FLORIAN SILBEREISEN
TV-Kritik von Stephan Imming: "Das große Schlagerfest" – eine rundum gelungene Show!
Neben den etablierten Stars überzeugte insbesondere auch der Nachwuchs …:
Wie schon vor ein paar Monaten, stand Florian Silbereisens Fest am 16. April unter dem Motto „Schlagerfest“. Das verhieß zunächst nicht zwingend Gutes – war beim letzten mal das Thema eher verfehlt, war die Show diesmal aus einem Guss, stimmig und vor allem unterhaltsam.
Schon die Ankündigung zu Beginn durch Dieter Thomas Heck ließ auf einen unterhaltsamen Abend hoffen, wobei die Frage offen blieb, warum Heck „nur“ per MAZ und nicht live im Studio vor Ort war. Umgekehrt stellte sich die Frage, warum der Chartsexperte Dr. Mathias Giloth sowohl live als auch per MAZ seine fachkundigen Kommentierungen vornahm, wobei die Bezeichnung „Chartsexperte“ ja eigentlich sowieso eigentlich schon kompetent belegt ist – aber sei’s drum. Teilweise waren die Kategorien schon speziell – wie „der höchste Schlager-Charts-Einstieg dieses(!) Jahres (es ist April!)“ (Roland Kaiser) – aber zumindest gab es keine sonnenklare Verarschungen wie bei der Echo-Verleihung.
Zu einer Schlager-Show gehörte schon zu seligen Heck-Zeiten eine gelungene Mixtur aus Superstars, etablierten Sängern und Nachwuchsinterpreten. Man muss neidlos anerkennen – diese Show-Zusammenstellung ist diesmal perfekt gelungen.
Den Reigen der Superstars leitete Andrea Berg ein (, wobei noch spekuliert wird, ob angesichts ihres 3. Auftritts in Folge der alte Heck-Spruch „drei mal dabei…“ herausgekramt wird). Gewohnt professionell zog sie ihr Programm durch. Sie sah diesmal besonders gut aus – ob das an der Maskenbildnerin, ihrer Frisur oder was auch immer gelegen hat – schwer zu sagen. Auch Ex-Flipper Olaf kann wohl der Riege der Großen zugeordnet werden. Er ist seinem Stil bis heute treu geblieben und zeigte sich hoch erfreut bei der wirklich sehr witzigen Parodie-Einlage von „KLUBBB3“, die die größten Flippers-Hits originalgetreu (inklusive Goldkette und Bühnenoutfit) augenzwinkernd vortrugen.
Roland Kaiser, auch inzwischen so etwas wie Stammgast bei Florain, qualifizierte sich nicht nur durch den „so hohen Chartseinstieg“ für die Show, sondern auch dadurch, dass er – so Dieter Thomas Heck – einer der „am häufigsten eingeladenen Gäste“ seiner Show gewesen sei. Genau genommen ist er DER Hitparaden-König und nicht einer von ihnen. Sein Duett mit Florian Silbereisen in Gedenken an Peter Alexander war sehr unterhaltsam – schade, dass er diesmal Vollplayback singen musste, bei Kim Fisher eine Woche zuvor konnte er seine Live-Qualitäten unter Beweis stellen.
Ebenfalls in der Top-Liga spielt derzeit Vanessa Mai mit, sicher auch dem auf unseriöse Weise zustande gekommenen Echo geschuldet, wobei sie freilich für das Unvermögen der Preisstifter nicht verantwortlich gemacht werden kann. Es wird spannend, ob der Medien-Hype ausreicht, ihr von Dieter Bohlen produziertes (O-Ton) „zweites(!?) Solo-Album“ an die Chartsspitze zu katapultieren.
Von der alten Garde stammend, hat Heino wieder alle Facetten seiner Persönlichkeit gezeigt. Er begann traditionell mit einem Medley seiner Hits, um dann provokant zu schildern, wie er auf die Idee kam, seine neue CD „Arschkarte“ zu nennen. Entgegen der Erwartung, er würde die Zugnummer „Fußball ist unser Leben“ erneut bringen, brachte er diesmal Udo Jürgens’ Klassiker „Buenos Dias Argentina“ zu Gehör – für einige Udo-Fans sicher ein Graus – man muss aber bedenken, dass Heinos Version augenzwinkernd gemeint ist, hat er doch beim smago!-Award noch verkündet, seine Fans noch „möglichst lange ärgern zu wollen“.
Auch Michelle ist aktuell zu den Top-Schlagerstars zu zählen und präsentierte zwei Lieder aus ihrer offensichtlich abwechslungsreichen neuen CD „Ich würd’ es wieder tun“. Der Titelsong ist sicher schön produziert und textlich gelungen – leider gibt es aber ein gleichnamiges Lied von Udo Jürgens, das dieser sogar auf seiner letzten Tournee gespielt hat, an das Michelles neue Produktion naturgemäß nicht rankommen kann.
Den Schlusspunkt der Sendung (vor dem Finale) setzte Michelles früherer Ehemann Matthias Reim, der selbst zur Zeit auf einer Erfolgswelle schwimmt und sein neues Album vorstellte. Man darf gespannt sein, welcher Schlagerstar letztlich in den Charts die Nase vorne haben wird.
Zu den etablierten Stars zählt sicher inzwischen das Duo Fantasy, das als erfolgreichstes Schlager-Duo aller Zeiten in den Charts angekündigt wurde. Offensichtlich firmieren die Amigos nicht unter „Schlager“. Auch die Singlecharts wurden dabei wohl nicht berücksichtigt – denn Fantasy hatten bislang genau – ääääh, NULL Hits in den Top-100-Singlecharts. Wer aber im Vorprogramm von Andrea Berg auftreten darf und von Dieter Bohlen produziert wird, hat offensichtlich genügend Rückenwind für große Erfolge und darf demnach erneut bei Florian auftreten.
In ungewohnter Rolle trat diesmal Stefanie Hertel auf – sie sang einen Schlager aus ihrer neuen CD, auf der Lieder aus dem Vogtland zu hören sind. Sie gehört wohl zu den letzten Künstlern, die noch die Fahne der volkstümlichen Musik hoch halten, der die „Feste“-Show ursprünglich eine Heimat bot. Sehr charmant kündigte sie auch „Klubbb3“ an, als die ihre „Flippers“-Einlage gaben.
A propos – inzwischen kann man das neue Schlager-Trio „KLUBBB3“ wohl auch schon zu den etablierten Größen der Szene zählen, folglich präsentierte Florian mit seinen beiden Kumpels wieder Lieder aus dem Klubbb3-Album. Wer sich fragt, wo Heck blieb, als die Jungs zum unglaublichen dritten mal hintereinander in einer „Feste“-Show ihren Schlager „Du schaffst das schon“ (wieder inklusive Polonäse!) präsentierten, dem sei gesagt, dass Klubbb3 das vermutlich so lange durchziehen, bis endlich auch der smago!-Chefredakteur zur Polonäse mittanzt (kleiner Scherz)… Sehr spaßig war, dass der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts hier und da in die Performance eingebunden wurde – das erinnerte an selige Heck-Zeiten, bei dessen „Goldener Stimmgabel“ ja auch öfter mal politische Prominenz anwesend war.
Nach längerer Zeit war auch Nicole wieder zu Gast bei Florian – ein etwas enttäuschender Auftritt. Sie sang ein Hit-Medley, bei dem zum Schluss auch ein Lied aus ihrem neuen Album eingebaut wurde. Viele Rezensenten in einschlägigen Foren sehen ihr neues Album kritisch – leider bekam (oder nutzte?) Nicole nicht die Chance, in der Show Kritiker vom Gegenteil zu überzeugen. Auch Frank Schöbel profilierte sich nicht wirklich beim „Schlagerfest“.
Nun aber zum überzeugendsten Merkmal der Show, dem Aspekt der Nachwuchstalente. Nachdem zuletzt nur sehr spärlich unbekannte Interpreten bei Florian Silbereisen zu Gast waren, bekamen diesmal gleich mehrere Schlager-Acts eine Chance. Die aus dem Ruhrgebiet stammenden Jungs von Phoenix West verkörpern laut eigener Aussage die „neue Romantik des Ruhrpotts“ – vielleicht mutieren sie ja zu so etwas wie „Santiano des Westens“.
Ihren ersten großen TV-Auftritt absolvierte die Amerikanerin Sarah Jane Scott, die seit 2010 in Deutschland lebt. Sie ist die Lebensgefährtin eines der Söhne von Stephan Remmler, der selbst bei Florian auch eine kleine Einlage gab und Produzent seiner „Schwiegertochter in spe“ ist. Wer solche „Connections“ hat, muss damit rechnen, dass ihm (ihr) zunächst Vorurteile entgegenschlagen, es nur wegen dieser Verbindungen geschafft zu haben, zumal mit Christin Stark und Vanessa Mai zuletzt ja auch Sängerinnen in Florians Show platziert waren, die Kontakte in der Branche hatten.
Aber schon zu Beginn ihrer Performance gab es eine Überraschung – die junge Frau stellte sich moderierend zu Beginn ihres Auftritts erst mal selber vor mit einer Souveränität, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes getan als Samstag-Abend-Shows zu moderieren. Sehr selbstsicher und professionell trug sie dann ihren (zur Vorstellung passenden) Debut-Schlager „Hallo hallo“ vor – sicher kein nachdenkliches Chanson, aber ein netter Schlager. Bis dahin war es schon ein sehr starker Auftritt, was dann aber folgte, war sehr ungewöhnlich und überraschend – gemeinsam mit Florian, der seine Harmonika hervorkramte, sang sie, sich selbst auf der Ukulele begleitend, ein Medley mit Connie-Francis-Hits – und es klang sogar so, als wäre dabei sogar live gesungen worden. Lange Rede – kurzer Sinn: SO gelingt es, Schlagernachwuchs vorzustellen – für mich ist Sarah Jane Scott mit ihrem sehr starken Auftritt so interessant geworden, dass ich gleich mal bei „Amazon“ nach ihrer CD „Ich schau Dir in die Augen“ gesehen habe. Angesichts des für eine Schlager-CD nicht gerade günstigen Preises von EUR 21,99 scheint auch bei diesem Internet-Versandhändler eine buchstäbliche Wertschätzung vorhanden zu sein.
Ein weiteres Nachwuchstalent war Franziska Wiese, die allerdings schon 2013 mit einem smago!-Award dekoriert wurde. Managerin Veronika Jarzomek gelang es, sie bei Florian platzieren zu können – mit ihrer Geige konnte Franziska sich einem Millionenpublikum präsentieren. Eigentlich war pünktlich zum „Feste“-Termin auch die Veröffentlichung einer CD vorgesehen, man hat den Termin aber auf Juli verschoben.
Schon in der letzten Sendung (erfolgreich) vorgestellt wurde die junge Gruppe „D’Artagnon“, für die sich die TV-Präsenz schon in Verkaufszahlen ausgezahlt hat. Interessant: Florian Silbereisen fragte einen der Sänger, was denn sein Lieblingsschlager sei. Der antwortete „KLUBBB3“. Das scheint ein echter Experte zu sein; der Schlager(!) „Klubbb3“ ist mir nicht bekannt, ich kenne nur eine gleichnamige Gruppe.
Abgerundet wurde das Schlagerfest mit Showeinlagen wie dem Tischtennisspiel von einem Flügel (, was immer das für einen näheren Sinn hatte) – gemeinsam mit der Tischtennisspielerin und Namensvetterin Christin Silbereisen. Sehr witzig war auch die „Heckparade“, ein Medley auf modern getrimmter Schlager der Heck-Ära, zu der die Tänzer der Dancefloor Destruction Crew (DCC) professionell tanzten. Wobei – das Deutsche Fernsehballett hat mir auch gut gefallen, aber die Zeiten ändern sich nun mal.
Abgesehen von wirklich kleinen unbedeutenden Kritikpunkten ist den Machern der „Feste“ diesmal eine wirklich sehr unterhaltsame, abwechslungsreiche und zum Thema passende Show gelungen. Ob es richtig ist, sich RTL-Ideen zu klau… – äääh, bedienen wie MAZ-Einspielungen und Einbeziehung eines „Chartsexperten“, ist vermutlich Geschmackssache – ebenso wie die inflationär eingesetzten „Zugabe“-Einspielungen von Refrains. Und noch mal: Besonders erfreulich war, dass diesmal insbesondere förderungswürdiger Nachwuchs (Sarah Jane Scott) eine Chance bekam.
Foto-Credit: Dominik Beckmann für Jürgens TV und Das Erste / ARD
Stephan Imming, 17.04.2016
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