HOWARD CARPENDALE
smago! Buchbesprechung: Howard Carpendale – "Das ist meine Zeit"!

Stephan Imming hat das Buch, in dem Howard “aus dem Leben” erzählt, gelesen …: 

Wer zum Buch "Das ist meine Zeit" von HOWARD CARPENDALE und Stefan Alberti greift, meint vielleicht, damit eine Biografie in Händen zu halten. Bei diesem Buch handelt es sich aber eher um ein ausgedehntes, langes, intensives Interview als um eine klassische Biografie. Carpendale äußert sich sowohl zu seiner Karriere, seiner Musik und seinem Business wie auch zu seinen Ansichten bezüglich Politik, Religion und anderen Lebensbereichen.

Das Buch beginnt mit Howards Beichte, dass er einige Jahre nach seinem Rückzug von der Bühne unter Depressionen litt, die sogar so heftig waren, dass er über Selbstmord nachdachte und sogar eine konkrete Vorstellung hatte, wie sein Suizid gestaltet werden könnte. Erst mit Hilfe eines Psychologen namens Marc fand Howard den Weg zurück ins Leben, unterstützt durch seine Familie und auch mit Tabletten-Hilfe.

Nicht neu ist, dass Carpendale damit hadert, als "Schlager"-sänger abgestempelt zu werden – er sieht sich eher als Entertainer. Sehr interessant ist, dass er nach seinem Sieg beim Schlagerfestival 1970 meinte, auf Auftritte in der ZDF-Hitparade verzichten zu können – meines Erachtens ein Indiz, dass er nicht wirklich dazu stand, dort aufzutreten, obwohl er der Show sicher einen großen Teil seines Erfolges zu verdanken hat. An anderer Stelle im Buch äußert sich Carpendale auch nicht übermäßig euphorisch über Dieter Thomas Heck – unter anderem nimmt er dem Moderator wohl übel, dass dieser ihn aufgrund einer Verspätung einst aus einer Sendung schmiss. Dennoch ist Howard sich der Wichtigkeit dieser Sendung für seine Karriere wohl im Nachhinein schon bewusst.

Positiv bewertet Carpendale Kult-Schlagersänger wie Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn, die den Schlager zwar persiflieren, ihn aber doch ernst nehmen. Besonders angetan ist er davon, wenn er Coverversionen seiner eigenen Lieder zu hören bekommt.

Interessanterweise äußert sich auch Carpendale in seinem Buch gleich mehrfach sehr kritisch über das Verhalten der Radiosender, die immer mehr den Schlager und die deutschsprachige Musik aus ihrem Programm verbannt haben. Er vergleicht dabei den Schlager mit dem Fußballverein FC Bayern München, der auch trotz großartiger Leistungen bei manchen ein Imageproblem hat, so dass deutsche Fußballfans eher dem FC Barcelona oder Real Madrid einen Titel gönnen als eben dem FC Bayern. Howard schreibt zu diesem Phänomen wörtlich: "Das verstehe ich nicht!" – in der Tat unverständlich, vielleicht spielt da der Neid auf den Erfolg eine Rolle, womit der Bogen zum deutschen Schlager wieder geschlagen wäre.

An die Radiomacher gerichtet, findet Carpendale unmissverständliche Worte: "Atemlos durch die Nacht wird von vielen Radiosendern nicht gespielt. Diese Arroganz kotzt mich an. Dieses selbstherrliche Verhalten mancher Radiosender gibt es nur in Deutschland. Manche spielen das Lied und reden trotzdem hämisch darüber". – Erfreulich, dass auch Howard Carpendale (wie kürzlich Ralph Siegel) hier kein Blatt vor den Mund nimmt und bei der Wortwahl keine falsche unangebrachte Diplomatie bemüht.

Recht ausführlich schildert Howard seine Anfänge in Deutschland – unter anderem auch, wie er ohne Arbeitserlaubnis (ohne gültige Papiere) Glück hatte, diesbezügliche Unterstützung zu erfahren. Passend dazu äußert er sich später auch zur aktuellen Flüchtlingsproblematik – in Richtung Europa sagt er: "Ich persönlich empfinde es als eine große Schweinerei, wenn sich einige Länder aus der Verantwortung stehlen wollen."

Auch hinsichtlich seiner Heimat Südafrika findet Howard unmissverständliche Worte ("Chaos und Korruption – diese beiden Worte umschreiben die aktuelle Lage im Land wohl am treffendesten"; "die Zuverlässigkeit fehlt.").

In Sachen Politik spricht Carpendale das aus, was wohl viele Zeitgenossen denken – er sieht nicht, dass Europa vereint sei und bezeichnet die Europa-Idee als "Wunschdenken". Er sehnt sich nach charismatischen Führungspersönlichkeiten, wie es sie früher gab (als Beispiele werden Helmut Schmidt und Willy Brandt genannt) – stattdessen hören sich in seinen Augen Reden wie Pflichtübungen an. Selbst von Hoffnungsträger Obama ist Carpendale enttäuscht. Das größte Problem überhaupt ist in seinen Augen die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich – in seinen Augen wäre ein "Reset"-Knopf wünschenswert, um von vorne anfangen zu können, was natürlich reines Wunschdenken ist.

Ein kleines Kapitel widmet Howard auch dem Thema Religion – er selbst sei eher Pragmatiker, was auch schon für seine Eltern galt und für seine Kinder gelte. Dennoch sind ihm gewisse Rituale wie das familiär gefeierte Weihnachtsfest wichtig. Auch seine kirchliche Hochzeit mit Claudia sei mit schönen Erinnerungen verbunden.

Zum Thema Alter und Tod hat der Südafrikaner auch eigene Theorien. Sarkastisch, aber witzig schildert er, wie er sich seinen Grabstein vorstellt: "Er war ein cooler Typ, aber jetzt ist er eiskalt". – Aber auch ernsthaft setzt sich Carpendale mit dem Tod auseinander und beschreibt auch die Abschiede von seinen Eltern und den Missständen in Pflegeheimen, die würdiges Altern teilweise nicht möglich werden lassen.

Hinsichtlich Sex und Erotik äußert sich Carpendale teilweise ähnlich wie Kollege Udo Jürgens im bezeichnenderweise "Als Macho stehe ich auf Drei" genannten Kapitel schreibt er: "Männer sind aus meiner Sicht im Allgemeinen nicht treu". Außerdem habe Peter Maffays Lied "Und es war Sommer" für ihn eine ganz besondere Bedeutung…

In Sachen "Imagepflege" lernen wir, dass heutzutage Autogramme durch Selfies ersetzt wurden. Selbstkritisch und gleichzeitig selbstbewusst konstatiert Carpendale: "Es gibt bestimmt fünftausend Menschen in Deutschland, die besser singen können als ich. Diese fünftausend Menschen können aber nicht so eine Show abliefern, wie ich sie zelebriere" – eine gute Selbstanalyse, wie ich finde.

Im Kapitel über Medien beklagt Carpendale neben der katastrophalen Situation im Radio auch, dass Berichte immer schlechter recherchiert seien bzw. teilweise überhaupt nicht stimmen. (Wie richtig er damit liegt, kann aktuell wohl Nik P. bestätigen). Andrerseits sei er über gut geschriebene Kritiken dankbar und rufe diese Kritiker manchmal sogar an. Schriftlich äußere er sich zu negativer Berichterstattung nicht mehr, weil er damit schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Ein ganzes Kapitel widmet Howard seiner Lebensgefährtin Donnice – das sei ihm sehr wichtig. Leider geht er dabei nur an die Oberfläche, spricht immer wieder von ihrer "Krankheit" und beklagt viele falsche Berichte in den Medien, ohne selber die Chance einer diesbezüglichen Klarstellung zu nutzen. Selbst mehrfache Nachfragen des Interviewers Stefan Alberti, der offensichtlich einen sehr guten Draht zu Howard hat, nutzten nichts – der Punkt ist wohl zu privat, was meines Erachtens in Ordnung ist – dann hätte man das Kapitel aber auch weglassen können.

Donnice gehört zu den Dingen, die Howard am wichtigsten sind. Weitere Punkte, die für ihn das Leben lebenswert machen, sind nach seiner Aussage die Sportart Golf, seine Familie, als deren Kapitän er sich sieht, der harte Kern seiner Fans und – man höre und staune – sein Engagement für die Welthungerhilfe.

Dem Thema Familie (O-Ton Howard "crazy family") wird dann noch ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Mittelpunkt stehen dort Werte wie "Fairness, Loyalität und der Mut, unbequeme Dinge anzusprechen".

Bezüglich seiner musikalischen Inspirationen nennt Carpendale immer wieder den Namen Elvis, aber auch weitere wichtige Künstler wie Elton John, dessen "Sad Songs" ihn z. B. für sein "Samstag Nacht" inspiriert haben. Mehrfach zollt Howard Udo Jürgens großen Respekt, auch wenn er ehrlich zugibt, dass die beiden Künstler nie eng befreundet waren.

Im Kapitel "Begegnungen" wird ausgiebig auf interessante Künstler eingegangen, die Howard im Laufe seiner Karriere kennengelernt hat. Besonders berührend war dabei sicher die Begegnung mit drei der "Beatles" anlässlich der deutschen Aufnahme von "Ob-la-di". Zu vielen seiner Kollegen hat Howard eine sehr gute Meinung (z. B. Blacky Fuchsberger, Harry Belafonte, Cliff Richard) – mit einigen hadert er aber auch (z. B. Dieter Bohlen).

Schließlich blickt Howard noch etwas in die Zukunft – dabei geht er auf Fluch und Segen des technischen Fortschritts ein und spricht auch seine skeptische Meinung über die Zukunft des Musikgeschäfts aus ("Mehr Live-Geschäft, weniger CDs", "Das CD-Geschäft stirbt aus").

Für Fans von besonderem Interesse ist vermutlich die "Zugabe", Howards "Soundtrack seines Lebens", in dem er die Geschichte von einigen seiner großen Erfolge eingeht. Spannend: Neben vielen großen Hit-Erfolgen erwähnt er als unbekannteres Lied den Song "Johannesburg". Da fragt man sich – wenn ihm an dem  Lied viel liegt, warum hat er es nicht als eines seiner Lieblingslieder auf die Best-Of-CD "Das Beste von mir" mit nehmen lassen?

Summa summarum liest sich Howards Buch kurzweilig, er schildert offen und ehrlich und teilweise kritisch seine Sicht der Dinge. Freunde der Statistik kommen weniger auf ihre Kosten, konkrete Daten finden sich kaum in Howards Buch, richtig neue Erkenntnisse über seine Karriere, die nicht zuvor schon in anderen Biografien zu lesen waren, finden sich dort auch nicht. Howard-Fans werden trotzdem auf ihre Kosten kommen, denn für sie sind seine weltanschaulichen Dinge sicher von Interesse – und die vielen teilweise seltenen Fotos lockern den Interview-Text auf.

Und einzelne kuriose Neuigkeiten erfährt man bisweilen doch – zum Beispiel, dass Howard zwar in zahllosen TV-Sendungen zu Gast war, aber noch nie in einer von Günther Jauch moderierten. Und wer meint, das Wort "Howie" sei ein totales Tabu für den Star, der erfährt in dem Buch, wem er als einzigen gestatten würde, ihn so zu nennen.

Howards Buch passt zu ihm – er ist ein professioneller Sänger, der seine Stärken und Schwächen kennt, der selbstironisch sein kann und dennoch seinen Job ernst nimmt. Sicher werden seine Fans noch einige tolle Konzerterlebnisse mit diesem Ausnahme-Entertainer erleben.

Stephan Imming, 20.03.2016
http://www.universal-music.de/company/umg/electrola
http://www.howard-carpendale.de

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