SEVERINE
smago! Serie "Schlager-Rückblick "vor 40 Jahren" von Stephan Imming: Teil 46 – Séverine – "Du bist für mich der größte Schatz"!
Neuzugang 12.01.1976!
Vorbemerkung – vielen Dank an Frank Eberlein und die von ihm administrierte empfehlenswerte Seite www.Séverine-online.de, auf der weitere ausführliche Informationen entnommen werden können.
Am Vormittag des 10. Oktober 1948 wurde in Aubonne bei Paris Josiane Grizeau als Tochter einer Bank-Mitarbeiterin (Gisèle) und eines „Ingenieurs“ (andere Quellen sagen Techniker in einer Fabrik bzw. Fabrikarbeiter) (Robert), der vormals mit einem Wanderzirkus als Clown und Sänger durch die Provence zog, geboren.
Ihr Wunsch war es, Lehrerin für Französisch und Englisch zu werden, so begann sie ein Studium der Romanistik und Anglistik für das Lehramt an Gymnasien. Später arbeitete sie allerdings als Sekretärin. – Schon früh hegte sie aber musikalische Ambitionen, beispielsweise trat sie bereits im Alter von 14 Jahren als Sängerin der Band „Les Murators“ in Erscheinung. Im Jahr 1967 veröffentlichte sie bereits unter dem Namen „Celine“ ihre erste Schallplatte, die bei der Plattenfirma Vogue veröffentlicht wurde („Tu dis September“, die französische Version des Harry-Belafonte-Hits „Try To Remember“).
Kurz darauf ging Séverine im Sommer 1968 mit dem in Frankreich populären Sänger Jean Nahain auf Tournee, sie nannte sich inzwischen „Robbie Lorr“. Unter diesem Namen trat sie im Pariser Musikclub „Golf Drouot“, in dem bereits Stars wie Johnny Hallyday entdeckt wurden, auf und sang dort Hits von internationalen Stars wie Barbara Streisand und Aretha Franklin. Insbesondere ihre Interpretation des James-Bond-Hits „Goldfinger“ kam beim Publikum sehr gut an. In dem Club lernte sie den Musikproduzenten und Textdichter George Aber kennen. Der übernahm ab 1969 ihr Management und verpasste ihr einen neuen Haarschnitt (blonder Kurzhaarschnitt) und einen neuen Namen (SÉVERINE, angelehnt an den Namen einer Tochter Abers).
Bei der Plattenfirma Philips erschienen damals unter diesem Namen die ersten EPs in Frankreich („Mama, dis-moi pourquoi“, französische Version von Tim Roses „Morning Dew“ und „Pleure sur nous“).
Im Jahr 1969 gewann Séverine einen ersten Wettbewerb, der allerdings nicht musikalischer Natur war: Sie wurde in Cannes Siegerin von „Les plus beaux yeux de la Cote d'Azur“ („Die schönsten Augen der Cote d'Azur“).
Anfang der 1970er Jahre gab es den ersten großen Karriereschub für Séverine: Sie sang den von Francis Lai komponierten Titelsong des Kinofilms „Le passager de la pluie“, der am 21. Januar 1970 in den französischen Kinos anlief (in Deutschland hatte der Film unter dem Titel „Der aus dem Regen kam“ erst am 29. Oktober 1970 Premiere).
Aufgrund des Erfolges wurde ein Duett mit Francis Lai produziert, der Titelsong des Films „Du soleil plein les yeux“. Obwohl das Duett eigentlich als A-Seite der Single auserkoren wurde, wurde dessen B-Seite „Sympathie“ (französische Version des Rare-Bird-Songs „Sympathy“) der größere Hit für Séverine.
Ende 1970 erschien noch das Lied „C'est la vie“, das kurz darauf auch in deutscher Sprache veröffentlicht werden würde.
Der Verleger Peter Meisel stellte dem damals umtriebigen Produzenten Jack White die Französin vor. Im Februar 1971 unterschrieb sie in Deutschland ihren ersten Plattenvertrag.
Kurz darauf wurde Séverines Manager Georges Aber das Angebot gemacht, Séverine als Vertreterin des Fürstentums Monacos zum Grand Prix Eurovision zu entsenden. Die Zusage folgte auf dem Fuß; nun musste noch der passende Titel gefunden werden. Séverines Favorit war das Lied „Manège“, sie wurde aber überstimmt – den Zuschlag der Jury erhielt das vom damals sehr populären Autorengespann Jean-Pierre Bourtayre (Komponist) und Yves Dessca (Textdichter) geschriebene Lied „Un banc, un arbre, une rue“. Ungewöhnlich: Das in französischer Sprache gesungene Chanson kam in die britischen Top-10.
Mit diesem Song wurde Séverine sensationell Siegerin der Eurovision für den Stadtstaat – am 3. April 1971 holte sie den Titel mit ihrem Hit, der auch in englischer („Chance In Time“), italienischer („Il Posto“) und deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Für den deutschen Text war wieder Jack White zuständig – mit der von ihm getexteten Version „Mach die Augen zu und wünsch Dir einen Traum“, die bereits am 22. März 1971 produziert wurde (also bereits vor dem Eurovisionserfolg), war die Französin in Deutschland erfolgreich, es gelang der erste Hit hierzulande (Top 20).
Auftritte in großen TV-Shows (insbesondere in Deutschland, z. B. am 22. April 1971 in Rainer Holbes Starparade) und Tourneen mit Größen wie Joe Dassin und Sascha Distel waren Folgen dieses denkwürdigen Sieges, den Séverine nach Einschätzung von Eurovisionsexperte Jan Feddersen weniger wegen des besten Liedes des Abends, sondern eher wegen des größten Siegeswillens der überzeugend auftretenden Interpretin zustande kam. Dabei war Séverine wohl alles andere als sicher, wie in der Verlags-Chronik des Hauses Meisel nachzulesen ist: „Auch die französische Sängerin Séverine ist ein Ziehkind von Trudy Meisel. Sie hat sie zum Eurovisionserfolg geführt und den Titel ‚Un banc, un arbre, une rue‘ für das Haus Meisel erworben… Séverine war vor dem Auftritt übernervös und ängstlich und zweifelte an sich. Trudy beruhigte sie, riss eine 10-Pfund-Note in zwei Hälften, gab Séverine die eine und sagte: ‚Du schaffst es. Der Beweis wird sein, dass Du Dir nach der Veranstaltung die andere Hälfte bei mir abholst.‘ – Séverine konnte sie sich abholen.“
Kleine Randnotiz: Wenn „Trudy“ Irmtraud Meisel doch so an Séverine glaubte, ist es schon erstaunlich, dass sie sich nach dem Wettbewerb mit der Drittplatzierten Katja Ebstein und deren Komponist Dieter Zimmermann (ebenfalls aus dem Hause Meisel) für das Magazin „Billboard“ ablichten ließ…
Zum deutschen Text hat das damalige Standardwerk „Schlager in Deutschland“ übrigens eine sehr bemerkenswerte „wissenschaftliche“ Analyse bereit: „Impliziert der Blick auf die Welt das Eingeständnis von Mangelhaftem, so darf der Schlager das Vollkommene dann ungestraft feiern, wenn er sich dem Traumland, der Illusionswelt zuwendet. Die Flucht aus der Realität wird mit immerwährendem Glück ohne Reue belohnt; die einzige Bedingung ist blindes Vertrauen: "Mach die Augen zu – und wünsch Dir einen Traum – aus dem Land der Illusionen. – Mach die Augen zu, denn dort in jenem Land – wirst auch Du immer glücklich sein.“
Jan Feddersen in Ehren, aber die Erklärung, die jetzt kommt, sagt, dass es eben DOCH das Lied war, das zu Séverines Erfolg geführt hat. Das genannte Buch konstatiert nämlich (bitte Fremdwortlexikon bereithalten): „Der imperativisch eingeleitete Refrain zielt auf die Bereitschaft eines dressierten Publikums, dem die Welt bereits hinreichend suspekt geworden ist. Die Schlüsselbegriffe suggerieren eine Scheinwelt aus Refugium; die Rückfahrkarte in die Realität unterschlägt dieser Schlager, denn im Gegensatz zur französischsprachigen Originalfassung stehen sich hier das ‚Land der Illusionen‘ und das ‚Leben‘ beziehungslos gegenüber." – Alles klar…?
Die Plattenfirma befürchtete seinerzeit übrigens eine Welle weiterer Coverversionen des Hits („Zwar rechnet man in der Schallplattenbranche damit, dass andere deutsche Sängerinnen versuchen werden, sich an den Erfolg der Grand-Prix-Siegerin anzuhängen und ebenfalls deutsche Versionen von ‚Un banc, un arbre, une rue‘ aufnehmen.“) – populär wurde in der Hinsicht lediglich eine in meinen Augen recht gelungene Version der damals jungen Marianne Rosenberg, die den deutschen Text Séverines übernahm und auf ihrer LP „Fremder Mann“ veröffentlichte.
Unbeirrt von derartigen „Analysen“ veröffentlichte die Französin schon sehr kurz nach ihrem Eurovisionserfolg einen typischen deutschen Schlager, den Produzent Jack White und Textdichter Fred Jay ihr auf den Leib schrieben – „Ja der Eiffelturm“, Zugpferd von Séverines erster deutschsprachiger LP „Grand Prix für Séverine“, war in der Tat ein Treffer. Den Titel präsentierte die Eurovisionsgewinnerin gleich drei mal in Dieter Thomas Hecks Hitparade und kam damit auch in die Top 30 der deutschen Verkaufshitparade. TV-Premiere hatte der Titel übrigens am 28. August 1971 beim renommierten Galaabend der Schallplatte.
Zum Glück gibt es zu diesem Séverine-Hit nach meiner Kenntnis keine so profunde Textanalyse, ansonsten müsste sich die Frage stellen, ob an der Spitze des Eiffelturms wirklich Wolken zu sehen sind: „Ja, der Eiffelturm, der alte Eiffelturm, ist wunderbar toujours für Rendezvous d'amour und wollen oben zwei mal ganz alleine sein, hüllt er sich ganz diskret in Wolken ein."
Ein Jahr nach ihrem Eurovisionserfolg nahm Séverine erneut an einem Festival teil – diesmal ging es nach Chile zum dortigen Chansonfestival Viña del Mar. Mit dem von Michel Jourdan geschriebenen Chanson „Là où l'amour s'en va“ vertrat sie Frankreich, woraufhin ihr die Ehre zuteil wurde, im Pariser Olympia auftreten zu dürfen.
Am 27. April 1972 war es wieder die ZDF-Starparade mit Rainer Holbe, in der Séverine ihren neuen Hit präsentieren durfte: „Olala l'amour“, erneut ein typischer White/Jay-Mitklatsch-Schlager, wurde wieder ein großer Erfolg, mit dem die Französin erneut drei mal in der ZDF-Hitparade antrat. In den Verkaufscharts wurde es sogar Séverines bei weitem größter Hit in Deutschland überhaupt. Angeblich soll sogar die deutsche Nationalmannschaft 1974 bei der Fußball-WM bei Busfahrten diesen Song gesungen haben, zumindest wurde das Lied von den späteren Weltmeistern sogar auf LP eingesungen.
Sehr schön ist übrigens auch die B-Seite dieses Séverine-Hits: „Eine Herde wilder Pferde ist nicht halb so wild wie Du“. Den Titel hatte Jack White – typisch für ihn – übrigens zuvor mit Tanja Berg produziert.
Einen Monat nach der großen westdeutschen Starparade stand ein weiterer bedeutender Meilenstein in der Karriere von Séverine an – am 20. Mai 1972 trat sie in der berüchtigten DDR-Show „Ein Kessel Buntes“ auf. In den nachfolgenden Jahren war sie dort immer wieder ein gerne gesehener Gast, wobei die Liebe des dortigen Publikums zu Séverine und umgekehrt auf Gegenseitigkeit bestand. Sie hat dort auch viele Konzerte gegeben und fühlte sich im heutigen Osten des Landes stets wohl – umgekehrt liebte das Ost-Publikum die Sängerin und schätzte sie als vielseitige Künstlerin.
Die Nachfolgenummer ihres großen Hits, der Jack-White-Titel „Der Duft von Paris“, der unüberhörbar vom Grand-Prix-Hit „Jack In the Box“ inspiriert ist, schwamm zwar auf der gleichen Welle wie die Vorgänger-Hits, wurde auch immerhin ein Top-40-Erfolg, konnte aber nicht ganz an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen. Vielleicht war es unklug, in der zweiten Auflage der Single die B-Seite, „Monsieur le General“ (der Song wurde später ein Achtungserfolg in der Version von Tina York), zur A-Seite zu deklarieren. Man war damals wohl unschlüssig, weil der „General“-Song in Ilja Richters Disco vorgestellt wurde, der weniger verfängliche „Paris“-Song hingegen in der ZDF-Hitparade (und kurz darauf in der NDR-Schaubude).
Für den „General“-Song hätte übrigens auch gesprochen, dass der Titel im Jack-White-Film „Heute hau’n wir auf die Pauke“ (allerdings in etwas anderer Version als auf der später veröffentlichten Single-Version) vorkam. In diesem „cineastischen Meisterwerk“ spielte Séverine sich selbst.
Man sollte ein Erfolgsrezept ausschlachten, so lange es funktioniert – das war wohl der Gedanke von Jack White, als er gemeinsam mit Fred Jay den Musette-Walzer „Ich zeig Dir mein Paris“ ersann. Trotz erneut exponierter TV-Präsenz (zum dritten mal durfte sich Séverine in der Starparade präsentieren) klappte es diesmal nicht mit einem Hit.
Auch ansonsten begannen sich in jener Zeit (1973) Schwierigkeiten anzubahnen – Séverine strengte gegen ihren Manager Georges Aber einen langjährigen Prozess wegen Betrugs an, die Zusammenarbeit wurde beendet. Auch wenn die Französin das Gerichtsverfahren gewann, hatte die Entzweiung von ihrem Mentor gravierende Folgen – sie kriegte angesichts bestehender Verträge in Frankreich keinen „Fuß mehr in die Tür“, ihre Karriere in Frankreich war damit mehr oder weniger beendet – sicher mit ein Grund, warum sie sich fortan noch stärker in Deutschland engagierte.
Dummerweise kam zur Trennung von Georges Aber die Trennung von ihrem bisherigen deutschen Produzenten Jack White hinzu – man kann ja über den Mann sagen, was man will – aber wie in so ziemlich allen anderen Fällen führte auch im Falle Séverine die Trennung von diesem Erfolgsproduzenten vorsichtig gesagt nicht gerade in die Erfolgsspur.
Am 19. September 1973 trat Séverine wieder bei einem Festival an – diesmal ging es um den „Deutschen Schlagerwettbewerb“. Zwei Lieder wurden eingereicht – die Nummer von Paul(!?) Siegel („Auf Wiedersehen, Paris“) schaffte es nicht in den Wettbewerb. Auf der Single steht „Siegel“ als Songautor, ganz offensichtlich ist hier aber (ausnahmsweise) mal nicht Ralph gemeint. – Durchgesetzt hat sich letztlich Hans Blum mit „Jetzt geht die Party richtig los“. Obwohl der Titel getrost bis heute als Evergreen bezeichnet werden kann, landete er – nur 1 ½ Jahre nach Séverines Eurovisions-Sieg – auf einem enttäuschenden sechsten Platz. Siegerin war damals Olivia Molina mit ihrem „unvergessenen“ Schlager „Ein Lied“ (, das genau so getrost als längst vergessener Schlager bezeichnet werden kann.) Séverines Schlager wurde immer wieder neu aufgelegt – zuletzt coverte Hape Kerkeling den Song für seine Schlager-CD.
Es muss damals einiges an Unruhe gegeben haben, so schrieb die Plattenfirma seinerzeit: „Die Fernsehzuschauer bzw. die Käufer entschieden sich für den 1. Platz. Trotz Miesmacherei einer einzelnen Dame namens Ulrike von Möllendorff. Die, mit Genehmigung der SFB-Fernseh-Gewaltigen, einen Film zeigte, der die Titel, ihre Interpreten und die Fernsehzuschauer zu idiotischem Machwerk und zu Vollidioten abstempelte.“
Kleiner Exkurs: Da fragt man sich doch? Wie kann das sein? – Da damals die Wertung transparent gemacht wurde, kann man erkennen, dass auch damals schon echte "Experten" am Werk waren. Nehmen wir mal ein Beispiel: Hans Hirschmann, „Leiter der Hauptabteilung Unterhaltung im Fernsehen des Südwestfunks Baden Baden“, war in dieser Funktion Jurymitglied. Schon 1972 hat er in der letzten Wertungsrunde bei der deutschen Grand-Prix-Vorentscheidung ein tolles „Händchen“ gehabt, indem er sich für „Geh die Straße“ als Siegertitel entschieden hatte. Durch Überstimmung konnte Mary Roos dann am Wettbewerb teilnehmen, wo sie einen guten dritten Platz belegte.
Sein unglaubliches „Gespür“ für einen erfolgreichen Schlager bewies der SWF-Unterhaltungschef auch diesmal mit seinen Wertungen. Mit nur zwei Punkten und damit am schlechtesten bewertete er u. a. nicht nur Séverines späteren Evergreen, sondern auch Costa Cordalis' „Carolina komm“ (- der Song wurde später ein großer Erfolg und gleich zwei mal Nummer 1 der ZDF-Hitparade -) und Graham Bonneys „Rosemary und Company“ (ZDF-Hitparade Platz 4). Fünf Punkte gab es hingegen lediglich für Ireen Sheers Lied „Heute ist ein neuer Tag“. Auch der spätere Siegertitel „Ein Lied“ von Olivia Molina erhielt immerhin vier Punkte von Herrn Hirschmann.
Die durch solche total am Publikumsgeschmack vorbei getroffenen Entscheidungen von so genannten Experten haben damals nur zu verworrenen Wertungsergebnissen geführt. Leider sind die Zeiten nicht besser geworden, offensichtlich treffen heutzutage diese „Experten“ auf nebulöse und dubiose Umfragen fußende Entscheidungen über ganze Radioformate.
Zurück zu Séverine – die absolvierte im Herbst 1973 ihre erste ausgedehnte Deutschland-Tournee.
In Sachen Tonträger entschied sie sich für den damals sehr erfolgreichen Peter Orloff als neuen Produzenten, die erste gemeinsame Produktion (Text und Musik: Peter Orloff) war „Was wird aus einer verlorenen Liebe?“. Die im Januar 1974 erschienene Single wurde im März des Jahres in Dieter Thomas Hecks Hitparade und im April des Jahres noch mal in der damals populären „Drehscheibe“ vorgestellt, um im Mai die deutschen Verkaufscharts zu erklimmen (Top 30) – manchmal dauert es halt etwas länger. Genau in diese Zeit fällt Séverines Teilnahme an einer großen ZDF-Hitparaden-Tournee (13. April bis 31. Mai 1974). Die Plattenfirma zitiert die Tour-Teilnehmer mit Blickwinkel auf Séverine wie folgt: „Séverine war für die Tournee ein Gewinn, der durch nichts zu ersetzen war.“
Spannend: Viele Jahre später, am 9. November 1991, war die Französin in Dieter Thomas Hecks ZDF-Show „Musik liegt in der Luft“ zu Gast. Darin sollten die Zuschauer ihren Lieblingshit von Séverine wählen. Zur Überraschung vieler Fans und auch von Séverine selbst, wurde dieser Orloff-Titel von ihren großen Hits am häufigsten nachgefragt.
Der Schwung des Erfolgs reichte, die ansonsten eher weniger erfolgreiche Orloff-Nachfolge-Single „Vergessen heißt verloren sein“ im Herbst 1974 kurz in die Charts zu ziehen (Top-50). Kurze Zeit später erschien die wenig erfolgreiche LP „Verlorene Liebe“.
Am 3. Februar 1975 probierte es Séverine erneut, für Deutschland am Grand Prix teilzunehmen. Mit dem von Peter Orloff und „Lilibert“ (Elisabeth Bertram) geschriebenen Lied „Dreh Dich im Kreisel der Zeit“ hatte sie aber gegen gewaltige Konkurrenz wie Jürgen Marcus, Marianne Rosenberg und die siegreiche Joy Fleming keine Chance und landete auf dem 7. Platz. Zum Zeitpunkt ihres Auftritts war Séverine schwanger – am 22. Juli 1975 kam ihr Sohn Anthony zur Welt, Vater ist Tony Meschy.
Im Herbst des Jahres komponierte der große Christian Bruhn einen Schlager für Séverine – leider schrieb abermals Peter Orloff den Text zu „Du bist für mich der größte Schatz“ („Mein erster Freund war Architekt – doch irgendwann hab ich entdeckt: – Er ist zwar lieb, -doch nicht sehr treu .."), so dass mehr als ein kleiner Top-50-Hit nicht drin war. Vor 40 Jahren, am 12. Januar 1976, war die Nummer für eine Woche auf Platz 49 der Charts. Den Titel stellte Séverine am 22.11.1975 in der ZDF-Hitparade vor.
1976 erschien dann eine „Hammer-Single“ von Séverine, die ziemlich anders war als alles, was sie bislang veröffentlichte. Die Plattenfirma schrieb dazu damals: „Wetten, dass Sie nie erraten, dass das tatsächlich Séverine ist, die da ‚funky wie nie‘ den amerikanischen Superhit ‚Higher And Higher‘ singt?“. In der boomenden Disco-Zeit besang sie die deutsche Version des Jackie-Wilson-Hits – der eher moderne Textdichter Hans Ulrich Weigel schrieb ihr den deutschen Text: „Heißer als Feuer“ – im Sound von Marianne Rosenberg.
Offensichtlich war das dann doch etwas zu revolutionär – also kehrte man zum traditionellen Schlager zurück, der dann auch wieder ZDF-Hitparaden-kompatibel war: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. Dabei handelte es sich um die deutsche Version des Tommy Overstreet-Hits „Heaven Is My Woman's Love“. Für ca. fünf Jahre war das dann Séverines letzter Auftritt in der ZDF-Hitparade.
Allerdings hatte sie im Frühjahr 1977 eine andere interessante TV-Aufgabe übernommen und moderierte eine Folge des „Sonntagskonzerts“ (Motto: „Lieder und Tänze aus Frankreich“).
Die letzte Single, die sie bei ihrer langjährigen deutschen Plattenfirma Hansa veröffentlichte, war der von Peter Orloff geschriebene und produzierte Schlager „Achtung – hier kommt ein Mensch, der gerne küsst“.
Ihrem Produzenten hingegen blieb Séverine treu. So war am 15. Februar 1978 im Branchenblatt Musikmarkt zu lesen: „Séverine, die vor einigen Jahren in der Bundesrepublik erfolgreiche Sängerin aus Frankreich, hat inzwischen mit dem Aladin-Label von Peter Orloff einen dreijährigen Vertrag unterschrieben. Orloff produziert Séverine in allen Ländern.“
Die erste Platte auf dem neuen Label war „Moulin Rouge“. Am 15. Juni schrieb der Musikmarkt dazu: „Dabei setzt sie jetzt auf den Rat und die Hilfe von Peter Orloff, der die Ansicht äußert, könne mehr als nur stimmungsvolle ‚Trallala-Liedchen‘ singen". Es kam, was in diesem Zusammenhang immer kommen musste – das Lied wurde ein kapitaler Flop.
Erst ein gutes Jahr später kam eine weitere Single bei Aladin heraus, die deutsche Version des Roy Orbison-Hits „Running Scared“. Während einige Jahre Ted Herold mit seiner Originalaufnahme („Die besten sterben jung“) einen großen Erfolg hatte, war vielleicht der Text von Peter Orloff zu seiner deutschen Version („Du gehst vorbei“) einfach zu schlecht.
Nachdem die letzten Orloff-Nummern von Kritikern teilweise zwar gelobt wurden, kommerziell aber geradezu desaströs floppten, nahm sich Jack White 1981 wieder der Französin an. Damals hatte die Goombay Dance Band einen Hit mit „Seven Tears“. Christian Heilburg (bürgerlich Gregor Rottschalk) schrieb dazu einen deutschen Text: „Sieben Tränen“ – die Nummer produzierte Jack White mit Séverine – und prompt hatte die wieder einen echten Hit (Platz 51 in den Verkaufscharts), der allerdings ihr bislang letzter Charts-Hit werden würde. Die Nummer war immerhin so erfolgreich, dass Party-Sängerin Ina Colada zur „Freude“ vieler Schlagerfreunde den Song auf ihre Art und Weise coverte.
Prompt wollte auch Ex-Produzent Orloff auf den fahrenden Zug springen und veröffentlichte kurz darauf die Ende der 1970er Jahre produzierte Nummer „Dann wird es still“. Diese Pierre Kartner– (alias Vader Abraham-) Komposition, die eigentlich das Ende einer heißen Disco-Nacht beschreibt, kann aber auch wörtlich genommen werden – mit dieser dritten und letzten Veröffentlichung bei Aladin wurde es dort dann endgültig still beim Aladin-Label.
Zu Hochzeiten der Neuen Deutschen Welle setzte Séverine Anfang 1982 auf eine weitere Coverversion – die deutsche Version des 1980 veröffentlichten jugoslawischen Srebrna Krila-Songs „Sesnaest godina“ kam in deutscher Sprache zwar weniger sperrig daher („Sie kam aus Frankreich“; Textdichter: erneut Christian Heilburg), wurde aber trotz (oder wegen) des eingebauten Kinderchors ein Flop. Mit Blick auf die nachgeschobene Aladin-Single konnte sich die Ariola in ihren „Single-Facts“ folgenden Hinweis nicht verkneifen: „PS: ‚Sie kam aus Frankreich‘ ist die echte n e u e Single von Séverine.“ Etwa 1 1/2 Jahre später diente die Titelzeile übrigens als Namensgeberin von Séverines 1983 veröffentlichter LP.
Am 20. März 1982 versuchte Séverine erneut, Deutschland beim Grand Prix Eurovision zu vertreten. Diesmal ging sie mit einer Nummer von Jack White (Komposition) und Kurt Hertha (Text) an den Start. Obwohl von Kritikern hoch gelobt, hatte sie mit „Ich glaub‘ an meine Träume“ gegen die spätere Eurovisionssiegerin Nicole keine Chance und landete auf einem enttäuschenden 10. Platz im Wettbewerb.
An diesem Abend kam es wohl zu einem Bruch der Freundschaft zwischen Ralph Siegel und Jack White. Siegel schreibt dazu in seiner Autobiografie: „Diese Träume platzten leider später auf dem zehnten Platz, was Jack dazu veranlasste, uns zu beschimpfen und unangenehme Unterstellungen in die Welt zu setzen. Mein Anwalt Holm Tippner und meine Familie fanden das auch mehr als unverschämt und die Richter des Münchner Landgerichts erst recht. Dass darunter die Freundschaft zu Jack White gelitten hat, kann sich jeder gut vorstellen.“
Im Sommer 1982 hatte die Girlgruppe A la Carte einen kleinen Hit mit „In the Summer Sun Of Greece“. Der arrivierte Textdichter Dr. Michael Kunze textete darauf für Séverines nächste Single, die wohl als Sommerhit gedacht war, einen deutschen Text: „So ein Sommersonnentag“.
Ein Jahr später versuchte man es mit der deutschen Version eines Songs von Martine Clémenceau – „Solitaire“ war, insbesondere in der Version von Laura Branigan, ein internationaler Hit. Nachdem Jack White die englische Version mit Laura produziert hatte, lag nahe, seinen Schützling Séverine mit der deutschen Version zu versorgen, wobei auch Milva den Song eindeutschte. Den deutschen Text zu „Solitaire“ in der Version der Französin schrieb Dhana Moray, die damals als TV-Moderatorin, Textdichterin und Sängerin recht erfolgreich war. Mit ihrem Text für Séverine war ihr allerdings kein Erfolg beschieden.
Mit einer Komposition des sehr erfolgreichen Berliners Joachim Heider endete Séverines Phase bei der Ariola. Gemeinsam mit dessen „Stamm-Textdichter“ Christian Heilburg schrieb er Séverine das Lied „Und am Morgen geht die Sonne auf“ – für Séverine sollte sie für längere Zeit untergehen, weil nach Veröffentlichung der Single im Herbst 1983 für einige Jahre eine Pause eingelegt wurde.
Ab dem Frühjahr 1986 – Séverine hatte sich zwischenzeitlich von ihrem langjährigen Lebenspartner Tony getrennt – begann Séverine, auf verschiedenen kleinen Labels weitere neue Lieder zu veröffentlichen. Produzent, Komponist und Textdichter in Personalunion für die kommenden Lieder sollte Peter Dörr werden.
Auf dem Label „Bella Musica“ wurde im April 1986 der Comeback-Song „Nur wir beide allein“ veröffentlicht, der vom Sound her – typisch für die 1980er Jahre – stark an das populäre „Modern Talking“-Duo erinnert.
Auf dem „Orchestrola“-Label wurden zwei Singles auf den Markt gebracht: „Jeder neue Tag“ (1986, mit dem Titel absolvierte sie einige TV-Auftritte, z. B. in der „Aktuellen Schaubude“) und „Träume einer Sommernacht“.
Die kommenden Titel sind allesamt auf Peter Dörrs Caribic-Label erschienen, der Plattenboss blieb auch Séverines Produzent, Komponist und Textdichter.
Bei dieser Plattenfirma erschien 1988 der Titel „Die Frau im Schatten“, der die Liebe einer Frau zu einem verheirateten Mann beschreibt.
In den 1990er Jahren erschienen fünf Singles von Séverine: „Einer für alle – alle für einen“ (1991), „Leben – einfach leben“ (1993; diese beiden Lieder stellte die Französin auch in der „Deutschen Schlagerparade“ der Dritten Programme vor – letztgenannter Song gab einer 1994 erschienenen Longplay-CD den Namen), „Mit jeder Stunde“ (1994; den Schlager widmete Séverine ihrem Sohn – auch diesen Titel stellte sie in der Schlagerparade und in der Aktuellen Schaubude vor), „Du bist nur ein Kieselstein“ (1996; der Song wurde im Deutschen Schlagermagazin präsentiert) und „Gute Freunde“ (1999, der Schlager wurde bei einem Paris-Besuch im Deutschen Schlagermagazin vorgestellt).
Zwischendurch wurde 1997 vielen Fans ein Wunsch erfüllt, indem eine erste „Best Of“-CD mit Séverines alten deutschsprachigen Liedern veröffentlicht wurde.
Gegen Anfang des neuen Jahrtausends wurde Séverine nach vielen Jahren wieder in ihrem Heimatland aktiv – im November 1999 erschien eine CD mit ihren französischen Erfolgen, die für so viel Aufmerksamkeit sorgte, dass sie nach 28-jähriger Pause im Dezember 2000 wieder ein ausverkauftes Konzert in Paris (im „La Cigale“ am Montmartre) geben konnte. 2002 wurde davon ein Mitschnitt auf Doppel-CD veröffentlicht („Retour à Paris“).
Das letzte Schlager-Lebenszeichen gab Séverine 2003 von sich – mit dem Schlager „Nur wenn Menschen sich verstehen“ präsentierte sie sich bislang letztmals dem deutschen Publikum.
Der 8. Mai 2006 sollte ein besonderes Datum im Leben von Séverine werden – bis dato war sie die einzige Eurovisionsgewinnerin, die nie den Boden des Landes betreten hat, für das sie beim Grand Prix angetreten ist – das änderte sich an jenem Tag. Anlässlich einer großen Gala begrüßte Fürst Albert II. Séverine persönlich, die ihr Lied nun erstmals auch in Monaco interpretieren durfte.
Ein weiteres Highlight des Jahres 2006 war, dass Séverine Bestandteil der monegassischen Delegation beim Eurovision Song Contest in Athen war. Sie begleitete dort ihre Namensvetterin Séverine Ferrer, die allerdings bereits im Halbfinale des Wettbewerbs ausschied.
Im Sommer 2007 gab es für viele Freunde von Séverine eine tolle Überraschung – dank MDR-Redakteur und Webmaster der Séverine-Seite „Séverine-online.de“ Frank Eberlein wurde möglich gemacht, dass große Teile des deutschsprachigen Gesamtwerks Séverines auf CD verfügbar gemacht wurden. Das 3-CD-Set „…und wünsch‘ Dir einen Traum“ enthält labelübergreifend alle Lieder, die Séverine zu Hits gemacht hat.
Es wäre schön, wenn die sympathische Französin sich nicht ganz zurückziehen würde, sondern eines Tages ihre Fans mit neuen Produktionen überrascht oder vielleicht ihre alten Erfolge noch mal hochleben lässt.
Stephan Imming, 04.01.2016
www.Séverine-online.de