UDO JÜRGENS u.a.
smago! Gast-Kolumne von Frank Ehrlacher: Der digitale Schlager oder "Huh Hah Internet"!

Der ultimative Chart Experte schreibt …: 

Es war eigentlich nur eine der üblichen, alljährlichen Vertragsverlängerungs-Pressemitteilungen zum Ende des 1. Halbjahrs: "Sony Music wird weiterhin und langfristig den gesamten Katalog aller Udo-Jürgens-Tonaufnahmen vertreiben. Darauf einigte sich der Major mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Udo Jürgens Master AG, Freddy Burger." Dazu ein Statement von Freddy Burger, Udos langjährigem Manager: "Wir werden gemeinsam alles daran setzen, dass die Musik dieses Ausnahme-Künstlers unvergessen bleibt."

 

Für die Freunde und Fans des deutschen Schlagers könnte aber in dieser Mitteilung etwas mehr stecken und Hoffnung machen.

Zum Hintergrund:

Während es im internationalen Musikgeschäft gang und gäbe ist, von jedem Künstler, der die Top 10 auch nur einmal ansatzweise gestreift hat, sämtliche Alben auf CD und möglichst auch zum legalen Download (wieder) zu veröffentlichen, hakt es im Segment Schlager da gewaltig. Von den meisten Künstlern gibt es oft nur "Best Of"-Zusammenstellungen ihrer größten Hits und erfolgreichsten Singles, teilweise im attraktiv-preisgünstigen Segment. Dies wird aber meines Erachtens den Interpreten in den meisten Fällen nicht gerecht.

Wenn ein Künstler ein "Album" aufnimmt, ist dies im Unterschied zur Single ja die Gelegenheit, viele Facetten zu zeigen. Da muss nicht jeder Song ein Hit werden, nicht jedes Stück tanzbar-discothekentauglich oder unter-drei-Minuten-rundfunktauglich sein – auf einem Album hat der Künstler (und ich wähle diese Bezeichnung hier bewusst) 60 Minuten oder mehr Zeit, um auf in der Regel 10 bis 16 Titeln seine Bandbreite zu zeigen und sich dem Publikum zu öffnen – daher auch die Bezeichnung "Album", in dem man Seite um Seite umblättern kann, die eine vielleicht etwas kürzer, die andere etwas länger betrachten und sich damit auseinanderzusetzen, am Ende aber in jedem Fall ein umfassenderes Bild des Künstlers zu haben.

Die Gründe, warum man Schlager-Künstler (vorwiegend die der 1970er und frühen 1980er Jahre, also vor der Markt-Einführung der CD – in den frühen 1960er Jahren spielten Alben/LPs noch eine eher untergeordnete Bedeutung) auf Hit-Zusammenstellungen beschränkt, mögen vielfältig sein. Vermutlich rechnet man in vielen Fällen für "komplette Alben" nicht mit allzu großer Resonanz beim Publikum – vor allem bei der jüngeren Zielgruppe findet Schlager in der Tat vorwiegend auf "Kult"- oder Schlager-Partys statt, wo es dann selten über "Er gehört zu mir", "Moskau" oder "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" hinausreicht und die meisten Party-Besucher nicht mal den Namen der Interpreten nennen könnten. In machen – zum Glück nach meiner Kenntnis wenigen – Fällen, sind es auch rechtliche Hindernisse, dass der damalige "Schallplattenvertrag" die digitale Nutzung nur unter weiter Auslegung zulässt – wenngleich ich da entgegenhalte, dass die CD nun seit 30 Jahren marktgängig ist und hier genügend Zeit war, Rechtssicherheit zu schaffen. Böse Zungen sagen aber auch, man sehe den künstlerischen Anspruch vieler Schlager-Interpreten nicht so hoch an, als dass ein Album mehr wäre, als die "wahllose" Zusammenstellung von 12 Songs – diesem widerspreche ich in den meisten Fällen energisch.

Wie dem auch sei – der Deal bezüglich der Auswertung der Udo Jürgens-Masterrechte könnte ein Signal sein, zumal die Rechtelage bei diesem Künstler zu seinen Lebzeiten immer ein Sonderfall und damit Wiederveröffentlichungen besonders problematisch waren. Bei einem anderen Großen, Peter Alexander, verhielt es sich zu Lebzeiten ähnlich – im vergangenen Herbst beschenkte "Sony Music Catalog" dann die Fans aber mit der Wiederveröffentlichung der meisten seiner 1970er und 1980er Jahre Alben (warum hier genau drei Alben ausgelassen wurden, bei denen nach meiner Kenntnis die Rechtelage identisch ist, konnte ich bislang nicht in Erfahrung bringen, aber kann ja hoffentlich nachgereicht werden 😉 ). Gleichzeitig veröffentlichte man auch einen Großteil des "Lebenswerks" von Michael Holm und Rex Gildo neu. Die Umsatzzahlen werden nicht gerade durch die Decke gehen – aber im Verhältnis zum Aufwand (einmalige Digitalisierung der Masterbände plus ggf. Rechteklärung) steht auf der anderen Seite doch ein langfristiger Ertrag ohne hohe Vertriebs- und Marketing-Kosten.

Vielleicht kommt durch den "Udo Jürgens-Deal" auch hier wieder etwas "Leben" in die Diskussion, ich möchte einfach einmal ein paar Künstler in den Raum stellen, von denen es kaum digitale (CD oder mp3) Alben gibt, um zu zeigen, dass es sich da aus musik-"geschichtlicher" Sicht und charttechnischer Relevanz keinesfalls um Nischen-Produkt handelt:

So gibt es von der Gruppe "Dschinghis Khan", die auch auf Schlager-Partys regelmäßig abgefeiert wird, kein einziges (!) Album auf CD/zum Download.

Auch von Chris Roberts gibt es bislang nur einige Alben bis 1972 – seine erfolgreiche Zeit der 1970er Jahre wird nicht abgedeckt. Von 16 Alben, die er zwischen 1970 und 1984 veröffentlichte, sind gerade einmal vier erhältlich.

Katja Ebstein – hier hat man bisher genau ein Album (von 13 des Analog-Zeitalters) wiederveröffentlicht.

Karel Gott – von 1970 bis 1984 hat es kein einziges seiner 13 Alben ins Digital-Zeitalter geschafft

Mireille Mathieu – von 1969 bis 1984 nahm sie 17 deutschsprachige Alben auf – kein einziges ist digital erhältlich (wobei auch hier zugegebenermaßen die Rechtesituation etwas schwieriger ist)

Heino – auch hier sucht man seine Alben bis Mitte der 1980er Jahre vergeblich

Jürgen Marcus – seine ersten acht Alben von 1973 bis 1978 sind digital nicht existent – auffällig ist hier, dass die drei Alben, die er nach der Trennung von Jack White für "Telefunken" aufnahm und in denen er sich chansonlastiger zeigte, den Weg auf CD fanden.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen – aber dies soll beileibe keine Klage über Versäumnisse der Vergangenheit sein, sondern Ansporn und Diskussionsansatz, diesem Segment mehr Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken.

Der deutsche Schlager gehört genauso zu "unserer" Kulturgeschichte, wie Bach, Mozart, Beethoven oder auch Elvis, die Beatles und die Rolling Stones – von allen genannten wäre es undenkbar, wenn auch nur ein Schnipsel nicht digital verfügbar wäre – vielleicht kann dies ja auch in absehbarer Zeit im Segment Schlager und deutschsprachige Pop-Musik so sein?!

Foto-Credit: Karim Khawatmi

Frank Ehrlacher – top-exklusiv für smago!
http://www.ariola.de
http://www.udojuergens.de

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