ANDREAS MARTIN
Die CD "Balladen" (DA Records / DA Music) im Test von Holger Stürenburg!

Das Album ist seit Freitag (31.10.2014) im Handel erhältlich! 

2015 ist es nun schon ganze 35 Jahre her, dass der im nordrhein-westfälischen Neunkirchen im Rhein-Sieg-Kreis ansässige Sänger und Songschreiber ANDREAS MARTIN schüchtern und betulich und trotzdem mit bereits damals so sonorer, wie energiegeladener Stimme seine erste deutschgesungene Single „Wenn Du weinst“ bei Dieter Thomas Heck in dessen legendärer „ZDF-Hitparade“ vorstellte. Seitdem ist eine ganze Menge Wasser den Rhein herab geflossen und der langmähnige, heute knapp 62jährige gilt längst als einer der bodenständigsten, ehrlichsten und fleißigsten einheimischen Interpreten, dessen stilistisches Terrain hauptsächlich zwischen romantischem Schlager, kessem, tanzbaren Discofox und gehobener deutscher Popmusik von internationalem Format zu finden ist.

Da Andreas zwischen 2002 und 2006 bei der Diepholzer Schallplattenfirma DA Music unter Vertrag stand, war es für die dortigen Verantwortlichen ein Leichtes, im Rahmen ihrer sehr erfolgreichen, inzwischen über zehnteiligen CD-Serie „Balladen“, die u.a. in den vergangenen Jahren schon Kompilationen mit ruhigeren Liedern von z.B. Michael Holm, Wolfgang Petry, Drafi Deutscher oder Juliane Werding hervorgebracht hat, auch eine Silberscheibe mit gezügelteren, bedächtigeren Klängen von Andreas Martin zusammenzustellen.

„Andreas Martin – Balladen“ (DA Music) liegt nun vor und präsentiert einen über weite Strecken gänzlich anderen Andreas Martin, als den, den wir zuletzt, überwiegend im rhythmusbetonten Disco-Fox-Kontext, zu hören bekamen. Allseits geläufige 80er-Jahre-Gassenhauer a la „Amore Mio“, „Du bist alles (Maria, Maria)“ oder „Nur mit Dir“ fehlen auf der 15-Titel-Sammlung ebenso vollständig, wie die knackigen Foxschlager-Epen neueren Datums der Sorte „Ich fang Dir den Mond“ oder „Du, ich mal Dir ein Bild“ keine Verwendung fanden.

Stattdessen legten die DA-Mitarbeiter bei der Titelauswahl das ausschließliche Augenmerk auf diejenigen Lieder von Andreas Martin, die – wie es bei Udo Jürgens einst so schön hieß – stets einwenig „im Schatten“ standen, die einen sehr nachdenklichen, oft in sich gekehrten Künstler zeigen und weniger zum lauten, jubelnden Abfeiern, denn zum emotionalen, eingehenden Nachempfinden geeignet sind.

So hören wir auf „Balladen“ die – wie schon die Albumbetitelung sagt – interessantesten, tiefsinnigsten und oft textintensivsten Schleicher, die Andreas zwischen 1992 und 2014 so aufgenommen hat, wobei natürlich solche balladesken Beiträge, die auf den beiden seinerzeit bei DA erschienenen CDs erstveröffentlicht wurden, den mehrheitlichen Teil der auf hier analysierter CD verkoppelten, eher gemächlichen Popperlen ausmacht.

Los geht’s mit zwei Titeln aus der 1992 bei SONY erschienenen LP „Verbotene Träume“, die von DA für diese äußerst ansprechende Kompilation anlizenziert werden konnten: Der langjährige Howard-Carpendale-Intimus Joachim Horn-Bernges hatte in jenen Tagen für den sympathischen Neunkirchner zwei so bombastische, wie düster-schwebende Synthesizer-Epen in dem ihm ureigenen Stil geschrieben, die daraufhin gerade durch Andreas‘ getragen-dunkles Timbre ein spezifisches, nahezu edles Flair verliehen bekamen. Dabei handelt es sich zunächst um das aussichtslose Beziehungsdrama „Nikita und John“, das von einer durch den alles trennenden Eisernen Vorhang zerstörten Liebe zwischen dem US-Amerikaner „John“ und der Sowjetrussin „Nikita“ erzählt, wobei der Text bzw. der darin ausgedrückte Plot jedoch oft einwenig wirr, zumindest recht irrational zusammengeklaubt wirkt. Ich habe diese markwürdigen Reime zum Erscheinungsdatum von „Nikita und John“ 1992 nicht verstanden und es fällt mir auch 22 Jahre später schwer, Sinn und Zweck des Gesungenen zu erfassen und einzuordnen.

Es folgt die musikalisch weitaus hoffnungsvoller und offensiver ertönende, dabei inhaltlich durchaus realistisch abgeklärt und melancholisch-liebevoll rückschauend ausgestaltete, anfangs zurückhaltend, dann nach und nach vollmundiger arrangierte Synthi-plus-Rhythmusgitarren-Mixtur „Mehr als Sehnsucht“, die im Sommer 1992 immerhin einen ehrwürdigen Rang 63 in den ansonsten von Dancefloor-Chaos a la „Snap“ oder pampigem Möchtegern-Reggae der Sorte „Inner Circle“ versauten einheimischen „Top 100“ der „Media Control“ zu erreichen vermochte.

Die enorm still, gelinde und verträumt beginnende, erst später spürbar rockig-poppig aus sich herausbrechende Pianoballade „Mag sein“ entstammt Andreas‘ aktueller Ariola-Scheibe „Für Dich“, woran der idyllische und dennoch merkbar treibende, aufstrebende, gar hintergründig rockende Edelschlager „Schwerelos und Himmelweit“ anschließt, vom Interpreten selbst komponiert und entnommen der 2012er-Ariola-Veröffentlichung „Kein Problem“. Ebenfalls im Repertoire jener Top-40-Produktion, hatte die so verregnet-verhaltene, Vergangenes reflektierende, in Gedanken versunkene, wie gleichsam hoch emotionale, liebenswert grazile und überaus erwartungsvolle Sehnsuchtsbekundung „Bis hierher und für immer“ ihren Ursprung.

Einen nächtlichen Großstadtspaziergang mitsamt des unerwarteten Kennenlernens einer tollen Frau im örtlichen Hardrock-Café, die dem hingerissenen Protagonisten jedoch nur eine einzige Nacht lang alle Liebe dieser Welt schenkt, ohne dass er sie jemals wieder sehen würde, schildert der so gedämpfte, wie eindrucksvolle, außerordentlich authentische Gitarrenschlager „Einmal Liebe“, der aus Andreas‘ gefeiertem ARIOLA-Einstieg „100 Prozent Sehnsucht“ aus dem Frühjahr 2007 hervorgegangen ist.

Aus dem hauseigenen Repertoire von DA-Music wurde für hier vorgestellte Silberscheibe „Wenn die Liebe stirbt“ herausgesucht, eine wiederum selbstkomponierte, allerdings eher konventionell inszenierte und dennoch, alleine schon durch Andreas’ innige Darbietung, keineswegs langweilig oder gar unnötig erklingende Schlagerballade, die 2003 auf dem DA-Debüt „Niemals zu alt“ erstmals zum Einsatz kam. Durchaus fragil, in gewisser Hinsicht erschrocken und ängstlich, von Gefühlen innerlich gequält, berichtet das dämmrige Synthichanson „Eiszeit“ (2003) von einer ebensolchen Endphase einer auseinanderbrechenden Beziehung zweier einst so heißverliebter Menschen.

Aus Andreas‘ zweitem DA-Album „Wir leben nur einmal“ (2007) stammt die wiegende, zutiefst melodische, gleichsam extrem energetische, mitfühlende Sozialstudie „Tränen der Nacht“, die in ihrem von Starlyriker Dr. Bernd Meinunger mit viel Einfühlungsvermögen ersonnenen Text über eine gedemütigte Frau sinniert, die von ihrem Partner oft schlecht behandelt, gar geschlagen wurde, und, nachdem sie eines Tages ein allerletztes Mal diese aus dieser Schmach resultierenden „Tränen der Nacht“ geweint hatte, auf einmal mutig aufstand, Haus und Mann verließ, um jenseits aller Pein und Gewalt, in ein neues Leben zu starten.

Sommerlich-jazziges, knisternd-verliebtes, zugleich zickig-erotisches Ambiente verstrahlt der milde, überwiegend von so flirrenden, wie verspielten Akustikgitarren geprägte Radikalohrwurm „Sag mir bitte wie“, ebenfalls aus „Wir leben nur einmal“ (2007).

Für Altmeister Roger Whittaker und dessen 1991er-Hit-LP „Mein Herz schlägt nur für Dich“ hatte Andreas Martin, seinerzeit im Verbund mit Co-Komponist Francesco Bruletti und Texter Dr. Bernd Meinunger, die schier brillante, erste Singleauskoppelung „Sag ihr“ geschrieben. In diesem wundervoll melodischen, immens eingängigen Edelschlager drehte es sich um einen verlassenen, enttäuschten Mann, der seine Liebste an einen früheren guten Freund verloren hatte. Mittels dieses Liedes, richtete der Protagonist ein paar gewählte Worte an diesen einstigen Kumpel, ohne diesem bzw. womöglich gar sich selbst gegenüber, jedoch eingestehen zu wollen, seine frühere Partnerin immer noch zu lieben: „Sag Ihr / ich will sie gar nicht mehr / Spiel das Spiel / nicht mehr / wenn ich an sie denk‘ / dann fühl‘ ich gar nichts mehr…“, um dann seinen gesungenen Brief an den Nebenbuhler niederschmetternd zu beschließen: „Nur sag ihr bloß nie / dass ich sie liebe“.

Genau desselben Themas nahm sich Andreas 2003 auf seiner DA-CD „Niemals zu alt“ erneut an, diesmal jedoch selbst als vortragender Künstler. Er ersann, zusammen mit Adam Schairer („Adam & Eve“), eine brandneue Melodie – und wiederum fand Dr. Bernd Meinunger, der diese Problematik schon für Rogers genannten Ohrwurm lyrisch aufbereitet hatte, die stets genau passenden, aber keinesfalls von Rogers „Sag Ihr“-Auslegung aus 1991 nur uninspiriert kopierten Reime. So nennt sich Andreas‘ diesbezügliche Stellungnahme zwar gleichsam „Sag ihr“, aber die trotzige, am Ende dann jedoch betörend offene, diesmal von der Intention her anders gewichtete Botschaft an den neuen Liebhaber der Ex-Freundin besteht nun aus den Refrainzeilen: Sag Ihr / Mir geht es unheimlich gut allein / Sag Ihr / Ich fühl mich grenzenlos frei / Lauf keinen Träume mehr hinterher / Genieße Sommer Wind und Meer / … Sag Ihr / Sie fehlt mir so sehr“.

Ebenfalls erstmals auf „Niemals zu alt“ zum Zuge kam der soft-wehende, zumindest in musikalischer Hinsicht behutsam, fast luftig-leicht umgesetzte, textlich dagegen vielmehr sehr ernsthafte, wehmütige, chansonähnliche Abschiedsgruß „Ist wirklich alles vorbei?“, während der locker-flockige, gemütlich vor sich hin perlende Synthi-Schlager „So wie früher“ (2005) eine so augenzwinkernde, wie liebevolle Reminiszenz an die wilde Ära von Flowerpower, „Love & Peace‘ und Revolutionsträumen Ende der 60er Jahre darstellt.

„Glaub mir“ schleicht daraufhin eher plätschernd und träge aus den Boxen; einer der nur ganz vereinzelt auf „Balladen“ vorzufindenden Beiträge, die einer erneuten Ausgrabung für diese aktuelle Verkoppelung nicht unbedingt bedurft hätten, bevor der kurz nach dem Millennium, zunächst als Single, und 2001 dann auf der beim Na-Klar!-Label erschienenen CD „C’est la Vie“ erstmals bedachte, überaus hoffnungsfrohe, vor Erwartungsfreude nur so strotzende, schlicht genüsslich-gemütlich, sogar einwenig winterlich-festlich daherkommende Feudal-Pop-Schlager „Du bist wieder da“ diese zumeist sehr wohlschmeckende und mit viel Leidenschaft und Sachkenntnis zusammengestellte Sammlung machtvoll zu Ende gegen lässt.

„Balladen“ vermittelt einen nicht perfekten, aber durch und durch gut überlegten und geschmacklich meist den Kern der Sache hervorragend treffenden Überblick über viele  zwar weniger bekannte, aber dadurch keineswegs uninteressante oder gar vergessenswürdige, meist langsame, stille, ruhige Songperlen aus der nun schon bald 35jährigen Karriere des unverwüstlichen Andreas Martin. Dass diese Werkschau ausschließlich Lieder der Jahre 1992 bis 2014 repräsentiert und keinerlei Hinweis auf Andreas‘ früheste Erfolge aus den 80er Jahren – hier hätten sich die zeittypischen Synthi-Oden „Bittersüß“ (1981), „Der Himmel kann warten“ (1984) oder „Herz an Herz“ (1998) stilistisch gut ins Programm eingefügt -, ist zwar musikgeschichtlich bedauerlich, mindert aber zu keinem Zeitpunkt die meist wahrhaft starke Qualität der ausgewählten Titel, deren konsequente und stilistisch passende Zusammenführung auf vorliegender CD „Balladen“ aus rechtlichen Gründen – immerhin finden sich hier Produktionen von vier verschiedenen Labels, d.h. neben DA Music, auch Material von SONY, Na klar! und Ariola, die heutzutage jedoch alle von der Mutterfirma SONY verwertet werden – sicherlich nicht allzu einfach vonstattenging!
Wer tiefer in das umfangreiche kreative Schaffen des Andreas Martin einsteigen möchte und wer gehobene deutsche Popmusik, auch jenseits von lauter Discoparty, stampfendem Fox-Flair und wilder Schlagerfete, gerne hören, genießen und auf sich wirken lassen mag, dem sei die – noch dazu kostengünstige – DA-Liedsammlung „Balladen“ jederzeit ans Herz gelegt!

Holger Stürenburg, 31. Oktober 2014 bis 01. November 2014 (Textvorlage)

http://www.andreasmartin.de

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