MAITE KELLY
“Nie kam so wenig bei den Musikern an wie heute!” – Das große smago! Exklusiv-Interview mit Maite Kelly …

… zu ihrer neuen CD “NUR LIEBE” (VÖ: 28.03.2024)!

 

 

 

Zunächst einmal nachträglich noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Nominierung für den „Deutscher Musik Autor*innen Preis“ der GEMA. Wie sehr ist diese NOMINIERUNG für dich Balsam auf deine geschundene Seele gewesen? Man hat ja am Anfang nicht unbedingt an dich geglaubt …? Und: Was sagst du zu OLIVER LUKAS, der ebenfalls nominiert war, und zu KERSTIN OTT, die letztendlich “gewonnen” hat?

OLIVER LUKAS ist ein sehr wertgeschätzter Freund und Kollege, den ich bislang nur „von weitem“ kannte. Wir haben witzigerweise bislang nie zusammengearbeitet, weil er selber so aktiv ist. Wir senden uns aber immer mal hin und wieder SMS hin und zurück und motivieren einander.

KERSTIN OTT ist ja bekannt. Wir teilen als Freundinen gegenseitig oft unsere ideen oder gar Rohskizzen und wissen vom anderen, dass der nicht „klaut“. Ich durfte oft beim ersten Puls ihrer Inspiration dabei sein, was natürlich für mich als Freundin und Schreibkollegin eine große Ehre ist. Es war ein berührender Abend für uns drei, weil wir alle vor der Nominierung nervös waren. Natürlich dachte ich zurück an die kleine MAITE, die mit neun Jahren ihre ersten Gedichte geschrieben hatte. Wie du schon sagtest, das war recht „heilsam“. Mein Vater hat mich natürlich schon sehr gefördert. Außerhalb meines Vaters war das aber echt immer so ein totaler Widerspruch.

Als ich dann vor zehn Jahren mich dazu entschieden habe, auf Deutsch zu schreiben, weil ich das für mich verspürte, hat keiner daran geglaubt – außer natürlich KLAUS MUNZERT, dem das damals gefallen hat. manchmal braucht es nur einem der an einem Glaubt.

Der Titelsong deines neuen Albums “Nur Liebe” führt einen zunächst in die Irre … Man denkt am Anfang, es kommt eine typische italienische Schnulze oder ein griechischer Hit der Marke „Goodbye, My Love, Goodbye“ – und dann explodiert die Nummer förmlich. Wie kam es zu diesem Aufbau …

Interessanterweise habe ich die Strophen anders komponiert. Ich spürte in mir, dass gerade die Tiefe in diesem doch politischen Song durch diesen Wechsel der Rhythmen sich am besten entfaltet. Nach der KELLY-FAMILY habe ich auch mal in einer SKA-Band gespielt. Da ist es völlig normal, dass nicht nur Reggae- und Upbeats-Elemente enthalten sind, sondern auch andere Stilistiken. Das war schon eine Herausforderung – aber ALEX WENDE ist ein Junge der alten Schule, und wir hatten tolle Musiker, die das live einspielen konnten.

Wie schafft man es, in dieser heutigen Zeit so eine luftig-leichte Nummer wie “Die Liebe hat einen Plan” zu schreiben und zu singen?

Ich habe mir mit diesem Album – bezogen auf die Vielfalt und Freiheit der Rhythmen – noch einmal mehr zugetraut. Bei „Einfach Hello“ bin ich mit dem Shuffle schon etwas aus der 4:4-Form ausgebrochen, die ich zuvor mit den Discofox-Beats eingeschlagen habe. Wobei ich auch diese Lieder immer noch sehr schön finde und sie weiterhin gerne schreibe. Aber ich habe es mir erlaubt, Wert darauf zu legen, dass die Songs stimmig sind und zu zeitlosen Werke werden, die zwar aktuell modern auf der Höhe der Zeit produziert worden sind, sich aber auch in zehn Jahren noch richtig anfühlen sollen.

Ich glaube, ich habe mich richtig musikalisch in allen Schlagerfreiheiten ausgetobt.

Man könnte sich dich mit dem Song “Mit Liebe geht das” wunderbar beim Eurovision Song Contest vorstellen. Wäre das für dich eventuell vielleicht tatsächlich einmal eine Option? 

Der ESC sollte immer für neue aufstrebende Künstler eine Plattform sein. Das ist der Zauber des Wettbewerbs. Ich glaube, es ist auch die einzige Show, wo ein absoluter Newcomer von Null auf Hundert Karriere machen und sich etablieren kann. Ein etablierter Künstler, der da hingeht, würde diesen Platz von jemand Anderem wegnehmen.

Von meiner Seite wäre das aus Künstlersicht eine unangebrachte Energie, weil ich innerlich weiß: Das ist eine Plattform, die muss ich jüngeren Künstlern offen halten. Ich bin jetzt 44 Jahre alt. Ich bin mittlerweile eine der etablierten Sängerinnen, zu denen ich mich zählen darf. Da bin ich gesegnet, zumal man es als Frau – gerade nach Corona – besonders schwer hatte. – Man sollte nicht gierig werden. Im Gegenteil wird mir in meinem Leben immer mehr die Förderung junger Talente in künstlerischen Angelegenheiten als Aufgabe wichtig. Ich hätte dabei kein gutes Gefühl. Ich hätte das Gefühl, dabei jemandem den Platz wegnimmt, der es viel mehr braucht.

Damals mit der KELLY-FAMILY war ich auch der Meinung, dass wir das nicht hätten machen sollen. Man sollte nie gierig werden. Die etablierten Künstler, die das machen, machen das nach meiner Meinung auch nur, weil die Plattenfirma das gerne für das Marketing hätte. Das ist meines Erachtens nicht gut – das geht nicht auf. Wenn die Absicht gut ist, könnte ich mir vorstellen, für ein junges Talent eine wirklich große Chance mitzugeben als Autorin – das ja. Aber als Künstlerin kommt es für mich nicht in Frage.

Der Song „Direkt nebenan“ ist –so kann man es wohl sagen – ein musikalischer Ausbruch. Gab es für diesen Song ein musikalisches Vorbild? Der Song geht in Richtung Deutsch-Rock – so hat man MAITE KELLY eigentlich noch nie gehört?

In meinen Live-Shows und bei meinen Konzerten lasse ich es schon auch gerne mal auf diese Weise krachen. Ich habe mich da vielleicht unbewust etwas vo PETER MAFFAY abgeschaut.Der schwankt ja auch gerne mal zwischen Rock, Pop und Schlager. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, musikalisch auszubrechen, das kann ich nicht sagen. Bei Songs wie z. B. „So klingt Liebe“ habe ich auch schon ähnliche Midtempo-Elemente einfließen lassen. Wir haben ein Playback fertiggestellt, bei dem wir den Eindruck hatten, dass die Emotionen des Textes perfekt umgesetzt werden. Das sind die „right vibes“, fanden wir, die richtigen Empfindungen zum Song.

Die Frage ist aber interessant, weil ich dir rational tatsächlich gar nicht beantworten kann, warum wir das so gemacht haben. Wir haben einfach Musik gemacht (lacht).

Der Titel „Irgendwo“ – ist das eine versteckte Hommage an die BEATLES wegen des Hey-Jude-Intros – oder ist es eine versteckte Friedenshymne oder ein Liebeslied?

An die BEATLES habe ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht. Aber JA, es ist eine Friedenshymne. Es ist der letzte Song den ich für mein Albums schrieb.Es War war mir klar, dass es das Schlusslied dieser Schaffensreise sein sollte. Es ist wie ein Regenbogen des Friedens. Ich habe den Song als Letztes eingesungen, auch der Song war recht schwierig zu singen. Ich singe ihn recht leise und andächtig. Die letzte Zeile habe ich mit letzter Kraft eingesungen, weil ich – wie alle anderen Menschen – tief Erschüttert und von den aktuellen politischen Umständen bin. Andrerseits ist da auch die Sehnsucht nach einem Ort, an dem wir alle wieder tanzen können.

Kann es sein, dass das Lied „Es ist einfach passiert“ eine Art Antwort auf deinen Song „Gegen die Liebe kommt man nicht an“ ist, den du für Roland Kaiser (mit-)geschrieben hast?

(lacht) – Ich habe den Song eigentlich erst mal für einen Mann komponiert und noch nicht eingesungen. Mein Manager meinte, ich soll den Song produzieren – er hat mich da schon öfter zu den richtigen Dingen Beraten Er bat Alex Wende, schon mal eine Demo-Aufnahme zu machen, um es einfach mal zu probieren. Als ich das Playback hörte, war ich Feuer und Flamme. Gleich beim ersten Mal war ich begeistert, wie gut das funktioniert – auch diesen Titel habe ich so eingesungen wie ich ihn live performe. Das wird übrigens auch eine weitere Single.

„Ich sing meine Lieder“ – ist das an „Sieben Leben“ angelehnt?

Nein, ich bin natürlich die Autorin beider Songs, das ist also sicher auch meine Handschrift. Bei ANDREA BERG ist das ja auch so – wir haben nur zwölf Töne, mit denen wir arbeiten. Aber bewusst habe ich mich daran nicht angelehnt, das ist dann wohl eher mein Schreibstil. Ich singe über mein Leben, es ist quasi ein „Mini-My-Way“ – mein erstes musikalisches Leben war mit dem Mentor meines Vaters verbunden, meine zweite Karriere habe ich dem Mentor ROLAND KAISER zu verdanken.

Das ist eher jetzt, da ich im „zweiten Leben“ als Künstlerin stehe, dass ich da zurückschaue auf das tanzende kleine Mädchen auf der Straße mit Blumen im Haar. Das ist vielleicht auch eine Verarbeitung meiner Kindheit. Ich will mich da auch nicht beschweren. Ich weiß, wie es ist, wenn man mit nichts auskommen muss. Das vergisst man nicht. Ein Straßenkind zu sein, vergisst man nicht. Ich bin dafür dankbar, weil es mir hilft, Herausforderungen zu bewältigen. Ein Gefühl für die wichtigen Dinge im Leben zu haben: Wasser, Heizung, Haus und Dach zu haben, ist wertvoll.

Mittlerweile bin ich stolz darauf, dass ich so eine schöne Kindheit hatte, weil ich sonst nicht so sensibel für meine Mitmenschen wäre. Ich versuche, all das Gute, was ich damals lernen durfte, in meinem Erwachsenenleben zu bewahren.

Wie erklärst du dir das Phänomen TAYLOR SWIFT? Das ist ja momentan kaum noch zu glauben, dieser Hype…?

Ich beobachte vor allem ihr handwerkliches Können, das zweifellos vorhanden ist. Sie ist nun einmal momentan einer der besten Schreiberinnen der Welt. Ich glaube, jeder Künstler hat so ein Licht, das darf man auch haben, das hatte z. B. MICHAEL JACKSON auch. Ich glaube, das gab es schon öfter, z. B. auch bei ELISABETH TAYLOR. Es ist nicht sooo ungewöhnlich, dass sehr erfolgreiche Künstlerinnen oder Künstler, die dann auch noch mit anderen erfolgreichen Menschen liiert sind, was den Hype verdoppelt, teilweise fanatisch verehrt werden.

Ich beobachte die Künstler insgesamt in dem, was sie tun. Ich möchte auch nur für meine Lieder bewertet werden. Ich glaube, das ist auch gut so. Ich bin nicht mehr und nicht weniger als meine Lieder.

Wenn du dich entscheiden könntest: ADELE oder TAYLOR SWIFT – auf welches Konzert würdest du gehen?

Tatsächlich zu TAYLOR SWIFT. Meine Mädels sind alle TAYLOR-SWIFT-Fans. Ich komme aus dem Schlager, sie kommt aus der Country-Musik. Sie ist so etwas wie eine moderne DOLLY PARTON. Wobei – wenn ich die Wahl zwischen TAYLOR und DOLLY hätte, würde ich wiederum zu DOLLY PARTON gehen.

Für ADELE müssen die Fans für ein Ticket bis zu 730 EUR zahlen. Wird ein Konzertbesuch immer mehr zum Luxusgut?

Das ist schwierig zu beschreiben. Es ist ja so, dass wirklich jeder Künstler sich wünscht, dass möglichst alle Fans kommen können. Nur ist die Preisentwicklung ja leider extrem geworden. Die Zahnpasta in der Drogerie kostet gefühlt das Dreifache von früher. Hinter so einer großen Show stecken ja sehr viele Mitarbeiter, die vor und hinter den Kulissen mitwirken.

Ich habe meine Tochter gestern zum Kinderkarneval gebracht, da war ich „in zivil“, da sprach mich eine Frau an, wie ich das denn mache, wenn ich Schnupfen oder eine Erkältung habe. Da habe ich gesagt, dass ich natürlich trotzdem auf die Bühne gehe. Ich glaube, viele Menschen unterschätzen, was für ein Riesen-Apparat hinter so etwas vermeintlich Selbstverständlichem wie einem Konzert steckt.

Man merkt es jetzt erst, wo CELINE DION krank ist, was diese Frau einfach so auf den Punkt gebracht hat. Bei den richtig guten Stars sieht es immer einfach aus. Man denkt nicht an die Technik, sondern man denkt: Mag ich den oder mag ich den nicht? Die großen Stars wollen das ja auch so, weil es deren handwerklicher Anspruch ist. Bei mir z. B. sind die ersten Reihen sehr teuer, aber das ist, weil ich davon ausgehe, dass Menschen, die sich Tickets der ersten Reihen kaufen, sich das leisten können.

Dafür sind die Plätze in den hinteren Reihen deutlich günstiger, so dass Menschen, die sich das nicht so leisten können, trotzdem kommen können. Ich sage immer: Die ersten Reihen machen es möglich, dass die alleinerziehende Mutter immer noch dieses Konzert bei mir erleben kann. Ich kann nur allen zusichern: Noch nie haben Künstler und Musiker so wenig verdient wie heute. Das ist paradox: In den 1990-er Jahren haben die Musiker viel mehr verdient. Noch nie wurde so viel Geld an Musik verdient wie heute und noch nie kam so wenig bei den Musikern an.

Man merkt aber auch, dass die herausragenden Künstler bemüht sind, unheimlich versuchen, große Shows zu machen, um viele in der Branche zu fördern. Das mache ich ja auch so. Mit den Arena-Shows zwingt man die Veranstalter ja dazu, vielen Leuten eine Arbeit zu geben. Es hat sich Vieles gewandelt, das tut auch weh, wir brauchen da eine Art Reform.

Ich kann nur sagen, dass jeder, der Plätze in den ersten Reihen kauft, nicht mich finanziert. Der macht es möglich, dass die Menschen, die sich etwas Besonderes in diesem Jahr gönnen wollen, auch tun können. Wenn ich die erste Reihe kaufe, sehe ich das immer als Spende. Das kann ich jedem, der sich einen Platz in den ersten 5 Reihen kauft, das leistet, auch zusichern, dass es so ist: Sie finanzieren die Show. Die anderen dürfen die Show dank dieser ersten Reihen auch miterleben.

Du giltst als sehr loyale Person. Dennoch hast du gerade den Promoter gewechselt. Gibt es dafür einen Grund? Was läuft jetzt besser? Du gehst ja auch auf Theater-Tour…?

Ich werde immer mit DIETER SEMMELMANN befreundet sein, wir telefonieren regelmäßig, ich bin ihm auch sehr dankbar. Ich habe eine Vision gehabt und hatte das Gefühl, dass ich für die Umsetzung dieser Vision mit Jan Mewes einen Partner an der Seite haben muss, der, bevor ich es gesagt habe, das schon selber ausgesprochen hat. Das war ein gutes Gefühl. Ich bin meinem Bauchgefühl gefolgt, bleibe aber mit DIETER befreundet. Von mir wird es da nie ein böses Wort geben, weil ich das auch so 1000-prozentig empfinde.

Ich glaube auch, dass diese Familie auch eine große Familie sein kann. Ich bin vielleicht so etwas wie die Schwester, die alle zusammenbringen will. So war ich immer: Wenn meine Brüder sich gestritten haben, habe ich dafür gesorgt, dass wir uns an einen Tisch gesetzt haben und zusammen gegessen haben.

Vielleicht gibt es das ja noch, dass große Festivals stattfinden, an denen alle gemeinsam mitwirken. In meinem Herzen habe ich noch andere Wünsche. Diese Wünsche beinhalten, dass alle zusammen kommen. Es sind ja auch alles noch meine Freunde. Wir sind alle trotz des harten Business befreundet. Gerade in Coronazeiten waren wir füreinander da.

Bei deiner Theater-Tour hast du deine großen Hits in einer … sagen wir einmal … stark reduzierten Fassung gesungen?

Wenn ich im TV bei „Volle Kanne“ einen Song mal reduziert am Piano gesungen habe, waren die Leute baff, wie tiefgründig und melodisch die Lieder waren. Die neuen Songs und meine ganzen Hits möchte ich auf diese ganz besondere Art erlebbar machen. Euphorie und Lachen gehörten aber immer dazu – auch bei der Theater-Tour.

Glaubst du, dass es jemals wieder einen Superhit wie „Warum hast du nicht nein gesagt“ geben kann und dass du ggf. selbst noch mal in der Lage bist, so einen Hit zu schreiben – oder gibt der Markt das gar nicht mehr her?

Also LADY GAGA hatte zwischen „Pokerface“ und „Shallow“ 20 Jahre. Das ist nur passiert, weil sie sich getraut hat, NICHT Pokerface neu zu schreiben. Sie ist neue Wege gegangen, hat Country gemacht usw. Ich glaube, man sollte niemals nie sagen. Man sollte immer dankbar bleiben. Ich fühle mich nie im Schatten dieses Songs – dieser Song bleibt ein leuchtender Stern über meinem Leben.

 

 

 

BITTE BEACHTEN SIE: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift “Schlager Stadl” (Nr. 3 | 2024), die noch bis einschließlich 22.03.2024 im Zeitschriftenhandel erhältlich ist, finden Sie weitere Interview-Passagen!

smago! bedankt sich sehr herzlich bei Maite Kelly und ihrem Manager Roberto Monden für das ausführliche Exklusiv-Interview.

 

 

 

 

Foto-Credit: Jens Hocher
Textquelle: Andy Tichler, Chefredakteur www.smago.de

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