"EUROVISION SONG CONTEST 2015"
Nachbetrachtungen – von Stephan Imming!

Nach dem ESC ist vor dem ESC…! – Ein paar statistische Daten zum vorgestrigen Abend (23.05.2015)…:
 

– Bislang war Norwegen alleiniger "Rekordhalter" – vier mal hat das Land es geschafft, null Punkte zu erreichen. (1963, 1978, 1981, 1997).

 

– Der Rekord wurde vorgestern von Österreich geknackt, auch diese Nation war nun vier mal mit null Punkten im Wettbewerb vertreten (1962, 1988, 1991 und 2015).

 

– Deutschland hat sich dank des vorgestrigen Ergebnisses direkt dahinter geschoben – zum dritten mal nach 1964 und 1965 gelang es, eine Nullnummer abzuliefern – damit ist Deutschland nun gleichauf mit Finnland (1962, 1965, 1982), Spanien (1962, 1965, 1983) und der Schweiz (1964, 1967, 1998).

 

– Das letzte Mal, dass es überhaupt die Null-Punkte-Wertung gab, kam 2003 vor – Großbritanniens "Cry Baby" von Jemini bekam null von 300 möglichen Punkten – es war bis dato die niedrigste ESC-Platzierung aller Zeiten. Seit vorgestern haben Ann Sophie und die Makemakes aus Österreich diesen Rekord geknackt – 0 von 468 Punkten zu erreichen, ist historich.

 

– Das "Douze Points"-Punktevergabe-System existiert seit 1975. Seitdem es dieses Punktevergabe-System gibt, hat Deutschland immer wenigstens einen Punkt erhalten – bis vorgestern.

 

(-> Bei o. g. Betrachtungen wurden jeweils die Final-Shows zugrunde gelegt).

 

Man fragt sich nun – woran könnte das gelegen haben?

 

– Erfolgreich oder zumindest ohne Debakel lief es, wenn man sich externer Hilfe bediente. Parade-Beispiel ist Stefan Raab, dessen Beiträge nie komplett Schiffbruch erlitten. Aber auch die Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Infratest, die der Bayrische Rundfunk in den 80er Jahren erfolgreich praktizierte, hat sich sehr bewährt.

 

– So souverän Barbara Schöneberger auch die Vorentscheidung moderierte – nach dem ESC mutmaßte sie (- wenn auch sicher augenzwinkernd -), dass Schweden nur deshalb gewonnen habe, weil es wohl eine Art Rotations-Prinzip gebe und Deutschland ja kürzlich erst gewonnen habe. Dass der letzte Sieg Deutschlands 2010 war, der letzte Schwedens 2012, hatte sie wohl nicht auf dem Schirm. So ein bisschen Beschäftigung mit der Materie wäre da schon wünschenswert.

 

– Noch fragwürdiger ist die Zusammensetzung der "Fachjury", die sich zwar ohnehin immer gerne bis auf die Knochen blamiert – aber manchmal wenigstens den einen oder anderen ESC-Experten beinhaltete. In diesem Jahr bestand sie aus Leslie Clio (deutsche englisch singende Pop-Sängerin), Johannes Strate (Sänger der Rockband Revolverheld), Ferris MC (deutscher Rapper), Swen Meyer (Musikproduzent) und Mark Foster (Sänger).

 

– Vielleicht liege ich falsch – aber warum holt man lieber einen Rapper, der vor zehn Jahren mal einen Hit hatte, oder eine Sängerin, die noch nie in den Single-Top 20 war, in die Jury – und warum hat niemand von diesen Leuten irgendeinen ESC-Bezug? Wenigstens einen Alibi-Experten der Marke Jan Feddersen oder Irving Wolther oder einen "Alt-Veteranen" Marke Mary Roos hätte man doch mit ins Boot holen können. Ich beantworte mir die Frage mal selber: Verantwortlich sind NDR-Mitarbeiter, die null Ahnung vom ESC haben und keinen Bock auf die Veranstaltung und einen "auf modern" machen, indem sie sich den nächstbesten Rapper und einen Top-10-Interpreten an Land ziehen.

 

– Auch die Zusammensetzung der deutschen Vorentscheidung ist dubios. Früher konnte man ansatzweise darin ein Konzept erkennen (z. B. die erfolgreichsten Produzenten oder Komponisten der letzten Jahre durften teilnehmen) – inzwischen lautet das Rezept – man nehme ausgediente Casting-Leute der Privatsender, die englisch singen müssen, ein paar Nachwuchs-Interpreten und Leute, die von ihren Plattenfirmen zu Promo-Zwecken geschickt werden. – Umgekehrt haben Leute, die mit Leidenschaft gerne dabei wären, keine Chance. Und deutscher Schlager ist absolutes No Go, ein Tabu – da holt man sich lieber die nächste Total-Klatsche.

 

– Im vergangenen Jahr gewann Österreich mit einem Lied, das zumindest u. a. von einem DEUTSCHEN komponiert wurde (, auch wenn zugegebenermaßen im vergangenen Jahr nicht das Lied, sondern der Bart gewann) – warum schickt man zum ESC nun schon zum wiederholten Male eine Nummer ins Rennen, die von internationalen Schreibern geschrieben wurde?

 

Lösungsansätze

 

– Das größte Problem liegt meines Erachtens darin, dass die Verantwortlichen sich nicht wirklich mit dem ESC auseinandersetzen können oder wollen. Die exorbitant hohen Einschaltquoten zwingen sie aber, das Spektakel weiter zu betreiben – hier kann man nicht (wie beim Thema deutschsprachige Musik im Radio) sich hinter dubiosen manipulierten Umfragen verstecken – die Einschaltquote spricht nun mal Jahr für Jahr eine eindeutige Sprache. Sinnvoll wäre daher, sich wieder einen externen Berater zu holen, der sich sowohl mit dem Musik-Business als auch mit dem ESC nicht nur auskennt, sondern auch voll identifiziert. Ich gebe zu, dass mir auf Anhieb kein anderer Name als Stefan Raab einfällt. Sollte der nicht zur Verfügung stehen, müsste es aber ein Name dieses "Kalibers" sein. Eine andere Alternative wäre, die federführende Sendeanstalt zu wechseln, wie das ja schon früher öfter mal geschehen ist.

 

– Im Idealfall sollte der Vertreter Deutschlands nicht irgendein Nachwuchssänger oder ehemaliger gescheiterter Casting-Kandidat sein, sondern ein populärer Sänger (oder Sängerin bzw. Gruppe). Die Diskussion ist sicher nicht neu, die gab es schon vor Jahrzehnten. Es ist leider normal, dass große Stars sich dem Wettbewerb in der Regel nicht stellen – ein Herbert Grönemeyer oder eine Helene Fischer wird den Mut wohl nicht aufbringen, am ESC teilzunehmen. Aber ein Mark Foster hätte vielleicht "verpflichtet" werden können – da hätte er sich in meinen Augen besser einbringen können als in seiner Funktion als Juror.

 

– Ebenso wichtig ist es, einen guten Komponisten zu finden, der das Lied auf den Kandidaten zuschneidet. Idealerweise identifiziert sich der Autor auch mit dem Wettbewerb und will ihn nicht nur zu Promo-Zwecken nutzen, sondern vielleicht auch zu einem winzigen Teil aus idealistischen Gründen. Auch hier ist Stefan Raab ein Name, der mehrfach gezeigt hat, dass man damit erfolgreich sein kann. Selbst ein Ralph Siegel ist in meinen Augen besser als irgendwelche britischen Song-Schreiber, die einen Schubladen-Song rauskramen (- auch wenn er für San Marino ebenfalls durchfiel  – aber da waren die Kandidaten wohl noch zu jung und unerfahren aus meiner Sicht -).

 

– Es wird viel zu wenig Wert auf nationale Authentizität gelegt. Italien hat vorgestern gezeigt, dass man es auch mit einem Song in Landessprache weit bringen kann, wenn man mal mutig ist und nicht den üblichen Einheitsbrei bringt. Deutschland hat mit dem gegenteiligen Konzept vorgestern Schiffbruch erlitten – "Black Smoke" hätte so gut wie von jeder anderen Nation dargebracht werden können.

 

– Es gab Nationen, die sich nach so einem Debakel zumindest temporär zurückgezogen haben. Das ist in meinen Augen ein falscher Ansatz, weil das katastrophale Abschneiden selbst verursacht und vorhersehbar war. Die Devise muss lauten "Mund abwischen und weitermachen!" – wie Oliver Kahn es einst mal beschrieb – vielleicht heißt es dann ja dann bald wieder – um ihn erneut zu zitieren: "Da ist das Ding!".

Stephan Imming, 24.05.2015
http://www.eurovision.tv
http://www.eurovision.de

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