FREDDY ((QUINN))
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming – Teil 54: "Morning Sky" (1/4)!
Neuzugang 16.02.1976! BITTE BEACHTEN SIE: Teil 54 unserer beliebten Serie “Vor 40 Jahren” ist in 4 Teile mit 8 Kapitel unterteilt! Lesen Sie heute I. “Die Anfänge” + II. “Erste Erfolge” …:
I. Die Anfänge
Am 27. September 1931 wurde Manfred Franz Eugen Helmuth Nidl in Niederflandnitz (Österreich) geboren. (Er selbst gibt Wien als seinen Geburtsort an, letztlich besteht keine definitive Klarheit über seinen Geburtsort). Seine Mutter war Edith Henriette Aloysia Nidl, eine Wiener Journalistin, die später auch Verlegerin u. a. der „Wiener Tierpost“ war. Vater war der irische Kaufmann Johann Quinn, der erst drei Jahre nach Freddys Geburt dessen Mutter heiratete.
Schon kurz nach der Eheschließung kam es zur Trennung der Eltern, Freddy ging 1934 mit seinem Vater in die USA (Morgantown, Westvirginia). Dort besuchte er einige Zeit auch die Schule (Englisch wurde so zu seiner zweiten Muttersprache), bis er 1938 von seiner Mutter zurück nach Österreich geholt wurde – diese hatte zwischenzeitlich gerichtlich das Sorgerecht für ihren Sohn erstritten. Die Journalistin war inzwischen neu verheiratet, mit dem Schriftsteller Baron Rudolf Anatol Freiherr von Petz, der Freddy 1943 (gegen dessen Willen) auch adoptierte, so dass der spätere Sänger eine Zeit lang den Namen „Manfred Petz“ trug.
Tragisch: Freddy versuchte, zu seinem Vater in die USA zurückzukehren und erfuhr bei der Gelegenheit, dass dieser 1943 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte.
Im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ kam Freddy 1944 (wegen der Terror-Bombardements der Alliierten auf Wien) nach Ungarn, floh aber vor Kriegsende bereits wieder in Richtung Westen. Der Heranwachsende besuchte verschiedene Schulen (u. a. das Wiener Albert-Gymnasium), fand dort aber nie Anschluss und blieb auch ohne Abschluss.
Nachdem er der Legende nach ein Mädchen namens „Hedy“ (Hedwig Böck) kennengelernt hatte, die er angeblich sogar heiraten wollte, kam es zu einem Schicksalsschlag – Hedy nahm sich in jener Zeit das Leben. – Freddy beschloss, sich einem Wanderzirkus (Zirkus Gschwandner) anzuschließen, wo er in einer Drei-Mann-Kapelle als Saxofonist tätig war. Da sein Stiefvater ihn suchen ließ, wanderte er nach Algier aus.
Anfang der 1950er Jahre kehrte Freddy nach Deutschland zurück und übernahm in Hamburg erste Engagements als Sänger. Seinen ersten kleinen Erfolg erzielte er 1952 bei einem Sängerwettstreit in Belfast, wo er den ersten Preis erreichte.
Bei einem Engagement in der Washington-Bar auf St. Pauli wurde Freddy von dem Regisseur Jürgen Roland und dem Musiker Werner Becker 1951 für die Schallplatte entdeckt. Werner Becker war damals als Talentsucher der Plattenfirma Polydor unterwegs, Jürgen Roland ein Fernsehmann der ersten Stunde.
Freddy trat damals gemeinsam mit seinem Partner Erhard Hassek als „Freddie und Hardy“ auf – gemeinsam mit ihm hatte er bereits am 11. Januar 1952 seinen ersten TV-Auftritt, weil Jürgen Roland deren Performance gerne für die Sendung „Was ist los in Hamburg?“ im Programm haben wollte. Das Fernsehen steckte damals noch in den Kinderschuhen – nur wenige Menschen konnten das Programm verfolgen. Kurz darauf trennt sich das Duo – und Freddy wollte offensichtlich nichts mehr von seinem damaligen Weggefährten wissen, hat dessen Kontaktgesuche immer wieder abgelehnt.
Die Plattenproduzenten und Buchautoren Walter Haas und Ulrich Klever verfügten über den Mitschnitt eines ganzen Programms von Freddy aus der damaligen Washington-Bar Zeit und wollten die Aufnahme veröffentlichen, wobei Freddy finanziell beteiligt worden wäre. Dieser untersagte die Veröffentlichung und erwirkte diesbezüglich sogar eine einstweilige Verfügung. Zum Leidwesen vieler Fans kam es nie zu einer Veröffentlichung des Materials.
Ende 1953 gab es einen weiteren Meilenstein in Freddys Karriere – die Bild Zeitung berichtete über ihn – es hieß: „Freddy, der singende Seemann“. Damals sang er hochprozentig englischsprachige und internationale Lieder, was seiner weit überdurchschnittlichen Sprachbegabung entgegen kam. Fortan begann Freddy, Gesangs- und Schauspielunterricht zu nehmen, u. a. wurde er bei der Musikhochschule von der Gesangspädagogin Maja Evans unterrichtet. Bezüglich seiner Ausbildung wurde mit der Polydor sogar ein Vertrag (datiert 7. November 1954) geschlossen.
In dieser Zeit hat Quinn beim NWDR gemeinsam mit dem großen Unterhaltungsorchester unter der Leitung von Alfred Hause bereits zwei Lieder aufgenommen – am Bass spielte damals Hans „James“ Last. Die Lieder „Hallo Joe“ und „Karte genügt“ dürften die ersten Studioaufnahmen Freddys überhaupt sein.
Unter dem Namen „Frederico Quinn“ kam es 1955 zur ersten Schallplattenaufnahme Freddys – begleitet vom Orchester Juan Miguel Goncalves (Künstlername für Detlev Lais) nahm er bei Telefunken (Best. Nr. 45.796) ein „Samba-Medley“ auf, das im Dezember 1955 in Hamburg aufgenommen wurde.
Ab 1956 wurden Freddys Schallplatten (er nannte sich fortan „Freddy“, ohne Nachnamen) bei der Hamburger Plattenfirma Polydor veröffentlicht. Genau so kurios bzw. mysteriös wie viele Dinge in seiner Vita, ist auch die Geschichte seiner ersten dort erschienenen Single – das fängt schon beim Namen „Freddy“ an:
Bei der Veröffentlichung der Single kam es zu Fehlern in der Datenweitergabe der Label-Kopie von Hamburg nach Hannover. Der Hannoveraner Fabrikchef Dr. Hans-Werner Steinhausen (Polydor Int.) kannte die Schreibweise von Freddys „Nachnamen“ Quinn nicht, und so entschied der ebenfalls unsichere Produktionschef Kurt Richter in Hamburg, dass „Freddy“ als Interpretenangabe genügen solle. Dieser Fehler hat letztlich dafür gesorgt, dass „Freddy“ über Jahrzehnte hinweg als Interpretenbezeichnung auf den Plattenlabels erschien.
Wie kam es nun, dass es zu solchen Missverständnissen hinsichtlich der Coverbeschriftung kam? – Die Aufnahme zu den beiden Liedern erfolgte am 22. Februar 1956 in Hamburg – gemeinsam mit Horst Wende, der später selber unter dem Pseudonym „Roberto Delgado“ bekannt wurde, und seinen Tanzsolisten. Eigentlich war René Carol als Interpret vorgesehen gewesen – der war aber wohl „unpässlich“ (Gerüchte besagen, dass er bei einer alkoholisiert vorgenommenen Autofahrt erwischt worden sei). Das war Freddys Chance – er sprang ein und erhielt eine Fix-Gage in Höhe von DM 240,00 pro eingespieltem Lied. Als erstes ging es um folgenden Song:
II. Erste Erfolge
Bereits 1947 veröffentlichte Merle Travis den sozialkritischen Countrysong „Sixteen Tons“. Acht Jahre später, 1955, machte Tennessee Ernie Ford das Lied, in dem es um das Leben in den Kohlegruben zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs geht, zu einem großen Hit in den USA. Kurz nach dem verlorenen Krieg war man wohl der Meinung, diesen „schweren“ Inhalt nicht in einem Schlager verarbeiten zu wollen – andrerseits war eine deutsche Version des Hits auf der Agenda der damals verantwortlichen Plattenbosse, weil deutsche Coverversionen in damaliger Zeit äußerst populär waren.
Der Textdichter Peter Moesser ersann also eine komplett neue Geschichte um einen Seemann, der auf dem Schiff „Mary Ann“ anheuert und dort bis zum Kapitän aufsteigt – fertig war „Sie hieß Mary Ann“. Der Schlager wurde in dieser Version ein großer Erfolg, allerdings kam noch besser als Freddys Version die von Ralph Bendix an. Die damals bei der Polydor zuständige Produzentin Sigrid Volkmann legte die Nummer aber als Single-A-Seite fest, um eben an Bendix‘ Erfolg, den dieser bei der Electrola erzielt hatte, zu partizipieren.
Weit erfolgreicher als die A-Seite war aber die Rückseite von Freddys Polydor-Debutsingle. Auch das war eine Coverversion – aus Dean Martins „Memories Are Made Of This“ schneiderten die renommierten Textdichter Ernst Bader und Ralf Arnie (unter Pseudonym „Dieter Rasch“) den Fernweh-Schlager „Heimweh (Dort, wo die Blumen blüh’n)“. Das Lied war zunächst nicht sonderlich populär – bis der Moderator Werner Götze im Bayerischen Rundfunk die Platte mit dem Lied mit den Worten „schade um den Schellack!“ zerbrach und von der „Schnulze des Jahres“ sprach. Wie in späteren Jahren so oft, führen solche Boykott-Aktionen erst zur richtigen medialen Aufmerksamkeit – und der eigentlich als B-Seite gedachte Schlager avancierte zum Hit des Jahres – zur Erinnerung: Freddy war mit DM 240,00 an diesem Erfolg beteiligt – zum „Trost“ erhielt er aber auch eine Goldene Schallplatte als Anerkennung für seinen bombastischen Erfolg. Nachträglich bekam er immerhin noch einen Scheck in Höhe von DM 20.000,00 und einen VW-Käfer als Anerkennung – trotzdem war das – in Anlehnung an den Schlager: „harte Arbeit – karger Lohn“. Freddy löste übrigens 1956 Bill Haleys „Rock Around the Clock“ von der Spitze der deutschen Hitparaden ab. Einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg des Schlagers hatte Bortho Lucas und sein Chor, die nicht weniger als 16 Mal „So schön – schön war die Zeit“ ins Mikrofon hauchten (eine andere Quelle spricht vom „Joe-Menke-Chor“).
Was die Entlohnung angeht, sollte Freddys (nicht vorhandenes) „Verhandlungsgeschick“ übrigens Folgen haben. Er berichtete einer Hamburger Dame namens Lilly Blessmann, wie viel er für das Einsingen der beiden Stücke erhalten habe. Diese war sprachlos ob des kleinen Honorars und bot sich an, für künftige Verhandlungen zur Verfügung zu stehen. Sie blieb fortan bis zu ihrem Tod an Freddys Seite als seine Managerin, zwischendurch gab es sogar Gerüchte, die beiden seien miteinander verheiratet gewesen.
Am 18. November 1956 war „Heimweh“ der erste Nummer-1-Hit der neuen Bravo-Hitparade „musicbox“, in der die beliebtesten Schlager in Hitparaden-Form aufgeführt wurden.
Einen Wunsch hat man Freddy über viele Jahre bei der Polydor nicht abgeschlagen – aufgrund seines ersten Erfolges trugen alle Nachfolge-Singles (Ausnahmen: „Rosalie“ und „Bel Sante“) wie die Debut-Single als Endziffern in der Bestellnummer die „81“, was durchaus Glück gebracht hatte, erst ab 1972 nahm man das dann nicht mehr so genau.
Nachdem der große Erfolg da war, entschloss man sich, Freddy für die Vorentscheidung zum ersten Grand Prix Eurovision de la Chansons 1956 zu nominieren. Er trat am 1. Mai 1956 mit dem von seinem späteren Erfolgskomponisten und Mentor Lothar Olias komponierten und Peter Moesser getexteten „So geht das jede Nacht“ an und gewann die Vorentscheidung (gemeinsam mit Walter Andreas Schwarz und dessen „Im Wartesaal zum großen Glück“) (Hinweis: Es ist nicht zu 100 Prozent klar, ob 1956 eine Vorentscheidung stattfand. Viele Quellen sprechen dafür, aber die beteiligten Protagonisten können sich daran nicht mehr erinnern). Im Freddy-untypischen Boogie-Woogie Rhythmus beklagt er sich über das unstete Liebesleben seiner Lebensgefährtin, die sich täglich neuer „Lover“ bedient. Freddy trat beim ersten Eurovisions-Wettbewerb in Lugano am 24. Mai 1956 an und konnte sich gegen die siegreiche Lys Assia und deren Siegertitel „Refrain“ nicht durchsetzen. Er zog die Konsequenz und beteiligte sich fortan nie wieder an diesem Wettbewerb. (Viele Jahre später haben Bernd Begemann und Dirk Darmstädter eine neue Version dieses Schlagers herausgebracht und sogar (allerdings eher erfolglos) bei Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“ teilgenommen).
Erneut war man wohl unschlüssig, welcher Titel sich besser als A-Seite eignete – letztlich hat sich aber nicht Freddys Grand-Prix-Song, sondern der Schlager „Rosalie“ durchgesetzt, der sich erneut überaus gut in den einschlägigen Hitparaden platzieren konnte. Den Schlager über eine Insel-Schönheit, den Freddy am 11. Mai 1956 in Hamburg aufnahm, schrieben neben dem Dirigenten des Begleitorchesters, Horst Wende, Lotar Olias (unter dem Pseudonym „Hans Henderlein“) und „Günther Lex“.
Auf der nächsten Single waren als weitere Mitwirkende die „Dominos“ genannt („Freddy und die Dominos“). Noch interessanter ist aber die Angabe des Begleitorchesters – schon 1956 war Bert Kaempfert für Freddy tätig. Wieder wurden beide Single-Seiten zu Hits, erneut schlug die B-Seite besser ein… – Als A-Seite entschied man sich für den von Werner Cypris und Ralf Arnie geschriebenen Schlager „Endlose Nächte“ – immerhin reichte die Moritat über einen Mann, dessen Vater ein Säufer war und dessen Mutter tot ist, für einen Platz 27 in den damaligen deutschen Charts.
Besser kam aber die B-Seite an – ein Lied von Alex Francis („Lex“) und „Charlotte Chait“ – das maritim angehauchte „Bel Sante“ stürmte zum Jahresende 1956 die deutschen Top 10, eine Adaption aus den US-Charts.
Die Tradition der erfolgreichen B-Seiten hielt mit der nächsten Single besonders eindrucksvoll an. Als A-Seite entschied man sich für den von Lotar Olias und Peter Moesser geschriebenen Schlager „Wer das vergisst“ – vermutlich, weil das Lied im Anti-Kriegs-Film „Haie und kleine Fische“ vorkommt. Immerhin reichte es für einen 7. Platz in der deutschen Hitparade.
(…)
Stephan Imming, 25.03.2016
http://www.freddy-quinn-archiv.at/