GUILDO HORN & DIE ORTHOPÄDISCHEN STRÜMPFE
Das neue Album "Schlager unser" – besprochen von Stephan Imming!

„Das ist kein Schlagerscheiß – das ist mein Leben!“, stellt Herr Horn klar! 

Das neue Schlager-Album des "Meisters" und ehemaligen "Bundespräsidenten" (nein, die Rede ist nicht von Walter Freiwald, vielmehr heißt GUILDO HORN mit bürgerlichem Namen Horst Köhler) ist vergleichbar mit einer Kirchenmesse, in der Kirchenlieder, Gebete und Lesungen vorkommen. Das kann man nun geschmackvoll finden oder nicht, es ist zumindest erfreulich, dass zumindest niemand deswegen Klage erhoben oder gar Gewalt angedroht hat wegen vermeintlicher Diffamierung.

Wer als "normaler" durchschnittlicher Schlagerfan des Meisters neues Album hört und ihn nicht kennt, fragt sich vielleicht, warum der Mann den Schlager so verarscht und diese schönen Lieder so durch den Kakao zieht. Inzwischen sollte man es aber besser wissen. Wenn man beim Hören der Scheibe zwischendurch nicht sicher ist, "Walking By Myself", "Black Night" oder doch Dieter Hallervorden ("Schniff Schniff di Schneuff") zu hören und dann  feststellt, dass es immer noch "Dich zu lieben" ist, was da erklingt, weiß man, woran das liegt: Der Meister hat Humor, musikalischen Anspruch und liebt den Schlager, den er unnachahmlich modernisiert hat (der Song ist allerdings auch auf der Compilation "20 Jahre Zärtlichkeit" veröffentlicht worden).

Auch wenn die CD insgesamt schlagerhafter wirkt (sehr oft sind z. B. Hammond-Orgel und Bläser zu vernehmen; die Schlagzeug-Sounds klingen programmiert) als es seine Konzerte bisweilen vermuten lassen, gelingt es Horn in Ansätzen, seine geniale Live-Performance auch auf Tonträger zu konservieren, wobei in meinen Augen ein Live-Konzert des Meisters noch mal eine eigene Liga ist – bis heute hoffe ich auf eine DVD seiner unfassbaren Grand-Prix-Tour 1998 "Danke!" – vielleicht gibt es da ja verwertbare Aufnahmen?

Gerade der Song "Tornero" erinnert an Konzerterlebnisse des Meisters, aber auch anderer Schlagergrößen – wer kennt es nicht, dies "Haa haa haaa haaa" von "Tränen lügen nicht", das ja auch Guildo in seinen Konzerten sehr exzessiv und zum Mitmachen auffordernd gespielt hat (und später auf der CD zu hören ist). In ähnlich dramatischer Form hat auch Howard Carpendale seinen Song "Nachts, wenn alles schläft" auf die Bühne gebracht – erst wird sehr lange "haaa haaahaaa haaa haaa" gesungen, bevor es "zur Sache geht". Diese Tradition setzt der Meister unnachahmlich in "Tornero" (Wart auf mich) fort  – auch der Sprechgesang, der ja auch dem von "Tränen lügen nicht" vergleichbar ist, hat eine Dramatik, die einfach witzig rüber kommt. Rhythmische Einlagen und ein sensationelles Gitarrensolo verfeinern den Song. Mit der Aufnahme zeigt Guildo, dass man einen Michael-Holm-Schlager nicht zur Peinlich-Fremdschäm-Nummer verkommen lassen muss (1.000 Träume weit), sondern daraus eine echte Rock-Nummer machen kann, die vielleicht sogar "Wacken"-tauglich wäre (zumindest, wenn er zusätzlich von der Feuerwehrkapelle begleitet würde).

A propos Holm – dessen "Mendocino" hat der Meister auch erneut aufgegriffen. Zunächst recht nah am Original gehalten (, wobei der typische Hammond-Sound der Keyboard-Riffs durch Bläser ergänzt wurde,) wird man am Schluss durch überraschende Mitsing-Passagen überrascht. Auch bei diesem Song ist der Schluss sehr originell: Horn fragt noch mal, "wo denn bitte" an jeder Tür angeklopft werde? Diese "dumme Frage" inspirierte seine Musiker, die "orhopädischen Strümpfe", den Sesamstraßen-Song "Der, die, das" zu intonieren.. Hintergrund der Frage war wohl eine der "Lesungen", die zwischendurch auf der CD zu hören sind- "aus dem Buche des Schlagers", so kam ein Wissenschaftler zur Erkenntnis, dass die Schlagerseligkeit oftmals nicht genau lokalisiert werden könne, jedoch oftmals im Süden zu finden sei.

Auch der Klassiker "Tränen lügen nicht" von Michael Holm wurde wie gesagt erneut aufgegriffen – die Neuaufnahme konnte mich aber nicht ansatzweise so überzeugen wie die von "Tornero", weil der Song von zu vielen Schlager-Cover-Sängern aufgegriffen wurde – sehr originell ist die "Schlager unser"-Version in meinen Augen auch nicht, auch wenn die Verlängerung mit "Hey Jude" sicher witzig, aber eben nicht neu ist.

Dem Udo-Jürgens-Klassiker "Aber bitte mit Sahne!" hat der Meister ebenfalls neues Leben eingehaucht. Das eigentliche Cover ist nicht sonderlich bemerkenswert – gab es in der Form auch von Kollegen Dieter Thomas Kuhn und sogar von der Metal-Band Sodom. Horns Spezialität ist es aber, das Lied  zum Medley mit "Rocking All Over the World" zu kombinieren – das ganze mit einem tollen Gitarrensolo garniert. Auch wenn die Idee nicht neu ist (genau so hat Horn es bereits 1997/98 bei der "Danke!"-Tour zelebriert – das gilt auch für das "Tränen/Hey Jude-Medley"), macht es Spaß, dieses "Sahne/Status Quo-Medley" zu hören.

Die "Merci Cherie"-Version ist nicht sonderlich originell. Schade, der Meister hat öfter mal den (von Udo Jürgens selbst nicht auf CD erhältlichen) Song "Der Mann mit der Mütze" bei Live-Konzerten gecovert – der Song hat es auch beim Meister bislang nicht auf CD geschafft. In dem Punkt könnte er sich vom Kollegen Dieter Thomas Kuhn eine Scheibe abschneiden, dessen "Und dann sagt man sich goodbye" ja für Udo-Fans eine echte Überraschung war.

Schlusspunkt der CD ist eine sehr witzige Version des Eurovisions-Hits des Meisters, "Guildo hat euch lieb", das mit dem Klassiker "Danke für diesen guten Morgen" beginnt und mit dem Sinatra-Klassiker "New York, New York" endet.

"Das ist kein Schlagerscheiß – das ist mein Leben!" – mit dieser "Lesung" schließt der Meister sein Album, und man nimmt es ihm ab. Schön wäre, wenn irgendwann mal wieder eine CD herausgebracht würde, in der auch unbekanntere, aber hörenswerte Klassiker in der unnachahmlichen orthopädischen Art bearbeitet würden.

Wer ein Freund davon ist, musikalisch Zitate anderer Songs zu hören, die man nicht vermuten würde und wem ein ordentlicher, durchdachter Schluss eines Songs allemal lieber ist als ein langweiliges Fade Out, der dürfte an der aktuellen CD des Meisters seinen Spaß haben.

Stephan Imming, 27.01.2015

http://www.guildo-horn.com/index.php

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