CHRISTIN STARK
smago! CD-Kritik: Christin’s neues Album ist RICHTIG „Stark“!
Nach zehn Jahren „Schlager“-Karriere hat sie ihren Weg gefunden …:
Über zehn Jahre ist es her, dass eine gewisse CHRISTIN STARK bei einem Bremer Schlager-Nachwuchswettbewerb teilnahm und prompt gewann. Das gab der quirligen Lady den Antrieb, professionell Musik zu machen – seitdem lebt die Sängerin von der Musik, wobei sie sich anfangs allerdings mit Nebenjobs über Wasser halten musste, beispielsweise als Hairstylistin.
Das Thema „verbotene Liebe“ ist spätestens seit „Warum hast du nicht nein gesagt“ im Schlager kommod geworden. Das Opener von „Stark“, „Spinnst du?“, erzählt von diesem Spiel mit dem Feuer, dem Kampf des kühlen Verstands gegen heiße Gefühle. Diese große Sehnsucht kommt im Text von Alexander Scholz zum Tragen – die Seele und auch das Herz schreien Christin an: „Spinnst du?“ im Sinne von „Tu es nicht!“. Ein echter Gitarren lastiger Kracher eröffnet das Album. Die kommerziell produzierte Nummer fungiert als zweite Singleauskopplung aus dem Album und könnte insofern bei der Schlagerlovestory präsentiert werden.
Mit Justin Balk schrieb Matthias Reim ein anspruchsvoll komponiertes Lied, bei dem sogar Pianotöne zu hören sind, die Gitarren aber weiter im Vordergrund stehen. „Mit dir, da bleibt es nicht bei einem Kuss“ – bei CHRISTIN herrscht „Totaler Alarm“ im zweiten Song. Auch bei Tempo 210 gehen bei der blonden Schönheit die Lampen an, auch wenn die Freunde sie gewarnt haben – sie braucht eben, wenn man dem Lied glauben darf – „die harte Tour“. Dafür ist Matthias Reim offensichtlich genau der Richtige.
„Die besten Träume“ sterben jung, meint CHRISTIN in ihrem dritten erneut rockig gehaltenen Song und blickt auf ihr teils „viel zu wildes Leben“ zurück, wobei sie „es immer wieder tun“ würde. Sie würde es aber immer wieder tun – bei diesem anspruchsvollen etwas mystisch angehauchten Song wird die Sängerin stimmlich in den hohen Lagen gefordert.
„Keine Panik“ ist ein mehr als typischer Reim-Song, der auch gut auf ein Album wie „MR20“ gepasst hätte. Die Chorstimme im Refrain passt sehr gut zum Song. Reim-typisch sind ausgedünnte Strophen, während der Chorus mit dem Gitarrenpfund wuchert. Inhaltlich steht diesmal das Gefühl der Eifersucht im Vordergrund. Das „Stechen in der Brust – wie heiße Splitter in der Seele“ ist kein gutes Gefühl – Klaus Lage hätte gesagt: „Eifersucht ist Marterpfahl“. Christin will ihn „nicht an sie verlieren“.
Die erste Vorabauskopplung des Albums ist der Kracher „Komm nie wieder“, mit dem CHRISTIN schon beim 1. Teil der Silbereisen XXL-Schlagerfest-Tour zu brillieren wusste. Auch diesmal steht die Eifersucht im Fokus des von Alexander Olivari geschriebenen Liedes, das diesmal aber eine ungewohnte Wendung nimmt: „Komm nie wieder… auf so ’ne blöde Idee“, bittet CHRISTIN – wissend, dass das Gefühl der Eifersucht ja durchaus eine Facette der Liebe ist.
Sehr mutig ist das Lied „Willst du darüber reden?“, in dem es um häusliche Gewalt geht – keine leichte Kost, kein typisches Schlagerthema. Mit Worten wie „Dieser Mann ist ein Tier“ und „Morgen zeigst du ihn an“ reißt CHRISTIN STARK hier inhaltliche Schlagergrenzen ein – aber letztlich ist leider auch das Thema Gewalt eine Facette des realen Lebens. Mit „Der fasst dich nie wieder an, das schwör’ ich dir“ gibt es zumindest einen Trost, dass eine beste Freundin hilfreich dabei sein kann, aus der Gewaltspirale zu entkommen.
„Wir wollten uns doch nicht verlieben – hey, das war doch unser Deal“ – ein beliebtes Schlagerthema greift CHRISTIN mit diesem Lied auf. Anders als im ersten Song des Albums geht sie offensichtlich diesmal ihren Gefühlen nach – eine „kleine Affäre“ in „Zimmer 108“. Was eigentlich als „Spiel“ gedacht war, wird dann doch anscheinend ernster – anders als im „Deal“ vereinbart.
Nach seinen sehr erfolgreichen Duetten mit MICHELLE singt MATTHIAS REIM nun mit seiner Lebenspartnerin ein Lied – er „geht ihr jetzt ins Netz“, weil sie „ihn Schachmatt gesetzt hat“. Aber auch sie „verliert die Kontrolle“. Während er mit MICHELLE eher auf Uptempo-Nummern setzte, geht es in der Ballade „Sich verlieben“ um die ersten „magischen Momente“ des Kennenlernens – sicher ein Highlight des Albums. Vielleicht beschreibt das Liebeslied ja sogar das Kennenlernen von CHRISTIN STARK und MATTHIAS am Rande einer Schlagerveranstaltung im Jahr 2013 – wobei die Liebe dann Ende 2013 von der BILD-Zeitung öffentlich gemacht wurde.
„Das könnt’ ihr Vater sein – sie ist scharf auf seine Kohle und er nicht gern allein“ – so wie der Song „Das kann ich ab“ anfängt, hört sich das an, als würde CHRISTIN aus ihrem Leben (mit MATTHIAS REIM) berichten – erst recht die Quintessenz „Du und ich sind Rock’n’Roll“ spricht dafür. Eine schöne Uptempo-Liebeserklärung – rockig und live sicher sehr gut umsetzbar. „Lass sie reden, mir egal“ sagt Christine in bester ELOY-Manier („Egal, was andere sagen“). Richtig toll ist die augenzwinkernde Überlegung kurz vor der Modulation, dass Christin Verständnis für die kritischen Skeptiker hat, weil sie selbst das auch komisch fände – klasse, diese Selbstironie!
Ein Liebeslied über die Liebe ist „Love“, eine weitere Ballade des Albums, deren Text („Sie ist nicht beweisbar und doch wird sie doch bewiesen“) diesmal selbst (mit) geschrieben hat – ein Lied über „ein Gefühl, das jeder kennt“. In bester Rosenberg-Manier erfahren wir: „Love – kann so weh tun“. Ein echter Gänsehaut-Song, der stilistisch auch jedem Kuschelrock-Sampler gut stehen würde. Nachdenklich überlegt Christin, warum bei fehlender Erwiderung das „Gefühl ins Gegenteil“ umschlagen kann. Ein weiteres Lied aus dem Leben!
Mit „Lara Jane“ packt CHRISTIN STARK ein weiteres heißes Eisen an. Hier geht es offensichtlich um „Schnee“, der konsumiert wird – also nicht um den Winter, sondern um Drogen. Das Geld dafür wird offensichtlich durch „Anschaffen“ der Protagonistin „Lara Jane“ verdient. Das „weiße Gold“ ist nicht das, was in Coronazeiten als solches bezeichnet wird, sondern eben Kokain – „für Geld tut sie, was gefällt“. Christin warnt: „Du gehst dabei noch drauf!“.
Mit einem an AC/DCs „Thunderstuck“ erinnernden Intro präsentiert CHRISTIN ihren ersten Erfolgs-Hit in einem Remake: „Ich nicht!“ wurde im Status-Quo-Sound neu aufgenommen. Mit diesem Song plädierte CHRISTIN schon 2016 dafür, nicht auf „gute Ratschläge“ von Freunden zu hören, wenn es um Beziehungen geht. Die Devise lautet: Dem eigenen Herzen folgen – und das Risiko in Kauf nehmen, eventuell scheitern zu können. Immerhin geht es ja schon seit einigen Jahren gut – auch 2020 hat der Song von 2016 noch Bestand. Christin Stark – die „Doro Pesch“ (Ex-Warlock) des Schlagers?
Mit ihrem vierten Album „Stark“ ist CHRISTIN STARK, so hat es den Anschein, angekommen. Sie hat ihren Stil gefunden. Ganz offensichtlich stark beeinflusst von ihrem Mentor und Lebensgefährten MATTHIAS REIM setzt sie auf eingängige Rockmusik und bedient sich dabei einer Alltagssprache – genau so, wie wir das von MATZE kennen. Und das ist keine Kritik, sondern ein Lob – diese Schlagerschiene wissen nur wenige Stars authentisch zu besetzen, CHRISTIN STARK ist dieses Kunststück mit ihrem neuen Album „Stark“ definitiv gelungen.
Textquelle: smago!