HEINO
Konzert-Bericht von Stephan Imming: HEINO-Konzertpremiere "Schwarz blüht der Enzian"
Sein rundum gelungenes Konzert war zwar kurz, aber geil: Heino rockt!
Vor vielen Jahren habe ich Heino live bei einem Auftritt in meiner Heimatstadt erleben dürfen. Es war wie immer: Man schaute sich links und rechts um, damit keiner sah, dass man dem Künstler wohlgesonnen ist, weil es peinlich war, Heino-Fan zu sein – um dann ein souveränes Konzert geboten zu bekommen.
Wohl kaum jemand musste sich in seiner Karriere derart oft „verarschen" lassen wie der blonde Sänger mit der Sonnenbrille. Egal, ob es Otto Waalkes oder der „wahre Heino" war – immer wieder wurde auf den Barden, teils auch unter die Gürtellinie gehend, eingeprügelt.
Gründe dafür gibt es zur Genüge – allein der ungeheure Bekanntheitsgrad seit Jahrzehnten, die hellblonden Haare, die wohl nicht alle ganz echt sind, die unverkennbare Sonnenbrille – da fühlen sich (zu) viele angesprochen, ihre Witze zu machen. Auch die krude Theorie, Heino treibe mit seinen deutschen, volkstümlichen Liedern nationalsozialistische Blüten, sagt wohl deutlich mehr über Vertreter solcher Thesen aus als über den Künstler selbst.
Nachdem Heino über Jahrzehnte diese vielfach dümmlichen Witze und Anfeindungen recht klaglos ertragen hat (- es sei denn, der Bogen wurde überspannt, indem Heinos guter Name als Künstler für eigene Veranstaltungen missbraucht wurde -), hat er sich kürzlich das Recht herausgenommen, nun einmal selber der deutschen Musikszene den Spiegel vorzuhalten, indem er viele deutsche Rock- und Popklassiker in seinem Stil spielte. Diejenigen, die sich zu gerne selber über Heino lustig gemacht hatten, waren genau die, die am lautesten protestierten, wenn sie selber mal im kabarettistischen Fokus standen.
Der Erfolg der entsprechenden Veröffentlichung „Mit freundlichen Grüßen" übertraf jegliche Erwartungshaltungen – Heino hatte damit seinen allerersten Nummer-1-Erfolg in den Albumcharts. Auch die Nachfolge-LP „Schwarz blüht der Enzian", auf der er sein eigenes Werk rockig bzw. sogar im Heavy-Metal-Stil persiflierte, war durchaus ein Erfolg.
Am 3. Oktober 2015 startete nun eine gleichnamig Tour des Barden in Oberhausen. Gleich bei der Ankunft an der Halle musste man sich angesichts offensichtlich vieler anwesender Metal- bzw. Punk-Fans die Augen reiben. Des Rätsels Lösung war in Teilen, dass zeitgleich in der (nun wirklich nicht für Schlagerkonzerte bekannten) Location (in einer anderen Halle) die Punkband „Cock Sparrer" einen Auftritt hatte. – Aber auch das Heino-Publikum war überaus gemischt, wobei nach meinem Empfinden die „Rocker" deutlich in der Mehrheit waren. Offensichtlich waren aber auch viele ganz alt eingesessene treue Heino-Fans vor Ort, wobei das „Jungvolk" (Durchschnittsalter 25 bis 40 Jahre) sehr deutlich in der Mehrheit war.
Pünktlich (wie angekündigt) um 20:30 Uhr ging es dann los – die (O-Ton) „lebende Musiklegende aus Bad Münstereifel, California" begann gleich mit einem echten Knaller, dem Lokomotiv-Song seiner Erfolgs-CD „Mit freundlichen Grüßen", „Junge", den ursprünglich die Ärzte sangen, die vor vielen Jahren mit „Radio brennt" ähnlich fulminant einst ihr Konzert begannen.
Nach einer kurzen Begrüßung – („Meine Damen und Herren, das war gestern! Rocker duzen sich! Ich darf doch ,Freunde' zu Euch sagen“) ging es mit zwei weiteren Perlen aus dem „Mit freundlichen Grüßen"-Album weiter: „Augen auf!" und „Was soll das?" wurden von Heino souverän präsentiert. Das war mal etwas Besonderes, bei einem Grönemeyer-Song perfekt den Text verstehen zu können – wobei man Grönemeyer zugute halten muss, dass er im Gegensatz zu Heino meines Wissens keinen Teleprompter nutzt…
Nun war Heino warm gelaufen und kündigte einen Song an, der „schon zwei mal ein Hit war": 1972 im Original, 1988 als Rap-Version – nun sei es Zeit gewesen, eine Rock-Version zu machen – in der Tat passte „Schwarz blüht der Enzian" schon etwas zur Mettal-Location.
Nachdem es sehr „heavy" geworden war, kündigte Heino an, dass er ja sehr gerne Seemannslieder gesungen habe und davon einen Klassiker zu Gehör bringen wolle, der schon Bestandteil seiner ersten LP war. Heinos Version von „La Paloma" konnte sich hören lassen – spannend vor allem, wie sich der Schlagzeuger austobte (- schade, leider gab es kein Programmheft oder Ähnliches, so dass ich in der Regel die Namen der Musiker nicht kenne -). Auf einem Bein kann man nicht stehen, folglich wurde mit „Wir lagen vor Madagaskar" ein weiterer Seemannsliederklassiker vorgetragen. Ähnlich wie bei „La Paloma" ließen hier nach meinem Geschmack „Santiano“ grüßen, was aber positiv gemeint ist.
Weiter ging es mit einem „Frauenblock" – auch über Frauen hat Heino ja, laut eigener Aussage, immer gerne gesungen – früher hießen die halt Barbara, Katja und „Rosamunde“, deren Song den Frauenblock einläutete – und heute heißen sie, laut Heinos Aussage, Carmelita, Natascha und Meyer – allerdings mit „Ypsilon" – all diese Frauen machen sicher nicht nur Heino „Willenlos" – den Westernhagen-Klassiker präsentierte Heino in einer schönen, modernen Fassung. Im Anschluss präsentierte er dem erfreuten Publikum seinen Klassiker „Ja ja, die Katja, die hat ja".
Heino sprang mit einfach erfrischender Selbstverständlichkeit durch die verschiedensten musikalischen Strömungen – seinem schlagerhaften „Katja“-Song ließ er den Rammstein-Kracher „Sonne" folgen, wobei er, nicht ohne Stolz, an seinen tollen Auftritt beim Rock-Festival "Wacken" erinnerte.
Nachdem sich eine blonde Sängerin bei dem Song um Leib und Seele gesungen hatte, trat die schwarze Barbara – äääh, die dunkelhaarige Sängerin Anja an Heino heran und bat ihn, doch mal das Lieblingslied der Sängerinnen zu spielen: „Schwarzbraun ist die Haselnuss". Kurz noch zu den drei Background-Sängerinnen – die waren wirklich toll und gaben vielen Arrangements ein echtes "Pfund". Neben Anja, für die vermutlich der Begriff „Rampensau" erfunden wurde, die kaum zu bremsen war (toll!), war u. a. auch Gaby Goldberg Teil des weiblichen Gesangstrios – vielen Udo-Jürgens-Fans noch von dessen Tourneen bekannt. Die musikalische Leitung der bärenstarken Band hatte übrigens Richard "Richie" Hellenthal, der ansonsten auch als Jazzmusiker unterwegs ist, was vielen Arrangements anzuhören war – so war der Bigbandsound bei der „Haselnuss" schon imposant, wobei der Song augenzwinkernd zwischenzeitlich unterbrochen wurde, damit die Sängerinnen auch mal ihre Rap-Version der Haselnuss präsentieren konnten.
Traditionelle Heino-Fans kamen mit einem Schlagermedley auf ihre Kosten, das drei seiner ganz alten Klassiker beinhaltete: Das aus den Liedern „Tampico", „…und sie hieß Lulalei" und „Carneval in Rio" bestehende Potpourri („Viva-Medley") kam erstaunlich gut an. Erstaunlich deshalb, weil nach meinem Eindruck doch viele Rocker unter den Fans waren, die aber so gar keine Berührungsängste mit dem klassischen Heino hatten – klasse!
Mit „Sierra Madre" in einer Version, wie sie die Schürzenjäger einst spielten, und dem Freddy-Klassiker „Heimweh" wurde es wieder etwas ruhiger. Letzterer Song wurde übrigens „erst" 1956 zu einem Hit und nicht – wie von Heino in Oberhausen behauptet – schon 1954 – so viel Klugscheißerei muss sein, wobei Heino sich wohl mehr auf Dean Martins Hit-Version bezog („Memories Are Made Of This")!
Es ist spannend, dass Heino diesen Song als einen der Antriebe für ihn benennt, sich der Singerei zu widmen, wenn man das stets angespannte Verhältnis von Heino zu Freddy vor Augen hält – immerhin weigerte sich Freddy seit 1969 in der ZDF-Hitparade aufzutreten, weil er nicht mit Heino in einer Sendung auftreten wollte und er 1969 dazu genötigt wurde (und zu allem Überfluss auch noch sich im Gegensatz zu Heino nicht platzieren konnte). In einem Interview sprach Heino mal davon, dass ihm Dean Martins Version des Songs („Memories“) besonders gefallen habe. Dennoch sang er gestern Freddys DEUTSCHE Version des Liedes. – Offensichtlich hat Heino keine Berührungsängste – er sang den Schlager sehr gefühlvoll, die älteren Zuschauer kamen sichtlich auf ihre Kosten, wie ich von meinem Platz aus gut beobachten konnte.
Passend zum Song der Sportfreunde Stiller „Ein Kompliment" stellte Heino seine, aus 12 Musikerinnen und Musikern bestehende Begleitband (9 Instrumentalisten und 3 Sängerinnen), unter der Leitung von Richie Hellenthal vor, die wirklich einen tollen Job gemacht hat – insbesondere angesichts des doch sehr umfangreichen musikalischen Spektrums, das Heino an diesem Abend angeboten hat.
Heino verließ daraufhin die Bühne – die Zeit wurde von der Band mit einer imposanten Version des Pete-Townshend-Klassikers „Face the Face" überbrückt. Zur Überraschung des Publikums trug Heino nun eine mit Lichtern übersäte Jacke, bei der David Hasselhoff vor Neid erblassen würde – einfach kultig. Mit dem „Leuchtturm" hatte er erneut den Nerv des Publikums getroffen – die Stimmung wurde immer besser.
Beim nun folgenden, zweiten Oldie-Medley des Abends (standesgemäß im roten Sakko vorgetragen) gab es kein Halten mehr – Rocker und Schlagerfreunde – Jung und Alt – alle tanzten einfach Polonäse (!) durch die Turbinenhalle Oberhausen – die Superhits „Die schwarze Barbara", „Karamba, Karacho, ein Whisky“, „Mohikana Shalali" und „Blau blüht der Enzian" (in der ursprünglichen Fassung) hielten keinen mehr auf dem Stuhl – wobei – auch das unglaublich für ein Schlager- bzw. Heino-Konzert – die Show war ja gar nicht bestuhlt, es war ja ein Rock-Konzert…
Mit „Hoch auf dem gelben Wagen" setzte Heino dann noch mal einen drauf. Das Konzert endete, wie es begann – mit „seinen" Hits (in Kurzfassung) „Junge" (instrumental von der Band angespielt) und „Ein Kompliment" verabschiedete sich Heino von Oberhausen – etwas früh, wie wohl viele fanden. Extrem lange blieben noch sehr viele Fans in der Halle und baten auf sehr kreative Art und Weise (von „Zugabe" über „auf die Bühne", „Ohne Heino wär hier gar nix los" über „Oh wie ist das schön" bis hin zu „Wir woll'n den Heino seh'n" wurde nichts ausgelassen) um eine Verlängerung des Konzertes – vergeblich.
Wenngleich die Länge der Show mit gut 90 Minuten vielleicht noch Luft nach oben lässt, ist Heinos Tournee in vielerlei Hinsicht bemerkenswert – eine derartige Zusammenführung von Fans unterschiedlichster Genres, die einander respektieren – das gelingt derzeit wohl nur Heino, der sich damit fast einen Preis für so etwas wie „Integration" verdient hätte. Sehr klug ist es auch, einen der wichtigsten Schlagertrümpfe auszuspielen – die „Selbst-Ironie" (O-Ton Heino zu Konzertbeginn: „Ich weiß doch, was Sie denken: Junge, wie Du wieder aussiehst.."). Wie mehrfach erwähnt, ist auch die Leistung der Band hervorzuheben; da waren schon tolle Musiker vereint.
Wenn eine gute Fee kommen würde und mir in Bezug auf die aktuelle Heino-Tour(!) drei Wünsche anbieten würde, würde ich mir erstens wünschen, dass er auch seinen Klassiker „Edelweiß" ins Programm nimmt, zweitens die Medley-Songs (insbesondere „Karamba Karacho") ausspielt und drittens dieses tolle Live-Programm auf DVD/BluRay oder zumindest auf Live-CD veröffentlicht.
Allen Heino-, Schlager- und Rock-Freunden, die gute Musik zu schätzen wissen und dabei nichts gegen eine witzige Show haben, kann man den Besuch eines „Schwarz blüht der Enzian"-Konzerts nur ans Herz legen.

Da wird sich Hannelore aber freuen …

O Tannenbaum, o Tannenbaum …


Stephan Imming, 05./06.10.2015
http://www.starwatch.de
http://www.heino.de

