PETER CORNELIUS
Die Doppel-CD "Best Of – 36 große Songs" im Test von Holger Stürenburg!

Eigentlich sollte das Doppelalbum glatt noch einmal neu aufgelegt werden – mit DIESEN “liner notes” im Booklet …: 

1982 war es, als der gebürtig aus dem 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing stammende Sänger, Liederschreiber, Gitarrist (und zugleich passionierter Sammler der außergewöhnlichsten, besten und extravagantesten Modelle seines Lieblingsinstruments) PETER CORNELIUS hierzulande seinen großen Durchbruch feierte. Vor 34 Jahren war der gelernte Bankkaufmann mit gleich drei Alben in den bundesdeutschen LP-Hitparaden vertreten. Er etablierte, gemeinsam mit reputierlichen Landsleuten, wie Rainhard Fendrich, Georg Danzer, Wolfgang Ambros, sicher auch, trotz mannigfaltiger stilistischer Unterschiede, Falco, das so sympathische, wie spezielle, weil oft von einem typischen, landeseigenen Humor durchzogenen und daher vielleicht nicht für jedes bundesdeutsche Ohr auf Anhieb nachvollziehbare Genre des Austropop ferner in unseren Breitengraden.

Dafür trug in erster Linie ein Lied die exklusive Verantwortung, welches der Interpret dem Verfasser dieser Zeilen gegenüber einmal als sein „persönliches „Yesterday““ apostrophierte. „Du entschuldige – I kenn Di“, jenes so romantische, wie nachdenkliche, einfach nur liebenswerte, hochmelodische Nachzeichnen eines Wiedertreffens der einst so unerreichbar erscheinenden, somit niemals seitens des Mädels erwiderten Ersten Schulhofliebe viele Jahre später, stellt für Peter Cornelius  – ähnlich, wie es hinsichtlich der legendären „Beatles“-Ballade für deren Komponisten Paul McCartney der Fall ist – ein ewiges, niemals mehr ausradierbares, klingendes Erkennungszeichen auf Lebenszeit dar.

„Du entschuldige – I kenn Di“, Ende 1981 Rang Eins in Österreich, kurz darauf schnurstracks in die Top 10 der BR Deutschland eingezogen, dient folglich, diesmal in einer druckvollen, stämmigen Neueinspielung aus 2015, als trefflicher Eröffner von PETER CORNELIUS‘ aktueller Doppel-CD „BEST OF – 36 GROSSE SONGS“, die via seines eigenen Labels Reif für die Insel/Vertrieb: WARNER im vergangenen Weihnachtsgeschäft zunächst den österreichischen Musikmarkt aufwirbelte und nun endlich auch hierzulande die Runde macht, weshalb ich sie heute mit Vorliebe für SMAGO! analysieren möchte.

Es folgt auf CD-01 dieses fulminanten Songzyklus eine akustisch-folkig, absichtlich schleppend-bluesig, vulgo von Grund auf gemütliche und relaxte Neufassung des ebenfalls 1981 erstveröffentlichten, äußerst hitträchtigen Wunsches nach „Streicheleinheiten“, der anno 2015 spürbar an eher ruhige, filigrane Popblues-Kunstwerke von Eric Clapton, zwischen „Wonderful Tonight“, „Change the World“ oder „My Father’s Eyes“, gemahnt.

CD-02 hingegen wird eingeleitet von einer lauten, weniger schlagerhaften, weit mehr rockig-gitarrengeführten, entsprechend verjüngten, so aufgefrischten, wie erfrischenden, im Tempo leicht angezogenen Reanimation von Peters unvergleichlichem 1982er-Sommerhit „Reif für die Insel“, dessen Betitelung seit seiner Erschaffung durch Peter Cornelius längst als ‚geflügeltes Wort‘ in den deutschen Sprachschatz eingegangen ist. Gleichfalls als locker-flockige, außerordentlich erwachsene, gereifte, wiederum leicht Clapton’esque Neuauskleidung kommt daran anschließend der friedlich gedämpfte Schleicher „Der Kaffee ist fertig“ zum Zuge, der 1980/81 erstmalig in der Bundesrepublik auf den Wiener Weltbürger und seine zerbrechlichen Situationsbeschreibungen positiv aufmerksam machte und dessen Titelzeile als feststehende Formulierung heutzutage ebenso seit langem in unsere Alltagssprache übergegangen ist. Ein ganz persönliches Lieblingslied von Peter Cornelius selbst scheint die philosophische Reflexion „Die unbequemen Freund‘“ zu sein, die im Original auf seinem 1980er-Phonogram-Debüt „Der Kaffee ist fertig“ erstmals zu hören war. Obwohl niemals als Single bedacht, findet dieser Geheimtipp seit jeher Eingang ins Liverepertoire des Künstlers und wurde von diesem für „Best of – 36 große Songs“ absolut grandios, fraglos in liebenswerter Manier grantelnd, gleichsam erdig, laut, rockig, intensiv, mit knarzigem Bluesfeeling neu arrangiert.

Ich erinnere mich sehr gut, die zum Weihnachtsgeschäft 1983 dargereichte, einstmals bei Ariola erschienene LP „Fata Morgana“ stand zum Christfest jenen Jahres ganz oben auf meinem Wunschzettel. Tatsächlich fand sich diese profunde Scheibe – bis heute, rein subjektiv betrachtet, meine Lieblingsschallplatte von Peter Cornelius – am 24. Dezember 1983 bunt verpackt unter dem Tannenbaum, so dass es mir durchaus eine große Freude ist, dass gleich vier Titel daraus für „Best of – 36 große Songs“ notiert wurden. So verbinden sich beim kühl-atmosphärischen, von einem nervösen Synthibass beherrschten Titelsong die philosophisch-surrealen Textzeilen von Peter Cornelius ganz vorzüglich mit den experimentellen Keyboardkaskaden von Produzent Michael Cretu, die im weiteren Verlauf des Viereinhalb-Minuten-Meisterwerks perfekt und vorteilhaft von Peters drastischer E-Gitarre verstärkt werden. Kritische Worte über die seinerzeit vieldiskutierte Brutalisierung des Fernsehprogramms und insbesondere der allabendlichen TV-Nachrichten, als immer häufiger alle möglichen Grausamkeiten gezeigt, seelenlos auf Leichen, Verletzte, schwere Unfälle, gezoomt wurde, worüber nicht nur Konservative gehörig die Nase rümpften, durchdringen den offensiven Poprocker „Geisterbahn“. Die erste Single aus diesem Spitzenalbum, „Es wird immer sei, wie’s immer war“ – eine so legere, wie auftrumpfende Gitarren-Pop-Rock-Melange, die fürwahr immer so phänomenal und überzeugend sein und bleiben wird, wie sie es zu ihrem Entstehungsdatum 1983 war –, hat deren Interpret sogar am Montag, dem 21. November 1983, in Dieter Thomas Hecks „ZDF-Hitparade“ vorgestellt, die Nachfolgeauskoppelung „Du wirst mi nimmer ändern“ versprüht knallig-funkiges, wieder mal aufpeitschend basslastiges Tanz-Ambiente und geht daher nicht nur sogleich ins Ohr, sondern regt zudem zu umgehendem Mitwippen und Bewegen an.

Aus Peters Anfang 1985 veröffentlichter LP „Süchtig“ (die ich dann zu meinem 14. Geburtstag am 15.04.1985 geschenkt bekam, mitsamt einer Eintrittskarte für das dazugehörige Konzert am 04. Mai jenen Jahres in der Hamburger Musikhalle/Laeiszhalle) hören wir zuvorderst den seinerzeit von Michael Cretu luftig, trotzdem opulent, und natürlich zeitnah auf Synthesizerbasis ausgearbeiteten, sanftmütig-verzeihenden und doch bestimmten und präzise vor sich hin schwebenden Abschiedsgruß „Segel im Wind“ an eine flatterhafte, unstete und doch so faszinierende Frau, mit der „Kraft einer Löwin“, aber der zweifelhaften Festigkeit eines „Segels im Wind“. Darüber hinaus fanden aus „Süchtig“, noch heute ein realer LP-Klassiker des Austropop ohne jeglichen qualitativen Durchhänger, der erholte, zutiefst verliebt-romantische Titelsong, das wiegende Blueschanson „A Ausweg ist des net“, welches sich liebe- und verständnisvoll an einen Selbstmordkandidaten wendet und diesen mit aufbauenden Worten von seinem Vorhaben abhalten möchte, der flinke, lyrisch erwartungsvolle und optimistische, mit Banjo und quietschender Steel Guitar ergiebig angereicherte Country-Pop „Ganz einfach leben“, die gemächlich-behutsame Pianoballade „Hoffnung“ und die gefasste und dennoch eigensinnige Liebeserklärung an das erst so harmlos wirkende, bei nährem Hinsehen allerdings ganz schön tough, offenherzig und nicht unbedingt treu und enthaltsam lebende „Mei Engerl“ den angemessenen Weg auf „Best of – 36 große Songs“.

Nachdenklich und trotzdem überaus entspannt und hoffnungsvoll, erklingt die im mittleren Tempo gehaltene Auseinandersetzung mit Wiedergeburt und Seelenwanderung, „Irgendwann im nächsten Leben“, aus der geradlinig rockorientierten, ansonsten auf elektrisierende Weise unerwartet widerspenstigen 1986er-LP „Gegen den Strom“, der außerdem mit dem verhalten rockenden, hierbei voluminös und prunkvoll umgesetzten Titelsong und dem beinahe aggressiven, phonstark-krachenden Hardrocker „Was macht der Teufel im Himmel?“ gehuldigt wird.

Ein Jahr darauf folgte die vierte und letzte Ariola-LP, die da ganz schlicht hieß „Cornelius `87“. Neben der frechen, einwandfrei konsequent ohrwurmgeeigneten Hitsingle „Treib mi net zum Wahnsinn, Liebling“, gibt es auf „Best of – 36 große Songs“ den musikalisch mild-ausgeruhten, trotzdem eindringlichen, inhaltlich eher trotzig-abgeklärten Gitarrenohrwurm „Nie wie unsre Eltern“ zu genießen.

1988 brillierte der begnadete Liederschreiber mit dem teils lyrisch sehr spitzzüngigen, gleichsam intimen Album „Sensibel“, das im Frühjahr jenen Jahres zumindest in Österreich einen guten Rang 25 in den dortigen LP-Charts zu erzielen vermochte. Hieraus entnahm Peter Cornelius für seine aktuelle „Best of“-Koppelung den zunächst verhalten-scheuen, im späteren Verlauf aufstrebenden, zielbewusst voranpreschenden Synthipopper „Sanft ist unser Kampf“, der damals als erste Singleauskoppelung diente, sowie den im Sinne eines augenzwinkernd schwülstig inszenierten 50er-Jahre-Doowop-Schlager-trifft-80er-Jahre-Synthipop-Couplets gehaltenen Titelsong „Sensibel“.

Die enorm vielseitige 1990er-Produktion „In Bewegung“ ist mit dem rasant groovigen, gitarrengetriebenen Riff-Rocker „Ebbe und Flut“, dem signifikant „Dire Straits“/Mark Knopfler-ähnlichen, großstädtischen Gitarrenbluesrock „Wenn das Geld ausgeht“ und einer hymnischen, voller Power und Phonstärke umgesetzten Danksagung an den Rock’n’Roll namens „Kann sein“ auf „Best of – 36 große Songs“ vertreten, zumal ebenjene Musikstilistik nun mal seit über 40 Jahren ein unverkennbar wichtiger Teil des Lebens von Peter Cornelius ist. Selbstverständlich gibt es auf hier vorgestellter Doppel-CD auch ein Wiederhören mit dem Superohrwurm „Zufällig“, der damaligen ersten Singleauskoppelung aus „In Bewegung“, die in Peters Heimatland problemlos die Top 30 knackte und in diesem, unserem Lande zum gern gehörten Radiohit avancierte (Rang 10 der Rundfunkcharts im Juli 1990). Bevor sich Peter Cornelius 1993 für eine längere Zeit aus dem aktiven Musikerdasein zurückzog, legte er die überwiegend stille, teils ungewohnt düstere, in sich gekehrte und sehr persönliche CD „Lieber heut als morgen“ vor, die u.a. die von ehrlicher Zuneigung und Vertrauen zu einem Partner erzählende Gitarrenballade „Auf Di kann i mi verlassen“ beinhaltete.

Kaum einer hatte damit gerechnet, doch für die Fans von Peter Cornelius war es ein reines Fest, als es 2001 unverhofft ein – im wahrsten Sinne des Wortes – hörbares „Lebenzeichen“ ihres Idols gab. Es war eine ehrliche Freude, auch und gerade für den Verfasser dieser Zeilen, von einem Künstler, der mit vielen tollen Liedern, nicht wenige derer ja auch nun für „Best of – 36 große Songs“ aus dem Archiv geholt wurden, dessen Jugend mit untermalt hatte, nach acht langen Jahren endlich wieder Neues zu vernehmen. Als tönende Höhepunkte dieses großartigen Comebacks galten die mutmachende Ballade „Du gibst nie wieder auf“, der von eben derselben nur so strotzende Rockhymnus „Positive Energie“ und das sacht-grazil umgesetzte Abendlied „Wenn der Tag in die Nacht geht“, so dass diese drei Auszüge aus „Lebenszeichen“ verdientermaßen in die Liste der „36 großen Songs“ von Peter Cornelius aufgenommen wurden.

Zwei Jahre später kam das ausgeglichen und zufrieden wirkende, lyrisch strikte und radikale, durch und durch gitarrenbetonte, häufig sehr rockig und direkt ausgefallene Werk „Licht und Schatten“ auf den Markt, aus dem der voranstrebende, von treibenden Gitarren und führenden Chören a’la „Electric Light Orchestra“ lebende Titelgeber als Hörbeispiel für „Best of – 36 große Songs“ auserkoren wurde. Der folkig-entspannte Gitarrenpopper „Sieger im Herzen“ entstammt dagegen der 2006 vorgelegten CD „Wie ein junger Hund im hohen Gras“, die leider nur in Österreich für Furore sorgte, in der BR Deutschland jedoch so gut wie gar nicht stattfand. Schlussendlich sind das großstädtische, regendurchtränke Edelbluesrockdrama „Wenn der Wind zum Sturm wird“ und die sinnliche Hommage an die „72ste Straße“, gegenüber dem Central Park in New York City, in der bis zu seinem Tod ebendort, Ober-„Beatle“ John Lennon residierte, die jüngsten Beiträge auf vorliegender Doppel-CD, entnommen dem gefeierten 2008er-Opus „Handschrift“, dessen ebensolche stilistisch überwiegend im erdigen, eben handgemachten, handgeschriebenen Rock- und Bluesspektrum zu finden ist.

Als besondere Leckerbissen werden CD-01 und CD-02 von „Best of – 36 große Songs“ jeweils von einer taufrischen, ausgeruhten Live-Version eines geschichtsträchtigen Peter-Cornelius-Klassikers aus den frühen 80er Jahren beschlossen, die 2014 im Rahmen großer Open-Air-Konzerte mitgeschnitten wurden und nun erstmals auf einem Tonträger an die Öffentlichkeit geraten. Dabei handelt es sich um den donnernden, aufbrausenden Gitarrenrocker „Ganz Wien hat den Blues“ (im Original aus der LP „Streicheleinheiten“, 1981), den Peter und seine Band nun in einer knapp zehn(!)minütigen, ausufernden Sichtweise präsentierten, inklusive eines knackigen, wehend-weitschweifigen, slow-bluesigen Gitarrensolos eingedenk Cornelius-Vorbild‘ Eric Clapton, sowie um das abgeklärt-versöhnliche Abschiedslied „Bevor i geh“ (Titelsong der deutschen Pressung von Peters 1982er-Album und zweite Single daraus), das im Konzertgewand deutlich freundlicher, mitfühlender, ebenso störrischer, auftrumpfender erklingt, als in der doch sehr radiotauglich-zurückhaltend dargebotenen Urfassung.

Die „36 groSSen Songs“ von PETER CORNELIUS wurden zwar nicht in chronologischer Abfolge, dafür aber immens stimmig und harmonisch, miteinander verkoppelt. Es fällt auf, dass aus dem Back-Katalog ausschließlich Titel der erstmalig bei Ariola (1983 bis 1987) bzw. bei TelDec (1988 bis 1993) erschienenen LPs, sowie einige wenige Schmankerl der zwei KOCH/Universal-CDs aus den Jahren 2001 und 2003 und nur vereinzelt neuere Lieder, die 2006 und 2008 unter der Ägide von Peter Cornelius‘ eigenem Label entstanden, für vorliegende Best-of-Kompilation genutzt wurden. Expertisen aus den vier, zwischen 1980 und 1982 bei Phillips/Phonogram veröffentlichten Alben kommen überhaupt nicht vor; die wichtigsten Lieder jener Periode wurden von Peter 2015 neu eingespielt; „Bevor I geh“ und „Ganz Wien hat den Blues“ sind, wie beschrieben, in einem exzessiven Live-Flair zu hören.

Dies alles aber tut dem unbändigen Charme, der stimmungsvollen Leuchtkraft, der lyrischen, wie musikalischen Inbrunst und Leidenschaft aller (!) hier zusammengefügter „36 großen Songs“ keinerlei Abbruch. Die Textthemen sind von dauerhafter Aktualität, wirken niemals altbacken oder historisch überholt; die Melodien bleiben stets und ständig im Gedächtnis des interessierten Zuhörers haften, ihre bluesige, zumeist per Gitarre umgesetzte Grundsubstanz ist jederzeit dazu in der Lage, Generationen zu überdauern.

Bei „BEST OF – 36 GROSSE SONGS“ von PETER CORNELIUS trifft alleine die Überschrift bereits den Kern der Sache. Was wir auf den beiden Silberscheiben dieser famosen Liedsammlung zu hören bekommen, sind nichts anderes als ungelogen und unwiderruflich „36 GROSSE SONGS“ eines Liederschreibers mit Herz und Hirn, der nicht selten überaus persönliche Geschichten derart offensiv und wirklichkeitsnah in packenden, prägnanten Worten schildert, so dass sie eigentlich von jedem von uns nachvollziehbar und auf eigene, vielleicht ähnliche Erlebnisse anwendbar sind!

Holger Stürenburg, 03. bis 05. März 2016

http://www.petercornelius.com/

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