HERBERT GRÖNEMEYER
Buchrezension "Herbert Grönemeyer – Die Biografie" (Autor: Max Wellinghaus) von Stephan Imming!

Stephan Imming hat sich die Biografie des sehr erfolgreichen Sängers durchgelesen! 

Es ist schon ungewöhnlich – von vielen C- und D-Promis gibt es Autobiografien, die an den Schobert & Black-Klassiker „Memoiren“ erinnern („Schreiben Sie Ihre Memoiren, machen Sie mit beim großen Gewinn!“). Bei den Superstars ist es schwieriger – neben Helene Fischer entzieht sich auch Herbert Grönemeyer diesem „Gruppenzwang“. Wobei er sich in Bezug auf eine „Best Of“-Veröffentlichung irgendwann gebeugt hat und augenzwinkernd konstatierte „was muss, muss….“ – vielleicht passiert das ja Eines Tages auch noch mal bezüglich einer autorisierten Biografie oder gar einer Autobiografie.

Solange der Meister selbst sein Leben also nicht aufschreiben mag, muss man wohl auf fachkundige Biografen zurückgreifen. Der 1975 geborene „Society-Experte“ Max Wellinghaus, der schon andere Prominente wie Guido Maria Kretschmer in einem Buch porträtierte, hat sich durch hunderte von Quellen durchgearbeitet, die er auf einem guten Dutzend Seiten benennt, und dabei ein stimmiges Bild eines der derzeit erfolgreichsten deutschen Musikers gezeichnet.

Der Autor beginnt damit, ein paar der typischen Charakterzüge Grönemeyers zu beschreiben und setzt sie gleich in den Zusammenhang mit dessen Musik. Gleich am Anfang wird klargestellt, dass Grönemeyer seine Biografie in Form seiner Lieder selbst längst geschrieben habe. Ein Beispiel ist der „Wut-Song“ „Was soll das?“, der einer von Herberts ersten großen Erfolgen war. „Seine Faust will unbedingt in sein Gesicht – und darf nicht“ – dieses Wut-Gefühl beschlich in anderen Zusammenhängen den Musiker immer mal wieder – zum Beispiel, als er von Reportern am Flughafen Köln-Bonn belästigt wurde und sich zur Wehr setzte und in einer Talkshow bei Anne Will, in der er Horst Seehofer der „geistigen Brandstiftung“ bezichtigte. Umgekehrt kann er auch wunderschöne Liebeserklärungen machen, auch das gehört zu Grönemeyers Persönlichkeit, wie wir in seiner Biografie erfahren.

Das Buch ist in verschiedene Kapitel unterteilt, die teilweise zeitlich etwas springen. Im Kapitel „Herbert“ geht es u. a. um Herberts Wurzeln: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“ singt Grönemeyer – wir erfahren, dass er auch DAS lebt und sich derzeit sehr wohl in der Bundeshauptstadt Berlin fühlt, obwohl er im Wettbewerb „Bochums Beste“ als bedeutendster Bochumer gewählt wurde. Der „Herbert“, dem sein zweiter Vorname Arthur dem Vernehmen nach sympathischer ist, wäre eigentlich lieber Fußballstar oder Gebrauchtwagenhändler geworden – es hat „nur“ zum Sänger gereicht.

Interessant sind musikalische Impulse in Kindheit und Jugend: Bereits mit sechs Jahren bekam Herbert eine Ukulele geschenkt. Mit acht Jahren begann er, Klavier zu spielen, wurde sehr von seinem (strengen) Vater gefördert, der ihm einen Flügel schenkte. Mit 13 gründete er seine erste Band, schon mit 15 wurde er für die „Bo-Band“ des Bochumer Schauspielhauses vertraglich engagiert. Nach dem Abitur wurde er als Bühnenmusiker unter Peter Zadek im Schauspielhaus engagiert und begann dort auch zu schauspielern (, ohne eine entsprechende Ausbildung gehabt zu haben). Er schloss sich der Bochumer Band „Ocean Orchestra“ an und veröffentlichte mit der Gruppe sogar eine englischsprachige LP.

Die erste LP, „Grönemeyer“, sang der Sänger als „Auftragsarbeit“ ein, ohne zu wissen, dass sie unter seinem Namen („Grönemeyer“) in die Läden kommen sollte – bis heute hat Herbert keinen Bezug zu dieser ersten 1979 erschienenen Platte, für das er immerhin einen Preis für das hässlichste Plattencover des Jahres erhielt. Etwas besser lief es mit dem zweiten Werk, „Zwo“, auf dem immerhin bereits ein Klassiker enthalten ist: „Ich hab Dich lieb“. Wenngleich es stetig bergauf ging, war der Erfolg weder mit Plattenverkäufen noch mit einer einberaumten Tournee zu mager, der Plattenvertrag mit der Intercord wurde gekündigt.

Bekannt wurde Herbert 1981 mit seiner Filmrolle in „Das Boot“ – der Film wurde ein großer Erfolg, seine Fertigstellung dauerte rund drei Jahre. Zwei weitere Filme drehte er noch, bevor er sich dann ganz der Musik widmete.

Entgegen anders lautender Empfehlungen ging Grönemeyer seinen eingeschlagenen Weg weiter, allerdings sang er fortan nur noch selbst geschriebene Texte, wie auf seiner ersten am 14. August 1984 erschienenen EMI LP „4630 Bochum“ – dieses Datum sollte sein Leben ändern. Hits wie „Männer“, „Kinder an die Macht“ und „Was soll das?“ machten ihn zum bekanntesten deutschen Rocksänger, seine LP „Ö“ war historisch lange Nummer 1 der bestverkauften Alben. Der Autor beschreibt Grönemeyers Erfolg wie folgt: „Und doch ist Grönemeyer für die Deutschen das, was Bruce Springsteen für die USA ist. Ein Seismograf sensibler Stimmungen, ein Mann, der die Gedanken eines ganzen Landes in wenigen Worten auf den Punkt bringen kann.“

Wir erfahren auch, welchen ungewöhnlichen Weg Herbert beim Komponieren geht: Es wird erst die Komposition „anarchistisch“ erstellt, der Text („eine Scheißarbeit“), hingegen diszipliniert erarbeitet. Dabei hat er eine ganz eigene Vorgehensweise, die im Buch beschrieben wird. Am liebsten schreibt die Nachteule Grönemeyer seine Texte nachts. Vielleicht auch das Lied über Herrn Löw, das ihm bei der Fußball-WM 2014 eingefallen war. Fußball ist eine von Herberts Leidenschaften – er ist Mitglied des VfL Bochums (Mitglied Nr. 4630), aber auch ein Freund der Dortmunder Borussia. Eine große Affinität zur Nationalmannschaft hat er spätestens, seit er 2006 den offiziellen Song „Zeit, dass sich was dreht“ geschrieben hatte.

Der geneigte Leser erfährt viel über Grönemeyer, was nicht so weit verbreitet ist – beispielsweise lehnte der 1988 eine Tour durch die DDR trotz angebotener Gage in Millionenhöhe ab, weil er dem damaligen System nicht förderlich sein wollte. Dass sein Sohn HipHop-Musik machte und seine Tochter im Chor des Songs „Mensch“ mitsang, dürfte auch nicht jedem geläufig sein. Und dass der Musiker sich über eine 1989 veröffentlichte Persiflage von Wigalf Droste und Bela B. namens „Grönemeyer kann nicht tanzen“ derart ärgerte, dass er Jahrzehnte später Tanzunterricht nahm und ein Video veröffentlichte („Fang mich an“), um das Gegenteil zu beweisen, ist auch eine Facette Grönemyers, die in der Biografie beschrieben wird.

Viel Raum nimmt auch die härteste Zeit Herbert Grönemeyers ein – die Tage, in denen er kurz nacheinander seinen geliebten Bruder und seine geliebte Frau verlor, die beide an Krebserkrankungen starben. Man erfährt von der Angst, die er hatte, nie mehr Musik machen zu können – und dass seine Kinder Felix und Marie eine große Rolle spielten, ihn wieder aufzurichten und zum Weitermachen zu bewegen. Zur Bewältigung seiner Trauer benötigte er dennoch eine Trauertherapie, und er hat sich im fortgeschrittenen Alter von 42 Jahren noch das Rauchen angewöhnt.

Sehr aufschlussreich an dem Buch sind immer wieder aufkommende Vergleiche zu anderen prominenten Persönlichkeiten, so zieht Autor Max Wellinghaus hinsichtlich der Paparazzi-Aufdringlichkeit Vergleiche zu den Fotos von Ernst-August von Hannover, bezüglich der Krebs-Erkrankung verweist er auf Kylie Minogue, Anastacia und andere als Gegenentwurf zur Grönemeyers Frau Anna, die ihre Krebserkrankung nicht öffentlich machen wollte. Hinsichtlich des ekstatischen Gefühls, das man hat, wenn man von Zehntausenden bejubelt wird und anschließend geerdet werden muss, verweist der Autor auf viele Popstars wie Amy Winehouse, die den Alltag mit Drogen bewältigen mussten, weil die Differenz zwischen Alltag und Bühnen-Job zu stark war. Grönemeyer konnte das recht gut bewältigen, obwohl folgendes Zitat im Buch zu finden ist:  „Auf der Bühne zu stehen ist für ihn darum „wie Küssen. Wenn man das mal erlebt hat, möchte man es nicht mehr missen.“

Angenehm ist, dass der Autor sich offensichtlich sehr intensiv mit Grönemeyers Werk beschäftigt hat und auf so ziemlich alle Veröffentlichungen des Sängers eingegangen ist, dabei auch recht unbekannte Lieder bespricht und sie in Grönemeyers Leben einordnet, weil diese ja – wie wir zuvor gehört haben – so etwas wie dessen Autobiografie in Liedern wiederspiegeln.

Hier und da sind zwar ein paar kleine missverständliche Formulierungen zu finden  „Als er sich mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt traf, Anfang der 90er Jahre“. Was auch auffällt, ist, dass alle Informationen aus Sekundärquellen stammen. Die Biografie ist damit nicht nur nicht offiziell lizensiert – anscheinend hat es auch keine direkten Interviews mit Herrn Grönemeyer gegeben. Daraus folgt, dass für „Extrem-Fans“ vermutlich keine neuen Erkenntnisse dem Buch entnommen werden können. Andrerseits werden die Quellen sehr sauber benannt, und der Autor schreibt durchaus kritisch-distanziert und schreibt nicht einfach aus einschlägigen Quellen ab. Vor diesem Hintergrund ist Herbert Grönemeyers Biografie gerade für den „interessierten Laien“ sehr interessant und informativ und somit lesenswert.

Ein  Zitat aus dem Buch könnte man als dessen Fazit benennen: „Nein, ein Popstarleben führen will er nicht. Das ist nicht seine Welt. War es nicht und wird es niemals sein. Punkt.“

Stephan Imming, 24.05.2016

http://www.groenemeyer.de/

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