UDO JÜRGENS
Ein neues Buch über Udo Jürgens: "Ich, Udo"!
Stephan Imming sieht viel Licht und wenig Schatten im Buch des Journalisten und ehemaligen ZDF-Moderators Christian Simon …:
Schon zu Lebzeiten widmeten sich einige Bücher dem Thema UDO JÜRGENS. Zwei Biografien und einen Roman hat der Meister selber geschrieben, darüber hinaus gibt es auch diverse Bücher anderer Autoren. Posthum wurden dann noch einige Bücher „nachgelegt“, die alle eins gemeinsam haben – recht wenig Aussagekraft, viel Oberflächlichkeit und nur wenig Beschäftigung mit dem Werk Udos.
Einen neuen Versuch hat nun Christian Simon gestartet, dem das anerkannte Fanportal „udofan.com“ süffisant, aber sicher nicht ganz zu Unrecht „Geschäftstüchtigkeit bei eBay und außerhalb vor allem in Sachen Udo Jürgens“ attestiert. (Dazu muss man wissen, dass Simon auch langjährig als Konzertveranstalter für Udo Jürgens in Erscheinung trat). – Simons Ansatz ist ein etwas anderer als der, den man bisweilen kennt. Offensichtlich ganz bewusst wird das Buch nicht als Biografie bezeichnet, sondern als Hommage an einen Freund. So lässt er den Jürgens hochprozentig selbst zu Wort kommen, indem er ihn aus über Jahrzehnte hinweg geführten Interviews zitiert. Simon stellt Udo somit dem Publikum vornehmlich als Menschen, weniger als öffentliche Persönlichkeit vor. Sicherlich kam Simon zugute, mit Jürgens befreundet gewesen zu sein und sein Vertrauen genossen zu haben, weshalb er sich in seinen Antworten sehr offen und ehrlich zeigte. Einen weiteren Beleg für die besondere Beziehung der Beiden stellen die besonderen Erinnerungsstücke (besondere Widmungen in Büchern, Grußkarten an Ehrengäste, etc.) dar, die das Buch anreichern.
Frei nach Udo müsste man nun sagen: „Und die ,BILD‘-Zeitung jubelt – ist das nicht toll?“. Die BILD-Zeitung jubelt zwar, aber toll ist das nicht wirklich. In der Ausgabe vom 01. September 2016 des Boulevardblattes ist die Schlagzeile unglücklich gewählt, weil sie auf ein Enthüllungsbuch, insbesondere hinsichtlich Udos Frauenbekanntschaften hindeutet, was das Buch ausdrücklich nicht sein will und nicht wirklich ist. Es wäre schade, wenn dieser falsche Eindruck einige Fans vom Kauf des Buches abhalten würde. Wobei man zwischen den Zeilen sich schon ein Bild machen kann, wenn man einerseits liest, dass Udo sich immer wieder dahingehend geäußert hat, dass er dankbar und froh darüber war, dass sich seine Lebensgefährtinnen nie in seine Kunst eingemischt haben – und andererseits 2014 erzählte, dass das Opening seiner letzten Tournee „Michaelas Idee“ gewesen sei – ein Schelm, der Böses dabei denkt…
Sehr interessant sind auch die vielen Anekdoten, von denen der Journalist kurzweilig erzählt. Das, was er aus eigener Erinnerung schildert, ist sehr authentisch geschrieben und gut formuliert. Selbst für Insider ergeben sich da neue Erkenntnisse – beispielsweise, dass Udo bereits 1976 beabsichtigte, sich von Hans R. Beierlein zu trennen oder dass Simon den Text „Wort“ seines RTL-Kollegen Oliver Spiecker Udo quasi als „Bote“ überbracht hat. Welch große Rolle dieses Lied für Udo spielte, erfährt der geneigte Leser ebenfalls (an anderer Stelle des Buches).
Sehr spannend ist auch, wie Udo seinen Umgang mit Musikern in frühern Jahren schildert. So wird er von Simon wie folgt zitiert: „Früher war ich beim Auftritt so aggressiv, dass ich meine Musiker bis an die Grenze der Tätlichkeit attackiert habe. Ich habe die wirklich auf der Bühne am Ärmel gepackt und gesagt: ‚Mensch, spiel jetzt. Wenn du jetzt nicht ordentlich spielst, hau ich dir nach der Vorstellung eins in die Schnauze.’“ – musikalische Perfektion war ihm schon immer wichtig… In späteren Jahren wird es zu solchen Dialogen wohl nicht mehr gekommen sein, sein freundschaftliches Verhältnis zu Pepe Lienhard und dessen Orchester ist ja bekannt und wird ebenfalls in Simons Buch beschrieben.
Dass Simon Freund und Kenner von Udos Werk ist, zeigt sich unter anderem in der Gestaltung der Kapitel. Zum einen hat er sehr schön viele Aspekte, die Udos Leben und Werk ausmachten (z. B. seine Liedinhalte, sein Denken über Familie, seine Meinung zum deutschen Schlager etc.) thematisch in Kapitel unterteilt und diese mit passenden Liedern überschrieben, und dabei insbesondere die von Udo so geliebten „Lieder, die im Schatten stehen“ ausgewählt. Diese Konzentration auf Themen und nicht auf zeitliche Chronologie ist dank guter Übergangs- und Zwischentexte nicht verwirrend, wie etwa im „Fagott“-Roman.
Wie wichtig Udo gerade diese eher unbekannten Lieder waren, lässt sich in Simons Buch immer wieder nachlesen – Udo erzählt hochinteressant die Entstehungsgeschichten von Liedern wie „Der Schuft“, „Ihr Lieben daheim“, „Die Stadt in der Sonne“ und einiger anderer mehr – sehr spannend insbesondere für die Udo-Jürgens-Fans, die ihr Idol nicht als Schlagerfuzzi sehen. Oder um es mit Christian Simon zu sagen: „Ich glaube, einen Schlagersänger nennen nur die Udo Jürgens, die ihn und seine Lieder nicht kennen beziehungsweise nicht wirklich zuhören“.
Ausgesprochen interessant ist eine Aussage Udo Jürgens‘, die er anlässlich einer seiner TV-Shows tätigte. In der Nachbetrachtung erschreckend ist seine diesbezügliche Äußerung, wenn man an seinen Tod denkt – Udo sagte damals (auf sich selbst bezogen): „Ich habe da einen Menschen gesehen, der in seiner Darstellung an die Grenzen geht und Musik in einer Art und Weise präsentiert, bei der es nur noch eine Steigerung geben kann – ein öffentlicher Herzinfarkt oder so was.“
Ganz ohne biografische Angaben wollte Simon aber auch nicht auskommen. Viele Dinge wurden im Fan-Forum „udofan.com“ schon lange richtiggestellt, sind aber in offiziellen Biografien nach wie vor falsch dargestellt. Offensichtlich hat er sich dabei auf offizielle Quellen berufen, die bekanntermaßen ja vielfach schlicht falsch sind. So ist Udos bürgerlicher Name nicht etwa „Udo Jürgen Bockelmann“, sondern „Jürgen Udo Bockelmann“ – deshalb wurde er von seiner Mutter in Kindertagen auch „Jürgilein“ genannt, wie Markus Lanz anlässlich einer Talkshow zu berichten wusste. Auch war Udo nicht während der „Ohne Maske“-Tour am 9. November 1989 in Berlin, wie sich seinem Tourneeplan leicht entnehmen lassen kann. Dass Udo schon in den 1960er Jahren seine Zugaben im Bademantel spielte, ist ebenfalls höchstwahrscheinlich falsch – die ersten Fotos, die das belegen, stammen aus den frühen 1980er Jahren. Und „Mitten im Leben“ als „53. Album“ zu bezeichnen, ist natürlich Blödsinn, der von der gleichen Plattenfirma kommuniziert wurde, die „Geradeaus“ als Udos „30. Album“ bezeichnete. – leider haben die „Profis“, die Udos Biografie und Werk derart verfälschen, ganze Arbeit geleistet – nach wie vor fehlt noch eine verlässliche Udo-Biografie, die wird aber sicher auch noch kommen.
All diese kritischen Aspekte werden von offizieller Seite nicht gerne gehört – statt die Fehler einfach bestmöglich zu korrigieren, beschränkt man sich aber darauf, diese und andere Dinge weiter falsch stehenzulassen und lieber diejenigen zu beschimpfen, die auf diese Missstände hinweisen – all das hat aber Christian Simon nicht zu verantworten, wenn er sich auf diese Angaben verlässt.
Sein Buch ist respektvoll und kurzweilig geschrieben und sowohl für „heiße Fans“ als auch für – wie Udo es immer zu nennen pflegte – „Mitgeschleppte“ (so nannte er Menschen, die eigentlich nur wegen ihrer Lebenspartner oder Freunde oder Familie zu den Konzerten mitkamen) sehr interessant zu lesen.
Aus meiner Sicht ist Christian Simons Buch das mit weitem Abstand lesenswerteste und interessanteste Buch über Udo Jürgens, das nach seinem Ableben erschienen ist – allen Interessierten kann man nur dazu raten, sich von dem Buch begeistern zu lassen, anstatt sich von der unglücklich gewählten „BILD“-Schlagzeile negativ beeinflussen zu lasen.
Stephan Imming, 04.09.2016
http://www.ariola.de
http://www.udojuergens.de

