NIEDECKEN'S BAP
Die 3-CD-Box "Die beliebtesten Lieder 1976-2016" im Test von Holger Stürenburg!

Man könnte in diesem Fall auch von einem “CD-Epos” sprechen …: 

40 Jahre „BAP“ – heute, wie zu Anfangstagen von neuem „Niedecken‘s BAP“ genannt, ohne festes Bandgefüge – dies ist eine gemeinhin keineswegs alltägliche, stattliche Periode im schnelllebigen Musikgeschäft, so dass die 1976 ins Leben gerufene Rockinstitution uss Kölle am Rhing ihren Stolz über das Erreichen dieser magischen Zahl in Sachen Bestand in keiner Weise verbergen muss, trotz nicht seltener Personalwechsel, manch Streitigkeit über Stil und Ausrichtung des gesamten Bandprojekts, einiger faszinierender Solo-Exkursionen von Frontmann Wolfgang Niedecken, und auch und gerade in Anbetracht von dessen schwerer Erkrankung im November 2011 in Form eines Schlaganfalls, bis heute durchgehend zu den ganz, ganz großen Rockheroen der BR Deutschland zählen zu dürfen. Und dies sogar trotz – vielleicht aber obendrein wegen der Tatsache –, dass die heute siebenköpfige Band von jeher im nicht immer auf Anhieb für jedermann verständlichen Dialekt der Kölner Südstadt musiziert. Deshalb bedarf es für den aufgeschlossenen Fan jenseits von Rhein und Ruhr einiges an positiver Anstrengung, sich in die Welten der fast ausschließlich von Wolfgang N. selbst erdachten, sehr bilderreichen, stets perfekt, für jeden (der dem Kölschen Verzäll mächtig ist), trotz vieler Anspielungen auf Historisches, Philosophisches, Theologisches, verständlichen, dennoch oft in der Tat sehr persönlich und intim formulierten „BAP“-Texte zu begeben, in diese gedanklich eintauchen zu können.

40 Jahre „BAP“ – 33 derer hat der Rezensent letztlich ‚live‘ und hautnah miterlebt. Nur ganz wenige Musiker aus dem expliziten Deutschrock-Spektrum – hier seinen als weitere, derart einflussreiche musikalische ‚Lebensbegleiter‘ meiner Person per se nur Heinz Rudolf Kunze und Udo Lindenberg zu nennen – haben mich derart berührt, inspiriert, persönliche Erlebnisse so eng und originär untermalt, wie Wolfgang Niedecken und die Seinen.

Zu diesem bedeutsamen Jubiläum erscheint nun, nachdem „Niedecken’s BAP“ im Januar diesen Jahres die bis dato aktuelle Studioscheibe „Lebenslänglich“ veröffentlicht hatten – siehe HIER …: – am 06. Mai 2016 bei Vertigo/UNIVERSAL eine so üppig bestückte, wie prachtvoll dekorierte Drei-CD-Box namens „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“. Diese ist gleichfalls als jeweils zwei Doppel-LPs, in Form der ‚normalen‘ Edition mit nur zwei CDs, sowie als auf nur 3.000 Exemplare streng limitierte Fan-Box erhältlich. Letzterer wurden, zusätzlich zu den drei CDs, Aufkleber, Postkarten, Poster, gar Schnapsgläser und als spektakulärste Mobilisierung zum Erwerb, eine im Originalcover gehaltene, seit 1983 erstmals auf Vinyl neu aufgelegte, kleine Schwarze beigefügt, mit dem nach wie vor grandiosen Kultrocker „Wahnsinn“ und dem so herrlich sarkastischen „Chauvi Rock“, einem erstklassigen Talking Blues mit elf Strophen im knackigen, gitarrendominierten Boogie-Rock’n’Roll-Gewand.

In chronologischer Reihenfolge hat Wolfgang Niedecken ad Personam für die Dreier-CD auf der ersten Scheibe die bekanntesten und erfolgreichsten „BAP“-Titel der Jahre 1976 bis 1998 ausgewählt. Dies war diejenige Ära, als die jungen Wilden aus der Domstadt, zumeist musikalisch geleitet und bestimmt von Gitarrist Klaus „Major“ Heuser, der sich jedoch Ende 1998 wegen unüberbrückbarer künstlerischer Differenzen von „BAP“ trennte und seit einiger Zeit mit nicht unerquicklichen Blues-Projekten durch die Lande tourt, den Zeitgeist nicht nur oft harsch und heftig, aber niemals populistisch, belehrend, zeigefingerschwenkend, kritisierten und karikierten, sondern denselben durch ihr Tun fraglos in einem Atemzug mit ausformten, prägten und somit an seiner Entwicklung erheblich teilhatten.

Auf CD-02 sind die beliebtesten Lieder der Jahre 1999 bis 2016 versammelt. Diese sind jenseits von „Major“ Heuser entstanden, wurden von verschiedenen Musikern komponiert und mit diversen Gitarristen eingespielt. Sie fuhren überdies in stetem Turnus ansehnliche Erfolge ein, aber die Popjugend, die in den letzten 20 Jahren musikalisch sozialisiert wurde, fand im Grunde genommen kaum noch näheren Zugang zum unaufhörlich höchst kreativen Schaffen von „BAP“.

Das Songprogramm der dritten CD besteht alleinig aus Raritäten, Liveaufnahmen von Coverversionen und Duetten mit anderen Künstlern, teilweise unveröffentlicht, zumindest aber lange nicht mehr im Handel verfügbar, die allesamt zwischen 1991 und 2014 im Studio geboren bzw. bei Konzerten ‚live‘ konserviert wurden.

Das dröhnende, aufbrausende „Wild Thing“-Cover „Wahnsinn“ (im Original 1966 ein Welthit für die britische Beatband „The Troggs“) läutet CD-01 vorliegender Box ein: Der augenzwinkernde Bericht über die Eröffnung einer neuen Südstadtkneipe wurde 1980 als erste „BAP“-Single überhaupt, auf der B-Seite des erwähnten „Chauvi Rock“, präsentiert. Denn, so Wolfgang N., habe die Einstands-LP der damaligen Formation zwar „BAP rockt andere Kölsche Leeder“ geheißen, aber so richtig gerockt habe darauf gar nichts. So hatte die Band, nachdem „Rolling Stones“- und Springsteen-Verehrer „Major“ Heuser zu „BAP“ gestoßen war, als allerersten echten Rock’n’Roll-Titel den legendenbehafteten „Chauvi Rock“ aufgenommen und für die B-Seite den einzigen, einigermaßen lautstark krachenden Beitrag aus dem LP-Debüt, „Wahnsinn“, hinzugekoppelt. Nun aber geriet nicht der, insbesondere von angeblich so „aufgeklärten“, linksliberalen Kreisen häufig vielmehr als ernstgemeinte Geschichte eines Frauenfeindes missverstandene, denn als reine Parodie auf ein ebensolches, männliches Verhalten in Form eines zuspitzenden Rollenliedes aufgefasste „Chauvi Rock“ in Köln und Umgebung zum veritablen Hit, sondern eben der pure „Wahnsinn“, der somit völlig zurecht Part-01 von „Die beliebtesten Lieder 1976-1979“ eröffnet (und parallel dazu den einzigen Beitrag aus dem LP-Erstling auf vorliegender Kollektion darstellt).

Es folgt die noch heute bei Konzertreisen von den Fans ständig eingeforderte, latent bluesige Ballade „Helfe kann Dir keiner“, die als allererster „BAP“-Song überhaupt bezeichnet werden kann. Der damals 25jährige Kunststudent Wolfgang Niedecken hatte das sanfte, liebenswert selbstmitleidig-wehmütige Lied anno 1976 am Küchentisch seiner Bude in der Teutoburger Straße 5, gelegen zwischen dem Kölner Römerpark und der verkehrsüberlasteten Bonner Straße, mitten in der sagenumwobenen Südstadt vun Kölle am Rhing, geschrieben, und diese aus einer melancholischen Situation heraus geborene Nummer bald darauf einem Freund namens Hans Heres vorgesungen, woraufhin dieser dem Sinne nach meinte: Davon musst Du mehr schreiben, mehr auf Kölsch, das ist ehrlicher, direkter, pointierter, als Hochdeutsch und als Englisch sowieso – was dann, wie wir erfreut feststellen können, in den folgenden vier Dekaden noch, sehr, sehr häufig geschehen sollte!

Auf der 1980 veröffentlichten, zweiten BAP-LP „Affjetaut“ kam dieser Titel erstmals zum Einsatz im Schallplattenformat. „Helfe kann Dir keiner“, sowie der deutlich anpolitisierte, ironisch gemeinte, beträchtlich vor hin rockende, ‚schöne Gruß‘, an all diejenigen ‚Bessermenschen‘, die sich von vornherein für unfehlbar halten, damit prahlen, aber es nie und nimmer sind, „Ne schöne Jrooß“ – ebenfalls bis heute auf unzähligen „BAP“-Tourneen gewohntermaßen ‚live‘ wiederbelebt – fanden den band- und zeitgeschichtlich allemal angemessenen Weg aus der 1980er-LP auf „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“.

Mit Entstehen und Aufstieg der Neuen Deutschen Welle 1981/82 – mit der „BAP“ als genuine Rockband, die ihre stilistischen Vorbilder in angloamerikanischen Bands und Musikern, wie den „Rolling Stones“, den „Kinks“, Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Leonard Cohen sah, per definitionem keinerlei Gemeinsamkeiten aufwiesen – wurde allerdings beim einheimischen Publikum schnell ein enormes Interesse an deutschgesungener Rockmusik entflammt und erweckt. Entsprechend fanden in diesem Zusammenhange gleichsam viele Musiker, von den niederbayrischen „Haindling“ oder der Münchener „Spider Murphy Gang“, über Austropopper a la Wolfgang Ambros, Peter Cornelius, Rainhard Fendrich etc., bis hin zu hessischen Combos, wie „Flatsch“ oder den „Rodgau Monotones“, die mit Songs in ihrer ureigenen Sprachfärbung immense Erfolge im gesamten deutschsprachigen Raum feiern konnten, einen ertragreichen Weg in die breitere Öffentlichkeit. So erhielten „BAP“, verursacht durch diese Phänomene, bald einen bundesweiten Popularitätsschub, der mit Aufwartungen in der ZDF-Musiknacht „Rock-Pop in Concert“ am 29. Mai 1982, bei der großen Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten am 10. Juni jenen Jahres, bei mehreren Auftritten als Anheizer für die „Rolling Stones“ und vor allem mit dem in ganz Europa ausgestrahlten „Rockpalast“-Gastspiel an der Loreley am 28. August 1982, erste, frühe Glanzpunkt erreichte.

In diesem Zeitabschnitt erschienen beim Musikant-Label der damals in Köln ansässigen EMI die beiden bahnbrechenden Scheiben „Für Usszeschnigge“ (1981) und „Vun drinne noh drusse“ (1982), zweifellos Meilensteine des Deutsch- bzw. in diesem Falle Kölschrock. Das absolut singleuntypische, knapp sechsminütige, sympathisch persönliche und vertrauliche, gesungene Gespräch Wolfgang Niedeckens mit seinem im Herbst 1980 verstorbenen Vater, „Verdamp lang her“, avancierte im Spätsommer 1982 vollkommen unerwartet zu einem ultimativen ersten Hit in den deutschen Top 75-Singlecharts der „Media Control“, wo als beste Notierung Rang 13 zu verzeichnen war. Diese Reflexion des ambivalenten Verhältnisses Wolfgang Niedeckens zu seinem Vater, an dessen Weltsicht er von jeher verzweifelte und sich ihm trotzdem bis heute immer wieder extrem nahe fühlt, gilt als unschlagbarer Standard, der seit 1981 bei keinem „BAP“-Konzert mehr ausgelassen wurde. Denn der Erschaffer selbst gibt ein ums andere Mal zu Protokoll, auf das konzertäre Ausleben dieses musikalisch verarbeiteten Vater-Sohn-Konfliktes niemals mehr verzichten zu wollen – so dass „Verdamp lang her“ natürlich ein Ehrenplatz auf „Die beliebtesten Lieder 1976-1982“ eingeräumt wurde.

„Für Usszeschnigge“, obwohl schon im Herbst 1982 erstveröffentlicht, verblieb im Windschatten des Durchbruchs von „Verdamp lang her“ vom 27. August 1982 bis zum 02. September 1982 auf dem ersten Rang der deutschen Albumcharts, bevor die richtungsweisende 10-Song-LP von deren tönendem Nachfolger „Vun drinne noh drusse“, geradeso von vorn bis hinten ein absoluter Hörgenuss, der am 24. August 1982 auf den Markt kam, beinahe nahtlos bzw., nach einem nur kurzen, einwöchigen Intermezzo der „Steve Miller Band“ mitsamt ihrer (bestenfalls) gediegen-harmlosen LP „Abracabarba“, von Rang Eins verdrängt wurde. Aus dieser LP, die von nun an insgesamt neun Wochen den Spitzenplatz der „Media Control“-Listen belegen sollte, wurden das düster-bedrohliche Rockdrama „Kristallnaach“, das sich inhaltlich mit zunehmender Ausländerfeindlichkeit beschäftigt, und das so traumhaft-verspielte, wie romantisch-verträumte Liebeslied „Do kanns zaubere“ für hier analysierte Best-of-Koppelung entnommen.

So wie letztlich weitere unabdingbare „BAP“-Klassiker aus der gefeierten 1982er-LP, z.B. „Zehnter Juni“, „BAP’s“ Stellungnahme zu erwähnter Bonner Großdemo gegen den NATO-Doppelbeschluss an eben jenem Tag, oder der nicht unbedingt direkt kirchenkritische, aber manch katholische Glaubensdogmen zweifelnd hinterfragende Hardrocker „Wenn et Bedde sich lohne däät“, keine Erwähnung auf „Die beliebtesten Lieder 1976-1982“ finden, wird auch die – abermals sehr reputierliche – Live-Doppel-LP „Bess Demnäxh“, vorgelegt am 27. Juli 1983, einen Monat später für eine Woche Hitparaden-Spitzenreiter, a.D. 2016 bei der Songauswahl seltsamer Weise völlig ignoriert. Dies ist insofern sehr verwunderlich, als dass sich die einst daraus ausgekoppelte 45er, „Nemm mich mit“, seit damals als eine Art unumgängliche Erkennungsmelodie für künftige „BAP“-Konzerte herauskristallisiert hatte, die nun bei den „beliebtesten Liedern“ aber offenbar gänzlich vergessen wurde.

„Bess demnäxh!“ – die Betitelung ist längst als ‚geflügeltes Wort‘ in meinem eigenen Wortschatz gespeichert – legte im Spätsommer 1983 den Grundstein für meine bis heute andauernde Verbundenheit mit „BAP“. Unsere damalige Nachbarin, Gitta W., die Schwester von Udo Lindenbergs 1986 verstorbener „Panik-Sekretärin“ Gaby Blitz (Gaby Aukam), die bei uns im Haus in Hamburg-Lokstedt wohnte, beim Konzertveranstalter Karsten Jahnke tätig war, und mich damals, mit elf, 12, 13 Jahren, immer wieder mal mit Promo-LPs und/oder Freikarten von Jahnke-Events ausstattete, lieh mir seinerzeit eben jenes Doppelalbum aus, das mir vom Fleck weg sehr zusagte. So legte ich mir daraufhin bald die weiteren, bis dahin erschienenen, ersten vier „BAP“-LPs zu und freute mich wie sonst was, auf die 1984er-Scheibe „Zwesche Salzjebäck un Bier“ im Mai und die dazugehörigen Hamburger Open-Air-Konzerte im September des „Orwell-Jahres“.

Am Freitag, dem 25. Mai 1984, war es soweit und ich konnte mir nach der Schule, beim allwöchentlichen Innenstadtbummel mit meiner Mutter, bei „Membran“ am Speersort in der Hamburger City diese langersehnte LP käuflich erwerben, in deren einzelne Liedkapitel ich mich unmittelbar nach dem ersten Anhören regelrecht verliebte. Den vermutlich fürwahr besten, atmosphärischsten, langlebigsten Titel aus „Salzjebäck“ bekommen Dabeigewesene, wie Nachgeborene, auf „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ zu hören. Hierbei handelt es sich um das knapp sechsminütige Epos „Alexandra – Nit nur Do“, bis heute einer der ganz speziellen ‚Hits meines Lebens‘, der mich seit damals, also seit ca. 32 Jahren, nie mehr verlassen hat.

Wolfgang B. war soeben Vater geworden, er schob seinen kleinen Sohn Severin an einem noch etwas matschigen Februarnachmittag im Kinderwagen durch den Kölner Römerpark. Dort setzte er sich auf eine Bank und sinnierte über sein Leben als Familienoberhaupt und die sich abzeichnenden Streitigkeiten mit seiner ersten Frau Carmen. Plötzlich für ein junges Mädchen mehrfach auf einem Fahrrad an ihm vorbei und rief lauthals, offenbar nach ihrer Freundin: „Alexandra, wo bist Du?“. Der „BAP“-Chef ging, als die Dunkelheit hereinbrach, wieder nach Hause in seine Wohnung am Ubierring, in der Nähe des Chlodwigplatzes, verfrachtete den kleinen Severin ins Bett, öffnete die erste Flasche Rotwein des Abends (die nicht die letzte bleiben sollte) und brachte seine Gedanken nach und nach zu Papier. Daraus entstand – Wolfgang weist darauf hin, an dem alkoholseligen Text nach Fertigstellung nichts mehr geändert zu haben – dieses wundervoll schwebend-fließende, urwüchsige Lehrstück in Sachen romantischer Rockmusik. „Major“ Heuser komponierte dazu eine für ihn typische, ausufernde Melodie, trug ein wahrlich einmaliges Gitarrensolo dazu bei (das bei genauem Hinsehen eigentlich nur in jener Bandphase funktionierte, als der Urgitarrist selbst in Live-Aufführungen oft über zehn Minuten lang, mitsamt seines Instruments, in weiteste Klangsphären entschwob) – fertig war ein inhaltlich zwischen Traum und Wirklichkeit angesiedelter Song für die Ewigkeit, in dessen Refrain das Lied-Ich sich direkt an jene ominöse „Alexandra“ wendet: „Alexandra, jevv et zo: Mancheiner föhlt sich he em Stech jelooße, Alexandra, nit nur Do!“. Obwohl gerade dieses Lied genreübergreifend als „BAP“-Klassiker per Excellance gilt, der jahrelang aus dem Live-Set der Truppe nicht wegzudenken war (auch mit anderen Gitarristen) und somit völlig zu Recht für „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ aus dem Archiv geholt wurde, hat Wolfgang mir einmal erzählt, dass sich weder das zum Zeitpunkt der Genese des Titels etwa zehn Jahre alte Mädchen auf dem Fahrrad, noch die ausgerufene „Alexandra“, jemals bei ihm gemeldet hat (vermutlich werden die beiden später im Teenageralter für Rick Astley oder David Hasseldoof geschwärmt und „BAP“ die Abkürzung der ‚Bundesautobahn‘ o.ä. gehalten haben 😉

Ende Januar zwei Jahre darauf, kam die LP „Ahl Männer, aalglatt“ auf den Markt, bezüglich derer Wolfgang mir einmal niederschmetternd ehrlich bestätigte, dies sei „das schlechteste Album“ von „BAP“ überhaupt gewesen. Tatsächlich wirkte die Produktion teilweise sehr überfrachtet, barg (ggf. zu) viele Experimente in Richtung des angesagten Synthipop in sich und erwies sich, ob der so poppigen, wie überdies komplexen Arrangements, als auf der Bühne ohne Gastmusiker kaum umsetzbar. Obgleich manch Lied daraus, z.B. die erste Single „Bunte Trümmer“, die im November 1985 vorab ausgekoppelt worden war, oder die so grazile, wie vor Wut nur so platzende Protestballade „Lisa“, freilich Wertvolles in sich trug, bleib letzten Endes nur der Heinrich Böll gewidmete Titelsong „Ahl Männer, aalglatt“ – inspiriert vom leutseligen Händedruck des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand am 22. September 1984 auf dem Soldatenfriedhof in Verdun, der just an dem Tag vonstattenging, als „BAP“ bei uns in Hamburg im Stadtpark gastierten und ich meine neue Lieblingsband erstmals ‚live‘ erleben konnte – im Gedächtnis der Fans hängen. Daher ist dieser düster-treibende Mid-Tempo-Rocker als einziges Beispiel für die „BAP“-Künste des Jahres 1986, die kommerziell zwar wiederum wochenlang die besten Ränge der LP-Charts beherrschten, künstlerisch aber häufig nun mal nicht auf gewohntem kreativen Höchstniveau einzuordnen waren, auf „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ anzutreffen.

Aufgrund unterschiedlicher Ansichten über die weitere musikalische Vorgehensweise der ‚Familie‘ „BAP“, beschloss die  Combo im Anschluss an die mal wieder ellenlange „Ahl Männer, aalglatt“-Tour, auf unbestimmte Zeit getrennter Wege zu gehen. Diesen Zeitraum nutzte Wolfgang Niedecken für sein erstes Soloalbum „Schlagzeiten“, mehrere Festivalauftritte mit den zu diesem Zweck zusammengestellten, „BAP“-fernen „Complizen“, bis die Musiker in Gänze 1988 gut erholt, entkrampft und vor neuen Ideen nur so übersprudelnd, ins Studio gingen und das nächste Nummer-Eins-Album fabrizierten: „Da Capo“ rockte mehrheitlich wie zu besten Anfangstagen, bot kraftstrotzende, gitarrenlastige Soundbilder, wie immer verbunden mit genialen kölschen Texten aus der Feder von Wolfgang – hier seien etwa „Stadt em Niemandsland“ oder „Rääts un links vum Bahndamm“ zu nennen. Auf dem Markt jedoch als am verkaufsträchtigsten, zeigte sich das übermäßig synthesizerbetonte, nur hintergründig rockende Klagelied über die Perspektivlosigkeit arbeitsloser Jugendlicher, „Fortsetzung folgt“, zu dem ich selbst zwar nie so Recht eine Verbindung aufzubauen vermochte, welches aber dem zu Trotz mit einem fulminanten Rang 10 in den „Media Control“-Listen die bis heute kommerziell reputierlichste Single der gesamten „BAP“-Historie darstellt.

Desgleichen eine Mischung aus ruppigeren, rockigeren Klängen und eher radiotauglich inszenierten Popballaden gab es im Oktober 1990 auf der LP „X für e U“ zu hören. Die gänsehauterzeugende, abgeklärte, in gleicher Weise versöhnliche, emotionsbezogene Bestandsaufnahme „Alles em Lot“, dito im Herbst 1990 erschienen und bis auf Rang 36 „Media Control“-Charts gestiegen, bedeutete für „BAP“ einen achtbaren Sprung von den 80ern in die Folgedekade auch, wenn viele Altfans gerade diesen sehr keyboardlastigen Halbschlager als zu sanft, zu abgeschliffen, zu seicht, einstuften und die klassischen Rocksongs der LP, wie „Vis a Vis“, „Denn mer sinn widder wer“ oder „Wat usser Rock’n‘Roll“, oftmals der wiegend-einschmeichelnden Hitsingle vorzogen.

Knapp drei Jahre darauf – die Live-Doppel-CD „Affrocke“ sei vorerst hintangestellt –  legten „BAP“ die sehr vielseitige Produktion „Pik Sibbe“ vor, die vom ersten bis zum letzten Ton einwandfrei belegte, dass „BAP“  konstruktiv, farbenfroh, frisch, kunstfertig und experimentierfreudig in den uncoolen 90er Jahren angekommen waren. Der dampfende Bluesrocker a la Gary Moore, „Widderlich“, der über Wolfgangs wutentbrannte Gefühle im Hinblick auf die ausufernden Gewaltausbrüche gegen Asylbewerberheime 1991/92 handelt, und die exquisit stille, Clapton’esque Folk/Blues/Country-Melange „Paar Daach frööher“ finden sich hieraus auf hier vorgestellter Drei-CD-Box.

1995 pausierten „BAP“ als Band neuerlich. Wolfgang Niedecken konzipierte, gemeinsam mit der auf Einmaligkeit und ‚Just For Fun‘ ausgerichteten „Leopardefellband“, das genialische Dylan-Tribute-Opus „Leopardefell“ und begab sich mit diesem auf Clubtournee, während von seiner Stammkapelle lediglich zum Weihnachtsgeschäft genannten Jahres die Best-of-Koppelung „Wahnsinn – Die Hits von 79-95“ veröffentlicht wurde. Im Spätsommer des darauffolgenden Jahres erschien das lyrisch häufig Wolfgangs Erlebnisse in seiner eigenen Kindheit und Jugend im Nachkriegsdeutschland der 50er und 60er verarbeitende, darüber hinaus strikt energiegeladene Rock-Album „Amerika“, das ungewohnt mannigfaltige Blues-Einflüsse aufwies und zugleich als letztes wirklich gelungenes „BAP“-Werk bezeichnet werden muss, welches mit dem sich mental und stilistisch peu a peu von der Kernmannschaft der Truppe distanzierenden Klaus „Major“ Heuser zustande kam. Hieraus fanden die flotte, eingängige Single „Nix wie bessher“ und der episch anschwellende, fast achtminütige, so düstere, wie hoffnungsvolle Titelsong „Amerika“ auf der aktuellen Best-of-Zusammenstellung Verwendung. Letzterer besticht v.a. durch einen sehr einfühlsamen Text,  der aus der Sicht eines Mannes im zerbombten Deutschland 1945 dessen Empfindungen auf äußerst eindrucks- und verständnisvolle Weise darlegt, als dieser erstmals in seinem Leben mit Menschen aus Übersee konfrontiert wurde – diese kamen als soldatische Sieger, er war Teil eines moralisch zerstörten und materiell besiegten Landes.

„Comics & Pin-Ups“ nannte sich im Januar 1999 dann die allerletzte „BAP“-Scheibe, an der der langjährige Gitarrist und musikalische „Mastermind“ „Major“ Heuser mitwirkte. Für mich persönlich war dies ein kühles, emotionsloses, ausgelaugtes Album, das weder Fisch, noch Fleisch darstellte, und bei dessen Anhören man förmlich spüren konnte, dass es einen radikalen Einschnitt bei den so erfolgsverwöhnten Kölschrockern geben muss, um das liebgewonnene Projekt runderneuert, kraftvoll und zukunftsträchtig ins neue Jahrtausend überführen zu können. Obschon die CD seinerzeit tatsächlich eine Woche lang mal wieder den Spitzenrang der deutschen Albumhitparaden besetzt halten konnte, ist und bleibt das lustlos, nicht selten depressiv und zäh anmutende Werk für mich zumindest eine der schwächsten und inspirationslostesten Arbeiten einer sich verzettelnden Band, seitens derer ich schlechthin den überwiegenden Part ihres bisherigen Lebenswerks ja tief in meinem Herz geschlossen habe. Die zweite Singleauskoppelung aus „Comics & Pin-Ups“, „Ahnunfürsich“, eine matte Pop-Reggae-Nummer ohne jeglichen Esprit und mit nur vereinzelt hervorscheinendem Tiefgang, schließt CD-01 von „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ plätschernd ab.

Wie erwähnt, finden sich auf CD-02 die wichtigsten Liedbeiträge der Post-„Major“-Ara, die nun schon 17 Jahre lang andauert. Als klingender Befreiungsschlag kam im September 1999 das Album „Tonfilm“ daher, eine hochspannende Mixtur aus eher gemächlichen, bedächtigen Klängen auf Folk-, Blues-, Swing-, Jazz-, Chanson-, und nur ganz, ganz selten aufscheinendem hartrockigen Fundament. Die Tournee zu dieser immens wohltuenden und belebenden Scheibe fand im Herbst 1999 statt und währte bis ins Frühjahr 2000 hinein. Inzwischen waren Helmut Krumminga (git) und Michael Nass (key) zur „BAP“-Familie hinzugestoßen. Bespielt wurden nur kleinere Hallen, stets bestuhlt; d.h. real „affjerockt“ wurde weit weniger als zuvor, das Auditorium – so auch der Verfasser dieser Zeilen am 07.04.2000 im Münchener „Circus Krone Bau“ – musste drei Stunden lang im Sitzen verharren, um das meist nunmehr exorbitant textintensive, beinahe kammermusikalische „Tonfilm“-Liveprogramm besonders plausibel und greifbar goutieren zu können. „Tonfilm“ bestand hauptsächlich aus dezent, oft semiakustisch ausgestalteten Neuversionen früherer „BAP“-Titel, mal Evergreens, mal Geheimtipps, garniert mit einigen properen Neukompostionen, weshalb gleich fünf Titel aus dem Umfeld dieser „BAP“-geschichtlichen Zäsur für die aktuelle Dreier-CD ausgesucht wurden. So eine 2014 aufgezeichnete Livefassung des ursprünglich aus „Affjetaut“ (1980) stammenden, 19 Jahre danach für „Tonfilm“ konsequent entschlackten, von jeher beißend-satirisch dargebotenen, diesmal über siebenminütigen Couplets „Ruut, wieß, blau, querjesrtiefte Frau“ im witzigen Swing/Ragtime/Bar-Piano-Kontext, die cool-„sophisticated“, von einem schwül-schwülstigen Saxophon kutschierte Edel-Swing-„Schrank-Version“ der ironischen Analyse des unverbesserlichen Öko-Freaks „Müsli Män“, ein 2008er-Livemitschnitt des erneuten Hymnus gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, „Arsch huh – Zäng ussenander“, der am 09. November 1992 als Erkennungsmusik einer großen Kölner Demonstration diente, für die sich ca. 100.000 Menschen auf dem Chlodwigplatz versammelten, um ihren ausgeprägten Unmut über die (schon) damals grassierenden, gewalttätigen Krawalle gegen Asylunterkünfte u.a. in Rostock-Lichtenhagen kundzutun, und eine unverkennbar in Richtung von Niedecken-Idol Bob Dylan blickende, hierbei folkig-introvertierte „Unplugged“-Sichtweise der 1999er-Hommage an de Kölsche Verzäll, „Für ´ne Moment“. Das bis heute in steter Regelmäßigkeit ‚live‘ aufgeführte, so schwelgende, wie süffige, folkrockige Liebeslied „Rita, mer zwei“, das, alleine aufgrund seiner Dichte, Intensität, Authentizität und Liebenswürdigkeit, als erster realer „BAP“-Dauerbrenner des neuen Jahrtausends einzustufen ist, fand ebenso den wohlverdienten Weg auf „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“.

Im Sommer 2000 begaben sich „BAP“ auf die wieder ausnahmslos rocklastige „Partytour“, bezeugten auf vielen Open-Air- und Festivalbühnen in der gesamten BR Deutschland, dass sie trotz „Major“-Ausstiegs und eher revueähnlich ausgearbeiteter „Tonfilm“-Konzertreise durch vornehmere Säle, keineswegs verlernt hatten, massenweise Rockfans mittels der härteren Spielarten ihrer Musik zum abfeiern und ‚affrocke‘ zu verleiten. Im Juni des Folgejahres stand ein erneutes Nummer-Eins-Album in den Plattenläden dieser Republik, voller größtenteils graziös rockiger Songs, aus welchem der prägnante Titelsong, das sommerlich-muntere ‚Kölsche Mantra‘ „Aff un zo“, im lockeren Reggae-Sound gehalten, im  Mai 2001 vorab ausgekoppelt worden war, das nun auf „Die beliebtesten Lieder von 1976-2016“ fröhlich, beschwingt und gut gelaunt nachzuempfinden ist.

„Sonx“, veröffentlicht im Februar 2004, trug, alleine schon wegen der ungewohnt gemästet ausgefallenen Materialfülle von 16 neuen Liedern auf einmal, nicht wenige sehr gute, aber leider auch eine Vielzahl unnötiger, gezwungen wirkender und immer wieder mal äußerst unkreativer Beiträge in sich. Aus diesem Grunde vermochte ich in einer zeitnahen Rezension, die CD – für einen ausgewiesenen „BAP-Fan“ war dies durchaus schmerzhaft – nur als ‚durchwachsen‘ und orientierungslos zu klassifizieren, weil die schlechten „Sonx“ den hohen Wert der guten solchen zwar nicht schmälerten, den Gesamteindruck der Platte allerdings maßgeblich ins Negative mit Ruch des Beliebigkeit und Mittelmäßigkeit verschoben. Einer der überzeugendsten „Sonx“ aus ebenjenem Album, der rasende, laute Gitarrenrocker „Unger Krahnebäume“, der über den gleichnamigen Bildband des Kölner Photokünstlers Carl-Heinz Hargesheimer (Pseudonym: Chargesheimer), den dieser kurz vor seinem Tod 1971 vorlegte, handelt, repräsentiert das 2004er-Opus von „BAP“ auf der aktuellen Best-of-Koppelung.

Für ihr 30jähriges Bühnenjubiläum im Jahr 2006 unter dem Motto „Dreimal zehn Jahre“, für eine gleichnamige Doppel-CD, hatten „BAP“ ein Jahr zuvor in der neuen, „Major“-freien Zusammensetzung über 30 Bandklassiker – mal mehr, mal weniger ansprechend – reanimiert. „Freu, ich freu mich“ war 1981 auf „Für Usszeschnigge“ ein voranstrebender, fetzend-hetzender Stadionrocker im Sinne Bruce Springsteens, der m.E. aber in der Neuauslegung von vor einer Dekade ausladend und aberwitzig saft- und kraftlos erklang. Die im Original so authentisch vernehmbare Vorfreude auf das heißersehnte Wiedertreffen der Liebsten nach einer langen Autofahrt war plötzlich einer merkwürdig erschlafften, zur Routine gewordenen „Die Alte schläft sicher schon, wenn ich nachher irgendwann mal zu Hause bin“-Abgeklärtheit gewichen. Trotzdem steht der einstige Livereißer nun in der als andere als zum Positiven gewandelten 2006er-Einspielung auf der Liste.

Zum wohl imposantesten und vielgestaltigsten Werk von „BAP“ nach dem Millennium kann mit einiger Sicherheit die Doppel-CD/Dreifach-LP „Radio Pandora“ aus dem Jahr 2008 – übrigens die erste „BAP“-Produktion seit „Pik Sibbe“, die wieder im guten, alten Vinyl-Format erhältlich war! – proklamiert werden. Aus dieser, teils elektronisch verstärkt, teils im akustischen Klangbild angebotenen, wahrhaftig phantastischen Songkollektion, die sich in puncto Texte das Thema „Reisen“ in allen Facetten zum grundlegenden Aspekt gesetzt hatte, bestechen auf der aktuellen Drei-CD-Box die großspurige, mal wieder sehr ‚Dylan-influenced“ austarierte Rockballade „Songs sinn Dräume“ und der ausschweifende, erst staubtrockene, dann hochexplosive Bluesrock/Swamp Rock-Verschnitt „Diego Paz wöhr Nüngzehn“, der eindringlich über das Schicksal zweier junger Soldaten, einem argentinischen und einem britischen, erzählt, die beide im Falkland-Krieg im Frühjahr 1982 sinnlos sterben sollten.

Daran anschließend dringen der aufschäumend rockige Titelsong des 2011er-Albums „Halv su wild“, die gleichsam daraus entnommene, übers Älterwerden und die damit verbundene Lebenserfahrung resümierende, prunkvolle, fast majestätische Mid-Tempo-Ballade „Noh all dänne Johre“, das bislang nur auf Maxi-CD erhältliche, Hochdeutsch/Kölsche Duett mit dem Erfurter Rapper „Clueso“, „All die Augenblicke/All de Aureblecke“ (2012 – im ‚vollkölschen‘ Original ebenso auf „Halv su wild“ zu finden), und die im August 2014 auf der hoch gelobten Live-Doppel-CD „Das Märchen vom gezogenen Stecker“ ‚unplugged‘ offerierte Folkballade „Zosamme alt“, der nachdenkliche Titelgeber von Wolfgangs ein Jahr zuvor dargelegtem, vierten Solowerk, aus den Boxen. Den Abschluss von CD-02 von „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ bildet der lyrisch rückblickende, klanglich leger-abgeklärte, dabei sehr optimistisch und versöhnlich arrangierte und mittels freundlicher Folk- und Country-Einsprengseln zusätzlich verfeinerte Eröffner von eingangs erwähnter, im Januar diesen Jahres erschienener „Niedeckens BAP“-CD „Lebenslänglich“, der da heißt „Alles ist relativ“ und über vieles von dem lakonisch, wie intensiv, berichtet, was im bisherigen, doch so ereignisreichen Leben des Wolfgang Niedecken so alles passierte!

Für den beinharten „BAP“-Anhänger, der bereits alles Nötige seiner Helden in seinem Archiv beisammen hat, dürfte CD Numero 3 von vorliegender CD-Box am spannendsten und aufregendsten sein. Hierauf befinden sich ohne Ausnahme Coverversionen von Liedern anderer Bands und Künstler, teils eingekölscht, teils im Original belassen, oft in Form von Live-Mitschnitten und/oder mit einem Duettpartner exklusiv eingesungen. Manche derer sind längst vergriffen, andere bislang nur als B-Titel auf Maxi-CDs, oder aber als Beiträge zu Tribute-Alben und themenbezogenen Kompilationen erhältlich gewesen.

So hören wir nun eine folkrockige, etwas schleppende Livefassung von Bruce Springsteens Mitsing-Rocker „Hungry Heart“, 2011 ‚live‘ aufgenommen beim Soundcheck vor einem  Gig am Schloss Merode nahe Eschweiler, mit mutmachender, aufmunternder kölsch/englischer Betextung; in das Liveprogramm der „X für e U“-Tour 1991 hatten „BAP“ eine ebenfalls „zweisprachige“ Bearbeitung von David Bowies Generationshymnus „Heroes“/“Helden“ integriert, bei dem sich Wolfgang op Kölsch mit dem damaligen ‚Special Guest‘, dem Londoner Singer/Songwriter Julian Dawson, der den englischen Urtext sang, vokalistisch abwechselte.

Gemeinsam mit dem Osnabrücker Reggae-Musiker „Gentleman“, nahm sich Wolfgang N. in einem sanft-wiegenden Klangmodus des 1980er-Bob-Marley-Klassikers „Redemption Song“ an, gleichsam in einem lockeren Reggae-Arrangement erklingt, im Zwiegesang mit „Kinks“-Begründer Ray Davies jr., „Hollywood Boulevard“, eine kölsch/englische Version des 1972er-Welthits „Celluloid Heroes“, eben von Ray und seinen „Kinks“.

Erstmals auf „Tonfilm“ zu hören gab’s die Kölsche Sichtweise von „Rock’n’Roll Star“ (vulgo: „So you want to be a Rock’n’Roll Star“) der US-Folkrockband „The Byrds“; Rory Gallaghers Fernwehblues „A Million Miles away“  wurde 2008 auf der „Radio Pandora“-Tour als „Millione Meilen“ zur Aufführung und kurz darauf auf der famosen Drei-CD-Livekollektion „Live und in Farbe“ für die Nachwelt festgehalten.  Aus Leonard Cohens aussichtlos-depressivem Folk-Blues „Famous Blue Raincoat“ wood op Kölsch zo „Wat schriev mer en su `enem Fall“, die trist-sehnsüchtige Hommage der kanadischen Songwriter-Legende an das Ney Yorker „Chelsea Hotel“ kommt ebenfalls mit einem sehr einfühlsamen, kölschen Text daher.

Seinem wohl größten Idol und Einfluss Bob Dylan huldigt der „BAP“-Frontmann mit seinen einzigartigen Deutungen von „My Back Pages“ (hier: „Vill passiert sickher“, ‚live‘ 2001, inkl. einer wunderschönen Souleinlage der viel zu früh verstorbenen Sängerin und Perkussionistin Sheryl Hackett, die 1999 bis zu ihrem Tod 2003 zum festen ‚Line-Up‘ von „BAP“ gehörte und gebürtig aus Barbados stammte), „Forever Young“ (hier: „Für immer jung“, 2008, aus „Radio Pandora“), „Every Grain of Sand“ (hier: „Jed Körnche Sand“, 2008, dto.), „Señor“ (dto.) und „Leopard Skin Pillbox Hat“ (hier: „Leopardefellhoot“, Live 2011).

Aus „Ideals“ krassem NDW-Hammer „Berlin“ wurde 2002, zum zehnjährigen Jubiläum von „Arsch huh, Zäng ussenander“, auf Deutsch/Kölsch/Türkisch(!) „Mer stonn op Berlin“, begleitet von Ex-„Ideal“-Gitarrero Effjott Krüger; als schrill-schräges Duett mit Punkikone Nina Hagen fand sich das widerborstige Folkchanson „Weihnachtsnaach“, geschrieben zur Musik von „Fairytale of New York“ der irischen „Pogues“ feat. Kirsty MacColl, anfangs als Bonustrack auf dem 1996er-Album „Amerika“. Schlussendlich ersannen „BAP“ für die jeweiligen Tribute für Reinhard Mey (2002) bzw. Udo Lindenberg Mundart-Interpretationen von „Kaspar“ (Reinhard) bzw. „Cello“ (Udo), die die durchgehend sehr amüsante und extrem vielseitige, dritte Scheibe von „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ in sich gekehrt und geruhsam abschließen.

Zum Fazit – nach einwöchigem Intensivstudium der neuen Dreifach-CD „Die beliebtesten Lieder von 1976-2016“ von „BAP“ – sei zunächst in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es sich bei nahezu allen Beiträgen darauf um ein ums andere Mal Klasse wohlmundende, kölsche Rockmusik in Bestform handelt, mit Anspruch, Aussage, mal durchzogen von Spaß, mal von Nachdenklichkeit, sich auf allen emotionalen Ebenen den menschlichen Daseins abspielend, oft mit dauerhafter Brisanz und Überzeugungskraft ausgestattet. Doch bei der Auslese der einzelnen Songs auf CD-01 und CD-02 ist Wolfgang Niedecken übertrieben – und für den realen „BAP“-Anhänger nicht selten unverständlich – auf Nummer Sicher gegangen. Sicher heißt die Produktion mit vollster Absicht „Die BELIEBTESTEN…“ und nicht „Die BESTEN…“ Lieder der letzten vierzig Joohr. Aber… wäre nicht ein pikant gemischter Liederstrauß aus den „Beliebtesten“ und den „Besten“ Liedern die großartigste und sachdienlichste Option zur Feier des 40. Bühnenjubiläums von „BAP“ gewesen?? – wobei viele der „Besten“ klarerweise und bedenkenlos zugleich zu den „Beliebtesten“ gerechnet werden können („Alexandra…“, „Rita…“, „Do kanns zaubre“ etc. u.v.a.). Nichtsdestotrotz fehlen mir unter den hier zusammengestellten „Beliebtesten“ viele, viele der „Besten“ – die ich teilweise ja auch im laufenden Text erwähnt habe, von „Zehnter Juni“ über „Rääts un links vum Bahndamm“ bess „Vis-a-Vis“ oder „Met Wolke schwaade“. Wie geschildert, wurden „Bess Demnäxh“, die erste Livescheibe aus 1983, und der daraus entnommene Ewigkeits-Konzertfavorit „Nemm mich met“, bei der Listung in Gänze ausgespart.

So betrachte ich vorliegendes Drei-CD-Set rein subjektiv mit gemischten Gefühlen. Der unverbesserliche „BAP“-Fan, der, wie ich, mit der Band aufgewachsen ist, dürfte mehrheitlich das meiste Material seit langem zu Hause haben. Es wurden ja auch kaum rare Maxi- bzw. Liveversionen, Demos oder Alternative Mixe mancher Lieder hervorgekramt, sondern zumeist nur die schon zigmal verkoppelten Singleabmischungen genutzt. Diese müssen „Noh all dänne Johre“ ohnehin zum Allgemeingut deutscher Rock- und Popkultur gerechnet werden und sollten demzufolge in jeder gutsortierten Musiksammlung von uns Kindern der 80er (und 90er) Jahre vorhanden sein. Als Kaufanreiz spielt m.E. vermutlich in erster Linie die dritte CD der „Limited De Luxe“-Edition die größte Rolle, denn all die hierfür auserkorenen Coverversionen und/oder Duette gab es in dieser geballten Ladung noch nie vereint auf einer CD. Diese wird wohl dafür Rechnung tragen, dass auch „Die beliebtesten Lieder 1976-2016“ in Bälde in der Rubrik der beliebtesten Longplayer von „BAP“ anzutreffen sein wird!

Holger Stürenburg, 16. bis 22. April 2016
http://www.universal-music.de/company/umg/polydorisland
http://www.bap.de/start/

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