FREDDY QUINN
Der Weltstar, der keiner wurde!

Lesen Sie HIER – zum 90. Geburtstag von Freddy Quinn (am 27.09.2021) – einen Beitrag von Alf Rolla …:

 

 

 

Viele Unklarheiten im Leben des Freddy Quinn – Er wurde in Deutschland als Schlagerstar („Junge, komm bald wieder“) verschlissen, konnte aber viel mehr +++ Am 27. September wird er 90 Jahre alt +++

 

 

Wer ist eigentlich FREDDY QUINN? Eine banal klingende Frage gewiss, und doch notwendig.

Alle Experten sind sich einig: Der Künstler –  er kam als Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl am 27. September 1931 zur Welt  – ist die Lichtgestalt der Schlagerwelt gewesen. Doch schon sein Geburtsort hat immer Rätsel aufgegeben: Ist er in Wien, Niederfladnitz (Österreich) oder Pula (Kroatien) zur Welt gekommen?         Seinen Fans ist das immer schnurzpiepegal gewesen.

Es war wohl Ende der 1970er Jahre, als er bei einer privaten Feier in Herne die Abenteuer seines Lebens schilderte und dann lachend erklärte: „Sie müssen erst mal hören, was ich den Jounalisten so alles erzähle …“ Und er wusste immer einiges zu erzählen, 1990 bezeichnete er seinen Vater auf einer Pressekonferenz als „gebürtigen Trientiner“, später stammte der gute Mann plötzlich aus Irland.  Freddy selbst hatte sich Zeit seines Lebens regelrecht in seine „Biografie“ verstrickt – Karl May lässt schön grüßen.

Es hat auch den Schauspieler Freddy Quinn gegeben, der in 13 – nach Meinung von Kritikern – zu Recht vergessene Schlagerfilmen („Unter fremden Sternen“, „Nur der Wind“, „Heimweh nach St. Pauli“) sehr leichte Kost servierte. Der Inhalt war weitgehend egal: Der Taxifahrer, Kanada-Auswanderer oder Cowboy (immer der Hauptdarsteller) musste nur zur Gitarre greifen und ein gefühlvolles Lied schmettern … Neunzig Minuten lang wurden eben Klischees bedient, aber ganz ehrlich, konnte man von deutschen Schlagerfilmen was anderes erwarten?

Doch was für eine Persönlichkeit hat sich hinter dem Gesicht des umjubelten Entertainers verborgen? Sie bekamen seine Fans nur in Ausnahmefällen zu sehen. Zwar stand er längst auf der falschen Seite der Siebzig, doch 2002 bei seiner Abschiedstournee „Lieder, die das Leben schrieb” konnte man meinen, er sei nicht älter als fünfzig: Der Mann mit der unverwechselbaren Baritonstimme wirbelte über die Bühne, war schlagfertig und hatte alle Liedertexte drauf. Am letzten Tag der Tournee – ausgerechnet im Konzerthaus seiner angeblichen Geburtsstadt Wien – war der Dinosaurier der Schlagerbranche total verunsichert, in seinen Augen hatten sich Tränen gesammelt. Er drehte sich zur Seite, niemand sollte in ihn hineinsehen. Ausgerechnet ihm war so ein Gefühlsausbruch passiert. Den Umgang mit eigenen Gefühlen hatte er stets geschickt überspielt, doch diesmal wollte es nicht klappen.

Schnell ist man mit dem Wort „Verdrängen” bei der Hand. Aber ist das wirklich „Verdrängen” gewesen? Man muss die Stationen seines Lebens kennenlernen, um diese Frage beantworten zu können.

Was Jahrzehnte später den Beckenbauers, Kahns und Beckers recht war, konnte seinen Eltern nur billig sein. Zumindest hieß es so in seiner angeblichen Biografie, die vermutlich am Schreibtisch seines Ex-Produzenten Lotar Olias entstanden war. Danach trennten sich seine Eltern, als der Junge noch klein war. Dass ihn das traurig machte, habe er verborgen. Einige Zeit später soll Freddys Mutter („Damit der Bub einen Vater hat“) in Wien eine neue Beziehung zu einem 36 Jahre älteren Baron eingegangen sein. Dieser Rudolf Freiherr von Petz war total verarmt und hatte seine Lebensaufgabe im Verfassen von Tiergedichten gefunden. Und wie das oft so ist, der Junge und sein Stiefvater verstanden sich überhaupt nicht und der Filius brannte mit einem Zirkus durch.

Seine eigentliche Karriere begann in den 1950er Jahren in der Hamburger „Washington Bar“. In dem Lokal hörte ihn Fernsehregisseur Jürgen Roland („Stahlnetz“) und besorgte ihm erste Auftritte im Rundfunk. Und dann gings richtig los. Die Manager der Plattenfirma „Polydor“ waren davon überzeugt, die beste Strategie für die Nachkriegszeit im Tornister zu haben. Sie wussten, dass in schwierigen Zeiten die märchenhaften Legenden mehr als eine angenehme Abwechslung sind. Ab sofort war Freddy der einsame Seebär, in dessen Gesicht man das ganze Leid der unruhigen Welt („Heimatlos sind viele auf der Welt“) suchen konnte. Und die Welt dankte es ihm mit 17 goldenen Schallplatten (u.a. für „Die Gitarre und das Meer” und „La Paloma“), Goldenen Löwen von Radio Luxemburg, Goldenen Europas, Goldenen Stimmgabeln usw.  Übrigens: „Heimweh” mit dem monotonen Refrain „So schön war die Zeit” hatte eigentlich René Carol („Rote Lippen, rote Rosen, roter Wein”) singen sollen. Freddy Quinn sprang kurzfristig als Ersatz ein, weil sein Kollege wegen Trunkenheit am Steuer im Knast saß. Später hat René Carol sich schwarz geärgert, als das Lied 14 Wochen auf dem ersten Platz in Deutschland war. Dumm gelaufen!

Zehn Jahre später landete Freddy einen Welthit mit „Spanish Eyes“ … aber nur fast. Al Martino schnappte ihm den Song weg und belegte Spitzenplätze in den Charts dieser Welt. Dumm gelaufen!

Die Hitparaden bestimmten zu dieser Zeit längst weitgehend talentfreie Eintagsfliegen, die noch vor kurzer Zeit mit der Plastiktröte um den Tannenbaum gerannt waren. Dass Freddy immer den Wunsch hatte, viele Seiten zu zeigen und nicht nur Schlager zu singen, war das Allerletzte, was die Branche von ihm erwartete. Auch ohne den Beifall der üblichen Bedenkenträger wurde aus ihm kein dünn flackerndes Licht im Showgeschäft. Sogar Anni-Frid Lyngstad („Abba”) sang „Junge, komm bald wieder” in einer schwedischen Version: „Peter, kom tillbaka”. Der Name Freddy Quinn zierte unterdessen Theaterplakate (sogar in London), der Künstler fühlte sich sichtlich wohl, wenn er eine Rolle außerhalb jeder Quinn-Schublade spielen durfte, so den kauzigen Westernhelden Sam Hawkens bei den „Karl-May-Festspielen“ in Bad Segeberg oder den US-General Clark in dem Film „Die wilden Fünfziger“ (Regie: Peter Zadek).

Natürlich sang Freddy Quinn weiterhin seine Gassenhauer bei Tourneen, aber die Hallen wurden deutlich kleiner, so trat er nicht mehr in der Dortmunder „Westfalenhalle” (11000 Plätze) auf, sondern gastierte vor 950 begeisterten Fans im ausverkauften „Heinz-Hilpert-Theater“ im benachbarten Lünen. Stets reiste er mit großem Orchester – völlig egal, dass zuletzt die ausgezeichneten Musiker aus Warschau stammten. Beim Chor war dagegen deutlich zu merken, dass Deutsch eine schwere Fremdsprache ist. Den größten Beifall in den Konzerten gab es stets für seine Evergreens, da war Freddy der „Schuhanzieher” für das Kopfkino seines Publikums, bei neuen Songs wie „Ich brauche Dich” war der Beifall nur höflich, auf „Ein Mädchen und ein Matrose” oder „Im Supermarkt gleich nebenan” hatte der Plattenmillionär gnädigerweise verzichtet.

Trotzdem kannten bei Umfragen zeitweise über 95 Prozent der Befragten den Namen des Entertainers. Darunter waren auch Country-Fans, die er mit seiner TV-Show „It´s Country Time“ (ein Gast war Megastar Johnny Cash) überzeugt hatte.

Aber Freddy wirkte immer einen Schlag steifer als die anderen Showstars. Er war zu einem Gefangener seiner selbst geworden, auch wenn er längst keinen Rollkragenpullover mehr trug, musste er vieles ertragen, so zum Beispiel das Dauer-Klischee vom singenden Seemann. Und es wirkte irgendwie wie eine Befreiung, als er einem Fachblatt für Frauen jenseits der Menopause sagte: „Ich bin nie ein richtiger Matrose gewesen. Einige Male habe ich Schiffsstopp gemacht. Um mitgenommen zu werden, habe ich als Hilfsarbeiter an Bord gejobbt, mehr aber auch nicht.“

Seine alten Hits hatte er zu dieser Zeit nochmal aufgenommen, doch die Titel (wie die meisten seiner englischsprachigen Aufnahmen) klangen sehr distanziert, es fehlte die sog. emotionale Nähe, die früher seine Platten ausgezeichnet und zu Bestsellern gemacht hatte.

In Interviews und persönlichen Gesprächen hatte er meistens nur von sich gesprochen, er war ein kleiner Egozentriker – wie es alle richtigen Künstler nun mal sind.  Stets war er auch mürrisch, und man konnte merken, dass er nicht glücklich war mit der Kunstfigur, die Manager, Plattenfirma und wohl er selbst aus ihn gemacht hatten.

Am 16. Januar 2008 verstarb seine Dauerfreundin Lilli Blessmann. Danach zog er sich fast völlig von der Öffentlichkeit zurück. Er schien wieder der Schatten zu sein, der einst in den 1950er Jahren in Hamburg aus dem Nichts aufgetaucht war und jetzt spurlos verschwand.

Möglicherweise stimmen sogar die sog. Enthüllungsgeschichten, eventuell ist auch die Kindheit in Amerika eine Erfindung und der Name Quinn nur eine „Verbeugung“ vor seinem Idol Anthony Quinn („Alexis Sorbas“) – aber diese eingestürzten Denkmäler lassen sofort den Menschen in die Nähe einer Filmfigur von Hans Albers rücken. Aber wir kennen nicht die psychologischen Gründe für diese Fassade. Die Bilanz seines widersprüchligen Lebens: Die Kunst des Freddy Quinn verdient Respekt und brauchte keine Fantasiestorys, aber vielleicht gehörten diese Geschichten einfach zum Zeitgeist der 1950er Jahre. Auch in Zukunft wird der Mann zeitlos schöne Spuren (auf Platten festgehalten) hinterlassen – besonders in Zeiten, die ohne neue Lieder von ihm nicht mehr so schön sind.

Textquelle: Alf Rolla (Textvorlage)

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