FREUDENBERG & LAIS
Die CD "Lebenslinien" im Test von Holger Stürenburg!
Das Album ist gerade auf Platz 20 der Offiziellen Deutschen Charts – ermittelt von Gfk Entertainment – eingestiegen! Es ist das dritte Top 20-Album von Ute Freudenberg & Christian Lais in Folge!
Als im Frühjahr 2011 die fulminante Duett-Single „Auf den Dächern von Berlin“, gesungen vom Lörracher Popschlager-Experten Christian Lais und der legendären Weimarer Ostpop-Lady Ute Freudenberg, erschien und in den Single-Hitparaden den für eine weitestgehend dem Bereich des Schlagers zuzurechnende Produktion ungewohnt hohen Rang 25 zu erzielen vermochte, ahnte noch niemand, dass diese großspurige, gitarrenbetonte Gänsehautballade den Startschuss für eine bis heute andauernde Zusammenarbeit der beiden stimmstarken Künstler darstellen sollte.
Vermutlich hatte nicht einmal der Topproduzent David Brandes mit diesem unerwarteten Erfolg dieses Duetts gerechnet. Er, der Ute und Christian beide gleichsam als Solokünstler betreut, war es, dem diese – zunächst nur auf Einmaligkeit ausgerichtete – Idee in den Kopf geschossen war, eine unverkennbare, hochtalentierte ‚West-Stimme‘ mit einer ebenso kraftvollen und seit jeher aus dem nationalen Popallerlei hervorstechenden ‚Ost-Stimme‘ für einen prickelnden Zwiegesang zusammenzubringen, wobei sich dieses Experiment ja zudem thematisch und inhaltlich, zur unterschiedlichen Geburtsherkunft beider Protagonisten passend, mit der Deutschen Wiedervereinigung beschäftigte.
Doch, so ungewöhnlich und gewagt dieses Vorhaben auf den ersten Blick erschienen sein mochte, so sehr begeisterten sich viele Freunde gehobener, muttersprachlicher Popmusik in Windeseile für diese einzigartige, kreative Kooperation – die aber von Anbeginn an alleine schon durch das nicht alltägliche Können und Fingerspitzengefühl des Produzenten und Liedschreiber David Brandes letztlich zum längerfristig währenden Durchbruch verdammt war. Diesem gelingt es nämlich in steter Regelmäßigkeit, herausragende Stimmen von Interpreten mit unverwechselbarer Ausstrahlung mit seinen alleweil so erhabenen, wie kompakten, in sich geschlossenen Kompositionen, bei denen oft der angloamerikanische Hochglanz-Pop der 70er und 80er Jahre („ABBA“, „Alan Parsons Project“, Jeff Lynne/“E.L.O.“) Pate steht, in bester Perfektion harmonieren zu lassen, so dass die von dem gebürtigen Baseler verantworteten CD-Produktionen regelmäßig wie aus einem Guss erschallen.
Es folgte auf „Auf den Dächern von Berlin“ im Mai 2011 das Album „Ungeteilt“, auf der sieben neue Duett-Kompositionen plus ein paar der bekanntesten Solotitel von Ute („Jugendliebe“) bzw. Christian („Sie vergaß zu verzeih’n“, „Wie Du“) berücksichtigt worden waren, und das sich flink – sehr zurecht – auf Rang 14 der hiesigen Longplay-Hitparaden wiederfand. „Spuren von uns“, die zweite Duett-Scheibe der beiden Gesangshelden, veröffentlicht im Herbst zwei Jahre darauf, konnte das Debüt sogar um einen Rang toppen, wurde entsprechend in den LP-Charts auf Numero 13 notiert und zeigte sich stilistisch einerseits rockorientierter als zuvor, andererseits huldigten Ute und Christian zunehmend elitärem Chanson- und Liedermacher-Flair.
Ja, und nun gibt’s seit Kurzem bei Electrola/UNIVERSAL „LEBENSLINIEN“ das dritte CD-Werk von – wie sie sich heute verkürzt nennen – „Freudenberg & Lais“ zu hören. Die zwölf darauf vorhandenen, brandneuen Songs (plus jeweils ein Intro und ein Outro) setzen in Puncto musikalischer Gliederung bzw. Strukturierung, künstlerischer Qualität und Anspruch bezüglich der Kompositionen, der Texte und der tönenden Umsetzung genau dort an, wo 2013 „Spuren von uns“ aufhörte – ergo, auf demselben bedeutsamen Niveau, bei derselben klanglichen Dichte und Intensität, die wir von den beiden Interpreten im Verbund mit ihrem ‚Mastermind‘ seit Jahren – ob solistisch, ob als singende Partner – gewohnt sind und worauf wir uns tatsächlich, bei Nennung dieser drei Namen, unzweifelhaft verlassen können.
„LEBENSLINIEN“ betört durch klang- und stimmungsvolle, feinsinnig und einfühlsam gleichermaßen konzipierte Melodien und Brandes-typische Melodiebögen, mal dezent, mal lauter umgesetzt, gepaart mit u.a. von Dr. Bernd Meinunger oder gar Ute Freudenberg selbst in phänomenaler Manier ersonnenen Reimen, die diesmal aber darüber hinaus häufig sehr politisch, bissig, wie Ute nicht ohne Stolz betonte, „schön giftig“ (Zitat) ausformuliert wurden und nicht selten deutliche, harsche Kritik an Zeit und Geist des Heute und Hier üben.
Auf ein gedankenversunken perlendes, ca. einminütiges Intro ohne Worte, folgt die nobel-schwelgerische, erst introvertierte, später üppig und offensiv rockig-treibende Mid-Tempo-Komposition „Warmer Regen“, mal wieder ein exquisites Pop/Rock-Kunstwerk, welches fraglos als international jederzeit konkurrenzfähig klassifiziert werden muss. Dröhnende Gitarrenwälle und ein keck voranstrebender Rhythmus leiten nun den gleichfalls äußerst vornehmen und honorigen, dabei enorm eindringlichen „ABBA-trifft-„E.L.O.“-Meilenstein „Und niemand sieht die Kinder weinen“ ein, der sich feinfühlig und empfindsam mit den bösen Folgen einer Scheidung für den Nachwuchs eines bisherigen Ehepaares auseinandersetzt.
Im brachial sanftmütigen, wiegend-einschmeichelnden Gitarrenschleicher „Für den Frieden unserer Zeit“ folgen auf zuerst so verträumt-patriotische Textzeilen in den Strophen, im Rahmen derer die beiden Duettpartner unter dem Motto „Ich lebe gern in diesem Land“ erläutern, weshalb sie Deutschland als positive und tolerante Heimat wahrnehmen und bezeichnen, im Refrain allerdings überdeutliche, schlageruntypische Worte gegen Terror, Krieg und Gewalt in aller Welt – und dies alles auf der kompositorischen Basis einer prononciert sensiblen, ebenso unauffällig und taktvoll austarierten Schlagerballade, was nur als ein mustergültiges Paradoxon per Excellance eingestuft werden kann.
„Leben“ hingegen, die erste Radiosingle aus „Lebenslinien“, ist ein optimistisches, lebensbejahendes und angenehm ausgeglichenes Chanson, ein gesungener Aufruf, das Leben zu genießen, sich nicht von Wunden der Vergangenheit aufhalten zu lassen, sondern sich dem Fluss des Lebens vorurteilsfrei und aufgeschlossen hinzugeben. „Nicht für immer“, lyrisch eher düster, traurig, trist ausgefallen, zeigt sich musikalisch indes gegenteilig als lockere, aufstrebende Pop-Rock-Melange US-amerikanischer Prägung, voller mannigfaltiger Gitarren- und Streicherwälle, vermengt mit einem fülligen Schlagzeug-Sound und natürlich – wie kann es anders sein? – geführt von den ein ums andere Mal hervorragend und punktgenau zum Einsatz kommenden Stimmorganen von Ute und Christian.
Über die Unterschiede zwischen „Männer(n) und Frauen“ sinnieren die Beiden humorvoll, augenzwinkernd und lyrisch fast offenherzig und lustvoll, in gleichnamiger, gemächlich vor sich hin schwebender, abermals überaus exzellent, erlesen und luxuriös inszenierter (wiederholt unüberhörbar Abba‘esquer) Chansonballade. Daran anschließend wird es nochmals hochpolitisch und brisant: Deftig rockig, gitarrenlastig untermalt, rhythmisch in mittlerem Tempo gehalten und zugleich aufbrausend, hymnisch, ereifern sich Ute und Christian über die vielen vollmundigen Versprechungen, die Politiker ihren Wählern vor jeder Wahl phrasenreich und ausufernd, in schönste Worte gefasst, darreichen. Grandios aufscheinende Ankündigen, die aber bekanntlich zumeist nur „Bis nach der Wahl“ (Liedtitel) halten bzw. gelten, weshalb im Anschluss an den Urnengang den Hohen Herren wieder alles völlig egal zu sein scheint, wie es in diesem, unseren Lande gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch so weitergehen möge.
Den (offenkundig wirklich immer unvermeidlicheren) Part des so klassischen, wie vorhersehbaren Klischee-Pianoschleichers, der still beginnt, kurz darauf dröhnend explodiert, um dann erneut in ruhigere Gefilde zurückzufahren, übernimmt auf „Lebenslinien“ der (zu) konventionelle Gefühlsschlager „Weil ich es liebe“ – tausendmal zuvor in dieser Form gehört, wohl mehr ‚Pflichterfüllung‘, denn ideen- und einfallsreiche Schöpfung…
Ein wahrhaftiges „Rundumsorgenfrei-Gefühl“ (Textzitat) versprüht nun der freudig-muntere, optimale Sommer-Sonnen-Freizeit-Freiheits-Soundtrack im spritzigen Akustikgitarren-Gewand, „Sanfter Sommerwind“, woraufhin der dralle, diesmal unsagbar und stringent synthesizer-betonte Pop-Rocker „Wir ziehen ein“ Wohnungsnot, Entmietung und Kaputt-Sanierung in gewissen In-Gebieten deutscher Großstädte zynisch und gewitzt in einem durch den Kakao zieht. Ebenfalls in einer drastisch 80er-Jahre-gemäßen, kühl-distanzierten Synthesizer-Auskleidung, ertönt das philosophische Klangdrama „Helden“, das vor 30 Jahren, zu Zeiten getragener, teutonischer Synthipop-Arien, z.B. von Drafi Deutscher („Herz an Herz Gefühl“), Nino de Angelo („Flieger“) oder gar Roland Kaiser („Haut an Haut“), garantiert ein Superrenner im Spannungsfeld zwischen Pop und Schlager Made in Germany geworden wäre, heutzutage aber – wenn auch außerordentlich liebenswert und sympathisch – durchaus in spürbaren Nuancen anachronistisch wirkt… ein Faktum, das mir, als unverbesserlichem 80er-Kind, ohne jegliche Frage sehr zusagt, aber vielleicht bei jüngeren Musikfans ein gewisses Unverständnis hervorzurufen in der Lage sein könnte.
„Ihr Kinder von morgen“, ähnlich dramatisch, symphonisch, prall und prunkvoll orchestriert, und ein folgendes, rein instrumentales Outro, beschließen ein, mal wieder – und wie es nicht anders zu erwarten war – monumentales, schlicht ergreifendes Opus des unschlagbaren Trios Ute Freudenberg/Christian Lais/David Brandes, welches in popkultureller Höchstform erstrahlt, auf glanzvollster Ebene mit hochgradig delikater, deutscher Popmusik im weltbürgerlichen Modus aufwartet. Musikalisch fast ausnahmslos in bester Kunstfertigkeit ausgearbeitet, getragen und mit Leben gefüllt von zwei wundervollen Stimmen, die graziös zueinander passen, mit lyrischen Hochgenüssen gespickt, unter denen sich Ironie, Zeitkritik und konstruktive Polemik ebenso finden lassen, wie Emotionales, Philosophisches und Leichtes, Freudiges, Entspannendes.
Kurzum: „LEBENSLINIEN“ von „FREUDENBERG & LAIS“ ist ein brillantes Stück einheimischer Popmusik, welches die (auch kommerzielle) Reputation der beiden Vorgängeralben ohne jegliche Zweifel dito erreichen, wenn nicht womöglich sogar noch in den Schatten stellen wird!
Holger Stürenburg, 5. August 2016
http://www.universal-music.de/company/umg/electrola
http://www.ute-freudenberg.de/