UDO JÜRGENS
smago! exklusiv vorab: Die Udo-Jürgens-Serie "Sein Leben – seine Erfolge"! Teil 13: "Hey Jude"!
Dieses Kapitel beschließt die 1960-er Jahre!
Bevor es mit der "Tournee der Tourneen" weitergeht, noch einige Ergänzungen zu Udos Terminkalender der letzten, zuvor behandelten Jahre:
Während sein 64er Auftritt im Pariser Olympia mit einiger Vorsicht zu genießen ist, da diese Meldung nur von Udos offizieller Webseite stammt und ich bisher nichts finden konnte, was diese Angabe bestätigt, ist sein Gastspiel im Jahre 1966 verbürgt.
Es fand am 21. Juni 1966 innerhalb einer "Musicorama"-Veranstaltungsreihe statt. Im Herbst des gleichen Jahres brachte ein gewisser Corry Brokken eine Single mit dem Titel "Nimm meine Hand" auf den Markt – Musik: Udo Jürgens…
Anfang Januar '67 sicherten sich "Ardmore and Beechwood" die Exklusiv-Rechte für Udos "Sag mir wie" und "Lieben, das heißt glauben" für Belgien. Auch dort waren diese Songs außerordentlich populär.
Am Ende des Monats gab es eine Premiere für Udo: Die Teilnahme an der ersten internationalen Musikmesse "MIDEM".
"Damals kam Bernard Chevry auf mich zu", so Hans R. Beierlein. "Chevry war Messe-Experte. Gemeinsam haben wir die Idee einer internationalen Musikmesse entwickelt, die 'MIDEM'. Eine Kontaktplattform, bei der Musikschaffende aus aller Welt miteinander kommunizieren konnten. Die Atmosphäre sollte entspannt, gute Hotels, hübsche Mädchen und gepflegte Restaurants verfügbar sein. Sowas plus sonniges Klima gibt es im Januar vornehmlich an der Côte d'Azur, und deshalb fand bereits die erste MIDEM 1967 in Cannes statt.
"Allerdings", so Beierlein weiter, "unter sehr schwacher Beteiligung der deutschen Musikszene. Das änderte sich dann. Von Jahr zu Jahr habe ich mehr Firmen aufgerissen."
Im Umfeld dieser einwöchigen Messe fand stets eine Gala statt, welche die größtbesetzte musikalische Gala in Europa war. Topstars, aber auch Top-Newcomer konnten sich dort im Palais des Festivals alljährlich präsentieren.
"Das französische Fernsehen hat nicht begriffen, daß man sowas senden mußte", wunderte sich Beierlein später.
Nachdem das ORTF die Premieren-Gala noch aufgezeichnet hatte, nahm es in den folgenden Jahren davon Abstand. Beierlein ging daraufhin zu seinen Freunden beim ZDF.
"Dort griff man zu, hat es viele Jahre aufgezeichnet und weltweit verkauft."
Bis heute gilt die "MIDEM" als eine der größten Musik-Messen weltweit.
Langer Rede kurzer Sinn: Udo Jürgens nahm von 1967 bis 1969 an allen drei Galaveranstaltungen teil. bei der Premiere am 04.02.1967 sang er dort – wie konnte es anders sein – "Merci Chérie" in einer deutsch/französischen Fassung.
Zwei Monate später befand sich Udo bereits auf einer 18-tägigen Konzert-Tournee durch die Sowjetunion, welche er genauso erfolgreich absolvierte.
Am 16. Mai kam jener bereits erwähnte legendäre Wechsel zur ARIOLA.
Kurz darauf startete diese für Udos erste Single ("Was ich dir sagen will / Immer wieder geht die Sonne auf") eine ihrer bislang größten Verkaufs-Promotionkampagnen. Udo sicherte seiner neuen Plattenfirma damit gleichzeitig einen Spitzenplatz auf dem deutschen Plattenmarkt. Wer hätte dies noch vor ein paar Jahren vermutet…
Die ARIOLA verkaufte Udo zunächst – wie vertraglich vereinbart – als "deutschen Chansonsänger".
Nach einer 14 Konzerte-Tour durch die CSSR war Udo dann am 18. August 1967 beim Internationalen Festival der Unterhaltungsmusik in Sopot, Polen, mit dabei. Zusammen mit Caterina Valente trat er als Stargast auf.
Am 26. August, also nur wenige Tage später, nahm Udo erneut an einem historischen Ereignis teil: dem Start des Farbfernsehens in Europa. Dieser fand im Rahmen der Sendung "Gala-Abend der Schallplatte" statt, moderiert von Vivi Bach und Dietmar Schönherr. Udo sang dort seine beiden Hits "Immer wieder geht die Sonne auf" und "Merci Chérie".
Im September 1967 nahm sich in Italien das Plattenlabel DURIUM der Aufnahmen von Udo Jürgens an und stellte eine Compilation zusammen, welche allerdings erst im Jahre 1968 in den Handel kommen sollte.
Zur gleichen Zeit begann der Start zu Udos erster großer Deutschland-Tournee.
Der "Stern" berichtete seinerzeit: Seit einem Monat jagt er mit seinem Troß, mit vier Musikanten, einem Techniker und einem Manager, durchs Land und trägt gefühlsschwangere Botschaften in ausverkaufte Häuser.
Fast Abend für Abend, und das jeweils zweieinhalb Stunden lang, säuselt, klagt, stammelt, schmachtet, schmettert er von Liebesgram und Abschiedsschmerz – in der Berliner Philharmonie und der Frankfurter Kongreßhalle, im Deutschen Museum zu München und in der Meistersingerhalle von Nürnberg: Udo Jürgens, 33, Schallplatten-Troubadour aus Kärnten, ist auf Deutschlandtournee.
Sie ist für ihn ein Triumphmarsch: Überall und jedesmal erwartete den Sänger bislang der gleiche Doppellohn – an der Kasse eine Gage von 14 000 Mark; im Parkett ein aufgewühltes – vornehmlich weibliches – Publikum. "Herr "Seele" riß das Volk von den Stühlen ("Bild").
Ganz anders als seine Zeitgenossen, die genialen, affenhaarigen Beatles, die mit Selbstironie für ein traditionsunwilliges Teen- und Twen-Publikum dem 21. Jahrhundert entgegenmusizieren, charmiert Udo Jürgens, ein rechter Österreicher mit deutschem Gemüt, vor allem teutonische Matronen mit romantischen Sehnsüchten. Der schlaksige, artige junge Mann im Smoking ist dabei eine Rarität im finsteren deutschen Showgeschäft – er ist ein Schlagersänger deutscher Zunge, der tatsächlich singen kann. Mehr: Er ist sogar ausgesprochen musikalisch, ein guter Pianist und Erfinder hübscher Melodien.
Nur als sein eigener Texter hat er sowenig Glück und Verstand wie seine Freunde, etwa "08/15"-Autor Hans Hellmut Kirst oder die Filmschauspieler Joachim Fuchsberger und Thomas Hörbiger. Sie halten sich wie auch Jürgens offenbar für deutsche Chansondichter und basteln für ihren Star Gebilde, in denen die Sprachlosigkeit zu stottern anfängt. Hörbiger reimte: "Merci, merci, merci, für die Stunden, Chérie, Chérie, Chérie, Chérie, unsre Liebe war schön, so schön, merci, Chérie, so schön, so schön, merci, Chérie, so schön, so schön, merci, Chérie, merci".
Aber auch die konzentrierteste Einfalt ("Finito l'Amore, die Liebe ist aus, finito l'Amore, wir gehen nach Haus") tut keinen Schaden: Jürgens ist eingehüllt in ein raffiniertes Arrangement von Nocturno-Klängen und Valse-triste-Takten, von heimlichem Orgel-Wimmern und düsterem Beat – der Noten-Kavalier aus Klagenfurt bevorzugt Tragik und Melancholie; er singt vom Liebeskummer, als verkünde er den Untergang des Abendlandes. Allerdings, auch zu trösten weiß er: "Immer wieder geht die Sonne auf."
"Wenn er singt 'Warum nur, warum', werden die Leiden des jungen Werther wieder verständlich", schrieb verzückt "Stern"-Kolumnistin Sibylle, und ein Kaplan Gehrmann segnete Udo und dessen "sauberen Schlager": "Das Lied 'Wo ist der Sommer geblieben?' hätte ebensogut die heilige Therese von Avila in ihrer Seelennot und Seelennacht singen können."
Der Künstler selbst kommentierte: "Ich singe genau das, was ich empfinde. Ich komponiere nur Melodien und schreibe nur Texte, von denen ich überzeugt bin. Ich nehme meine Lieder ernst."
Lange Jahre war er der einzige in Deutschland, der sie ernst nahm – den heimischen Plattenmachern erschienen sie zu anspruchsvoll und deshalb nicht gewinnträchtig. So sang denn der Klagenfurter Landwirtssohn Jürgen Udo Bockelmann, der am Kärntner Konservatorium die Fächer Komposition, Gesang und Klavier studiert hatte, für Polydor á la Freddy und Presley und ließ seine Eigenschöpfungen von ausländischen Gurgeln kreieren – etwa von Brenda Lee und Sacha Distel, von Nana Mouscouri und Jean-Claude Pascal.
Selbst sein "Jenny"-Schlager, mit dem er 1960 beim europäischen Schlagerfestival im belgischen Seebad Knokke für Deutschland den ersten Preis holte, stieß bei germanischen Schlagermachern auf heftigen Widerwillen. An der Plattenbörse war Jürgens überhaupt nicht notiert.
Das wurde anders, nachdem sich der Musik-Manager Hans R. Beierlein, 38 ("Von Musik habe ich soviel Ahnung wie ein Regenwurm. Aber ich weiß, was gefragt ist"), 1964 mit dem in der Bundesrepublik so erfolglosen Sänger zusammengetan hatte. Unter der neuen Obhut (Beierlein: "Udo ist administrativ unbegabt") mauserte sich Udo Jürgens so schnell zum Star, daß Beierlein die Karriere seines Schützlings schleunigst bei Lloyd's versichern ließ. Begründung: "Wir haben 50 Prozent unserer Ideen und unserer Arbeit in Udo investiert. Sein Ausfall wäre für uns ein großer Verlust. Die Versicherungssumme (sie ist sechsstellig) gilt, wenn er die Stimme verliert, tot oder zum Komponieren unfähig ist."
Die Summe ist bis heute noch nicht fällig geworden. Zwar erlitt der gar nicht robuste Sänger 1965 beim Grand Prix in Neapel einen ersten Nervenkollaps. Doch ein Jahr später schon machte er sich besser bezahlt, als es selbst Beierlein hoffen durfte: Udo Jürgens, in Tokio und Rio de Janeiro, im sozialistischen Lager wie in Francos Spanien gefeiert (Jürgens: "Musik kennt eben keine Grenzen"), errang in Luxemburg den "Grand Prix Eurovision de la Chanson" sowie drei Goldene Schallplatten; er wurde zum besten deutschsprachigen Sänger des Jahres 1966" gekürt und bekam bei "Ariola" einen hochdotierten Schallplattenvertrag. Garantie: knapp eine halbe Million Mark pro Jahr.
Überaus erfolgreich war bisher auch das Jahr 1967. Während Ehefrau Panja (bürgerlich: Erika). 24, Sohn John, 3, Tochter Jenny, 7 Monate, und Pudel Pinkie in einer Münchner Elf-Zimmer-Villa am bereits Ersungenen zehrten, reiste Jürgens nach Ungarn, in die Tschechoslowakei, nach Polen.
Und während Jürgens noch in Sopot auf "Polenfeldzug" (so Beierlein) war, präparierte der Manager schon mit "größtem Aufwand an Publicity" (so Beierlein) die große Jürgens-Deutschland-Fahrt durch 21 Metropolen.
Mittlerweile hat Udo Jürgens auch diese mörderische Strecke fast geschafft. Kurz vor Frankfurt hatte er zwar einen Zusammenbruch, aber die Versicherungssumme bei Lloyd's war auch diesmal noch nicht fällig. Vielmehr wird Jürgens, wenn Ende dieser Woche der deutsche Triumphmarsch ausgeklungen ist, nach Rio fliegen und dort auf dem Song-Festival singen.
Anschließend will Beierlein seinen Star wieder gen Osten schicken. Denn er weiß: "Der Ost-Markt ist der Markt von morgen."
Am 27.02.1968 stand für Udo Jürgens bereits die zweite MIDEM-Gala an, bei welcher er diesmal sein "Un air sur mon piano" zum Besten gab.
Im März des gleichen Jahres unterzeichneten die Montana und Supraphon einen Langzeitvertrag, bei welchem es um die Veröffentlichung Udos Titel in der CSSR ging. Drei Singles, zwei EPs und ein Album sollten zunächst realisiert werden.
Zu der LP, welche kurze Zeit nach den Singles bei Supraphon erschien, gab es in der tschechoslowakischen Zeitschrift "Melodie" eine Plattenkritik, geschrieben von Jiří Černý: "Worüber würden Sie singen, wenn es keine Frauen gäbe?" – fragte ich Udo Jürgens im Juni 1966 und dachte dabei nicht nur an seine Texte, sondern auch an seine Melodien, ausgehend von der Musik der Romantik bis hin zum deutschen Schlager, sowie an seine leidenschaftliche Stimme.
Er dachte einen Moment nach. Dann antwortete er bestimmt: "Dann würde ich gar nicht singen."
Darin besteht der Schlüssel zu Udo Jürgens: zu glauben, es so machen zu müssen wie ein großer Operettentenor, der an seine Operette glaubt.
Ich verstehe die Menschen, welche diese Jürgensche Sentimentalität nicht sonderlich anzieht.
Mich persönlich reißt dieser Österreicher aber eher mit. Wobei ich allerdings finde – was seine Platte betrifft – daß bestimmte Höhen etwas unangenehm klingen (Jeder Traum geht zu Ende; Johnny Boy), und einmal ist es auch die Musik (Mon amour, la rose, mon amour): Dieser Titel erinnert eher an eine Zeit, in der Jürgens noch ohne großen Erfolg war.
Aber Gesang, Arrangement und Repertoire – dies alles entspricht Jürgens, es elektrisiert uns, eine überraschende Harmonie von Beat und Melodik.
In "Yesterday" klingen, verglichen zu McCartney, mehr Demut und Erwartung durch.
Mir stellt sich nur die Frage, wie es weitergeht mit dieser Form von Dramaturgie, Text und "besonderer Verpackung".
Wer wählt die Lieder für uns aus (?), so die Überlegung, da Jürgens nun schon viele Male bei uns auftrat und nach seinen Singles nun die erste LP erschienen ist.
Die Auswahl ist nicht gelungen, es ist in meinen Augen weder das Beste, noch stimmt die Zusammenstellung.
Weshalb eine Wiederholung des Single-Titels "Was ich dir sagen will"?
Warum wurden nicht Hits wie "Jenny" oder "Warum nur, warum" berücksichtigt, obwohl Stanislav Titzl sie in seinem dazu geschriebenen Text erwähnt?
Der Text entstand bereits vor der Platte. Andere Aufnahmen von Jürgens wurden weder beachtet noch gewürdigt (daher auch der tendenzielle Ruf der "schrecklichen Schnulze", an dem sich bis heute nicht viel geändert hat). Titzl konzentriert sich nur auf die Karriere des Sängers in Form von Terminen, Wettbewerben, Titeln und Zitaten.
Dieses Ziel erreicht er mit einigen kleinen Tippfehlern (Jürgens wurde im Jahre 1934 geboren; seine Frau heißt Panja) und stilistischen Feinheiten (fünf von sieben Absätzen beginnen mit: Udo Jürgens).
"Seelentrauer" spricht aus dem Cover: Eine Kombination von barockem Rahmen mit einem unbeschreiblichen Blau und weißen Ornamenten verbindet sich irgendwie zu einem Gesamtwerk. Was ist auf der Platte so aktuell, daß es eine solche Eile rechtfertigen konnte?
Die einfachste Aufgabe hatte der Setzer, welcher den Titel so "brechen" mußte, daß die Buchstaben auf der Anschlußhülle das Wort "řeka" (= Fluß) ergaben.
Aber vergessen wir das… und kommen zum aktuellsten Lied "Tausend Fenster".
Bereits im Vergleich mit der deutschen und tschechischen Karel Gott Version ergibt sich die Erkenntnis (zumindest mir), daß selbst die schönsten Stimmen Jürgen's Lieder nicht so überzeugend rüberbringen können, wie der Autor selbst.
Udo Jürgens hat seinen eigenen, von allen Seiten abgeschlossenen Stil entwickelt."
Mit dieser Plattenkritik wurde bereits die Verbindung zu Karel Gott erwähnt: Für dessen Grand-Prix-Teilnahme im Jahre 1967 komponierte Udo tatsächlich das Lied "Tausend Fenster". Allerdings nahm er es auch selbst auf. Es ist eines der bis heute am wenigsten bekannten und doch so wichtigen "Lieder, die im Schatten stehen" – heute genauso aktuell wie damals.
Aber weiter in der Chronolgie: Ende Mai (kurz zuvor hatte Udo Albinonis "Adagio" in deutsch und französisch aufgenommen) weilte Udo wieder zu TV-Auftritten in Paris.
Im Juni 1968 stand dann eine erneute 16 tägige Tournee durch die Sowjetunion ins Haus.
Danach begann für Udo die Zusammenarbeit mit einer Sängerin, auf die Beierlein schon seit geraumer Zeit aufmerksam geworden war, und die er nun ebenfalls unter Vertrag hatte: Alexandra.
"Ich stand hinter der Bühne. Adamo war der Star des Abends. Und wie üblich traten vor dem Star einige unbekannte Sänger auf. Zuerst kam eine Sängerin aus Holland – sie wurde ausgepfiffen. Das Publikum verlangte in Sprechchören nach Adamo, Adamooo.
Die zweite Sängerin kam aus England. Nach drei Minuten verließ sie heulend die Bühne.
Die dritte Sängerin hieß Alexandra.
Nach der ersten Strophe ihres Liedes verstummten die Sprechchöre. Es war ganz ruhig im Saal. Der vielzitierte berühmte Funke sprang über, das Publikum war fasziniert von der Persönlichkeit dieses unbekannten Mädchens. Alexandra sang drei Lieder und wurde mit Ovationen überhäuft.
Irgendwoher mußte Alexandra erfahren haben, daß der Manager von Udo Jürgens, Adamo und Bécaud hinter der Bühne stand. Sie kam auf mich zu und fragte mit glühendem Gesicht: 'Na, wie habe ich ihnen gefallen, Herr Beierlein?'
Ich weiß heute nicht mehr, welcher Teufel mich ritt, als ich ihr sagte: 'Sie haben Sorgen, irgendwelche Schwierigkeiten im Bett. Erst wenn das behoben ist, können Sie singen.'
Einen Monat später wurde ich ihr Manager. Ihre Lieder wurden besser, und sie gestand mir auch, daß sie einen wundervollen Mann gefunden hätte (nicht ihren eigenen) – einen Freund.
Alexandra war die größte Begabung nach der Knef. Sie wäre heute ein Superstar. Ich war verzweifelt, als sie starb. Ich hätte sie zur Königin des Showgeschäfts gemacht."
Udo Jürgens arbeitete nicht nur mit Alexandra zusammen, sondern beide verband auch eine innige Freundschaft. Zwei Lieder wurden in dieser kurzen Zeit geschrieben: "Illusionen" und "Nur einen Sommer lang", Musik Udo Jürgens, Text Alexandra.
Alexandra nahm "Illusionen" als Erste auf, und es wurde ein Riesenerfolg. Udo spielte den Titel ein paar Jahre später ein, genauso wie "Nur einen Sommer lang" – letzteren sogar erst im Jahre 1977.
Mit dem Lied "Illusionen" sollte Udo bald noch eine andere Erfolgsstory erleben, aber dazu später mehr…
Nach nur einem Jahr Zusammenarbeit geschah dann das Unfaßbare:
In der Nacht zum 31. Juli 1969 fuhr Alexandra, welche mit bürgerlichem Namen Doris Treitz hieß, mit ihrem kleinen Sohn und ihrer Mutter in einem Mercedes 220 SE Coupé von Hamburg Richtung Sylt in den Urlaub.
Gegen 15 Uhr erreichte sie in Tellingstedt auf der Landesstraße 149 die schwer einsehbare Kreuzung mit der Bundesstraße 203, welche sie überqueren mußte. Dabei mißachtete sie angeblich die Vorfahrt.
Ein Lastwagen fuhr in die rechte Seite ihres Wagens und schob ihn über 20 Meter weit in den Straßengraben. Ihr Fahrzeug wurde dabei schwer beschädigt.
Alexandra starb daraufhin noch am Unfallort, ihre Mutter nur kurze Zeit später im Krankenhaus in Heide (Holstein).
Der auf der Rückbank schlafende sechsjährige Sohn Alexander wurde nur leicht verletzt.
Doris Treitz wurde unter ihrem Künstlernamen Alexandra auf dem Westfriedhof in München beigesetzt.
Die genauen Umstände ihres Unfalls blieben mysteriös und sind bis heute ungeklärt.
Hans R. Beierlein traf Alexandras Tod schwer. Er war so von ihr überzeugt gewesen, daß er Alexandra auch nach ihrem Tode noch weiter managte. Zitat: "Ich habe die Sehnsucht nach dieser faszinierenden Stimme in Deutschland geweckt. Ich habe Emotionen geschürt. Alexandras Stimme ist bis heute nicht gestorben. Ihre Platten werden immer noch verkauft. Und ohne falsche Bescheidenheit kann ich behaupten, daß Alexandras Sohn durch mich heute Millionär ist…"
Aber zurück zu Udo: Im August des Jahres 1968 nahm er am zweiten internationalen Festival in Split, Jugoslawien teil. Er trat dort zusammen mit der Gruppe "Easybeats" auf.
Am 26. September begann dann Udos zweite große Deutschland-Tournee, eine 26-Städte-Tour…
Auch seine erste Weihnachtsplatte "Wünsche zur Weihnachtszeit" wurde in diesem Jahr produziert. Sie kam nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in Südafrika ("Christmas Wishes") und Frankreich ("Noels") auf den Markt. Letztere hatte sogar einen Titel mehr zu bieten, als die deutsche Ausgabe: "Minuit Chretiens".
Und es gab keine Zeit zum Ausruhen: Bereits am 15.02.1969 stand die dritte MIDEM-Gala für Udo Jürgens auf dem Programm.
Er spielte, sich selbst am Klavier begleitend, seine beiden Songs "Merci Chérie" und "Was ich dir sagen will".
Udo demonstrierte Klasse in jeder seiner Aktionen. Er präsentierte sich wegen des internationalen Publikums in englischer Sprache, und dieses dankte es ihm mit reichlichem Applaus…
Im Februar des Jahres 1969 fuhr Udo Jürgens nach London, um eine Kampagne für Konzert- und TV-Auftritte vorzubereiten, welche seine außergewöhnliche Popularität auch auf den letzten "unbezwungenen" Teil Europas ausdehnen sollte – das Vereinigte Königreich.
Bron Associated Publishers hatten sich die Verlagsrechte für britische Udo-Songs gesichert. Ein Album unter der Leitung von Jack Baverstock sollte für Philips produziert werden.
Bron Artistes Management ist eine Organisation, welche damals internationale Größen wie Gene Pitney, Manfred Mann und The Bonzo Dog Band unter Vertrag hatte.
Gerry Bron wurde Udos britischer Agent.
Im gleichen Monat und in den ersten Märztagen spielte Udo eine erste Serie von sechs in englischer Sprache gesungenen Liedern ein, einige mit eigenen Kompositionen und andere mit völlig neuem Material, welches von Londoner Top-Autoren speziell für diese Session zusammengestellt wurde.
Das geplante Album wurde allerdings nie veröffentlicht. Stattdessen wanderten die Aufnahmen zum UK-Label Fontana, welches daraus ein paar Singles machen wollte, deren erste Veröffentlichung zeitgleich mit einem TV-Auftritt des Künstlers in diesem Land erfolgen sollte.
Allerdings setzte man das Projekt nur äußerst halbherzig um: An Singles kam lediglich die "Only For You" auf den Markt, noch dazu im lieblosen Firmenlochcover. Die zweite Scheibe "Angela" überstand nichtmal die Acetate-Phase. Der Rest der Titel wude "auf Eis gelegt"…
Als "Ersatz" gelangte noch im gleichen Jahr die Udo-Compilation "Introducing" auf dem weniger bekannten SONET-Label in den Handel. Doch diese war – dank ihrer internationalen Lied-Auswahl – weiß Gott nicht speziell für den britischen Markt zurechtgeschnitten. Der Erfolg war demzufolge recht bescheiden.
Udos UK-Karriere wurde beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Es sollte nicht das erste Mal sein, daß man ihn um eine solche Chance brachte…
Die Verbindung Udo Jürgens – Francoise Hardy blieb währenddessen weiterhin bestehen. Im Juni des Jahres 1969 schrieb Udo für sie den Titel "Einmal, wenn du gehst". Jahre später sollte er dieses Lied mit neuem Arrangement als Duett auch in sein eigenes Repertoire aufnehmen.
Am 16. August 1969 nahm Udo als Jury-Mitglied am vierten ungarischen Song-Festival im Erkel-Theater teil. Die Veranstaltung wurde durch Radio- und TV-Übertragungen in Ungarn, Österreich, Belgien, Bulgarien, der Tschechoslowakei, der DDR, England, Polen, der Sowjetunion und Jugoslawien von mehr als 150 Millionen Menschen gesehen.
In Budapest trat er vor Tausenden von Fans im Kiss-Stadion auf. Das Konzert, welches gleichsam als letzte Vorbereitung zur großen "Udo '70" Tour hatte dienen sollen, schien allerdings unter keinem guten Stern zu stehen:
"Mensch, gibt das eine Pleite…" Udo Jürgens war der Verzweiflung nahe. Verloren stand er mit seinen Musikern auf den leeren Rängen des Kiss-Stadions von Budapest.
"Heute Abend kommt doch kein Mensch…" Seit Tagen hatte es in der ungarischen Hauptstadt geregnet – und die Arena, in der Udo auftreten sollte, war eine einzige riesengroße Pfütze.
Und nicht nur das: Bei einem Spaziergang durch Budapest hatte Udo sage und schreibe zwei Plakate gesehen, die sein Konzert im Sportpalast ankündigten.
Außerdem, so wußte man, würde der ungarische Rundfunk das Konzert live übertragen. Warum also sollten die Budapester aus der warmen Stube in das naßkalte Stadion kommen?
Aber machen wir es kurz: Eine Stunde vor dem Konzert verzogen sich die schwarzen Wolken am Himmel, statt des Regens strömten jetzt die Udo-Fans, und schließlich waren es fast zehntausend, welche Deutschlands Gesangsstar Nr. 1 begeistert feierten.
Und dieser präsentierte ihnen zum ersten Mal sein neues Programm.
Nach amerikanischem Vorbild konnte Beierlein nun "testen", wie die neue Show beim Publikum ankommt.
Große Worte braucht man nicht zu verlieren: Zum Ende des Konzertes mußte ein gutes Dutzend ungarischer Polizisten dafür sorgen, daß der schweißgebadete Udo von seinen Verehrern nicht erdrückt wurde…
Nur wenige Wochen später war es dann soweit: Die Tournee der Tourneen sollte beginnen! "Udo '70" würde alle bisher dagewesenen Rekorde sprengen.
Zur Premiere am 6. September 1969 in der Musikhalle Hamburg hatte die ARIOLA für ausgewählte Gäste zuvor schon eine Einladungs-Single pressen lassen, welche auf 115 Stück limitiert war. Die Einladungskarten, welche der Scheibe als Cover dienten, wurden von Udo Jürgens persönlich beschriftet.
Zuviel Aufwand? Oh nein!
Es war nur der Beginn einer Vermarktung, wie sie Deutschlands Musik-Szene noch nie zuvor erlebt hatte. Der "Udo-Apparat" sollte bei dieser Tour zu absoluter Höchstform auflaufen und sein Meisterstück liefern…
Was zum Zeitpunkt der Single-Pressung jedoch niemand wußte: Udos Tournee sollte mit einem noch größeren "Paukenschlag" eröffnet werden. Das erste offizielle Konzert mit neuem Programm konnte Udo bereits am 4. September in einem Opernhaus "aufführen" … im Markgräflichen Opernhaus zu Bayreuth.
An dieser ehrwürdigen Stätte durfte zuvor noch nie Musik des 19. geschweige denn des 20. Jahrhunderts gespielt werden. Wo einstmals die großen Barockmusiker ihre Erfolge verzeichneten, durfte Udo nun das Publikum mit seinen Liedern begeistern.
Wie schon bei seiner ersten Tournee wurde auch hier wieder ein Titel mit ins Programm genommen, welchen es auf keiner Udo-Platte zu kaufen gab: "Hey Jude".
Das Lied avancierte alsbald zu einem der ganz großen Highlights dieser Tour, da Udos Interpretation nach einhelliger Meinung der Fans sogar noch besser und einfühlsamer als die der Beatles war.
Eine Tournee begann, die Udo alles abverlangen, bei der er aber auch alles gewinnen sollte.
Von nun an kam niemand, aber auch wirklich niemand mehr an dem Namen Udo Jürgens vorbei…
Lesen Sie in der nächsten Folge: "Daar is niks soos ware liefde"!
"Merci Chérie (live in Cannes, Midem 1967)"…:
"Immer wieder geht die Sonne auf" (live beim "Gala-Abend der Schallplatte" 1967)…:
"Un air sur mon piano" (live in Cannes, Midem, 1968)…:
Udo Jürgens – Eine Stimme für Millionen…:
Foto-Credit: Dominik Beckmann für Sony Music
René Jochade
http://www.ariola.de
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