderner, aber – zumeist – ganz und gar nicht unsympathischer, deutscher Popmucke auf Synthibasis, textlich wie einst in einem elektrisierenden Konglomerat aus Philosophie, Mystik, Wissenschaft, Futurismus und geheimnisvollen Mächten verwurzelt, in die Szenerie zurück. Es erschienen fortan die (Musik-)CDs „Zeitsprung“ (2004), „Das Prinzip Mensch“ (2006) oder „Emotionen sind männlich“ (2007) via DA Music, bis Peter Schilling im Herbst 2014, inzwischen mit eigenem Label MajorTon im Rücken, ein neuerliches Meisterwerk deutscher Popmusik mit Esprit, Intellekt und Anspruch vorlegte: „DNA“ zeigte einen frischen, gut erholten Künstler, munter, offensiv, charmant, als sei er kurz zuvor in einen Jungbrunnen gestürzt. Kein Wunder, dass Peter Schilling hierfür am 26. November 2014 mit dem „SMAGO! Award“ in der Kategorie „Album des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Aufregende Lieder voller Zeitgeistkritik, mysteriöser Geschichten und unzähliger dunkler, verworrener Seiten des menschlichen Daseins, wie „So ist die Welt“, „Dominos“, „Ozean“ oder ganz besonders „Ich bin die Zeit“, lassen nur spärlich vermuten, dass Peter Schilling am heutigen 28. Januar 2016 tatsächlich seinen 60. Geburtstag feiert. Doch nun ist es, allem Unkenrufen zum Trotz, soweit: Peter Schilling, für die meisten von uns selbstverständlich auf Dauer unser „ewiger Major Tom“, zelebriert heute wahrhaftig seinen 60. Geburtstag!!!

Aus diesem Anlass hatte er seine engen Freunden und Wegbegleiter nach Köln eingeladen, um dort schon am Vorabend, also am 27. Januar 2016, ein exklusives Wohnzimmer-Konzert mit seiner Band zu absolvieren. All denjenigen Fans und Anhängern, die bei diesem Auftritt nicht vor Ort sein konnten, wurde es jedoch seitens des Internet-TV-Senders www.muxx.tv per Live-Stream möglich gemacht, dieses außergewöhnliche Geburtstagsspecialkonzert weltweit im Netz mit zu verfolgen und auf diese Weise, gemeinsam mit ihrem Star, auf Cyber-Wege direkt in seinen Ehrentag hinein zu feiern.

Als musikalisches Bonbon zu dieser Party, hatte sich der Jubilar etwas ganz Ausgefallenes, Bemerkenswertes einfallen lassen: Gemeinsam mit dem bzw. auf Einladung des gebürtigen Brasilianer(s) Jay Del Alma, Mitbegründer des hitträchtigen Reggaeton-Projekts „Pachanga“ aus Puerto Rico, nahm Peter Schilling eine äußerst spannende Neuversion seines Allzeit-Gassenhauers „Major Tom (Völlig losgelöst)“ auf. In den legendären Berliner „Hansa“-Studios, in dem laut Peter „die Hälfte der Musikgeschichte stattgefunden hat“ und auch der unvergessene David Bowie seine kreativen Höchstleistungen „Low“, „Heroes“ und „The Lodger“ (letzteres zumindest teilweise) einspielte, wurde eine lautstark gitarrenlastig rockende, zeitweilig in eine kurzweilige (sic!) Reggae-Rhythmik einkehrende, von feinsten, zirpenden Flamenco-Gitarren unterstützte, vor allem enorm akkurat austarierte und zeitlos ertönende 2016er-Fasssung des unvergleichlichen NDW-Hymnus – jetzt kommt’s – mit spanischem Text als „Vuela“ geboren. Die bei MONOPOL Records erschienene Download-Single ist augenzwinkernd, selbstreflexiv und anregend in einem geraten. Sie beinhaltet vier Mixe, zwei auf Spanisch, einen auf Deutsch und eine Karaoke-Version, und transferiert echt, ungekünstelt und ernsthaft eine Hymne der unkopierbaren 80er Jahre direkt und unverblümt ins Heute und Hier, ohne sich jetzigen musikalischen Gegebenheiten unnötig anzubiedern oder gar zu unterwerfen.

Es sei Peter Schilling, auch von meiner Seite als „Uralt-Fan“ aus, zu seinem 60. in erster Linie Gesundheit (einen wichtigeren Wunsch kann es m.E. nicht geben), viel Glück und Erfolg in seinem neuen Lebensjahr, seinem kommenden Lebensjahrzehnt zu wünschen – gleichsam vermittelt mir persönlich seine aktuelle Kooperation mit Jay Del Alma einwandfrei den Eindruck, hier könnte ein Hiterfolg, der nun schon 33 Jahre zurückliegt, vielleicht auf anderer Ebene, aber mit derselben Intensität, wiederholt werden und diesen Meilenstein deutscher Popmusik auch im neuen Jahrtausend und im neuen Klanggewande als längerfristigen Radiohit, Partyknüller und Tanzflächenfüller per Excellance etablieren!

Herzlichen Glückwunsch, lieber Peter Schilling – auf noch viel, viele Runden durch das All, auf viele Konzert- und Festivalbühnen, durch die Radiostationen und TV-Shows und noch viele, viele faszinierende Klangexperimente von Dir und Deiner Band in den nächsten 60 Jahren!

Holger Stürenburg, 25./26. Januar 2016) – FINAL Version

http://www.peterschilling.com/

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